Folsäure bei Epilepsie: Dosierung, Schwangerschaft und wichtige Aspekte

Epilepsie ist heutzutage selten ein Grund gegen eine Schwangerschaft, jedoch gibt es wichtige Aspekte zu beachten. Dieser Artikel beleuchtet die Rolle von Folsäure bei Epilepsie, insbesondere im Zusammenhang mit Schwangerschaft, und gibt Empfehlungen zur Dosierung und anderen relevanten Faktoren.

Epilepsie und Schwangerschaft: Ein erhöhtes Risiko?

Grundsätzlich besteht bei Epilepsien ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen (Faktor 2-3). Allerdings ist die Gefahr für Kind und Mutter durch Anfälle höher als durch medikamentös bedingte Fehlbildungen. Die Anfallshäufigkeit kann während der Schwangerschaft variabel verlaufen. Bei etwa 65 % der Frauen bleibt sie unverändert, bei 15 % nimmt sie zu und bei 15 % ab. Das Risiko für SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy) ist in der Schwangerschaft etwa 9-fach erhöht.

Ursachen für Anfälle in der Schwangerschaft

  • Unregelmäßige Medikamenteneinnahme
  • Reduktion der Medikation aus Angst vor negativen Auswirkungen auf den Fötus
  • Absetzen der Medikation
  • Spiegelveränderungen (Spiegelabfall insbesondere unter LTG, LEV, OXC, CBZ)
  • Schlafentzug
  • Hormonelle und metabolische Veränderungen
  • Perinatale Anfälle (z.B. bei prolongierter Geburt)
  • Versehentliches Auslassen der Medikation

Planung einer Schwangerschaft bei Epilepsie

Eine sorgfältige Planung ist entscheidend. Folgende Punkte sollten beachtet werden:

  • Aufklärung der Patientin: Umfassende Information über Risiken und Management.
  • Risikoprofil der Medikamente: Bewertung der potenziellen Auswirkungen der Antiepileptika.
  • Spiegelveränderung im Rahmen der Schwangerschaft: Berücksichtigung der möglichen Veränderungen der Medikamentenspiegel.
  • Prophylaxe mit Folsäure: Beginn mit 5 mg/Tag mindestens 3 Monate vor geplanter Schwangerschaft.
  • Gabe der Antikonvulsiva in mehreren Tagesdosen (3x): Vermeidung von Spiegelspitzen.
  • Möglichst Monotherapie: Reduktion der Risiken durch Kombinationstherapien.
  • Niedrige Dosen wählen, soweit möglich: Minimierung der Medikamentenexposition.
  • Spiegelbestimmung:
    • Spiegel vor Schwangerschaft als Referenz
    • Nach Eintritt der Schwangerschaft: wöchentlich, danach monatlich
    • Spiegelbestimmungen zur selben Uhrzeit
  • Typischerweise Spiegelabfall von: Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Phenytoin, Topiramat, Zonisamid.
  • Evtl. Dosisanpassung: Dosiserhöhung häufig erforderlich!

Die Rolle von Folsäure

Folsäure spielt eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung von Neuralrohrdefekten. Bei einem Folsäuremangel ist das Risiko für Fehlbildungen beim Kind erhöht. Bereits in der Vergangenheit wurde Patientinnen mit Epilepsie empfohlen, vor der Konzeption und in der Schwangerschaft Folsäure einzunehmen, um das Risiko für Fehlbildungen zu reduzieren und um eine uneingeschränkte kindliche kognitive Entwicklung zu ermöglichen. Die Dosisangaben schwanken zwischen 0,4 bis 5 mg pro Tag für das erste Trimenon.

Aktuelle Empfehlungen zur Folsäuredosierung

Sobald ein Kinderwunsch besteht (und bevor eine Kontrazeption beendet wird), sollen die Frauen Folsäure einnehmen, die mindestens bis zum Ende des ersten Trimesters fortgeführt wird.

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Empfehlung der Schweizerischen Epilepsie-Liga (August 2023):

  • Frauen und Mädchen unter anfallssuppressiver Medikation im gebärfähigen Alter sollten in ärztlicher Absprache regelmäßig Folsäure einnehmen - spätestens bei einem konkreten Kinderwunsch und unbedingt noch vor Eintreten der Schwangerschaft.
  • Höhere Dosierungen können in Einzelfällen in Betracht gezogen werden, je nach Folsäureblutspiegel bzw. Erythrozytentest.

Es ist zu beachten, dass ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko intrauterin gegenüber Antikonvulsiva exponierter Kinder weder durch Folsäuremangel erklärbar noch durch Folsäure kompensierbar ist.

Antiepileptika und Schwangerschaft: Wichtige Überlegungen

Manche Antiepileptika können in unterschiedlichem Ausmaß Fehlbildungen hervorrufen. Deshalb ist es sehr wichtig, die verordneten Medikamente und ihre Dosierung möglichst schon vor Beginn einer Schwangerschaft überprüfen zu lassen und bei Kinderwunsch eventuell das Medikament umzustellen.

Medikamente im Überblick

  • Lamotrigin: Aktuell neben Levetiracetam günstigste Daten. Fehlbildungen möglicherweise dosisabhängig (>200 mg Lamotrigin Risiko möglicherweise leicht erhöht). Medikamentenspiegel von Lamotrigin fällt in der Schwangerschaft ab (stärkster Abfall im ersten Trimenon). Spiegelkontrollen in den ersten 3 Monaten sinnvoll (ca. alle 4 Wochen). Dosisanpassung spiegelgesteuert!
  • Levetiracetam: Wenig Daten bezüglich Levetiracetam. Geringe Fehlbildungsrate. Kaum Dosisanhängigkeit. Medikamentenspiegel von Levetiracetam fällt in der Schwangerschaft ab (stärkster Abfall in den ersten 3 Monaten). Spiegelkontrollen in den ersten 3 Monaten sinnvoll (ca. alle 4 Wochen). Dosisanpassung spiegelgesteuert bei Abfall sinnvoll.
  • Oxcarbazepin: Geringe Fehlbildungsrate ca. 3%. Medikamentenspiegel von Oxcarbazepin fällt in der Schwangerschaft ab (stärkster Abfall in den ersten 3 Monaten). Spiegelkontrollen in den ersten 3 Monaten sinnvoll (ca. alle 4 Wochen). Dosisanpassung spiegelgesteuert bei Abfall sinnvoll.
  • Carbamazepin: Fehlbildungsrate ca. 5,5%. Fehlbildungsrate dosisabhängig (<700mg ca. 4,5% >700mg ca. 7,2%). Leichter Abfall des Carbamazeoinspiegels im letzten Trimenon. "Freies Carbamazepin" während Schwangerschaft unverändert. Spiegelkontrollen und somit Dosisanpassung während SS wohl eher nicht sinnvoll.
  • Valproat: Fehlbildungsrate ca.10,3 %. Fehlbildungsrate dosisabhängig (< 1400 mg ca. 6,5% >1450 mg ca. 12,5%). Valproat sollte während des ersten Trimenons vermieden werden.

Wichtige Hinweise zu Medikamentenspiegeln

Es ist ferner zu beachten, dass es bei einigen Anfallssuppressiva in der Schwangerschaft zu einem Abfall der Serumkonzentration kommen kann. Deshalb sollten die Serumkonzentrationen im Verlauf der Schwangerschaft regelmäßig bestimmt und ggf. eine Dosiserhöhung der Anfallssuprressiva vorgenommen werden.

Geburt bei Epilepsiepatientinnen

Die Geburt sollte unbedingt in einer Klinik erfolgen. Eine Kinderklinik sollte aufgrund möglicher Komplikationen direkt an die Klinik angeschlossen sein. Eine normale Geburt ist bei gut eingestellter Epilepsie möglich, andernfalls wird ein Kaiserschnitt in Betracht gezogen. Wichtig ist, dass Sie auch während der Geburt Ihre Medikamente dabeihaben und sie weiter einnehmen.

Postpartale Phase

Nach der Geburt sollte Schlafentzug soweit wie möglich vermieden werden. Es gilt, die Verletzung des Kindes zu vermeiden (Sturzgefahr bei Anfällen). Empfehlungen hierfür sind Wickeln auf dem Boden und die Verwendung eines Kinderwagens mit automatischer Bremse. Baden sollte nur in flachem Wasser erfolgen.

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Kontrazeption bei Epilepsie

Orale Kontrazeptiva (OK) und manche Antiepileptika beeinflussen sich in ihrer Wirksamkeit gegenseitig. Zu den Antiepileptika (AE), die die Sicherheit von synthetischen kontrazeptiven Steroiden durch eine erhöhte Clearance mindern können, zählen die starken CYP3a-Induktoren Carbamazepin, Phenytoin und Phenobarbital sowie die milden CYP3a-Induktoren Oxcarbazepin und Topiramat. Lamotrigin hat keinen Effekt auf die Ethinylestradiolspiegel, senkt aber die Levonorgestrelspiegel um bis zu 20 Prozent.

Empfehlungen für die Praxis

  • Frühzeitige Aufklärung über Kontrazeption bei Epilepsie in der Pubertät oder bei später beginnender Epilepsie mit der Gabe des ersten Anfallssuppressivums.
  • Empfehlung von zusätzlichen Barrieremaßnahmen (z. B. Kondom) bei einer hormonellen Kontrazeption und gleichzeitiger Einnahme eines Anfallssuppressivums, welches die hormonelle Kontrazeption beeinflusst.
  • Beim Einsatz von Anfallssuppressiva, die die hormonelle Kontrazeption beeinflussen, Empfehlung eines Intrauterinpessars als sicherste anwenderunabhängige Verhütungsmethode.

Stillen bei Epilepsie

Antiepileptika können beim Stillen in die Muttermilch übergehen. Fachleute halten den Nutzen des Stillens jedoch für größer als das Risiko, das dadurch entsteht.

Alltag mit Kind: Schutzmaßnahmen

Bei einem epileptischen Anfall kann es unvermittelt zu einem Sturz kommen. Machen Sie sich am besten schon frühzeitig Gedanken darüber, wie Sie Ihr Kind vor Verletzungen schützen können, zum Beispiel, indem Sie es auf dem Fußboden wickeln, nur im Bett oder in einem Sessel stillen und es nicht allein baden.

Internationales Register (EURAP)

Das internationale Register dient zur Sammlung von Daten zur Sicherheit von Antiepileptika in der Schwangerschaft. Schwangerschaften sollten im Sinne aller Schwangeren unbedingt im EURAP-Register gemeldet werden.

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