Das Gehirn: Faszinierende Fakten und Erkenntnisse

Das menschliche Gehirn ist ein komplexes und faszinierendes Organ, das uns ermöglicht, zu denken, zu fühlen, zu lernen und uns an Dinge zu erinnern. Die Forschung auf diesem Gebiet hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und uns neue Einblicke in die Funktionsweise dieses erstaunlichen Organs ermöglicht.

Wie das Gehirn Zahlen verarbeitet

Eine aktuelle Studie der Technischen Universität München (TUM) hat gezeigt, wie das Gehirn Zahlen verarbeitet. Forschende um Simon Jacob wiesen nach, dass einzelne Neuronen im Gehirn auf bestimmte Zahlen spezialisiert sind. Diese Neuronen waren besonders aktiv, wenn das Gehirn eine bestimmte Anzahl von Elementen in einer Punktwolke wahrnahm. „Wir wussten bereits, dass Tiere auf diese Weise Anzahlen verarbeiten“, sagt Simon Jacob. „Wie das beim Menschen geschieht, ließ sich aber bislang nicht eindeutig belegen.“ Die Aktivität des menschlichen Gehirns zellgenau zu messen, war bisher nur sehr eingeschränkt möglich. Die Forschenden der TUM haben einen Ansatz entwickelt, der dies deutlich vereinfacht. Sie setzen auf Mikroelektroden und die Unterstützung von Hirntumor-Patient:innen: Während Wach-OPs nehmen diese an Studien teil.

Soziale Interaktion und das Gehirn

Menschen sind soziale Wesen, aber sie sind nicht die einzigen Lebewesen, die sich mit Artgenossen zusammenschließen. In der Natur gibt es viele Beispiele für Herden, Schwärme, Rudel und Kolonien von Tieren derselben Art. Aber wie erkennt das Gehirn eines Tieres seine Artgenossen? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz untersuchen diesen Prozess an jungen Zebrafischen. Sie entdeckten nun einen neuronalen Schaltkreis, der soziale Anziehung vermittelt.

Die Entschlüsselung der neuronalen Schaltkreise, die diesem Vorgang zugrunde liegen, ist jedoch alles andere als trivial. „Beim Erforschen von Sozialverhalten gibt es eine grundlegende Schwierigkeit: Aktionen und Reaktionen gehen ineinander über und sind im Verhalten und auf neuronaler Ebene für uns als Betrachter schlecht zu unterscheiden“, erklärt Johannes Larsch, Projektleiter in der Abteilung von Herwig Baier. „Das liegt daran, dass sich die beteiligten Individuen gegenseitig beeinflussen. Sie sind gleichzeitig Empfänger und Sender sozialer Signale. Insbesondere die Rolle des visuellen Systems und der damit verbundenen Gehirnbereiche war bislang experimentell kaum untersuchbar.“

Schlüsselreiz für Schwarmverhalten

Das Team um Johannes Larsch fand jedoch eine Möglichkeit, die Bedeutung des visuellen Systems für das Sozialverhalten genauer zu erforschen. Sie entwickelten einen Versuchsaufbau, in dem Zebrafischlarven mit simulierten Artgenossen interagieren können. Dazu reicht ein Punkt auf einem Display, der sich mit dem für Zebrafische typischen, ruckartigen Bewegungsmuster bewegt. Die Tiere können diesem Reiz nicht widerstehen: Sie schwimmen dem Punkt oft stundenlang hinterher, da sie ihn offensichtlich für einen Artgenossen halten. Damit hatten die Forschenden einen isolierten und genau definierten Schlüsselreiz als Auslöser von Schwarmverhalten gefunden.

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Die Experimente zeigten, dass ein sich Fisch-ähnlich bewegender Punkt im Zebrafischgehirn ganz bestimmte Nervenzellen im Thalamus aktiviert. Derselbe Bereich des Thalamus wird auch aktiv, wenn tatsächlich ein Artgenosse in der Nähe schwimmt. Der Thalamus ist eine Gehirnregion, die auch beim Menschen unter anderem für Sinnesverarbeitung wichtig ist.

Verbindung zwischen Sehsystem und Regionen für Sozialverhalten

Die von den Forschenden identifizierten Nervenzellen in dieser Region verbinden das visuelle System des Zebrafisches mit weiteren Gehirnregionen, die bei sozialem Verhalten aktiv werden. „Wir wussten bereits, dass diese weiteren Gehirnregionen eine Rolle beim Steuern von Sozialverhalten spielen, aber nicht, durch welche visuellen Reize sie aktiviert werden. Unsere Arbeit hat diese Wissenslücke geschlossen und gezeigt, über welche neuronalen Schaltkreise die visuellen Signale in diese Regionen gelangen“, sagt Larsch.

Wie wichtig die neu identifizierten Nervenzellen für das Sozialverhalten der Fische sind, zeigte sich, als die Forscher die Funktion dieser Zellen gezielt blockierten: Die Zebrafischlarven verloren ihr Interesse an Artgenossen - das instinktive Hinterherschwimmen fand kaum noch statt. „Die von uns untersuchten Nervenzellen erfüllen im Zebrafisch somit die Aufgabe des sozialen Erkennens und leiten eine Annäherung an Artgenossen ein“, sagt Johannes Kappel, Doktorand und Erstautor der Studie. „Menschen besitzen ebenfalls einen Thalamus und viele neuronale Prozesse sind während der Evolution vom Fisch zum Menschen erhalten geblieben. Auch beim Menschen gibt es Gehirnregionen, die aktiviert werden, wenn wir für uns typische Bewegungsmuster wahrnehmen. Ihre genaue Funktionsweise und Bedeutung für die Steuerung unseres Verhaltens sind allerdings noch unbekannt.“

Die Studie von Kappel, Larsch, Baier und ihren Ko-Autoren wirft neues Licht auf einen Teil des Gehirns, dessen Aktivierung den grundlegenden "Klebstoff" für die Bindung zwischen zwei Zebrafische liefert. In der Summe führen viele solcher einzelnen Interaktionen zur Bildung von Fischschwärmen. Soziales Verhalten wird also durch Netzwerke von Gehirnen gesteuert, die ihrerseits Netzwerke von Neuronen sind.

Daumengröße und Gehirnvolumen bei Primaten

Wissenschaftler der Universität im englischen Reading haben 94 verschiedene Primatenarten untersucht, lebende Arten, aber auch Fossilien. Die erstaunliche Entdeckung: die Arten mit relativ langen Daumen hatten auch ein vergleichsweise großes Gehirn. Ob nun das wachsende Gehirn die manuellen Fähigkeiten befördert hat oder ob es umgekehrt war, also die zunehmende Größe der Finger zu einem größeren Gehirn geführt hat, klingt fast wie die Frage nach Henne und Ei. Doch die Forschenden haben eine Antwort, die sich aus einem spannenden Detail der Studie ergibt. Demnach ist der Daumen, der ja gerade beim präzisen Greifen kleinerer Gegenstände hilft, nicht, wie erwartet, mit dem Kleinhirn verbunden, dem Bewegungszentrum des Gehirns.

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Gedächtnis: Ein exklusiver Club für Erinnerungen

Das Gedächtnis ist wie ein exklusiver Club, in dem manche Erinnerungen ein ganzes Leben bleiben können. Was es für den Einlass braucht? Viele werden schon an der Tür abgewiesen und wer es dennoch in diesen exklusiven Club schafft, fliegt auch schnell mal wieder raus: Ansonsten können es sich Erinnerungen ein Leben lang im Gedächtnis gemütlich machen. Umso erstaunlicher ist es, welche Schnipsel unserer Vergangenheit wir dort vorfinden. Die Matheformel aus der neunten Klasse ist längst nicht mehr hier.

Wie Erfahrungen das Gehirn prägen

Dass Erfahrungen ihre Spuren in den Schaltkreisen des Gehirns hinterlassen, ist zwar schon länger bekannt, aber eine wegweisende Studie aus Dresden zeigt nun - am Beispiel von Mäusen - wie massiv diese Effekte tatsächlich sind. Die Befunde von Forschenden des DZNE und der Technischen Universität Dresden geben ungeahnte Einblicke in die Komplexität von neuronalen Netzwerken und die Anpassungsfähigkeit des Gehirns. Sie könnten darüber hinaus den Weg für neue Methoden der künstlichen Intelligenz bereiten.

Die Dresdner Wissenschaftler gingen der Frage nach, wie sich das Leben in einer reichhaltigen Erfahrungswelt auf die Schaltkreise des Gehirns auswirkt. Dazu nutzten sie einen sogenannten Neurochip, um mit mehr als 4.000 Elektroden die elektrische Aktivität von Hirnzellen zu messen. Das „Feuern“ Tausender Neurone konnte so gleichzeitig registriert werden. Das untersuchte Areal - viel kleiner als ein menschlicher Fingernagel - umfasste den gesamten Hippocampus einer Maus. Diese Hirnstruktur, die auch beim Menschen vorkommt, spielt für das Lernen und das Gedächtnis eine entscheidende Rolle. Bei Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen wird sie stark beschädigt.

„Die Ergebnisse haben unsere Erwartungen bei weitem übertroffen“, sagt Studienleiter Dr. Hayder Amin. Der Experte für Neuroelektronik und „Computational Neuroscience“ führt am DZNE eine Forschungsgruppe und entwickelte gemeinsam mit seinem Team die Technologie und Analysewerkzeuge, die in der aktuellen Studie zum Einsatz kamen. „Vereinfacht kann man sagen, dass die Nervenzellen von Mäusen aus der reizvollen Umgebung viel stärker miteinander verknüpft waren als die von Mäusen, die in Standardhaltung aufwuchsen. Unabhängig davon, welchen Parameter wir uns angeschaut haben, hat eine reichere Erfahrungswelt die Verbindungen in den neuronalen Netzen buchstäblich verstärkt. Prof. Gerd Kempermann, der die aktuelle Studie mit leitete und der am DZNE und am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der TU Dresden forscht, stimmt zu. Der Neurowissenschaftler befasst sich schon länger mit der Frage, wie körperliche und geistige Aktivität dem Gehirn helfen, sich gegen das Altern und neurodegenerative Erkrankungen zu wappnen: „Alles, was wir aus diesem Bereich bislang wussten, stammt entweder aus Studien mit Einzel-Elektroden oder von bildgebenden Methoden wie der Magnetresonanztomographie. Die räumliche und zeitliche Auflösung dieser Verfahren ist viel gröber als unser Ansatz. Wir können die Schaltkreise im wahrsten Sinne des Wortes bis auf die Ebene der einzelnen Zellen beim Arbeiten beobachten. Aus unseren Messdaten haben wir eine riesige Menge an Details über die Netzwerkdynamik in Raum und Zeit extrahieren können.

„Wir haben eine Fülle von Daten ermittelt, die den Nutzen eines durch reiche Erfahrungen geprägten Gehirns verdeutlichen. Dies ebnet den Weg zum Verständnis der Rolle sogenannter Neuroplastizität und Reservebildung bei der Bekämpfung neurodegenerativer Erkrankungen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf neuartige Präventionsstrategien“, so Kempermann weiter. „Außerdem wird dies Einblicke in Krankheitsprozesse ermöglichen, die mit Neurodegeneration einhergehen.

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„Indem wir entschlüsseln, wie Erfahrungen das Netzwerk und die Dynamik des Gehirns gestalten, erweitern wir nicht nur die Grenzen der Hirnforschung“, sagt Amin. „Künstliche Intelligenz wird davon inspiriert, wie das Gehirn Informationen verarbeitet.

Lernen und Gedächtnis

Lernen beschreibt den Prozess des Aneignens und Anwendens von Wissen und Fähigkeiten. Im deklarativen Gedächtnis werden Episoden unseres Lebens (deswegen auch episodisches Gedächtnis genannt) und Ereignisse gespeichert, die wir uns immer wieder hervorholen können, z. B. die Erinnerung an unseren ersten Kuss. Im semantischen Gedächtnis, ebenfalls Teil des deklarativen Gedächtnisses, behalten wir Fakten und Zahlen, die wir bewusst erlernt haben, z. B. Im nicht-deklarativen Gedächtnis laufen Prozesse, die wir nicht oder kaum bewusst steuern, z. B.

Es gelangen unzählige Eindrücke über die Sinnesorgane in unser Gehirn. Sie werden als Informationen auf Nervenbahnen von den Sinnesorganen ans Gehirn weitergeleitet und dort in neuronalen Netzen gespeichert. Im Zwischenhirn werden zuerst unwichtige Eindrücke aussortiert und wichtige für maximal zwei Sekunden im Ultrakurzzeitgedächtnis gespeichert. Dazu bedient es sich verschiedener sensorischer Kortexareale, die auf der Großhirnrinde liegen und gleichzeitig aktiv sind. Ein Vorteil des multimedialen Lernens ist daher auch, dass mehrere Bereiche mit einem Lerninhalt konfrontiert werden können, wodurch sich dieser leichter vom Gehirn aufnehmen lässt. Im Anschluss verweilt die neue Information für bis zu 45 Sekunden im Arbeitsgedächtnis, wo man sich z. B. auch eine Telefonnummer für kurze Zeit merken kann, ohne dass sie Anschluss noch einmal abrufbar wäre. Das Kurzzeitgedächtnis kann neue Informationen anschließend für einige Stunden aufrechterhalten. Das geschieht im limbischen System, dem Hippocampus und den angrenzenden Kortexarealen im Temporallappen. Hier werden die Neuronen allerdings nur aktiviert. Es wird keine neue Verbindung von Neuronen gespeichert. Im Langzeitgedächtnis, das den gesamten Kortex durchzieht, werden Informationen längerfristig, also teilweise für Jahre gespeichert. Neue Informationen werden dazu bei bereits vorhandenen Informationen eingespeichert, sie überschreiben oder ersetzen diese. Sie bilden als Neuronenverbindungen einen Teil des gesamten Netzwerks und sind integriert. Durch jedes neue Lernen verändert sich also teilweise die Hirnstruktur. Diese neuronalen Netze sind umso stärker und können schneller arbeiten, je häufiger sie trainiert werden, also je öfter Informationen abgerufen werden. Forscherinnen und Forscher sprechen dabei von „neuronaler Plastizität“, der Fähigkeit von Synapsen, Neuronen und Netzwerken, sich durch Optimierungsprozesse fortlaufend an sich ändernde Anforderungen anzupassen. Wird wiederholt, werden sie stärker. Kinder haben in einem Alter bis zu zehn Jahren etwa doppelt so viele Synapsen wie erwachsene Menschen. Danach halbiert sich diese Zahl und ab der Pubertät tritt kaum eine Veränderung in der Zahl der Synapsen auf. Das bedeutet, dass im Kindesalter aufgrund dieser hohen Synapsenzahl eine große Anpassungs- und Lernfähigkeit des Gehirns besteht. Ein weiterer Unterschied liegt in der Merkfähigkeit von Kindern. Babys können Erinnerungen nur bis zu 24 Stunden im Gedächtnis behalten. Mit zunehmenden Alter wächst das Erinnerungsvermögen und die Zeiträume, die erinnert werden können, werden länger. Das Langzeitgedächtnis wird in seiner Form erst ab dem fünften Lebensjahr ausgebildet. Hinzu kommt in diesem Alter die Entwicklung des präfrontalen Kortex, der für die Entscheidungsfindung und das logische Denken wichtig ist. Im Laufe eines Erwachsenenlebens können Strukturen des fertig entwickelten Gehirns teilweise umgebaut bzw. „umfunktioniert“ werden. Wenn z. B. durch Krankheit einige Bereich in ihrer Funktion gestört sind, können andere Bereiche des Gehirns ihre Aufgabe zumindest teilweise übernehmen.

Tipps zur Verbesserung des Lernens

Am besten lernen wir neue Informationen, indem wir in einem Umfeld interagieren, dass äußere und innere Einflüsse betrachtet und ggf. minimiert. Das bedeutet für den Unterricht, dass Lehrkräfte beachten, in welcher Situation die Schülerinnen und Schüler in den Unterricht kommen, z. B. müde, aufgekratzt oder hungrig. Welche Einflüsse aus der Umwelt spielen für die Schülerinnen und Schüler eine Rolle, z. B. wie sind die Temperatur- und Lichtverhältnisse im Klassenzimmer, wie ist das soziale Gefüge der Klasse, gibt es bei Einzelnen Probleme im Elternhaus, und wie kann die Lehrkraft diese ausblenden. Um die Konzentrationsfähigkeit der Lernenden zu stärken, sollten verschiedene Entspannungs- bzw.

  • Kooperativ lernen: Wenn Schülerinnen und Schüler sich im Unterricht gegenseitig Fragestellung sowie Lösungswege erklären, reaktivieren sie ihr verblassendes Wissen und können es so stärken.
  • Den Intervall-Effekt nutzen: Mit dem Intervall- oder Spacing-Effekt werden längere Wiederholungszyklen beim Lernen beschrieben. Dementsprechend sollte ein Thema im Laufe eines Schuljahrs an verschiedenen Punkten immer wieder aufgegriffen werden. Die Lernenden erhalten dadurch die Möglichkeit, das erlernte Wissen immer wieder abzurufen und erneut zu festigen. Eine kurze Auffrischung zum Stundenbeginn oder Hausaufgaben einige Wochen, nachdem das Thema zuletzt aufgegriffen wurde, sind zwei klassische Varianten.
  • Text mit Bild verbinden: Wurde etwas mit mehreren Sinnen gelernt, ist es einfacher wieder abrufbar, als wenn es nur über Text vermittelt wurde. Zur Reaktivierung von Wissen können zu Beginn der Stunde verschiedene Bilder, Fotos oder Zeichnungen für die Schülerinnen und Schüler ausgebreitet werden, denen wichtige Begriffe zur vergangenen Unterrichtseinheit zugeordnet werden sollen.

Die Rolle von Lipiden bei der Hirnentwicklung

Lange Zeit war Wissenschaftlern die wichtige Rolle der Lipide beim Nervenwachstum nicht bekannt. Denn Fettsäuren, wie beispielsweise Phospholipide, sind vor allem die wesentlichen Bausteine der Zellmembranen - also der Hüllen, die Zellen und ihre Untereinheiten umgeben. Hier übernehmen sie eine Barriere-Funktion. Doch 1996 fanden Wissenschaftler heraus, dass Lipide mehr können: Sie übermitteln auch Botschaften zwischen den Zellen. So docken Fettsäuren beispielsweise an bestimmte Moleküle an, sogenannte LPA-Rezeptoren, die sich außen an einer Zelle befinden, und übermitteln Signale ins Innere. „Seitdem wissen wir, dass die Moleküle die zellulären Prozesse steuern und beeinflussen“, erläutert Bräuer.

Wie das Gehirn Informationen speichert

Wie kann unser Gehirn wichtige Informationen und Erfahrungen zuverlässig speichern, ohne dass die Zahl seiner Zellen und Verknüpfungen im Laufe eines Lebens immer weiter wachsen muss? Die Forschergruppe von Prof. Martin Korte am Institut für Zoologie der Technischen Universität Braunschweig ist der Antwort auf diese Frage zwei Schritte näher gekommen. Die Ergebnisse ihrer Grundlagenforschung können später möglicherweise für die klinische Forschung, beispielsweise an der Alzheimer-Krankheit, von Bedeutung sein.

Unser Gehirn speichert täglich unzählige Informationen. Die Speichereinheiten für diese Informationen finden sich in den Synapsen, also in den feinen Verästelungen, über die sich die Nervenzellen im Gehirn miteinander vernetzen. Jede einzelne Zelle verfügt über bis zu 10.000 dieser winzigen Äste. Sobald wir Informationen verarbeiten, verändern sich diese. Wenn bestimmte Informationen nun in das Langzeitgedächtnis überschrieben werden sollen, bedeutet das, dass sich die entsprechenden Synapsen dauerhaft verändern müssen. Im Zellkern setzt sich dazu ein Mechanismus in Gang, der über die dortigen Gene bestimmte Proteine ausschüttet. Wie aber „wissen“ die zentral produzierten Proteine, welche Synapsen dauerhaft verstärkt werden sollen? Und wie kommen Sie an die richtige Stelle? Martin Korte und Shreedharan Salikumar haben am Institut für Zoologie der TU Braunschweig beobachtet, wie die betroffenen Bereiche der Synapsen zu diesem Zweck auf raffinierte Weise auf sich aufmerksam machen. Sie produzieren einen Marker (engl. „tag“), der dafür sorgt, dass die notwendigen Proteine nur an eben diesen markierten Synapsen wirksam sind. Durch das „synaptic tagging“ müssen Proteine aus dem Zellkern nicht mehr gezielt an die richtige Stelle transportiert werden, sondern sie können in eine größere Funktionseinheit „geschickt“ werden. Ihre Wirkung entfalten sie nur an der richtigen Stelle. „Das Gehirn hängt auf diese Weise gleichsam einen Wimpel mit der Aufschrift ‚bitte verarbeiten und behalten‘ an die eintreffenden Signale,“ erläutert Prof. Martin Korte.

Lange Zeit ging die Forschung davon aus, dass alle Speichereinheiten im Dendritenbaum auf ähnliche Weise funktionieren. Korte und Salikumar konnten nun belegen, dass diese tatsächlich jeweils unabhängig voneinander unterschiedlich codierte Signale aufnehmen und sehr flexibel auf Anforderungen reagieren können. Je wichtiger die Informationen sind, um so komplexer werden die Signale, die sicherstellen, dass diese Erinnerungen auch bleibende Speicherorte finden. Wenn wir die Informationen, die nicht im Zellkern, sondern im Netzwerk selbst gespeichert sind, später abrufen, kann es zu Überschneidungen oder Kopplungen in der Erinnerung kommen. Denn dann kann gleichzeitig ein ganzes System von weiteren Signalen aktiviert werden, die in beteiligten Zellen gespeichert sind. Daher erinnert man sich oftmals nicht nur an prägende Ereignisse, sondern beispielsweise auch genau an den Ort, wo diese stattfanden. „Dieses Phänomen kann auch eine Erklärung dafür liefern, warum es so schwer ist, gleichzeitig Spanisch und Portugiesisch zu lernen“, erklärt Korte.

NogoA: Ein Protein, das Erinnerungen stabilisiert

Ein medizinisches Rätsel kam Andrea Delekate, Marta Zagrebelsky, Stella Kramer und Prof. Martin Korte vom Institut für Zoologie der Technischen Universität Braunschweig sowie dem schweizer Hirnforscher Prof. Martin E. NogoA ist ein Protein, das das Wachstum von Nervenzellen hemmt. Es kommt im Körper nur im Zentralen Nervensystem, also im Gehirn und im Rückenmark, vor - und kann eine fatale Wirkung entfalten. Wenn Nervenstränge, zum Beispiel in der Hand, verletzt werden, kann sich das Gewebe in der Regel regenerieren. Wird aber, wie nicht selten bei Motorradunfällen, das Rückenmark verletzt, sorgt dieses Protein dafür, dass die Nerven sich nicht wieder miteinander vernetzen. „Wir wussten bislang, vor allem aufgrund der Forschungsarbeiten von Martin Schwab, wie NogoA funktioniert. Aber wir wussten nicht, warum es existiert. Vor allem die Tatsache, dass das Protein am allermeisten im Hippocampus vorkommt, gab uns Rätsel auf,“ erläutert Martin Korte. „Es findet sich also vor allem in der Hirnregion, die dafür verantwortlich ist, welche Informationen vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis überführt werden.“ Um Muster erkennen und Erfahrungen behalten zu können, benötigen wir nicht nur ein sehr flexibles Nervensystem. Die Forscher konnten nachweisen, dass das NogoA sowohl die Funktion als auch die Struktur von Nervennetzen stabilisiert, und auf diese Weise hilft, Erinnerungen zu speichern. Es schreibt also in bestimmten Stellen des Gehirns die Funktionalität von neuronalen Netzten fest und schützt sie vor weiteren Änderungen. Die Erkenntnisse können in einigen Jahren zur Entwicklung neuer Medikamente führen. Bei Schäden im zentralen Nervensystem, wie sie etwa bei einem Schlaganfall auftreten, kann die gezielte Blockade von NogoA die Plastizität fördern und die Rehabilitation unterstützen (also die Veränderlichkeit der neuronalen Netze erleichtern).

Weitere interessante Fakten über das Gehirn

  • Das Gehirn ignoriert unnötige Informationen automatisch.
  • Die Gehirnmasse besteht zu 80 % aus Wasser.
  • Der erwachsene Mensch verliert im Erwachsenenalter rund ein Gramm Gehirnmasse pro Jahr.
  • Der Zungenabdruck ist so einzigartig wie der Fingerabdruck.
  • Das menschliche Gehirn ist nur etwa 1300 Gramm schwer, was im Gesamtgewicht des Körpers kaum eine Rolle spielt. Gleichzeitig benötigt es aber circa 20 Prozent aller Energie, die dem Körper zur Verfügung steht, um seine wichtigen Aufgaben zu erfüllen.

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