Statine gehören zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Medikamenten, obwohl sie in der Öffentlichkeit und bei Patienten oft auf Skepsis stoßen. Weit verbreitete Irrtümer führen mitunter zu einem falschen Umgang mit Statinen, was dazu führt, dass Menschen, die zum Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall Statine einnehmen sollten, diese ablehnen. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkungsweise von Statinen, räumt mit Missverständnissen auf und untersucht die Auswirkungen auf das Gehirn, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen und Erkenntnissen.
Die Bedeutung von Statinen für die kardiovaskuläre Gesundheit
Es ist eindeutig bewiesen, dass erhöhtes LDL-Cholesterin die Entwicklung der Arteriosklerose (Arterienverkalkung) und damit Herzinfarkt und Schlaganfall verursacht. Ohne Cholesterin kann keine Arteriosklerose entstehen. Statine senken das LDL-Cholesterin im Blut und hemmen dadurch das Entstehen und Fortschreiten einer Arteriosklerose. So schützen sie vor Herzinfarkt und Schlaganfall. Diesen Effekt hat bereits 1994 die „Scandinavian Simvastatin Survival Study“ mit 4444 Patienten nachgewiesen. Und seither wurde das in einer großen Zahl wissenschaftlicher Studien mit verschiedenen Statinen bestätigt. Eine Behandlung mit Statinen, die das LDL-Cholesterin um 1 mmol/l (etwa 40 mg/dl) senkt, verringert das Risiko für Herzinfarkt, Tod durch Herzinfarkt, Schlaganfall und für die Notwendigkeit einer Stentbehandlung oder einer Bypassoperation um etwa 20-25 Prozent pro Jahr. Das haben zum Beispiel die „Cholesterol Treatment Trialists' (CTT) Collaborators“ (2012) errechnet, in dem sie die Ergebnisse von 27 wissenschaftlichen Studien zusammengefasst haben, an denen mehr als 170.000 Patienten fünf Jahre lang teilnahmen. Der absolute Nutzen einer Statintherapie hängt vom individuellen kardiovaskulären Risiko, von der absoluten LDL-C-Senkung und der Therapiedauer ab.
Richtigstellung von Irrtümern über Statine
Es gibt zahlreiche Missverständnisse bezüglich der Einnahme von Statinen. Einer davon ist, dass man auf Statine verzichten kann, weil manche Menschen mit hohem Cholesterin sehr alt werden, ohne je ein Statin eingenommen zu haben. Es gibt tatsächlich Menschen, die trotz hoher Cholesterinwerte sehr alt werden. Doch sie sind die Ausnahme. Und damit ist nicht bewiesen, dass Statine verzichtbar sind. Das verdeutlicht ein anderer berühmter Ausnahmefall: Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde trotz Kettenrauchens 96 Jahre alt. Doch niemand käme auf die Idee zu behaupten, dass deshalb Rauchen ungefährlich ist.
Gesunde Ernährung gehört ebenso wie tägliche Bewegung, ausreichend Entspannung, Verzicht aufs Rauchen zu einem gesunden Lebensstil, der bei allen Herzkrankheiten und auch zu ihrer Vorbeugung unverzichtbar ist. Der LDL-Cholesterinwert lässt sich damit jedoch - je nach Ausgangszustand - nur um etwa fünf bis zehn Prozent senken. Die Aufnahme von LDL-Cholesterin wird zudem im Wesentlichen durch die Leber (nicht den Magen oder den Darm) reguliert. Bei Personen mit hohen LDL-Werten liegen genetische Veränderungen zugrunde, d.h. die Betroffenen sind nicht „Schuld“ an ihren hohen Werten durch ungesunde Ernährung.
Roter Reis als Alternative?
Roter Schimmelreis ist eine Fermentation aus Schimmelpilzen und normalem Reis, welcher dann als roter Reis erscheint. Darin enthalten ist die Substanz Monacolin-K, die chemisch mit dem Statin Lovastatin identisch ist. Doch anders als das Medikament, das eine geprüfte und gut kalkulierbare Dosis-Wirkungs-Beziehung hat, kann bei Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) mit Monacolin/rotem Reis der Effekt schwer abgeschätzt werden. Das gilt im Übrigen auch für die Nebenwirkungen, die nicht anders als bei den Statinen an der Muskulatur auftreten können. Seit 2022 dürfen daher NEM nur noch weniger als 3 mg Monacoline pro Tagesdosis und die Produkte müssen mehrere Verwendungs- und Warnhinweise tragen.
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Zusätzliche Vorteile von Statinen
Über die Senkung des LDL-Cholesterinwerts hinaus spricht vieles dafür, dass Statine zusätzlich Plaques - die cholesterinhaltigen Auflagerungen in den Gefäßen - stabilisieren und Entzündungen reduzieren.
Mögliche Nebenwirkungen und wie man damit umgeht
Selbst bei Jahrzehnte-langer Einnahme werden Statine im Allgemeinen sehr gut vertragen. In Beobachtungsstudien, die auf Berichten von Patienten beruhen, traten Muskelbeschwerden (die häufigste Nebenwirkung, vor allem bei Therapiebeginn und bei hoher Dosierung) bei fünf bis zehn Prozent auf. Allerdings werden (altersbedingte) Bewegungsschmerzen oft fälschlicherweise auf eine Statineinnahme zurückgeführt. Das konnte in wissenschaftlichen Studien bestätigt werden, in denen Statine mit einem Scheinmedikament (Placebo) verglichen wurden. Hier wurden in beiden Gruppen ähnlich häufig über Muskelbeschwerden geklagt. Bei anhaltenden Muskelbeschwerden muss jedoch das Enzym Creatinkinase (CK) kontrolliert werden. Die schwerste Nebenwirkung der Statine ist die Rhabdomyolyse, ein Muskelverfall. Das kommt nur sehr selten vor: schätzungsweise gibt es ein bis drei Fälle, wenn 100.000 Patienten ein Statin ein Jahr lang einnehmen. Die Rhabdomyolyse lässt sich wegen sehr starker Muskelschmerzen, ausgeprägter Muskelschwäche, wegen des bräunlich gefärbten Urins, auch durch Fieber, Unwohlsein und Erbrechen frühzeitig erkennen. Patienten reagieren auf die verschiedenen Statine unterschiedlich. Sollten unter der Therapie mit dem einen Statin Muskelschmerzen auftreten, ist zunächst eine Therapiepause von drei bis vier Wochen ratsam. Haben sich die Beschwerden gebessert, kann anschließen auf ein anderes Statin ausgewichen werden, das zunächst in einer niedrigen Dosis gegeben wird.
LDL-Cholesterin: Je niedriger, desto besser?
Im Unterschied zu anderen Risikofaktoren wie z.B. Bluthochdruck existiert kein unterer Schwellenwert für die Beziehung zwischen LDL-Cholesterin und kardiovaskulärem Risiko. Man könnte sogar sagen: Je niedriger das LDL, desto besser.
Statine und Diabetes
Statine können tatsächlich zu einer geringfügigen Verschlechterung der Glukosetoleranz führen - vor allem bei Patienten mit einer Diabetesvorstufe. Da allerdings Patienten mit Prädiabetes und/oder Übergewicht gleichzeitig ein deutlich erhöhtes Herzrisiko haben, profitieren gerade diese Personen besonders von den Statinen.
Wirkmechanismus und Unterschiede zwischen Statinen
Der Wirkungsmechanismus aller Statine ist gleich: Sie hemmen ein spezifisches Enzym in der Leber - die HMG-CoA-Reduktase. Dadurch gibt es weniger Cholesterin in den Zellen. Dieser “Mangel“ bewirkt letztlich, dass die Zellen mehr LDL-Cholesterin zum Ausgleich aus dem Blut aufnehmen können. Der LDL-Cholesterin-Wert sinkt. Die einzelnen Substanzen werden allerdings unterschiedlich verstoffwechselt und sie haben eine unterschiedliche Wirkstärke. Dadurch unterscheiden sie sich bei den empfohlenen Dosismengen und der Tageshöchstdosis. Die stärkste Senkung des LDL-Cholesterins lässt sich durch Atorvastatin und Rosuvastatin erzielen. Pro Verdoppelung der Statindosis ist im Vergleich zur Startdosis keine verdoppelte Senkung des LDL-Cholesterins zu erwarten, sondern eine zusätzliche Senkung um sechs bis acht Prozent. Dies ist im Wirkmechanismus der Statine begründet (ein sogenannter kompetitiver Antagonismus). Da sehr hohe Dosierungen vereinzelt nicht gut vertragen werden - dies gilt insbesondere für Simvastatin 80 mg - wird empfohlen, mittlere Statinmengen mit dem Cholesterin-Aufnahmehemmer Ezetimib zu kombinieren. So kann im Vergleich zu einer Dosissteigerung das LDL Cholesterin deutlich besser gesenkt werden.
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Einnahmezeitpunkt von Statinen
LDL-Cholesterin wird tatsächlich vor allem nachts gebildet. Die vorzugsweise Einnahme in den Abendstunden gilt jedoch nur für Statine der ersten Generation, die eine kurze Wirkungsdauer haben, wie Simvastatin (das am häufigsten verordnete Statin), Pravastatin und Fluvastatin. Die neueren Statine - Atorvastatin und Rosuvastatin - haben eine deutlich längere Wirkungsdauer. Hier spielt der Einnahmezeitpunkt keine Rolle. In neueren Studien hat sich sogar gezeigt, dass der Einnahmezeitpunkt weniger bedeutsam ist, sondern es wichtiger ist, sich auf einen bestimmten Zeitpunkt festzulegen, damit die Einnahme zur Routine wird.
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Grapefruit
Bei der Einnahme von Statinen und bestimmten Medikamenten müssen Wechselwirkungen beachtet werden. So blockieren einige Arzneien den Abbau von Statinen. Der so erhöhte Statinwirkstoffspiegel erhöht das Risiko von Muskelbeschwerden. Zu ihnen gehören etwa: die Calciumantagonisten Verapamil, Diltiazem, Amlodipin, das Rhythmusmedikament Amiodaron sowie die Antibiotika Erythromycin und Clarithromycin. Umgekehrt können Statine die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Bekannt ist auch die Wechselwirkung mit Grapefruit und Grapefruitsaft, die allerdings nur bei Simvastatin, Atorvastatin, Lovastatin zu einer Wirkungsversstärkung führen kann. Bei der Einnahme dieser Statine sollte wegen des damit verbundenen erhöhten Risikos für Muskelbeschwerden auf Grapefruit und Grapefruitprodukte verzichtet werden. Für Rosuvastatin, Pravastatin und Fluvastatin gilt dies nicht.
Kombinationstherapien zur Cholesterinsenkung
Wenn mit Statinen allein keine ausreichende Cholesterinsenkung erreicht wird, können diese gut mit dem Cholesterin-Aufnahmehemmer Ezetimib, der die Cholesterinsynthese hemmenden Bempedoinsäure oder einem PCSK9-Hemmer kombiniert werden. Durch Kombination mit Ezetimib reicht unter Umständen auch eine niedrigere Statindosis.
Statine und der Calcium-Score
Der Calcium-Score als indirekter Hinweis auf das kardiovaskuläre Risiko verbessert sich nicht unter einer Statintherapie. Das Senken des LDL-Werts reduziert auch den Cholesteringehalt der Gefäßablagerungen (Plaques). Dadurch werden diese stabiler und reißen nicht so schnell auf. Instabile Plaques sind ein Risiko für akute Gefäßverschlüsse. Diese Stabilisierung erhöht das Signal der Plaques in der CT-Untersuchung („Calcium-Score“). Körperliche Aktivität hat ähnliche Effekte. Genauere Methoden (z.B. intrakoronarer Ultraschall, CT-Angiographie oder optische Kohärenztomographie/OCT) können die Größe der Plaques ausmessen.
Risikoreduzierung statt reiner Wertkorrektur
Es geht bei der Lipidtherapie um eine Risikoreduzierung und weniger darum, nur einen Wert zu korrigieren. Daher sollte immer dann behandelt werden, wenn durch Gefäßablagerungen (Arteriosklerose) bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestehen oder wenn Gesunde erhebliche Risikofaktoren dafür aufweisen. So gibt es Menschen, die trotz eines LDL-Cholesterin-Werts von über 116 mg/dl (bis 190 mg/dl) nicht zwangsläufig mit einem Statin behandelt werden, weil andere Risikofaktoren - etwa Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht - fehlen und sie deshalb ein sehr niedriges Herz-Kreislauf- Risiko haben. Allerdings muss regelmäßig ärztlich kontrolliert werden, ob über die Jahre diese Risikofaktoren weiter fehlen. Häufig entstehen diese nämlich erst im Lauf des Lebens.
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Statine im höheren Alter
Statine sollten nur bis zum 75. Lebensjahr eingenommen werden. Statine schützen Patienten mit koronarer Herzkrankheit und anderen arteriosklerotischen Erkrankungen auch im Alter über 75 Jahren vor Herzinfarkt und Schlaganfall. In Studien konnte sogar nachgewiesen werden, dass das Absetzen von Statinen im Alter besonders gefährlich ist. Die Risiko-Reduktion für Herzinfarkt durch Statine im Alter ist relevant, da das Risiko von älteren Menschen besonders hoch ist.
Cholesterinbedarf des Körpers und die Rolle von Statinen
Unser Körper braucht den Naturstoff Cholesterin für eine Vielzahl von Stoffwechselprozessen. Doch das dazu benötigte Cholesterin wird in jeder Körperzelle selbst gebildet. Insbesondere das Gehirn hat einen komplett eigenständigen Cholesterinstoffwechsel. Statine senken die Menge an LDL-Cholesterin im Blut, dort wo Atherosklerose verursacht wird. Sehr niedrige Cholesterin-Konzentrationen im Blut beeinträchtigen jedoch nicht die Cholesterin-Konzentration an anderer Stelle.
Statine zur Sekundärprävention nach Schlaganfall
Wer bereits einen Schlaganfall erlitten hat, kann das Risiko für einen weiteren Hirninfarkt durch eine lipidsenkende Therapie mit Statinen nachweislich reduzieren. Experten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) empfehlen die regelmäßige Einnahme der Cholesterinsenker zur Sekundärprävention. Hohe LDL-Cholesterin-Konzentrationen im Blut führen zu Arteriosklerose, also zur Ablagerung von Fettmolekülen in den Arterien. Werden die Gefäße von den arteriosklerotischen Plaques verstopft, kann es zu einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt kommen. Statine senken den LDL-Spiegel und verhindern so einen zweiten Schlaganfall. Die Medikamente stabilisieren die arteriosklerotischen Plaques, verbessern im Gehirn die Durchblutung und die Regeneration von Zellen und Gefäßen und wirken gegen Entzündungen. Die Untersuchung zeigte, dass die Patienten mit dem niedrigeren LDL-Wert deutlich besser vor einem erneuten Schlaganfall geschützt waren.
Statine und Alzheimer: Neue Forschungsergebnisse
Medikamente zur Senkung des Cholesterinspiegels können vermutlich auch den Abbau gefährlicher Mini-Proteine im Gehirn beschleunigen. Das zeigt eine Studie der Universität Bonn, die jetzt im Journal of Biological Chemistry erschienen ist. Demnach sorgen Wirkstoffe aus der Gruppe der Statine dafür, dass Immunzellen im Gehirn vermehrt ein bestimmtes Enzym ausscheiden. Die Bonner Forscher haben nun neue Argumente vorgelegt, die diese These stützen. Sie konnten in Zellkulturen und Versuchen mit Mäusen zeigen, dass Statine die Ausschüttung des Enzyms IDE verstärken. Bei der Alzheimer-Krankheit kommt es im Gehirn zur Ablagerung von Proteinen. Diese gefährlichen Plaques bestehen vor allem aus dem kleinen Amyloid-Beta-Peptid (A-Beta). IDE kann A-Beta sehr effektiv abbauen.
„Dieser Effekt beruht erstaunlicherweise nicht auf der Cholesterin-senkenden Wirkung der Statine“, betont Professor Dr. Jochen Walter von der Klinik für Neurologie. „Statine hemmen jedoch gleichzeitig die Bildung so genannter Isoprenoide. Über diesen Nebeneffekt sorgen sie dafür, dass die so genannten Microgliazellen im Gehirn vermehrt IDE ausschütten.“
Statine und Muskelnebenwirkungen: Entwarnung für Schlaganfallpatienten
Für Menschen, die Statine als Schutz vor einem erneuten Schlaganfall einnehmen, gibt es Entwarnung: Selbst bei einer hohen Dosis verursachen die Mittel kaum Muskelnebenwirkungen. Das konnte jetzt eine internationale Forschungsgruppe zeigen, wie die medizinische Fachzeitschrift The Lancet kürzlich berichtete.
Kritische Stimmen: Statine und Gehirnfunktion
US-Wissenschaftlern zufolge wirken sich Statine ungünstig auf die Gehirnfunktion aus. «Die Einnahme von Statinen führt nicht nur dazu, dass die Cholesterolsynthese in der Leber blockiert wird. Die Lipidsenker können auch ins Gehirn gelangen und reduzieren dort die Bildung des Steroids», sagte Professor Dr. Yeon-Kyun Shin von der Iowa State University. Das wirke sich negativ auf die Ausschüttung von Neurotransmittern aus, was infolgedessen die Gedächtnisleistung reduziere.
Der Cholesterinstoffwechsel im Gehirn und das Alzheimer-Risiko
Wissenschaftler der Universität Bonn machen darauf aufmerksam, dass der Cholesterinstoffwechsel im Gehirn das Risiko für Alzheimer beeinflusst. Cholesterinsenkende Medikamente - so genannte Statine - reduzieren das Risiko für Alzheimer. Eine ihrer neuesten Erkenntnisse: Die Konzentrationen bestimmter Vorstufen des Cholesterins sowie seines Abbauprodukts 24S-Hydroxycholesterin im Liquor* sinkt, wenn Patienten mit Statinen behandelt werden. "Wir vermuten, dass unter der Therapie mit Statinen im Gehirn weniger Cholesterin gebildet und dadurch auch weniger Cholesterin abgebaut wird", erläutert Lütjohann.
Statine und Gedächtnisstörungen: Eine differenzierte Betrachtung
In den ersten 30 Tagen einer Statintherapie kam es in einer Studie in JAMA Internal Medicine (2015; doi: 10.1001/jamainternmed.2015.202) vier Mal häufiger zu akuten Gedächtnisstörungen als bei Nichtanwendern von Statinen. Die Autoren halten einen kausalen Zusammenhang dennoch für unwahrscheinlich, weil die Nebenwirkung in gleicher Häufigkeit auch nach der Einnahme anderer Lipidsenker beobachtet wurde.
Forschungsprojekte zum Thema Statine und Alzheimer
Wie neuere Studien zeigen, haben Patienten die wegen hohen Blut-Cholesterinwerten mit Statinen behandelt wurden, ein geringeres Risiko an der Alzheimer-Krankheit zu erkranken. Diese Wirkung wird ausschließlich durch Statine, eine bestimmte Art von cholesterinsenkenden Medikamenten, erzielt. Im Labor von Dr. Eckert wurde gezeigt, dass Statine den Cholesteringehalt im zentralen Nervensystem verringern können. Den bisherigen Erkenntnissen zufolge verändern Statine offenbar auch die Verteilung des Cholesterins in den neuronalen Membranen. Da Cholesterin unverzichtbar für die biologische Funktion der Zellmembranen ist, kommt dieser Beobachtung besondere Bedeutung zu. Außerdem scheint membrangebundenes Cholesterin an der Produktion des neurotoxischen b-Amyloid-Proteins im Gehirn von Alzheimer-Patienten beteiligt zu sein.
Fallberichte über Gedächtnisstörungen unter Statinen
Es werden aus den USA zwei Fälle einer offenbar seltenen UAW von Statinen berichtet. Eine 67-jährige Patientin erhielt anfangs 10 mg, dann 20 mg Atorvastatin pro Tag. Etwa zwei Monate nach der Dosiserhöhung fielen der Familie eine deutliche Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses sowie ein Verlust des Interesses an ihren Routineaktivitäten und sozialen Kontakten auf. Atorvastatin wurde abgesetzt und einen Monat später war praktisch die Ausgangssituation wieder erreicht. In einem zweiten Fall erhielt eine 68-jährige Patientin ebenfalls Atorvastatin 10 mg/Tag. Neun Monate nach Beginn der Therapie berichtete ihre Tochter über eine Verschlechterung des Gedächtnisses. Atorvastatin wurde abgesetzt, und drei Wochen später waren die genannten Symptome verschwunden. Einige Zeit später wurde ein Versuch mit Simvastatin 20 mg/Tag unternommen, und es kam erneut zu einer Gedächtnisstörung, die sich nach Absetzen des Präparates rasch besserte.
Pleiotrope Effekte von Statinen
In den letzten Jahren zeigte sich, dass Statine selbst dann noch günstige Wirkungen entfalten, wenn die Blutfettwerte gar nicht erhöht sind, sondern im Normbereich liegen. Diese so genannten "pleiotropen" Effekte werden vermutlich nicht über eine Hemmung der Cholesterinsynthese vermittelt, sondern über andere Stoffwechselwege. So scheinen Statine auch entzündungshemmend und antioxidativ zu wirken, und die Wände der Blutgefäße zu schützen.
Statine und Nervenzellschutz bei Hirnverletzungen
Jenaer Neurologen haben jetzt Belege für einen weiteren Schutzeffekt von Statinen bei Nervenzellen gefunden. In einer Studie am Uniklinikum Jena konnten die Forscher um den Neurologen Professor Dr. Stefan Isenmann zeigen, das Statine auch bei Verletzungen des Zentralen Nervensystems wirksam sind. Durch die Gabe von Simvastatin, einem Medikament aus der Statingruppe, konnten nach Verletzungen von Nervenbahnen im Gehirn geschädigte Nervenzellen vor dem Absterben gerettet werden. Dieser Effekt sei darauf zurückzuführen, dass Statine offenbar generell entzündungshemmend wirken und geeignet sind, Blutgefäße zu schützen.