Durale arteriovenöse Fistel im Gehirn: Ursachen, Symptome und Behandlung

Eine durale arteriovenöse Fistel (dAVF) im Gehirn ist eine erworbene Gefäßmissbildung, bei der eine abnormale Kurzschlussverbindung zwischen Arterien und Venen in der harten Hirnhaut (Dura mater) entsteht. Diese Kurzschlussverbindung führt dazu, dass arterielles Blut mit hohem Druck direkt in die venösen Blutleiter fließt, was zu einer Reihe von Symptomen und potenziellen Komplikationen führen kann.

Was ist eine durale arteriovenöse Fistel (dAVF)?

Eine durale arteriovenöse Fistel (dAVF) ist eine abnormale Verbindung zwischen Arterien und Venen in der Dura mater, der äußeren Membran, die das Gehirn und das Rückenmark umgibt. Normalerweise fließt Blut von den Arterien zu den Kapillaren, wo Sauerstoff und Nährstoffe an das Gewebe abgegeben werden, und dann zu den Venen, die das Blut zum Herzen zurücktransportieren. Bei einer dAVF umgeht das Blut die Kapillaren und fließt direkt von den Arterien in die Venen.

Infolge dessen fließt das Blut mit arteriellem Druck in die venösen Blutleiter und kann je nach Lokalisation und Ausmaß der Fistel zu einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome führen.

Ursachen von dAVF

Die genauen Ursachen für die Entstehung von dAVF sind nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass sie erworben sind und durch eine Veränderung im arteriovenösen Druckgradienten der Dura mater entstehen. Einige Risikofaktoren, die mit der Entwicklung von dAVF in Verbindung gebracht werden, sind:

  • Venöse Hypertension
  • Sinusthrombosen (Verschlüsse der venösen Blutleiter im Gehirn)
  • Schädel-Hirn-Traumata
  • Virale Infektionen
  • Transkranielle neurochirurgische Eingriffe
  • Erhöhte systemisch-thrombotische Aktivität (z.B. während der Schwangerschaft, in der Menopause oder bei Patienten mit Thrombophilie)

An der Schädelbasis können sog. direkte Fisteln als Folge eines Traumas z.B. durch Sturz oder Verkehrsunfall hervorgerufen werden. Indirekte Fisteln lassen sich anhand der Vorgeschichte oder auch anhand des angiografischen Befundes manchmal auf eine Thrombose der venösen Blutleiter zurückführen. Oft ist es jedoch nicht sicher möglich, die Ursache zu bestimmen.

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Symptome von dAVF

Die Symptome einer dAVF können je nach Lokalisation, Größe und Drainage der Fistel variieren. Einige Patienten sind asymptomatisch, während andere eine Vielzahl von neurologischen Symptomen entwickeln. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Pulsierender Tinnitus: Ein pulssynchrones Ohrgeräusch, das durch den erhöhten Blutfluss in den Gefäßen in der Nähe des Ohrs verursacht wird. Die häufigste Lokalisation ist ein Blutleiter, der an der Schädelbasis in der Nähe knöcherner Strukturen verläuft, die das Mittel- und Innenohr beherbergen.
  • Kopfschmerzen: Kopfschmerzen können infolge einer venösen Kongestion oder durch den gesteigerten Druck in der Dura entstehen. Sie können aber auch Ausdruck einer intrakraniellen Hypertension vergleichbar einem Pseudotumor cerebri sein.
  • Sehstörungen: Ein Rückstau des Blutes in die Venen der Augenhöhle kann zu Sehverschlechterung, Rötung und Schwellung der Bindehaut führen. Der fortschreitende Visusverlust entsteht durch ein Stauungsglaukom.
  • Neurologische Ausfälle: In schweren Fällen kann eine dAVF zu Schlaganfall, Hirnblutung, Krampfanfällen, Enzephalopathie (Hirnschädigung) oder Myelopathie (Rückenschädigung) führen.
  • Schwäche der Beine und vegetative Störungen: Sehr selten sind die Gefäße des Wirbelsäulenkanals von einer duralen AV-Fistel betroffen. Die Symptomatik wird dann abhängig von der Höhenlokalisation der Fistel und dem venösen Rückstau in das Rückenmark meist von einer langsam zunehmenden Schwäche der Beine und vegetativen Störungen dominiert (z.B. Beeinträchtigung des Stuhlgangs und der Blasenentleerung).
  • Exophthalmus, Chemosis, konjunktivales Ödem, Visusminderung und Doppelbilder: Klinische Leitsymptome bei einer Sinus-cavernosus-Fistel, die durch den Druckanstieg in den venösen Abflusswegen der Orbita hervorgerufen wird.

Diagnose von dAVF

Die Diagnose einer dAVF umfasst in der Regel eine Kombination aus neurologischer Untersuchung und bildgebenden Verfahren. Zu den häufigsten diagnostischen Tests gehören:

  • Magnetresonanztomographie (MRT): Eine MRT des Gehirns kann dilatierte Gefäße, verdickte Dura oder Hirnparenchymveränderungen durch venöse Hypertension zeigen. Die erweiterten Venen heben sich in den T2-gewichteten Sequenzen signalfrei gegen das Umgebungsgewebe ab. Venöse Ektasien können aufgrund von Flussturbulenzen ein inhomogenes Signal aufweisen.
  • Magnetresonanzangiographie (MRA): Eine MRA kann eine Seitenasymmetrie der duraversorgenden Gefäße und ein pathologisch vermehrtes Flusssignal innerhalb der duralen Blutleiter zeigen.
  • Computertomographie (CT): Ein CT wird zum Ausschluss beziehungsweise Nachweis einer Hirnblutung empfohlen.
  • Digitale Subtraktionsangiographie (DSA): Die DSA ist die Goldstandard-Methode zur Diagnose und Beurteilung von dAVF. Bei dieser Untersuchung wird ein Katheter in eine Arterie eingeführt und Kontrastmittel injiziert, um die Blutgefäße im Gehirn sichtbar zu machen. Die DSA ermöglicht es, die genaue Lokalisation, Größe und Drainage der Fistel zu bestimmen. Den Aussagen der Expertin zufolge ist die DSA bisher die einzige Methode, mit der sich die Gefährlichkeit einer Fistel sicher abschätzen lässt. Hierbei müssen alle hirn- und duraversorgenden Arterien selektiv dargestellt werden, um sowohl die arteriellen Zuflüsse als auch die venösen Drainagewege der Kurzschlussverbindungen und des Hirnparenchyms beurteilen zu können.

Klassifikation von dAVF

Die Klassifikation einer dAVF ist wichtig, um das Risiko von Komplikationen einzuschätzen und die geeignete Behandlung zu planen. Es gibt verschiedene Klassifikationssysteme, aber die am häufigsten verwendeten sind die Systeme nach Cognard et al. und Borden et al.

  • Cognard-Klassifikation: Diese Klassifikation basiert auf dem Muster der venösen Drainage. Typ I-Fisteln haben einen physiologisch orthograden venösen Fluss und eine vergleichsweise günstige Prognose. Das Risiko für intrakranielle Blutungen steigt von Typ IIb bis IV deutlich an; bei Fisteln vom Typ V besteht zusätzlich das Risiko für spinale Komplikationen. Kommt es zu einer Veränderung der venösen Drainage, ist der Übergang in ein höheres Stadium prinzipiell jederzeit möglich.
  • Borden-Klassifikation: Diese Klassifikation ist einfacher und unterteilt dAVF in drei Typen, basierend auf dem Vorhandensein oder Fehlen einer direkten kortikalen venösen Drainage.

Behandlung von dAVF

Die Behandlung einer dAVF zielt darauf ab, die abnormale Verbindung zwischen Arterien und Venen zu verschließen und den normalen Blutfluss im Gehirn wiederherzustellen. Die Behandlungsoptionen hängen von der Lokalisation, Größe, Drainage und Symptomatik der Fistel ab. Zu den gängigen Behandlungsverfahren gehören:

  • Endovaskuläre Embolisation: Dies ist die häufigste Behandlungsmethode für dAVF. Dabei wird ein Katheter in eine Arterie oder Vene eingeführt und bis zur Fistel vorgeschoben. Anschließend werden Embolisationsmaterialien (z.B. Flüssigkleber, Partikel oder Platinspiralen) in die Fistel injiziert, um diese zu verschließen. In Innsbruck wird besonders seit der Einführung des Onyx-Embolisates wenn möglich zunächst die endovaskuläre Therapie durchgeführt. Das Ziel der endovaskulären Therapie ist entweder die vollständige Ausschaltung der Fistel beziehungsweise die Überführung in einen benigen Fistelgrad. Eine Embolisation ist indiziert bei gefährlichen Fisteln, die ein hohes Risiko für Blutungen haben oder bei einer Fistel, die akut geblutet hat.
  • Mikrochirurgische Resektion: In einigen Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um die Fistel direkt zu verschließen oder zu entfernen. Die neurochirurgische Behandlung der Fistel mittels vollständiger Resektion des pathologischen Areals der Dura mater, eines Clippings oder einer endoluminalen Sinusabdichtung verspricht mit oder ohne vorangehende endovaskuläre Embolisation den größtmöglichen Therapieerfolg, beinhaltet aber auch die mit einer Operation in Vollnarkose verbundenen möglichen Komplikationen.
  • Stereotaktische Radiochirurgie: Diese nicht-invasive Behandlungsmethode verwendet hochdosierte Strahlung, um die Fistel zu verschließen. Die Radiochirurgie ist zwar sehr gut verträglich, aber als langfristige Behandlung allein nicht für Patienten mit Hirnblutungen oder gefährlichen Fisteln geeignet. Als Monotherapie kann die Strahlentherapie aber bei benignen arteriovenösen Durafisteln von Typ I und IIa in Frage kommen.

Besonderheiten bei Sinus-cavernosus-Fisteln

Sinus-cavernosus-Fisteln können durch eine Verletzung der Gefäßwand der A. carotis interna in ihrem intrakavernösen Verlauf entstehen. Ursächlich hierfür sind Traumen oder Rupturen kavernosaler Karotisaneurysmen. Diese Form der Fistel wird auch als direkte Sinus-cavernosus Fistel bezeichnet. Im Gegensatz hierzu wird bei einer sog. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer, bevorzugt postmenopausal.

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Bei einem klinischen Verdacht auf eine Sinus-cavernosus-Fistel ist eine MRT mit MRA und eine Messung des intraokulären Druckes indiziert. Spontanverschlüsse von duralen Sinus-cavernosus-Fisteln wurden in Einzelfällen beschrieben. Bei ausschließlich ophthalmischer Drainage bzw. Ableitung über den Sinus petrosus inferior kann die intermittierende digitale Kompression der ipsilateralen A. carotis zu einem Verschluss der Fistel führen. Die Indikation zur interventionellen Behandlung ist dringend gegeben, wenn eine Visusreduktion oder Doppelbilder auftreten. Therapie der Wahl ist ein endovaskulärer Verschluss des betroffenen Abschnittes des Sinus cavernosus, wobei eine Kombination aus Platinmikrospiralen und Flüssigembolisat zum Einsatz kommt.

Risiken der Behandlung

Die Behandlung von dAVF ist mit Risiken verbunden, die von der Art der Behandlung, der Lokalisation der Fistel und dem Zustand des Patienten abhängen. Zu den möglichen Komplikationen gehören:

  • Schlaganfall
  • Hirnblutung
  • Infektion
  • Neurologische Ausfälle
  • Komplikationen im Zusammenhang mit der Anästhesie

Fazit

Eine durale arteriovenöse Fistel (dAVF) im Gehirn ist eine seltene, aber potenziell schwerwiegende Erkrankung. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind wichtig, um Komplikationen zu vermeiden. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert, und viele Patienten können erfolgreich mit endovaskulären Techniken behandelt werden.

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