Die Wirkung von Drogen auf das Nervensystem

Drogen haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Nervensystem und verändern die Art und Weise, wie Nervenzellen miteinander kommunizieren. Diese Veränderungen können zu einer Vielzahl von Effekten führen, von veränderter Wahrnehmung und Stimmung bis hin zu Sucht und langfristigen Hirnschäden.

Die Grundlagen der neuronalen Kommunikation

Nervenzellen, auch Neuronen genannt, kommunizieren miteinander über chemische Botenstoffe, die als Neurotransmitter bezeichnet werden. Diese Botenstoffe werden von einer Nervenzelle freigesetzt und binden an Rezeptoren auf einer anderen Nervenzelle, wodurch ein elektrisches Signal ausgelöst wird. Je mehr Botenstoff freigesetzt wird, desto stärker ist das Signal. Dieser Prozess ist entscheidend für die normale Funktion des Gehirns und des Nervensystems. Die menschlichen Nervenzellen können auch aus Stammzellen gezüchtet werden, was neue Möglichkeiten für die Erforschung von neurologischen Erkrankungen eröffnet.

Wie Drogen die neuronale Kommunikation beeinflussen

Drogen können die neuronale Kommunikation auf verschiedene Weisen beeinflussen. Einige Drogen ahmen die Wirkung von natürlichen Neurotransmittern nach und aktivieren die Rezeptoren auf Nervenzellen. Andere Drogen blockieren die Rezeptoren und verhindern, dass natürliche Neurotransmitter binden. Wieder andere Drogen beeinflussen die Menge an Neurotransmittern, die freigesetzt oder wieder aufgenommen werden.

Forscherinnen der Charité - Universitätsmedizin Berlin haben gemeinsam mit Kolleginnen um Thomas Südhof von der Stanford University, Nobelpreisträger für Medizin des Jahres 2013, herausgefunden, dass das Molekül Synapsin eine bedeutende Rolle bei der Wirkung von Neuromodulatoren spielt. Synapsin sitzt auf der Oberfläche der synaptischen Vesikel und verändert durch die Wirkung von verschiedensten Neuromodulatoren seine Form. Das führt dazu, dass sich die Vesikel in den Synapsen entweder zusammenschließen und mehr Botenstoffe ausschütten, was das Signal verstärkt, oder die Vesikel ziehen sich aus der Synapse zurück, schütten weniger Botenstoff aus und das Signal wird abgeschwächt.

Eine neue Technik des Rosenmund-Labors ermöglichte es den Wissenschaftler*innen, diese Vorgänge erstmals zu beobachten: Isolierte Nervenzellen werden elektrisch stimuliert und zeitlich hochpräzise mit Flüssigstickstoff schockgefroren. Im Elektronenmikroskop konnten anschließend die winzigen, ultraschnellen Bewegungen wie unter Zeitlupe beobachtet werden.

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Modulatorische Botenstoffe und Drogen

Der häufigste Botenstoff im Gehirn ist Glutamat. Modulatorische Botenstoffe wie Adrenalin, Dopamin und Serotonin beeinflussen die Signalweiterleitung mit Glutamat und verändern damit unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle und unsere Handlungen. Alle psychoaktiven Drogen wirken über dieses modulatorische System, und bei vielen psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen oder Suchtkrankheiten ist es gestört.

Illegale Drogen und ihre Auswirkungen

Psychoaktive Substanzen (Psychopharmaka), deren Besitz, Verkauf und Einnahme nach Liste der WHO (Weltgesundheitsorganisation) verboten sind, werden als illegale Drogen bezeichnet. Sie beeinflussen das Nervensystem, können erregend oder hemmend auf neuronale Vorgänge wirken und erzeugen persönlichkeitsverändernde Zustände (z. B. Halluzinationen, unbegründete Euphorie usw.). Illegale Drogen führen häufig zu physischer und/oder psychischer Abhängigkeit (Sucht).

Substanzen, die den Transmitterstoffwechsel und damit die Reizübertragung des Nervensystems beeinflussen, werden als Psychopharmaka oder als psychoaktive Substanzen bezeichnet. Stehen sie in der Verbotsliste der WHO (Weltgesundheitsorganisation), so werden sie als illegale Drogen eingestuft. Ihre Einnahme führt zu persönlichkeitsverändernden Zuständen und kann im schlimmsten Fall zur physischen und psychischen Abhängigkeit von der Droge führen. Der Begriff „Drogenabhängigkeit“ wurde 1964 von der Weltgesundheitsorganisation für alle Arten von Drogensucht und -gewöhnung vorgeschlagen.

Beispiele für illegale Drogen und ihre Wirkungen

Zu den illegalen Rauschgiften bzw. Rauschdrogen mit einem hohen Potenzial für Sucht oder Abhängigkeit gehören:

  • Opiate: Opiate wie Heroin wirken auf spezifische Rezeptoren der Synapsenmembran und können so die Bildung eines Opiat-Rezeptor-Akzeptor-Komplexes auslösen. Sie wirken bereits in sehr geringen Konzentrationen und unterdrücken den diffusen, dumpfen, mehr chronischen und nicht lokalisierbaren Schmerz. Bei längerer Opiateinwirkung kompensiert die Zelle diesen Mangel durch die eigene Aktivierung der Adenylat-Cyclase. Damit ist die Zelle gegenüber Opiaten tolerant geworden. Für die Beibehaltung der Ausgangseffekte ist dann eine Dosiserhöhung erforderlich. Heroin entsteht durch Acetylierung aus Morphin. Aufgrund seiner guten Fettlöslichkeit kann es leicht die Blut-Hirn-Schranke passieren und reichert sich dann im Gehirn an. Der rasante Konzentrationsanstieg führt zu dem sogenannten „Kick“, einem Glücksgefühl, das sehr schnell zu körperlicher Abhängigkeit führt.

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  • Kokain: Kokain führt zur verstärkten Adrenalinfreisetzung in den Nervenfasern, zur Sympathikusreizung und Anreicherung von Serotonin in den Gehirnzellen. Übererregbarkeit, Erhöhung der Herzschlagfrequenz, Selbstüberschätzung und Hemmungslosigkeit sind die Folge. Regelmäßiger Kokainkonsum führt zu Schlaf- und Appetitlosigkeit und kann neben sozialen und gesundheitlichen Folgen das plötzliche Auftreten psychotischer Verhaltensstörungen und einen Verlust der Persönlichkeit verursachen, da langer Kokain-Missbrauch zur irreversiblen Schädigung der Hirnzellen führt. Kokain hemmt die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Noradrenalin, Dopamin und Serotonin und verlängert so deren Aufenthalt im Spalt. Die Blutdrucksteigerung sowie die erhöhte Wachheit und Wachsamkeit resultieren aus einer länger anhaltenden Einwirkung von Noradrenalin auf die innervierte Gefäßmuskulatur beziehungsweise auf Teile des Stammhirns. Die Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen lassen sich hingegen größtenteils dem Einfluß der Droge auf Systeme zuschreiben, die Signale durch Dopamin übermittelt bekommen.

  • Halluzinogene: Halluzinogene wie Meskalin, Psilocybin und LSD führen zu visuellen Illusionen und gefährlichen „Horrortrips“, bei denen es aufgrund eines Kontrollverlusts zu Handlungen mit Fremd- oder Eigengefährdung kommen kann. Auch nach der letzten Einnahme von Halluzinogenen, die längere Zeit zurückliegen kann und während der keine Wirkung mehr gespürt wird, kann es wieder zu Rauschzuständen kommen („flash backs“). Halluzinogene wirken meist als Agonisten an Rezeptoren und Bindungsstellen für Serotonin im Zentralnervensystem (v. a. Großhirnrinde). Eine Veränderung des Glutamat-Transmittersystems wird als Grundlage drogeninduzierter Halluzinationen diskutiert.

  • Cannabis: Cannabis stammt ursprünglich aus Zentralasien und ist heute über alle gemäßigten und subtropischen Zonen verbreitet. Die einzige noch lebende Art ist der Gewöhnliche Hanf (Cannabis s…

Die Rolle des Belohnungssystems

Drogen „manipulieren“ das Gehirn, indem sie Botenstoffe freisetzen, die zunächst Wohlbefinden auslösen und so zur Sucht führen. Verschiedene Mechanismen im Gehirn sorgen dafür, dass das Verlangen immer größer wird, gleichzeitig die Bedeutung anderer Dinge wie Partnerschaft, Freundschaften, Hobbies oder Beruf abnimmt. Drogen machen uns zu Zombies, wir werden fremdgesteuert und verlieren uns als Mensch, das eigene Sein wird der Droge untergeordnet.

Erklären lässt sich das durch drogenkonsumbedingte Erhöhung von Botenstoffen im Gehirn - z. B. Dopamin, wodurch das ‚Belohnungszentrum‘ befeuert wird. Das Gehirn merkt sich, welche Stoffe zu einer besonderen Belohnung geführt haben. Das Verlangen nach den belohnenden Substanzen wird dadurch stärker, komplexe neuronale Anpassungsprozesse setzen ein und diese Adaptation verändert das Gehirn nachhaltig.

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Langfristige Auswirkungen von Drogenkonsum

Regelmäßiger Drogenkonsum kann zu langfristigen Veränderungen im Gehirn führen, die die kognitiven Funktionen, die emotionale Regulation und das Verhalten beeinträchtigen können. Einige Drogen können das Gehirn schädigen und zu Gedächtnisverlust, Lernschwierigkeiten und anderen neurologischen Problemen führen. Eine weitere Folge des regelmäßigen Kokainkonsums ist besonders weitreichend: Kokain beschleunigt den Alterungsprozess des Gehirns, indem es die Hirnstruktur verändert. Eine 2023 publizierte Studie verglich das Hirngewebe von Kokain-Abhängigen und Nicht-Konsumenten. Festgestellt wurde bei den Suchtkranken eine ausgedehnte Atrophie der grauen Substanz in den Bereichen Temporallappen, Frontallappen, Insula und limbischer Lappen.

Sucht und zwanghaftes Verhalten

Nicht jedem Menschen gelingt es, Drogen kontrolliert zu konsumieren. Der fortgesetzte Konsum trotz negativer Folgen ist ein typisches Merkmal für süchtiges Verhalten. Schätzungen zufolge entwickelt eine von fünf Personen, die Drogen konsumieren, eine Abhängigkeit.

Was passiert im Gehirn, wenn das Verhalten einen zwanghaften Charakter angenommen hat? Die Forscherinnen und Forscher der Universität Genf haben möglicherweise eine wichtige Entdeckung gemacht, die erklären könnte, warum manche Menschen das offenkundig schädliche Konsumverhalten nicht einstellen können. Nach Aussagen des Forschungsteams ist allen Drogen mit Suchtpotential gemeinsam, dass sie im Gehirn die Aktivität des Neurotransmitters Dopamin beeinflussen. Dies betrifft vor allem das mesolimbische System, auch bekannt als Belohnungssystem.

Ein Forschungsteam aus der Schweiz hat möglicherweise einen wichtigen Mechanismus im Gehirn von Mäusen entdeckt, der erklären könnte, warum manche Menschen ein zwanghaftes Verhalten entwickeln. Es zeigte sich, dass eine synaptische Verbindung zwischen einer wichtigen Instanz für die Entscheidungsfindung, dem orbitofrontalen Kortex, und dem so genannten dorsalen Striatum besonders aktiv war. Das dorsale Striatum ist für willkürliche Bewegungsabläufe von Bedeutung und ist zudem Teil des Belohnungssystems.

Das Team konnte nun beobachten, dass die Aktivität dieser neuronalen Verbindung kurz vor dem Hebeldrücken und der Inkaufnahme eines elektrischen Schocks zunahm. Wurde die Verbindung künstlich gehemmt, stellten auch die zuvor ausdauernd hebeldrückenden Tiere ihre Aktivität ein. Wurde die Hemmung aufgehoben, fingen die Mäuse wieder an, den Hebel zu drücken. Liegt in dieser Verbindung womöglich der Schlüssel zum zwanghaften Verhalten bei einer Sucht?

Tatsächlich konnte das Forschungsteam nachweisen, dass die Stärke der synaptischen Verbindung zwischen den Neuronen des orbitofrontalen Kortex und dem dorsalen Striatum bei den Mäusen, die trotz Schmerzen weiter den Hebel drückten, zugenommen hatte. Mäuse, die das Hebeldrücken einstellten, zeigten eine weniger starke Verbindung beider Hirnareale.

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