Wo Angst und Reaktion im Gehirn sitzen

Unser Körper ist darauf ausgelegt, uns vor Gefahren zu schützen, wobei das Gehirn eine entscheidende Rolle spielt. Die Amygdala, ein kleiner, mandelförmiger Komplex von Nervenzellen im unteren Bereich des Gehirninneren, ist eine sehr wichtige Hirnregion für unser Erleben von Stress und Angst. Sie ist Teil des sogenannten limbischen Systems, einem Verbund verschiedener Hirnstrukturen im Innern des Gehirns, der eine große Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt. Die Amygdala steuert - zusammen mit anderen Hirnregionen - unsere psychischen und körperlichen Reaktionen auf stress- und angstauslösende Situationen.

Die Rolle der Amygdala in der Stressreaktion

Die Amygdala, oft als "Angstzentrale" des Gehirns bezeichnet, spielt eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Stress und Angst. Treffen bei ihr Signale ein, die höhere Aufmerksamkeit erfordern, zum Beispiel, wenn etwas neu oder gefährlich ist, dann feuern ihre Nervenzellen. Wir werden wacher und aufmerksamer. Dies geschieht bereits, bevor wir die Gefahr bewusst erkennen. Ab einer bestimmten Schwelle der Nervenaktivität setzt die Amygdala die Stressreaktion in Gang und aktiviert so die Kampf- und Flucht-Reaktion.

Um die Kampf- und Fluchtreaktion auszulösen, nutzt die Amygdala zwei Wege:

  1. Der schnellere Weg läuft über das sogenannte sympathische Nervensystem, das den Körper auf Aktivität einstimmt.
  2. Etwas langsamer ist der Weg über den Hypothalamus, ein komplexes Gebilde im Zwischenhirn, das grundlegende Funktionen unseres Körpers steuert. Für die Stressreaktion setzt er eine ganze Kaskade von Hormonen in Gang.

Der schnelle Weg: das sympathische Nervensystem

Über die Nervenstränge des sympathischen Nervensystems im Rückenmark gelangt die Information "Gefahr" zum Mark der Nebenniere. Dort werden Adrenalin und - in geringerem Maß - Noradrenalin ausgeschüttet. Diese Hormone nennt man auch Katecholamine. Sie treiben zum Beispiel den Herzschlag und den Blutdruck in die Höhe, sorgen für eine größere Spannung der Muskeln und bewirken, dass mehr Blutzucker freigesetzt wird, so dass die Muskelzellen besser versorgt werden können.

Der "langsame" Weg über den Hypothalamus

Parallel informiert die Amygdala den Hypothalamus, dass Gefahr im Verzug ist. Der Hypothalamus schüttet hormonelle Botenstoffe aus, unter anderem das Corticotropin-releasing-Hormon. Dieses Hormon wirkt auf die Hirnanhangdrüse im Gehirn - auch Hypophyse genannt. Es sorgt dafür, dass sie ein weiteres Hormon freisetzt, das Adrenocorticotropin, kurz ACTH. Es gelangt mit dem Blut zur Rinde der Nebenniere und veranlasst diese, das Stresshormon Kortisol auszuschütten. Kortisol ist ein lebenswichtiges Glukokortikoid, das auch viele andere Funktionen im Körper hat. Ist es im Übermaß vorhanden, kann es den Körper aber auch schädigen.

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Zusammen sorgen die Hormone und das sympathische Nervensystem dafür, dass unser Körper mehr Sauerstoff und Energie bekommt, um schnell zu handeln.

Was die Hormone bewirken

  • Der Atem beschleunigt sich
  • Puls und Blutdruck steigen an
  • Die Leber produziert mehr Blutzucker
  • Die Milz schwemmt mehr rote Blutkörperchen aus, die den Sauerstoff zu den Muskeln transportieren
  • Die Adern in den Muskeln weiten sich. Dadurch werden die Muskeln besser durchblutet
  • Der Muskeltonus steigt. Das führt oft zu Verspannungen. Auch Zittern, Fußwippen und Zähneknirschen hängt damit zusammen
  • Das Blut gerinnt schneller. Damit schützt sich der Körper vor Blutverlust
  • Die Zellen produzieren Botenstoffe, die für die Immunabwehr wichtig sind
  • Verdauung und Sexualfunktionen gehen zurück. Das spart Energie

Stress und Gedächtnis

Die Amygdala setzt nicht nur die Stressreaktion in Gang, sondern veranlasst auch eine bedeutende Gedächtnisregion im Gehirn, den ganz in der Nähe gelegenen Hippocampus, sich die stressauslösende Situation gut zu merken. Auf diese Weise lernen wir, uns vor dem Stressor in Acht zu nehmen. Kommen wir erneut in eine derartige Situation, läuft die Stressreaktion noch schneller ab. Forschungen haben gezeigt, dass chronischer Stress die Zellfortsätze im Hippocampus schädigen kann. Sie sind Teil der Nervenzelle und wichtig für die Aufnahme von Information. Schrumpfen sie, wirkt sich das negativ auf das Gedächtnis aus.

Denken und Stress

Auch mit dem "denkenden" Teil des Gehirns ist die Amygdala eng verbunden, vor allem mit einem stammesgeschichtlich jüngeren Teil unseres Hirns, dem Stirnlappen. Er ist wichtig für die Kontrolle der Emotionen. Wie der Name sagt, sitzt er hinter der Stirn. Er wird auch präfrontaler Cortex genannt. Mit seiner Hilfe können wir durch logische Analyse und Denken unsere Emotionen beeinflussen. Er spielt eine große Rolle bei der Bewertung, ob wir einen Stressor für bewältigbar halten oder nicht, und für unser Verhalten in der stressigen Situation. Chronischer Stress allerdings kann den präfrontalen Cortex verändern, so dass es schwieriger wird, sinnvolle Entscheidungen zu treffen.

Eingebaute Stressbremse

Zum Glück regen wir uns meistens nach Stress auch wieder ab. Dabei hilft eine eingebaute Stressbremse. Ist nämlich das Stresshormon Kortisol in ausreichendem Maß im Blut vorhanden, merken das bestimmte Rezeptoren im Drüsensystem und im Gehirn, die Glucocorticoidrezeptoren. Daraufhin stoppt die Nebennierenrinde die Produktion von weiterem Kortisol. Das parasympathische Nervensystem - der Teil des Nervensystems, der unseren Körper zur Ruhe kommen lässt - wird aktiv. Wir werden wieder ruhiger und entspannen uns.

Wenn die Hormone aus dem Ruder laufen

Anders sieht es aus, wenn das Zusammenspiel der Hormone nicht optimal funktioniert. Zum Beispiel, wenn nicht genug Rezeptoren vorhanden sind, die merken könnten, dass genug Kortisol vorhanden ist. Oder wenn die vorhandenen Rezeptoren nicht richtig arbeiten. Dann wird die Achse aus Hypothalamus, Hirnanhangdrüse und Nebenniere zu aktiv. Sie produziert zu viel Kortisol. So etwas kann in schlimmen Fällen zu Denkstörungen, zu Gewebeschwund im Hirn und zu Störungen des Immunsystems führen. Auch die Entstehung von Depressionen wird auf diesen Einfluss zurückgeführt, ebenso Stoffwechselstörungen, die Diabetes fördern.

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Frühe traumatische Erfahrungen beeinflussen die Stressreaktion

Intensiver Stress in der frühen Kindheit kann die Arbeitsweise von Genen, die an der Stressreaktion beteiligt sind, so beeinflussen, dass Stresshormone schneller und intensiver ausgeschüttet werden. Das wiesen Neurowissenschaftler aus dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München an Tieren nach. Dieser Effekt bleibt lebenslang bestehen. Ähnliche Ergebnisse scheint es unter bestimmten genetischen Bedingungen auch bei Menschen zu geben, die ein Trauma erlebt haben, etwa durch eine Naturkatastrophe, durch Missbrauch oder durch Gewalt.

Angst als Überlebensmechanismus

Angst ist eine der sieben Grundemotionen und überlebensnotwendig. Sie dient als Alarmsystem, das unseren Körper vor Gefahren warnt. Angst macht unseren Körper und Verstand wacher, wodurch Menschen die sogenannte Fight-, Flight- oder Freeze-Reaktion zeigen können - auf Deutsch Kampf-, Flucht- oder Starre-Reaktion. Die Angst ist in unserer Entwicklungsgeschichte tief verwurzelt und stammt noch aus einer Zeit, in der Menschen vor wilden Tieren flüchteten oder sie angriffen, um ihr Überleben zu sichern.

Wie und wo entsteht Angst?

In einer Gefahrensituation ist es wichtig, dass die Verarbeitung von Reizen im Körper blitzschnell funktioniert. Der visuelle Kortex sendet die Informationen direkt an die Amygdala, die für die emotionale Bewertung der Situation verantwortlich ist und die Angst steuert. Die Amygdala schickt die Botschaft „Alarm“ dann an den Locus coeruleus, der sich im Hirnstamm befindet und sofort die Adrenalinfreisetzung veranlasst. Erst verzögert erhält der Kortex die Informationen und tauscht sich mit dem Hippocampus aus, der die Erinnerung speichert. Der Hippocampus kann dem Kortex dann die Rückmeldung geben, dass es sich lediglich um eine harmlose Situation handelt. Nun beruhigt der Kortex die Amygdala und die Angstreaktion lässt nach. Es gibt aber auch Vorfälle, bei denen der Körper den Kortex gar nicht erst hinzuzieht, nämlich dann, wenn ein Mensch aus großer Angst direkt flüchtet und sich so der Situation entzieht.

Angeborene und erlernte Angst

Angst hat eine genetische Grundlage, ist aber auch formbar. Menschen können Ängste erlernen und sich so vor neuen Gefahren schützen. Das Erlernen funktioniert auf zwei unterschiedlichen Wegen:

  1. Durch Imitation: Beobachtet ein Kind beispielsweise, dass die Mutter Angst davor hat, auf einen gefrorenen See zu gehen, löst der Tritt auf die eisige Fläche womöglich später auch beim Nachwuchs ein hilfreiches Angstgefühl aus.
  2. Durch Konditionierung: Bei der Konditionierung lernt ein Mensch, dass das Verhalten eine bestimmte Konsequenz hat. Streichelt eine Person mehrmals einen Hund und wird wiederholt gebissen, kann sich daraus eine konditionierte Angst entwickeln. Die Person hat nun grundsätzlich Angst vor Hunden.

Grundsätzlich gilt, dass Menschen in der gleichen Situation sehr unterschiedlich reagieren können, auch ihr Angstempfinden kann stark voneinander abweichen.

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Veränderungen der Angst im Laufe der Zeit

Die Ängste der Menschen hängen insbesondere von aktuellen Geschehnissen ab. Während im Jahr 2015 beispielsweise die Flüchtlingskrise die Menschen sehr bewegt hat, sind es momentan wohl eher die steigenden Lebenserhaltungskosten, die Inflation und der Klimawandel. Allerdings spielt nicht nur das Zeitgeschehen eine Rolle, sondern auch die individuellen Lebensverhältnisse.

Angststörung vs. normale Angst

Angst ist etwas ganz Normales, sie kann aber auch krankhaft werden. Einen Krankheitswert hat sie dann, wenn sie zu lange andauert, zu häufig auftritt oder sie dann auftaucht, wenn gar keine Gefahr besteht. Die Angst übersteigt auch dann ein normales Maß, wenn sie zu einem Vermeidungsverhalten und damit zu Beeinträchtigungen im Alltag führt. Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell besagt, dass jeder Mensch eine ganz eigene Verletzlichkeit aufweist. Menschen, die eine hohe biologische Verletzlichkeit mitbringen, überschreiten die Schwelle zur Angststörung schneller. Eine hohe biologische Verletzlichkeit kann sich beispielsweise durch eine genetische Veranlagung ergeben. Durch innere und äußere Faktoren kann zudem ein Ungleichgewicht an Botenstoffen entstehen - auch das hat Einfluss auf die biologische Verletzlichkeit.

Furcht ist auf ein Objekt oder eine Situation bezogen, während Angst ungerichtet ist. Daher sind Phobien wie Arachnophobie genau genommen auch Furchterkrankungen und keine Angsterkrankungen.

Die positiven Seiten der Angst

Ein mittleres Maß an Angst ist sogar hilfreich bei Prüfungen, denn es macht wachsam und ruft so eine optimale Leistungsfähigkeit hervor. Angst kann sogar Spaß machen, sie ist sozusagen das Salz in der Suppe. Viele Menschen nutzen die Angst als Nervenkitzel. Und Angst verleiht Flügel - wenn wir uns einer (sicheren) Mutprobe stellen und sie bestehen, gewinnen wir an Selbstbewusstsein dazu.

Was wäre, wenn Menschen keine Angst hätten?

Wenn Menschen keine Angst verspüren würden, wäre die Welt viel grausamer. Schließlich halten uns Ängste davon ab, gewisse Dinge zu tun. Menschen ohne Ängste brächten sich auch in große Gefahr und könnten dabei sogar versterben. Es gibt tatsächlich ein Syndrom, bei dem die Amygdala, also die Angstzentrale im Gehirn, verkalkt - Betroffene verspüren dann viel weniger Angst, was zu sozialen Beeinträchtigungen und zu einem höheren Verletzungsrisiko führt.

Die Wechselwirkung zwischen präfrontalem Cortex und Amygdala

Die emotionale Aktivierung des Gehirns bewirkt, dass beängstigende Erlebnisse abgespeichert werden. Eine Wechselwirkung des präfrontalen Cortex und der Amygdala konnte nachgewiesen werden. Der präfrontale Cortex reguliert die Amygdala, indem er sie hoch- und runterschaltet. Es gibt einen Bereich im Gehirn, der wie ein Gaspedal draufdrückt, wenn wir Furcht haben. Ein anderer Bereich daneben hemmt die Furcht wie ein Bremspedal, wenn die Gefahr vorbei ist.

Die Rolle der Amygdala im emotionalen Gedächtnis

Der Mandelkernkomplex spielt auch eine Rolle für das Gedächtnis, genauer, das emotionale Gedächtnis. Normalerweise können wir uns besser an eine Situation erinnern, wenn starke Gefühle dabei beteiligt waren - besonders Angst oder Furcht. Menschen mit geschädigtem Mandelkernkomplex jedoch zeigen diesen Effekt nicht: Sie erinnern sich an abstoßende, an neutrale und an wohltuende Szenen gleich gut.

Stress und seine Auswirkungen auf das Gehirn

Stress ist an sich nichts Negatives, aber wenn er über lange Zeit oder sehr häufig auftritt, gerät unser Körper aus seinem natürlichen Gleichgewicht. Eine sehr wichtige Hirnregion für unser Stresserleben ist die Amygdala, das Angstzentrum unseres Gehirns. Sie spielt eine große Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen. Die Amygdala wird aktiv, sobald unser Gehirn eine Situation als neu oder potenziell gefährlich interpretiert. Als Folge wird das Stresshormon Cortisol freigesetzt. Unser Körper wird in Alarmbereitschaft versetzt. Der Blutdruck steigt, die Atmung wird schneller und die Muskeln spannen sich an.

Die Auswirkungen von anhaltendem Stress

  1. Anhaltender Stress führt dazu, dass sich bestimmte Zellen in der Amygdala stärker vermehren und die neuronalen Verbindungen zu anderen Hirnregionen gestärkt werden. Die Amygdala wird dann schneller überstimuliert. Wir fühlen uns überfordert und hilflos, werden nervös und reizbar. Immer mehr Erinnerungen werden so mit Angst und Gefahr verbunden.
  2. Wenn die Amygdala durch dauerhaften Stress überstimuliert wird, beeinträchtigt das auch die Funktion anderer Bereiche im Gehirn. Im Hippocampus werden dadurch weniger Gehirnzellen produziert, was sich negativ auf unser Gedächtnis auswirkt.
  3. Dauerstress führt dazu, dass im präfrontalen Cortex Nervenverbindungen verloren gehen. Unser Urteilsvermögen ist beeinträchtigt und durch die Überaktivierung der Amygdala werden Situationen emotionaler bewertet als üblich.

Langanhaltender Stress kann zu dauerhaften Veränderungen in unserer Hirnstruktur führen. Die Amygdala wird größer, der Hippocampus und der präfrontale Kortex schrumpfen. Das ebnet den Weg für eine Reihe an körperlichen und psychischen Beschwerden.

Die gute Nachricht: Stressfolgen sind umkehrbar

Die schädlichen Wirkungen von Stress auf unseren Körper und Geist scheinen weitgehend umkehrbar zu sein. Körperliche Aktivität, ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Lebensweise und gezielte Entspannung bringen deinen Hippocampus wieder in Schwung.

Neurobiologische Sicht auf Angst und Panik

Angst und Depression treten oft gemeinsam auf. Es gibt neurobiologisch gesehen mehr Gemeinsamkeiten, als man zunächst vermuten würde.

Was passiert bei Angstzuständen und Panikattacken?

Ein Trigger wird getroffen, die Sinne registrieren einen Schlüsselreiz und starten ein Alarmsystem, um Schmerz oder Verletzung zu vermeiden und das Leben zu retten. Das Kampf-Flucht-System des Körpers wird aktiviert, es mobilisiert alle zugängliche Energie, schüttet die Hormone Adrenalin und Cortisol aus und bringt den Betroffenen in Bereitschaft zu kämpfen, zu flüchten oder in der Motorik „einzufrieren“.

Welche Hirnregionen sind beteiligt?

Die dominanten, angstregulierenden Strukturen des Gehirns sind die des limbischen Systems:

  • Der Hypothalamus bewirkt sekundär über den Start einer hormonellen Kaskade die Angst- und Paniksymptome. Dies geschieht, wenn die Amygdala den Hypothalamus über eine drohende Gefahr informiert.
  • Der präfrontale Cortex dient als bewusstes Kontrollsystem.

Veränderungen im Hormonsystem

Bei Angst- oder Stress-Signalen aus dem limbischen System oder präfrontalen Cortex gibt der Hypothalamus ein Releasing-Hormon ab, welches über die Hypophyse die Bildung und Freisetzung des Hormons Cortisol in der Nebennierenrinde auslöst. In Panik- oder Angstzuständen wird dieses Stresshormon in großen Mengen ausgeschüttet. Auch Adrenalin und Noradrenalin werden vermehrt im Nebennierenmark gebildet und sorgen dafür, dass der Körper bereit ist, gegen Bedrohungen und akuten Stress anzugehen.

Was passiert auf Ebene der Nervenzelle?

Neurotransmitter werden zur synaptischen Reizübertragung zwischen Nervenzellen genutzt und können dabei verstärkend oder modulierend wirksam sein. Die wichtigsten sind die Neurotransmitter Glutamat, Serotonin, Acetylcholin und GABA. Ein Mangel an GABAerger und serotonerger Übertragung, d.h. ein Ungleichgewicht der relevanten Neurotransmitter, ist eine der Ursachen von Angststörungen und Panikattacken.

Die Vergänglichkeit von Angst

Jede Panikattacke ist vergänglich, genauso wie jeder andere Angstzustand. Der Körper reguliert automatisch zurück auf Entspannung und das parasympathische Nervensystem initiiert Entspannung, Erschöpfung und Erholung.

Die Rolle der Botenstoffe und des vegetativen Nervensystems

Angstreaktionen sind ein komplexes Wechselspiel von Botenstoffen - Hormonen und Neurotransmittern. Beruhigende Botenstoffe, vor allem das Serotonin, verlangsamen Atmung und Herzschlag. Daneben steht das vegetative Nervensystem, das lebenswichtige Körperfunktionen wie Atmung, Verdauung, Stoffwechsel oder Schlaf steuert.

Die Kaskade der Nervenzellschaltungen bei Angst

Aus neurobiologischer Sicht besteht eine Angstreaktion aus einer Kaskade von Nervenzellschaltungen. Zunächst gelangen Botenstoffe mit einer Meldung beispielsweise des Sehnervs über das Zwischenhirn in das dahinterliegende limbische System. Zum limbischen System gehören Regionen der Großhirnrinde, Nervenansammlungen im Zwischen- und Mittelhirn, der Mandelkern und das Ammonshorn.

Die Rolle des Mandelkerns (Amygdala)

Bei der Entstehung von Angst spielt die Amygdala eine zentrale Rolle. Sie ist doppelt vorhanden, wobei die rechte Amygdala Eindrücke von der linken Hirnhälfte verarbeitet und umgekehrt. Menschen ohne Mandelkern kennen keine Angst. Vom Mandelkern läuft das Angstsignal weiter zum Thalamus, einer im Zwischenhirn lokalisierte Umschaltzentrale. Im Thalamus sammeln sich Wahrnehmungen aus der Außenwelt und aus dem Körperinneren, darunter im limbischen System abgespeicherte Gefühle.

Die Rolle der Großhirnrinde

Während die Angstreaktion automatisch einsetzt, urteilt und entscheidet die Großhirnrinde aufgrund von Erfahrungen über den Angstreiz. Falls die Großhirnrinde den Reiz als „harmlos“ einstuft, schickt sie entwarnende Botenstoffe an das limbische System zurück. Bei Menschen mit Angststörungen lässt sich häufig die Angstreaktion nicht einfach stoppen.

Das Angstgedächtnis

Zu häufige oder zu langandauernde Angstreize können sich als rhythmisches Muster im Gehirn festsetzen. Es entsteht eine Art Angstgedächtnis, das schon bei geringsten Umweltreizen den Angstalarm auslöst.

Emotionen und das limbische System

Emotionen entstehen im limbischen System, einem stammesgeschichtlich alten Teil des Gehirns.

Die Hypophyse und das basale Vorderhirn

Indem die Hypophyse Stresshormone ausschüttet, ermöglicht sie dem Bedrohten, schneller und effizienter zu handeln. Das basale Vorderhirn steigert zusätzlich die Aufmerksamkeit und Erregung.

Der Hirnstamm

Über den Hirnstamm wird das autonome System aktiviert: Der Blutdruck und die Frequenz des Atems und Herzschlags steigen, die Muskeln ziehen sich zusammen - der Geängstigte ist bereit für die Flucht oder den Kampf. Damit Verletzungen den Mensch oder das Tier nicht ablenken, senkt der Hirnstamm auch die Schmerzwahrnehmung. Schließlich sorgt der Hirnstamm auch noch für automatisierte Verhaltensprogramme, wie den Gesichtsausdruck der Angst oder Angstschreie, um Artgenossen zu Hilfe zu rufen.

Die Amygdala als Alarmanlage

Die Amygdala dient Tier und Mensch als Alarmanlage. Innerhalb von wenigen Millisekunden bewertet sie Situationen und schätzt Gefahren ein. Manche Ängste sind angeboren oder sehr leicht zu erwerben.

Lernprozesse und Angst

Reize, die lange Zeit neutral oder positiv wahrgenommen wurden, können durch Lernprozesse irgendwann mit Gefahr assoziiert werden und später selbst Angst auslösen. Wenn ein neutraler Reiz gleichzeitig oder kurz nach einem unangenehmen Reiz wie etwa Schmerz auftritt, färbt die Angst, die der unangenehme Reiz auslöst, auf den neutralen Reiz ab.

Zweifel an der Amygdala als alleinige "Angstzentrale"

Es gibt immer mehr Zweifel an der Rolle der Amygdala als »Angstzentrale«.

Die Experimente von Heinrich Klüver

Vor knapp 100 Jahren gaben die Experimente des Arztes Heinrich Klüver den Anstoß für die angenommene Verbindung zwischen Angst und Amygdala.

Die vielfältigen Funktionen der Amygdala

Reizt man bei Versuchstieren mit einer Elektrode den Mandelkernkomplex, ist die Reaktion davon abhängig, auf welches Gebiet man trifft: Ist es die oberflächliche Kerngruppe, wird das Tier anfangen zu schmatzen, Kau- oder Leckbewegungen machen. Außerdem wird der Speichelfluss angeregt. Reizt die Elektrode hingegen den tiefen Amygdala-Teil, hebt das Tier den Kopf, die Pupillen weiten sich, es schaut sich aufmerksam um. Bei stärkeren Impulsen wird aus der gesteigerten Aufmerksamkeit Angst oder Wut. Der Mandelkern wirkt vor allem als emotionaler Verstärker.

Was passiert, wenn die Amygdala fehlt?

Fehlt der Mandelkernkomplex, wirken die Tiere insgesamt emotionsloser als früher. Vor allem aber fehlt es ihnen an jeglichem aggressiven oder defensiven Verhalten. Die Affen zeigen nicht die Spur von Furcht - auch dann nicht, wenn sie einer echten Gefahr, beispielsweise einer Schlange, begegnen. Dabei nehmen sie den äußeren Reiz der Schlange durchaus wahr, aber ohne Mandelkernkomplex bleibt der entsprechende Schreckreflex aus. Und nicht nur das: Ohne Amygdala haben die Tiere Schwierigkeiten, emotionale Assoziationen zu lernen, etwa einen bestimmten Gegenstand mit einer Belohnung zu verbinden oder mit einer Strafe. Außerdem suchen sie keinen Kontakt mehr zu anderen Affen und sind daher in der Gruppe bald isoliert.

Urbach-Wiethe-Syndrom

Einen ähnlichen Ausfall verursacht auch das Urbach-Wiethe-Syndrom, eine seltene Erbkrankheit, bei der unter anderem die Amygdala verkalkt. Die Erkrankten sind ebenfalls in ihrem Gefühls- und Sozialleben stark eingeschränkt. Dem Wort „Angst“ können sie keinerlei Bedeutung zuordnen.

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