Anatomie und Gehirn des Wildschweins: Ein umfassender Leitfaden für Jäger

Die Jagd auf Wildschweine ist eine anspruchsvolle Tätigkeit, die ein fundiertes Wissen über die Anatomie und das Verhalten dieser Tiere erfordert. Ein entscheidender Aspekt der Jagd ist die Fähigkeit, einen Schuss so zu platzieren, dass ein schneller und humaner Tod des Tieres gewährleistet ist. Dieser Artikel befasst sich eingehend mit der Anatomie des Wildschweins, insbesondere mit dem Gehirn und anderen vitalen Organen, um Jägern ein besseres Verständnis für die optimale Schussplatzierung zu vermitteln.

Die Herausforderung des sicheren Schusses

In der Jagd gibt es keinen absolut sicheren Schuss, der in jeder Situation zum sofortigen Tod führt. Selbst bei identischer Trefferlage und vergleichbarem Gewicht kann ein Schuss, der bei einem Wildschwein zum sofortigen Verenden führt, bei einem anderen zur Flucht führen. Die Frage nach der optimalen Trefferlage ist daher von entscheidender Bedeutung.

Der Schuss hinter den Teller (hinter dem Schulterblatt) wirkt zweifellos sofort, aber nur, wenn er ins Rückenmark, Gehirn oder sehr nah daran auftrifft oder die Halsschlagadern (Carotiden) eröffnet. Ähnlich verhält es sich bei Schüssen auf das Herz, das auf der Höhe der vierten bis fünften Rippe sehr tief in der Brusthöhle liegt. Wird das Herz erfasst, führt der hydrodynamische Effekt zu einer maximalen Zerstörung. Allerdings ist der Bewegungsapparat meistens noch intakt, was zu einer Flucht führen kann.

Aus dem gleichen Grund ist vor Treffern hinter dem Blatt zu warnen. Auch hier kommt es bei Abweichungen schnell zu Konsequenzen. Der Schuss aufs Blatt (Schulterblatt) dagegen verspricht die höchste Wahrscheinlichkeit, das Stück im Knall verenden zu lassen. Aus anatomischer Sicht bietet der Blattschuss zudem den Vorzug, dass die Wirbelsäule bei Sauen auf dieser Höhe sich nach unten absenkt und das Geschoss den Wildkörper nahe der Wirbelsäule durchschlägt.

Die Bedeutung des Treffersitzes

Viele Jäger gehen von einer gewissen "Schusshärte" bei Wildschweinen aus. Die Grundforderung für eine gute, waidgerechte Jagd ist jedoch, dass die Kugel nur aus dem Lauf darf, wenn der Schütze absolut sicher ist, das "Vitalzentrum", also Kammer oder Träger (Haupt) des Stücks, exakt zu treffen. Nur so ist ein tierschutzgerechter, schmerzfreier Tod und gleichzeitig ein wildbrethygienisch einwandfreies Versorgen der Beute möglich.

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Unter Praxisbedingungen können verschiedene Faktoren, wie abrupte Bewegungen des Wildes oder Seitenwindabdrift des Projektils, den tatsächlichen Treffersitz vom Zielpunkt mehr oder weniger abweichen lassen. Oft brechen wir Stücke im Liegen auf, was allerdings die Lage der Organe verfälscht.

Anatomische Überlegungen zur Schussplatzierung

Unter "Blatt" ist zweifelsfrei eine Region des Rumpfes zu verstehen, die vor (kopfwärts) dem Zwerchfell liegt. Anatomisch wird dieser Gesamtbereich "Brustraum" genannt. Der springende Punkt dabei ist, dass von manchen Jägern die Ausdehnung des Brustraums überschätzt wird, da sie nicht einkalkulieren, dass sich das Zwerchfell kuppelförmig in den Brustraum wölbt.

Jeder Schuss aber, der hinter dem Zwerchfell und somit in der Bauchhöhle (Weidwundbereich) liegt, ist aus Sicht des Tierschutzes und der Wildbrethygiene nicht optimal, auch wenn das Stück nicht weit flüchtet und sofort aufgebrochen sowie versorgt wird. Ein Leberschuss ist und bleibt ein schmerzhafter Weidwundschuss!

Von der Lage der Organe beim toten Organismus Rückschlüsse auf deren Platzierung beim lebenden Stück ziehen zu können, ist nur bedingt möglich. Bringt man beispielsweise ein erlegtes Stück auf leicht abschüssigen Boden in Rücklage, wie das üblicherweise beim Aufbrechen erfolgt, so ändert sich im Brustraum sicher die Position des Herzens, und noch viel mehr die des Zwerchfells.

Man muss daher schon den wissenschaftlichen Untersuchungen glauben und darf sich nicht von eigenen Beobachtungen irreführen lassen. Der Brustraum ist sehr viel kleiner, als man annimmt. Schnell wird sonst aus einem Blattschuss ein Waidwundschuss.

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Die Stellung des Zwerchfells ist je nach Tierart und Atmungszustand verschieden. Der Gipfel der Zwerchfellkuppe, die sich weit nach vorn in den Brustraum wölbt, bleibt mit seinem Niveau auf der Höhe des siebten Brustwirbels ziemlich konstant. Der Magen (Pansen), die Leber und die Milz liegen bauchseits dem Zwerchfell unmittelbar an. Das Lungenfeld dehnt sich seitlich an den Rippen unterschiedlich weit nach hinten aus.

Soll der Schuss beim breitstehenden Schalenwild die Bauchhöhle nicht verletzen, sondern ein reiner Kammerschuss sein, so ist als hinterste Grenze eine senkrechte Linie ausgehend von der hinteren Kontur des oder der Vorderläufe zu ziehen. Nur Treffer vor dieser Linie bringen einigermaßen die Sicherheit, dass das Stück rasch getötet und dabei der Bauchraum nicht verletzt wird - und somit daraus auch keine negativen Auswirkungen auf die Wildbrethygiene entstehen. Ein Schuss im oberen Teil des Brustkorbs kann weiter hinten (bis etwa zum elften Zwischenrippenraum) liegen, ohne als Weidwundschuss zu gelten. Das ist aber der klassische Hohlschuss, der nur, sofern nicht die Wirbelsäule getroffen wird, die Lungenspitze verletzt. Lange, schwierige Nachsuchen sind die Folge.

Die Rolle der Munition

Moderne Munition, insbesondere Hochrasanzmunition, sorgt für hohe Schockwirkung, wenn ein paar Punkte beachtet werden. Hochrasanzmunition erzeugt neben massiven Zerstörungen im Ein- und Ausschussbereich am Wildkörper mitunter weitläufige, blutunterlaufene Flächen. Sie hat jedoch nur dann hinsichtlich der Tötungspotenz einen Vorteil gegenüber langsamerer Munition, wenn die Auftreffgeschwindigkeit noch entsprechend hoch ist.

Nach den Erläuterungen über Blattschuss und Hochrasanzmunition sind der Zielpunkt und die Projektilgeschwindigkeit entscheidende Faktoren für den raschen Todeseintritt.

Schusshärte aus biologischer Sicht

Nach derzeitigem Stand des Wissens gibt es keinen Hinweis darauf, dass seitens physiologischer Parameter irgend eine heimische Schalenwildart grundsätzlich "schusshärter" wäre als eine andere. Erklärbar ist jedoch der Unterschied zwischen ruhigem Wild und solchem, welches unter Adrenalin steht. Nervöses, verunsichertes bzw. alarmiertes Wild flüchtet - sofern nicht wesentliche Teile des Bewegungsapparats oder des (Zentral-) Nervensystems verletzt wurden - oft auch nach solchen Schüssen, die beim ruhigen Wild ein sofortiges Zusammenstürzen bewirkt hätten.

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Aus physikalischer Sicht besteht natürlich ein Zusammenhang zwischen Wildbretgewicht einerseits und Geschossgewicht bzw. -aufbau, Auftreffenergie und tatsächlich vom Wildkörper absorbierter Geschossenergie. Auch Unterschiede in der Hautdicke bzw. Schwartenbeschaffenheit spielen eine Rolle. Was für eine Munition der Jäger mit sich führt, spielt eine untergeordnete Rolle - der Treffersitz zählt!

Aufgrund unterschiedlichen Körpergewichts und Decken- bzw. Schwartenbeschaffenheit gibt es zwischen den Schalenwildarten aus rein physikalischen Gründen Unterschiede in der Schusshärte. Prinzipielle physiologische Unterschiede zwischen den Tierarten bestehen diesbezüglich nicht, jedoch können Unterschiede in der Schusshärte innerhalb einer Tierart unter vergleichbaren Individuen durch Stresseinfluss (Adrenalinschub) gegeben sein.

Faktoren für den tierschutzgerechten Schuss

Für den tierschutzgerechten und wildbrethygienisch einwandfreien, rasch tötenden Schuss sind folgende Faktoren - in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit - ausschlaggebend:

  1. Zielpunkt
  2. Geschossaufbau
  3. Kaliber

Die Kaliberfrage ist dem Geschossaufbau und dem Geschossgewicht relativ untergeordnet. Der wichtigste Punkt ist und bleibt aber der, wo die Kugel trifft. Ein schlechter Treffersitz ist bei unserem heimischen Schalenwild auch durch ein überdimensionales Kaliber kaum wettzumachen.

Der ideale Zielpunkt

Ein guter, waidgerechter Schuss ist so anzutragen, dass entweder das Zentralnervensystem (Gehirn, Wirbelkanal) oder die Organe des Brustraums (Herz, Lunge) getroffen werden. Empfohlener Zielpunkt bei breitstehendem Wild: An den Vorderläufen senkrecht hochfahren, etwas unter der Körpermitte anhalten und abdrücken! Die Folge ist, dass das Wild unmittelbar im Feuer liegt oder nur noch wenige Fluchten macht.

Der unbestreitbare Vorteil dabei ist, dass wir das Stück sehr bald nach dem Schuss aufbrechen können. Dieser empfohlene Treffersitz ist übrigens sicher keine neue Erfindung. Viele Jäger, insbesondere Großwildjäger praktizieren ihn seit langer Zeit äußerst erfolgreich.

Spezifische Treffersituationen beim Schwarzwild

Ein Hochblattschuss, also ein Kammertreffer über der waagerechten Körpermittellinie, bedeutet bei Schwarzwild fast immer einen Treffer der Dornfortsätze des Schwarzwildes. Es ist nunmal anders gebaut als anderes Schalenwild. Ein Krellschuss ist bei einem Hochblattschuss fast immer vorprogrammiert. Je höher du den Dornfortsatz triffst, desto geringer ist meist die kurzzeitige Hebelwirkung durch den Geschossaufprall und die damit verbundene Lähmungswirkung. Einen ähnlichen Effekt hast du bei Nierentreffern.

Die Hinterläufe werden aber bei reinen Nierentreffern nicht nachgezogen, sondern nur dann, wenn die WS in Mitleidenschaft gezogen wurde. Bei reinen Nierentreffern flüchtet das beschossene Stück allerdings i.d.R. Der Hochblattschuss beim SW bewirkt eine Erschütterung des Rückgrades. Das Tier ist somit gelähmt, blutet aber gleichzeitig auch aus.

Wahrnehmung des Wildes und Jägertarnung

Über die ideale Jägertarnung wird viel diskutiert. Die grundsätzliche Frage dabei: Wie nimmt das Wild den Waidmann wahr? Wildtiere verfügen über Linsenaugen, bestehend aus Hornhaut, Regenbogenhaut (Iris), Linse und Netzhaut. Vom Auge aufgenommene Lichtstrahlen werden durch Lichtrezeptoren in der Netzhaut für das Gehirn verständlich "übersetzt". Unterschieden werden bei den Rezeptoren Zapfen und Stäbchen. Erstere sind für das Tages- und Farbsehen zuständig, zweitere für das Dämmerungs- und Nachtsehen.

Bei Beutetieren, wie unseren Schalenwildarten, ist ein möglichst weitreichender Rundblick das Ergebnis der Entwicklung. Das weite Sehfeld hat zur Folge, dass bei Beutetierarten das räumliche Sehen schlechter ist. Ein verschwommenes Bild ist der Preis für den Überblick. Es ist davon auszugehen, dass viele Schalenwildarten ein dem Menschen ähnliches Bild sehen, abweichend sind jedoch Schärfe und das Farbsehen.

Schalenwild sieht Blautöne gut, wohingegen Grün, Gelb und Rot nicht unterschieden werden können. Eine lichtreflektierende Schicht (Tapetum lucidum) in der Netzhaut verbessert das Äugen in der Dämmerung. Entgegen der landläufigen Meinung haben Wildschweine keinen schlechten Sehsinn. Sie sehen besser als gedacht und können Objekte schärfer sehen.

Für den passionierten Pirschjäger stellt sich nun die Frage, wie er sich adäquat tarnen kann, um möglichst erfolgreich ans Wild zu gelangen. Neben den angeführten Sehfähigkeiten der verschiedenen Wildarten ist zu beachten, dass Hirsch- und Ziegenartige besonders im Augenzentrum und im Randbereich der Netzhaut sehr scharfsichtig sind. Muffel- und Gamswild können Fremdkörper dank ihrer querovalen Pupille bereits auf einen Kilometer am Horizont eräugen.

Das klassische Jägergrün ist passé. Wir brauchen Muster, die unseren gesamten Körperblock auflösen. Maßgeblich entscheidend ist nicht das Muster (welche Baum- oder Gräserart), sondern das Verschmelzen des Jägers mit der Landschaft. Viele Hersteller setzen vermehrt auf neue Tarnstrukturen, die auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Sichtweise des Schalenwildes angepasst sind. Diese Muster basieren auf Mikro- und Makromustern, die die Symmetrie des menschlichen Körpers auflösen und den Jäger mit den ihn umgebenden Flächen verschwimmen lassen.

Die Physik des Sehens und der Tarnung

Die Sonne erzeugt durch die ständigen Prozesse der Kernfusion permanent unvorstellbare Mengen an Energie. Ein Teil davon findet als Photonen, also Licht, den Weg zu uns auf die Erde und trifft auf unsere Umgebung. Diese Energiestrahlung ist letztlich wellenförmig und zudem sehr komplex. So unterscheiden sich die Wellenlängen oder auch die Frequenzen die uns erreichen deutlich. Manche sind für uns sichtbar, andere unsichtbar.

Das menschliche Auge besitzt drei verschiedene Zapfen-Typen im Auge: jeweils welche für "Rot, "Grün", und "Blau". Zudem besitzen wir Stäbchenzellen welche für das Sehen in lichtschwachen Situationen zuständig sind. Sie erzeugen ein deutlich kontrastärmeres und weniger scharfes Abbild unserer Umgebung. Zudem gehen Farbinformationen verloren. Die Stäbchen verfügen nur über einen einzigen Pigment-Typ und dieser ist sensibel für den Blaubereich.

Unsere heimischen Säugetiere besitzen hingegen nur zwei verschiedene Zapfenzellen: für "Grün" und "Blau". Ihnen fehlt also die Fähigkeit Rottöne wahrzunehmen. Nach unserer Definition sind sie also farbenblind. Da die Rezeptoren für rotes Licht fehlen, kann man davon ausgehen, dass sie Wellenlängen jenseits der 570 nm nicht mehr wahrnehmen.

Einige Tierarten, wie z.B. das Rotwild, besitzen die Fähigkeit zur Kaltlicht Reflektanz. Das bedeutet, dass Lichtstrahlen, die im Auge nicht vollständig durch Zapfen und Stäbchen absorbiert wurden im Auge wieder reflektiert werden und nochmals auf die Sinnenzellen treffen. Durch diesen Vorgang wird das Restlicht, dessen Informationen normalerweise einfach verloren gehen würden, nochmals auf die Sinnenszellen geleitet und ermöglicht sozusagen eine zweite Chance, die Informationen auszulesen. Diesen Effekt kennen wir als "Katzenauge".

Festzuhalten bleibt also, dass unser Wild im UV-, Blau- , Grün- und etwas im Gelbbereich sehen kann. Rottöne und Infrarot bleiben ihm allerdings verborgen. Anhand der Rotschwäche erklärt sich auch, weshalb Jäger in ihren roten Neonwesten durch den Wald marschieren können, das dem Wild aber nicht weiter auffällt. Mitjäger hingegen nehmen die Warnfarbe im Idealfall sofort wahr. Wild kann nicht sonderlich scharf sehen, dafür aber Umrisse und Bewegungen sehr gut wahrnehmen. Manchmal reicht es schon, wenn es vage eine menschliche Silhouette wahrnimmt um die Flucht zu ergreifen. Vor Allem, wenn sich diese dann noch bewegt. Zudem fallen unseren Tieren Kontraste und helle Flächen sehr auf.

Um sich vor Säugetieren zu tarnen braucht es nicht allzu viel. Die menschlichen Umrisse sollten aufgelöst werden. Dies gelingt beispielsweise mit sogenannten 3d Tarnmaterialien sehr gut. Als Beispiel fallen mir hier die Tarnanzüge mit aufgenähten Blättern ein. Sofern wir jetzt den Farbbereich berücksichtigen, den die Tiere Wahrnehmen können, ist die rein optische Tarnung schon fast perfekt. Es gilt dann bloß noch, Bewegungen zu minimieren. Naja, es sollte zudem keine hohen Kontraste zur Umgebung geben. Wenn man mit einem recht dunklen Tarnanzug im hellen Strandsand liegt, wird das nicht sonderlich viel bringen.

Passt euch von den Farben und der Helligkeit der Farbtöne an eure Umgebung an, schaut zu, dass ihr eure Silhouette auflöst, verhaltet euch möglichst still und vermeidet ruckartige Bewegungen.

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