Schienbeinkantensyndrom: Ursachen, Behandlung und Prävention

Das Schienbeinkantensyndrom, auch bekannt als Shin Splints oder Tibiakantensyndrom, ist ein weit verbreitetes Problem, das Schmerzen im Unterschenkel verursacht. Es handelt sich dabei um eine Überlastungsreaktion, die vor allem bei Sportlern auftritt, aber auch andere Ursachen haben kann. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte des Schienbeinkantensyndroms, von den Ursachen und Risikofaktoren bis hin zu Behandlungsmöglichkeiten und präventiven Maßnahmen.

Was ist das Schienbeinkantensyndrom?

Das Schienbeinkantensyndrom bezeichnet Schmerzen im Unterschenkel, die meist durch eine Überlastung der Bereiche entstehen, in denen die Sehnen der Muskeln am Schienbeinknochen ansetzen. Die typische Stelle liegt auf der Innenseite im unteren Drittel des Unterschenkelknochens. In den meisten Fällen liegt eine Überlastung der Muskeln und ihrer Sehnen vor. Davon abzugrenzen sind andere Fälle, in denen der Knochen selbst betroffen ist. Dann entwickelt sich ein Einriss in einem kleinen Teil des Schienbeinknochens, der sich bis zu einer sogenannten Stressfraktur ausweiten kann.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen für ein Schienbeinkantensyndrom sind vielfältig. Im Vordergrund steht häufig eine Überbeanspruchung durch deutlich erhöhte Trainingsumfänge. Hierdurch kommt es zu einer starken Belastung der Unterschenkelmuskeln bzw. deren Ansatzzonen am Schienbein (mediales Schienbeinkantensyndrom). Seltener kann ein Schienbeinschmerz auch durch einen erhöhten Druck in der Muskelloge, einer Gruppe funktionell zusammengehöriger Muskeln (funktionelles Kompartmentsyndrom), ausgelöst werden (laterales Schienbeinkantensyndrom).

Weitere Risikofaktoren sind:

  • Schnelle Steigerung der Trainingsintensität: Nach langer Zeit ohne Sport soll es endlich wieder losgehen, am besten von Null auf Hundert: Mindestens dreimal die Woche laufen, und das jeweils mindestens eine Stunde und nicht zu langsam. Genau das ist nicht ratsam. „Zu schnell, zu plötzlich, zu viel Belastung - ein solches Verhalten birgt ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Schienbeinkantensyndroms“, sagt Dr. Caroline Diehm, niedergelassene Orthopädin in Heidelberg.
  • Übergewicht und fortgeschrittenes Alter: Gerade bei Übergewicht und in mittlerem oder fortgeschrittenem Alter sollte man zunächst langsam anfangen und sich dann steigern.
  • Falsche Lauftechnik: Zu große Schritte können problematisch sein: Das Risiko für ein Schienbeinkantensyndrom steigt ein wenig, wenn man weniger als ungefähr 160 Schritte pro Minute läuft. Die Lösung: Mehr und kleinere Schritte machen.
  • Fußfehlstellungen: Insbesondere ein sogenannter Plattfuß kann zu einem Schienbeinkantensyndrom führen. Wegen einer Fehlstellung wird die Muskulatur auch im Schienbein häufig ungewöhnlich strapaziert. Daher kann es dort schneller zu einer Überlastung kommen.
  • Ungeeignetes Schuhwerk: Falsches Schuhwerk kann die Beschwerden am Schienbein ebenfalls begünstigen. Sitzen die Schuhe nicht richtig, sind sie zu locker geschnürt oder federn sie schlecht ab, kann es zu Fehlbelastungen an Muskeln und Sehnen kommen.
  • Vitamin-D-Mangel: Mindestens eine Studie legt nahe, dass sich das Schienbeinkantensyndrom möglicherweise durch einen latenten oder chronischen Vitamin-D-Mangel erklären lässt.

Symptome

Typisch sind krampfartige Schmerzen an der Innenseite des Schienbeins zu Beginn des Lauftrainings, meist auf Höhe der Schienbeinmitte. Die Schmerzen können aber auch vom Knöchel bis zum Knie ziehen. Die meisten Läufer berichten, dass gerade im Anfangsstadium ihrer Beschwerden die Schmerzen zu Beginn des Laufens auftreten - aber während des Laufens dann verschwinden. Beim nächsten Lauf treten die Schmerzen dann wieder auf. Je länger das Schienbeinkantensyndrom andauert, desto länger sind auch die Schmerzphasen.

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Weitere Symptome umfassen:

  • Dumpfe Schmerzen entlang der Innenseite des Schienbeins, die bis zum Knöchel ausstrahlen können.
  • Schmerzen, die zunächst nur bei Belastung auftreten, in späteren Stadien jedoch auch in Ruhephasen spürbar sind.
  • Spannungsgefühle oder Schwellungen im betroffenen Bereich.
  • Eine verstärkte Druckempfindlichkeit entlang des Schienbeins.

Diagnose

Die Diagnose wird anhand der geschilderten typischen Beschwerden und einer körperlichen Untersuchung gestellt. Der Orthopäde kann meist schon aufgrund der Beschreibung und Lokalisierung des Schmerzes erkennen, dass es sich um ein Schienbeinkantensyndrom handelt. Da es sich aber auch um eine Tibia-Stressfraktur handeln kann, sind weitere Untersuchungen notwendig. Im Orthozentrum Bergstrasse wird die Diagnose mittels Untersuchung und ggf. bildgebender Diagnostik gestellt. Der Arzt kann den Schmerz durch Druck auslösen. Per Tastbefund kann er oft muskuläre Verhärtungen oder Gewebeschwellungen verspüren. Der Patient kann bei Streckbewegungen des Fußes selbst den Schmerz am Schienbein auslösen.

Folgende Untersuchungen können durchgeführt werden:

  • Belastungstests: Der Arzt lässt den Patienten verschiedene Belastungstests durchführen und versucht herauszufinden, wie groß das Areal ist, in dem das Schienbein schmerzt.
  • Röntgenuntersuchung: Sportliche Überlastungen können neben dem Schienbeinkantensyndrom auch eine Tibia-Stressfraktur bzw. eine Aufweichung oder einen Riss im Schienbeinknochen auslösen. Diese Diagnose kann nur durch eine Röntgenuntersuchung getroffen werden.
  • MRT-Untersuchung: Andere Möglichkeiten, die den Schienbeinschmerz erklären könnten, wären ein funktionelles Kompartment- bzw. Beim Kompartmentsyndrom wird durch Muskelschwellungen Druck auf umliegende Gewebe ausgeübt. Das behindert den Blutfluss. Es kann zu Muskelfaserrissen führen. Auch hier erweist sich eine MRT Untersuchung als klärend.
  • Laufbandanalyse: Eine Laufanalyse kann klären, ob die gekauften Laufschuhe geeignet sind oder nicht. Sie kann dazu beitragen, dass zukünftig der Laufstil oder das dafür genutzte Schuhwerk den tatsächlichen Bedürfnissen angepasst werden.

Behandlung

„Ein Schienbeinkantensyndrom ist keine Erkrankung, bei der man eine Spritze gibt und den Patienten oder die Patientin nach Hause schickt und alles wird wieder gut. Leider ist es häufig eine längere Angelegenheit“, sagt Dr. Ingo Tusk, Chefarzt der Abteilung für Sportorthopädie und Endoprothetik.

Die Therapie des Schienbeinkantensyndroms umfasst in erster Linie konservative Behandlungsmaßnahmen.

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  • Schonung: Mit wortwörtlichem Nichtstun wird es meist wieder besser - das überlastete Schienbein sollte geschont werden, idealerweise macht man bis zu sechs Wochen keinen Sport. Das Entscheidende ist, diejenigen Belastungen zu vermeiden, die den Schmerz ausgelöst haben und auslösen. In vielen Fällen ist dies das Joggen. Andere sportliche Betätigungen hingegen, insbesondere Fahrradfahren oder Schwimmen, sind meist noch problemlos möglich.
  • Kühlung und Schmerzmittel: Falls das Schienbein auch in Ruhe zunächst noch schmerzt, empfiehlt Orthopädin Diehm vorübergehend Kühlen und das Auftragen von Schmerzsalbe, etwa mit dem Wirkstoff Diclofenac. „Gegebenenfalls kann man auch für kurze Zeit einmal Ibuprofen-Tabletten nehmen“, sagt Diehm.
  • Physiotherapie: Physiotherapeutische Behandlungen haben oft einen besseren Erfolg, als Medikamente. Allerdings muss die Therapie von einer/m erfahrenen PhysiotherapeutIn durchgeführt werden, der sich auf die Behandlung der Triggerpunkte versteht. Die manuelle Therapie der gereizten Beinhaut muss aber vermieden werden.
  • Einlagen: Bei Fußfehlformen oder -fehlstellungen kann eine Einlagenversorgung erfolgen.
  • Stoßwellentherapie: Die Stoßwellentherapie wird auch hier erfolgreich eingesetzt. In der Regel werden 3 Sitzungen à 2000 Stöße absolviert.

Prävention

Überlastung ist in den meisten Fällen der Auslöser für das Schienbeinkantensyndrom - um eine Wiederholung zu vermeiden, gilt entsprechend, beim Sport künftig die Belastung nicht wieder zu schnell und zu intensiv hochzufahren.

Weitere präventive Maßnahmen sind:

  • Langsame Steigerung der Trainingsintensität: Eine häufig empfohlene Regel bei Läufern ist die sogenannte 10-Prozent-Regel. Sie besagt, dass der wöchentliche Trainingsumfang nicht um mehr als zehn Prozent erhöht werden sollte.
  • Lauftechnik optimieren: Mehr und kleinere Schritte machen. „Ich empfehle meinen Patientinnen und Patienten auch, ‚leiser‘ zu laufen. Manchmal können hier auch dämpfende Laufschuhe helfen. Außerdem solle man auf die Spurbreite achten: bei manchen Betroffenen sei es günstiger, die Füße weiter auseinander zu setzen.
  • Geeignetes Schuhwerk tragen: Bei Sportlern müssen die benutzten Laufschuhe auf Abrieb oder auf Supination und Überpronation hin untersucht werden. Schon anhand der Abnutzungserscheinungen am Laufschuh lassen sich Überpronierer oder Supinierer ausmachen.
  • Fußmuskulatur kräftigen: Die Kräftigung der Fußmuskulatur steht im Fokus der Behandlung.
  • Dehnübungen: Regelmäßige Dehnübungen der Wadenmuskulatur vor und nach dem Laufen dienen der Vorbeugung. Beschwerden bereits da sind, sollte man täglich mehrmals dehnen.
  • Koordinationsübungen: Hilfreich sind auch Koordinationsübungen am MFT Brett. Man kann sich aber auch selber ein Kippelbrett basteln.
  • Barfußlaufen: Empfohlen sind auch Barfussläufe - wobei Univ.Prof. Dr. Christian Gäbler persönlich dazu rät, solche Läufe vorsichtig anzugehen, da das Fussgewölbe keine Unterstützung hat - und auch Sandläufe am Strand sind anfangs nicht ungefährlich, da man die Muskulatur sehr rasch überbeanspruchen kann.
  • Vitamin-D-Spiegel optimieren: Ergänzt wird die Therapie im Profisport durch die Analyse des Vitamin D3-Stoffwechsels. Schienkantensyndroms und von Stressfrakturen führen kann.

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