Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die durch den Verlust von Dopamin produzierenden Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet ist. Dies führt zu einer Vielzahl von motorischen und nicht-motorischen Symptomen, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können. Im Verlauf der Erkrankung kommt es häufig zu Wirkungsfluktuationen, die eine besondere Herausforderung in der Behandlung darstellen.
Was sind Wirkungsfluktuationen?
Wirkungsfluktuationen sind Schwankungen im Ansprechen auf Parkinson-Medikamente, insbesondere Levodopa. Diese Schwankungen können sich als unvorhersehbare Wechsel zwischen Phasen guter Beweglichkeit (On-Phasen) und Phasen der Bewegungsverlangsamung oder -steifigkeit (Off-Phasen) äußern. Diese Fluktuationen können sowohl motorische als auch nicht-motorische Symptome betreffen und die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen. Die Schwankungen in Abhängigkeit der Medikamenteneinnahme werden als L‑Dopa-abhängige Wirk- oder Wirkungsfluktuationen bezeichnet und umfassen motorische sowie nichtmotorische Symptome. Zusätzlich zu den medikationsassoziierten treten bei vielen Patienten auch arzneimittelunabhängige Schwankungen der Symptomausprägung auf.
Ursachen von Wirkungsfluktuationen
Wirkungsfluktuationen sind im Verlauf der Parkinsonerkrankung ein häufiges Problem. Eine der Hauptursachen ist die fortschreitende Degeneration präsynaptischer Neurone und deren reduzierte Speicherkapazität, so Privatdozent Dr. Tobias Wächter, leitender Neurologe, Passauer Wolf Rehazentrum, Ingolstadt. Dies führt dazu, dass die Dopaminspeicher im Gehirn erschöpft sind und die Wirkung von Levodopa im Laufe der Zeit nachlässt.
Weitere Faktoren, die zu Wirkungsfluktuationen beitragen können:
- Gastrointestinale Paresen: Beeinträchtigungen der Magen-Darm-Beweglichkeit können die Aufnahme von Medikamenten verzögern oder reduzieren.
- Beeinträchtigungen der Resorption im Duodenum: Erkrankungen des Zwölffingerdarms können die Aufnahme von Levodopa beeinträchtigen.
- Mangelnde Compliance der Patienten: Eine unregelmäßige Einnahme von Medikamenten kann zu unvorhersehbaren Schwankungen der Symptome führen.
- Fortschreitender Dopaminmangel: Bei Morbus Parkinson kommt es zu einem Dopaminmangel im Gehirn. Dieser führt zu Störungen bei der Übertragung von Nervenreizen, welche vor allem für die Motorik entscheidend sind.
- Gewöhnung des Hirnstoffwechsels an die Wirkstoffe: Jedoch „gewöhnt“ sich der Hirnstoffwechsel mit der Zeit an die Wirkstoffe, sodass die Dosierung stetig erhöht und der Dopaminspiegel konstant gehalten werden muss.
- Ernährung: Bei der Einnahme von L-Dopa Präparaten ist jedoch unbedingt zu berücksichtigen, dass besonders eiweißreiche Nahrung die Aufnahme von Levodopa stören und die Wirkung der entsprechenden Medikamente reduzieren kann.
Diagnose von Wirkungsfluktuationen
Um festzustellen, ob es sich tatsächlich um Wirkungsfluktuationen handelt, ist eine sorgfältige Anamnese und Untersuchung erforderlich. Der Arzt wird Fragen zur Einnahme der Medikamente, zum Auftreten von Symptomen im Tagesverlauf und zu möglichen anderen Ursachen stellen.
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Ein nützliches Hilfsmittel zur Diagnose von Wirkungsfluktuationen ist das Führen eines On-Off-Tagebuchs. Hierbei dokumentiert der Patient über einen bestimmten Zeitraum, wann er sich in einer On-Phase (gute Beweglichkeit) und wann er sich in einer Off-Phase (Bewegungsverlangsamung oder -steifigkeit) befindet. Dies kann dem Arzt helfen, ein besseres Verständnis für die Schwankungen der Symptome zu entwickeln und die Therapie entsprechend anzupassen.
Therapieansätze zur Reduktion von Wirkungsfluktuationen
Das Ziel der Behandlung von Wirkungsfluktuationen ist es, die Symptome zu stabilisieren und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Hierfür stehen verschiedene medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapieansätze zur Verfügung.
Medikamentöse Therapie
Die Optimierung der medikamentösen Therapie ist ein wichtiger Schritt zur Reduktion von Wirkungsfluktuationen. Hierbei können verschiedene Medikamentenklassen zum Einsatz kommen:
- Levodopa: Levodopa ist nach wie vor das wirksamste Medikament zur Behandlung der Parkinson-Krankheit. Durch die Kombination von L-Dopa mit anderen Parkinson-Medikamenten, z. B. mit COMT-Hemmern und MAO-B-Hemmern, welche die Wirkdauer von L-Dopa verlängern und so die anfangs notwendige Dosis verringern können, kann die notwendige Dosis verringert werden. Um Wirkungsschwankungen zu reduzieren, kann die Dosierung und Häufigkeit der Einnahme angepasst werden. Es gibt auch retardierte Levodopa-Präparate, die eine langsamere Freisetzung des Wirkstoffs ermöglichen und so für eine gleichmäßigere Wirkung sorgen können.
- Dopaminagonisten: Dopaminagonisten imitieren die Wirkung von Dopamin im Gehirn. Sie können den Bedarf von Levodopa reduzieren und das Auftreten von Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen) und Wearing-off (Nachlassen der Wirkung) weniger wahrscheinlich machen. Langwirksame Dopaminagonisten wie Ropinirol-Pflaster als Add-on-Therapie führen bei bestehender Therapie mit L-Dopa zu einem vergleichbaren motorischen Benefit. Das Auftreten von Wirkungsfluktuationen werde dabei verringert. Neue Dopaminagonisten mit einer stärkeren Affinität für den Dopaminrezeptor D1 seien Gegenstand aktueller Forschungen. Das Ziel dabei sei, dass Dyskinesien vermieden werden.
- COMT-Inhibitoren: Catechol-O-Methyltransferase (COMT)-Inhibitoren verlängern die On- und reduzieren die Off-Zeiten. Sie hemmen den Abbau von Levodopa im Körper und erhöhen so die Verfügbarkeit von Dopamin im Gehirn. Beim Vergleich der verschiedenen COMT-Inhibitoren ist Tolcapon gegenüber Entacapon überlegen. Dennoch werde Tolcapon aufgrund seiner Lebertoxizität deutlich seltener verwendet, so der Referent. Opicapon besitzt eine deutlich längere Wirkungszeit und führt zu einer höheren COMT-Inhibition als Tolcapon oder Entacapon. Daneben ist Opicapon in der Reduktion der Off-Zeiten gegenüber Entacapon überlegen.
- MAO-B-Inhibitoren: Monoaminooxidase B (MAO-B)-Inhibitoren verlangsamen den Abbau von Dopamin im Gehirn. Während Selegilin keinen krankheitsmodifizierenden Effekt aufweist, reduziert Rasagilin die Off-Zeiten um etwa eine Stunde. Ein weiterer MAO-B-Inhibitor, Safinamid, reduziert ebenfalls die Off-Zeiten. Bei Patienten mit sehr frühen Dyskinesien besteht bei antiglutaminergem Effekt eine Tendenz zur Reduktion von Dykinesien.
- Apomorphin: Apomorphin ist ein stark wirksamer Dopaminagonist, der subkutan (unter die Haut) verabreicht wird. Es kann als Bedarfsmedikation bei Off-Phasen eingesetzt werden, um die Beweglichkeit schnell wiederherzustellen. So könne Apomorphin, über eine kontinuierliche Pumpe für ca. 16 Stunden täglich verabreicht, die On-Zeiten ohne Dyskinesie um 1,9 Stunden verlängern.
Pumpentherapie
Wenn die orale Medikation nicht mehr ausreichend ist, um die Symptome zu kontrollieren, kann eine Pumpentherapie in Erwägung gezogen werden. Hierbei werden Medikamente kontinuierlich über eine Pumpe verabreicht, um einen gleichmäßigeren Dopaminspiegel im Gehirn zu gewährleisten.
Es gibt zwei Arten von Pumpentherapien:
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- Apomorphin-Pumpe: Hierbei wird Apomorphin kontinuierlich subkutan verabreicht. Mit der ab Mai 2009 zur Verfügung stehenden Apomorphin-Fertigspritze wird die Handhabung wesentlich vereinfacht. Sie beinhaltet eine gebrauchsfertig vorverdünnte Lösung, die über einen Adapter direkt in die Pumpe überführt und sofort verwendet werden kann.
- Levodopa-Carbidopa-Gel-Pumpe (Duodopa): Hierbei wird ein Gel mit Levodopa und Carbidopa über eine Sonde direkt in den Zwölffingerdarm verabreicht.
Tiefe Hirnstimulation (THS)
Die tiefe Hirnstimulation ist ein neurochirurgisches Verfahren, bei dem Elektroden in bestimmte Hirnregionen implantiert werden. Durch die Stimulation dieser Hirnregionen können die Symptome der Parkinson-Krankheit, einschließlich Wirkungsfluktuationen, reduziert werden. Zur Wirkung der tiefen Hirnstimulation auf Wirkungsfluktuationen präsentierte der Neurologe Daten aus verschiedenen Studien. Die Reduktion der Off-Zeiten durch die tiefe Hirnstimulation werde zwischen 27 und 62% angegeben. Dyskinesien konnten in den Studien durch die tiefe Hirnstimulation um 20 bis 70% reduziert werden.
Nicht-medikamentöse Therapien
Neben der medikamentösen Therapie spielen auch nicht-medikamentöse Therapien eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Wirkungsfluktuationen.
- Tagesplanung und Umfeldanpassung: Es ist wichtig, dass die Patienten ihre Tagesplanung optimieren und eine Adaptation des Umfeldes stattfinde. Beispielsweise kann es in engen und dunklen Räumen zu einer Verstärkung von Dystonien und Freezing kommen.
- Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie: Zu den nicht-medikamentösen Therapien zählen Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. Beispielsweise können spezifische Bewegungstherapien wie die LSVT-BIG, bei der ein intensives Training von Bewegungen mit großer Amplitude erfolgt, zur Stärkung der Kompetenzen von Patienten beitragen. Denn komplexe Aktivitäten unterstützen Neuroplastizität und dopaminerge Aktivität.
Ernährungstipps
Es gibt zahlreiche Ernährungstipps bei Parkinson, welche Beschwerden lindern und die Behandlung unterstützen können. Bei der Einnahme von L-Dopa Präparaten ist jedoch unbedingt zu berücksichtigen, dass besonders eiweißreiche Nahrung die Aufnahme von Levodopa stören und die Wirkung der entsprechenden Medikamente reduzieren kann. L-Dopa Präparate sollten deshalb nicht mit besonders eiweißreichen Mahlzeiten wie Fisch oder Fleisch eingenommen werden, sondern nur mindestens eine Stunde davor oder danach.
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