Assoziationsfelder des Gehirns: Aufgaben und Funktionen

Das Gehirn ist die oberste Schaltzentrale des Körpers und verarbeitet alle bewusst und unbewusst wahrgenommenen Sinneseindrücke. Es ermöglicht Integration und Koordination und ist somit essenziell für unser Denken, Fühlen und Handeln. Ein wichtiger Bestandteil des Gehirns sind die Assoziationsfelder, die eine entscheidende Rolle bei komplexen kognitiven Prozessen spielen.

Struktur des Gehirns

Das Gehirn lässt sich grob in folgende Hauptabschnitte unterteilen:

  • Prosencephalon (Vorderhirn):
    • Telencephalon (Großhirn): Großhirnrinde, subkortikale Kerne, limbisches System
    • Diencephalon (Zwischenhirn): Epithalamus, Thalamus, Hypothalamus, Hypophyse
  • Mesencephalon (Mittelhirn): Pedunculi cerebri, Tectum mesencephali
  • Rhombencephalon (Rautenhirn):
    • Metencephalon (Hinterhirn): Pons (Brücke) + Cerebellum (Kleinhirn)
    • Myelencephalon (Nachhirn): Medulla oblongata (verlängertes Mark)

Was sind Assoziationsfelder?

Assoziationsfelder, auch als Assoziationsareale oder Assoziationskortex bezeichnet, sind Bereiche der Hirnrinde (Neokortex), die keine eindeutigen sensorischen, sensiblen oder motorischen Funktionen aufweisen. Stattdessen integrieren sie das Zusammenwirken zwischen den einzelnen Sinnessystemen und den motorischen Arealen. Sie „assoziieren“ also Informationen aus verschiedenen Quellen, was für höhere kognitive Leistungen unerlässlich ist. Die Assoziationsfelder beider Seiten des Kortex sind miteinander mit motorischen und sensorischen Feldern, mit entspr. Arealen auf der gegenüberliegenden Seite und mit tieferen Teilen des Gehirns verbunden.

Die Informationsverarbeitung in den einzelnen Assoziationsarealen verläuft zumeist parallel (parallele Signalverarbeitung). So ist z. B. die visuelle Objekterkennung («Was ist das für ein Gegenstand?») eine Leistung der Assoziationsfelder des unteren Temporallappens. Die gleichzeitig ablaufende räumliche Lokalisation und Orientierung («Wo befindet sich und in welche Richtung bewegt sich der Gegenstand?») erfolgt dagegen in den parietalen (Wo?) und präfrontalen (Wohin?) Assoziationsfeldern, die zugleich auch die eigene visuell gesteuerte Greifbewegung (Auge-Hand-Koordination) kontrollieren (ventraler Pfad). Dagegen erfolgt die emot. Bewertung des gesehenen Gegenstandes («Wozu ist er gut?») in den assoziativ verknüpften Strukturen des limbischen Systems.

Entwicklung der Assoziationsfelder

Die Assoziationsfelder haben erst beim Menschen ihre außerordentlich starke Entwicklung erfahren. Dies ermöglicht uns komplexe kognitive Fähigkeiten wie abstraktes Denken, Sprache und Planung.

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Hauptassoziationsareale

Man unterscheidet drei Hauptassoziationsareale:

  1. Präfrontales Assoziationsfeld: Dieses Feld liegt vor dem motorischen Kortex im Stirnlappen (Lobus frontalis). Es steuert motorisch-motivationale Verhaltensweisen. Der präfrontale Cortex oder PFC fungiert als Sammel- und Integrationsstelle so ziemlich aller Informationen, die für die Beurteilung einer Situation von Bedeutung sind: Er erhält Signale aus der Außenwelt des Handballspielers sowie aus seiner Innenwelt, sprich: Er ist auch stets auf dem laufenden Stand über dessen Gefühle und Motivation. Der PFC evaluiert die Informationen, wählt aus der Fülle von möglichen Verhaltensweisen und Handlungsoptionen die richtige aus und unterdrückt die restlichen. Vermutlich ist der präfrontale Cortex auch der Gehirnteil, der beschließt, dass der Handballspieler in die rechte obere Ecke werfen wird - genau weiß man dies aber noch nicht, denn es könnten auch andere Areale oder ein ganzes Netzwerk beteiligt sein.
  2. Limbisches Assoziationsfeld: Dieses Feld liegt zwischen dem oberen Gyrus temporalis und dem limbischen Kortex. Hier werden primäre Gedächtnisfunktionen gesteuert. Es bildet die Grundlage für assoziative Funktionen wie Steuerung des affektiven Verhaltens, Emotionen, Lernen und Gedächtnis. Es beeinflusst darüber hinaus kortikale Aktivitäten und vegetative Funktionen.
  3. Parietal-temporal-okzipitales Assoziationsfeld: Dieses Feld liegt zwischen dem somatästhetischen und dem visuellen Kortex. Ihm sind vor allem sensorisch-kognitive Funktionen zugeordnet, wie die Steuerung komplexer sensorischer Reizverarbeitung, visuelle Aufmerksamkeit und räumliche Funktionen. Der posteriore Parietalcortex nimmt die Lage des Körpers im Raum wahr und richtet die Bewegung auf ein Ziel hin aus.

Der parietale Kortex, der über das eng mit ihm verbundene posteriore Striatum indirekt mit den präfrontalen Regionen verbunden ist, hat aufgrund seiner multisensorischen Integrationsfunktion auch als «Kommandozentrale» eine entscheidende Bedeutung für motivierte zielgerichtete Bewegungsabläufe. Ist der parietale Cortex geschädigt, wird das Handballspielen an sich so gut wie unmöglich: Ein Spieler könnte in dem Fall nicht mehr die vielen verschiedenen Reize, die auf ihn eindringen - seine Mitspieler, den Torwart, das Tor, den Ball, Zurufe, den Muskelkater und so weiter - gleichzeitig wahrnehmen, deren Bedeutung erfassen und in eine Bewegung umsetzen. Schafft er es dennoch zu werfen, würde er das Tor verfehlen: Patienten mit geschädigtem Parietalcortex schaffen es nicht einmal, Wasser aus einer Flasche in ein Glas zu gießen - selbst nach vielen Versuchen scheitern sie dabei: Es ist ihnen nicht möglich, gleichzeitig Flasche und Glas wahrzunehmen.

Zusammenspiel mit anderen Gehirnteilen

Die Assoziationsfelder sind Teile eines komplexeren Assoziationssystems, in das auch andere Gehirnteile, z. B. das limbische System, einbezogen sind. Die Assoziationsfelder beider Seiten des Kortex sind miteinander, mit motorischen und sensorischen Feldern, mit entsprechenden Arealen auf der gegenüberliegenden Seite und mit tieferen Teilen des Gehirns verbunden.

Funktionen der Assoziationsfelder im Detail

Die Assoziationsfelder spielen eine entscheidende Rolle bei einer Vielzahl von kognitiven Funktionen. Hier einige Beispiele:

  • Visuelle Objekterkennung: Die Assoziationsfelder des unteren Temporallappens ermöglichen es uns, Gegenstände visuell zu erkennen und zu identifizieren.
  • Räumliche Lokalisation und Orientierung: Die parietalen und präfrontalen Assoziationsfelder helfen uns, die räumliche Position von Objekten zu bestimmen und uns im Raum zu orientieren.
  • Aufmerksamkeit: Die Assoziationsfelder steuern unsere Aufmerksamkeit und ermöglichen es uns, relevante Reize aus der Umgebung auszuwählen.
  • Sprache: Die Assoziationsfelder sind essenziell für Sprachverständnis und Sprachproduktion. Die Sprache zählt beispielsweise zu den höheren kortikalen Funktionen. Sie wird durch komplexe Verschaltungen mehrerer Assoziationsareale erst möglich. Im Frontallappen befindet sich die sogenannte Brocasche Sprachregion, während sich im Schläfenlappen die sogenannte Wernickesche Sprachregion befindet.
  • Gedächtnis: Die Assoziationsfelder sind an der Speicherung und dem Abruf von Erinnerungen beteiligt. Das limbische System ist zentral an der Übertragung von Informationen aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis beteiligt.
  • Planung und Entscheidungsfindung: Das präfrontale Assoziationsfeld spielt eine zentrale Rolle bei der Planung von Handlungen und der Entscheidungsfindung. Der präfrontale Cortex beurteilt die Gesamtsituation und entscheidet, welche Handlung die richtige ist.

Plastizität der Assoziationsfelder

Beim Ausfall eines Assoziationsfeldes im frühen Kindesalter kann seine Funktion im Laufe der Zeit von anderen Gehirnstrukturen weitgehend übernommen werden. Beim Erwachsenen besteht nur bei systematischer Übung und nur teilweise eine Kompensierbarkeit (Plastizität der Assoziationsgebiete).

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Beteiligung an Bewegungsplanung

Bei Entscheidungen über Handlungsweisen und damit auch über Bewegungsabläufe wie den eines Ballwurfs im laufenden Wettkampf spielen die Assoziationsfelder des Neocortex eine wichtige Rolle. Das sind die Teile der Großhirnrinde, die nicht direkt Input von den Sinnesorganen erhalten, sondern stattdessen Informationen aus anderen Rindengegenden bekommen und dorthin auch Befehle weitergeben. Bei der Planung von Bewegungen wirken vor allem der posteriore Parietalcortex im Scheitellappen und der präfrontale Cortex im Stirnlappen mit. Sie sind die obersten Entscheidungsebenen in der corticalen Bewegungsplanung.

Damit eine zielgerichtete Bewegung überhaupt geplant und der dazu notwendige räumlich-​zeitliche Ablauf von Muskelkontraktionen organisiert wird, ist aber noch eine weitere Voraussetzung nötig: Das Bewusstsein, wo der Körper ist, wo er hin will und wie er dorthin gelangt. Hier kommt der posteriore Parietalcortex ins Spiel. Seine Hauptaufgabe ist es, Informationen über die gegenwärtige Position des Körpers zu verarbeiten, die Bewegung auf ein bestimmtes Ziel hin zu lenken und dabei beispielsweise Handbewegungen und visuelle Reize aufeinander abzustimmen.

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