Yin Yoga und seine Wirkung auf das Nervensystem: Eine umfassende Betrachtung

In unserer schnelllebigen Welt suchen viele Menschen nach Wegen, um Körper und Geist in Einklang zu bringen. Yin Yoga, eine sanfte und meditative Praxis, die auf der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) basiert, erfreut sich wachsender Beliebtheit. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Wirkungen von Yin Yoga auf das Nervensystem, geht auf seine Ursprünge und Prinzipien ein und betrachtet sowohl die potenziellen Vorteile als auch die möglichen Gefahren.

Was ist Yin Yoga? Eine Einführung

Yin Yoga kombiniert Yogapraxis mit Konzepten wie Chi-Fluss und den Meridianen. Die Haltungen (Asanas) werden lange gehalten - oft zwischen 3 und 5 Minuten oder sogar länger. Diese sanfte, meditative Praxis hilft, Körper und Geist zu entspannen, indem sie den Körper in einen Zustand der Ruhe bringt. Im Gegensatz zu dynamischeren Yoga-Formen, bei denen Muskelkraft im Vordergrund steht, werden die Posen im Yin Yoga ohne Muskelspannung gehalten, wodurch Schwerkraft und Atem die Arbeit übernehmen können.

Jede Pose wird für mehrere Minuten gehalten, was es ermöglicht, die tieferen Gewebeschichten wie Faszien, Bänder und Gelenke anzusprechen. Diese Yoga-Art lädt dazu ein, Anspannung auf allen Ebenen loszulassen - körperlich, mental und emotional. Während der Haltungen liegt der Fokus darauf, sich bewusst mit dem Atem, den Empfindungen und den Gedanken zu verbinden.

Yin Yoga ist für Anfänger gut geeignet, da es keinen Leistungsdruck gibt und der Fokus auf Entspannung und Achtsamkeit liegt. Es ist normal, anfangs Unruhe zu spüren. Lasse die Gefühle zu und konzentriere Dich auf Deinen Atem. Lasse Dich zudem nicht entmutigen, wenn Du am Anfang noch nicht flexibel bist. Yin Yoga lässt sich gut in den Alltag integrieren, da es beruhigend wirkt. Übe lieber regelmäßig und kürzer, anstatt Dich zu überfordern. Yin Yoga ist keine Leistungsdisziplin. Yin Yoga ist für fast jeden geeignet, unabhängig von Alter oder Fitnesslevel. Yin Yoga hilft, die Flexibilität zu verbessern, tiefsitzende Spannungen zu lösen und die Faszien zu dehnen.

Ursprünge und philosophische Grundlagen

Die Geschichte von Yin Yoga reicht bis in die späten 1970er und frühen 1980er Jahre zurück, als der amerikanische Yogalehrer Paul Grilley begann, Elemente des Daoismus und der Chinesischen Medizin in seine Yoga-Praxis zu integrieren. Inspiriert von seinen Studien über die Meridiane und Energiebahnen im Körper, entwickelte Paul Grilley eine sanftere Form des Yogas, die auf dem Prinzip des Yin und Yang basiert. Er entwickelte eine Vielzahl von Basis-Haltungen und Techniken mit der Absicht, den Energiefluss (Qi) im Körper wiederherzustellen bzw.

Lesen Sie auch: Nervensystem stärken mit Kundalini

Seine Schüler*innen, darunter auch andere bekannte Yogalehrende wie Sarah Powers trugen dazu bei, die Praxis mit eigenen Schwerpunkten weiterzuentwickeln. Bernie Clark verfolgt zum Beispiel einen funktionellen, anatomischen Ansatz, während Biff Mithoefer Yin Yoga und Storytelling verbindet.

Die Ursprünge des Yin Yoga reichen bis in den Daoismus, eine chinesische Philosophie, die die Harmonie mit dem Dao, dem universellen Prinzip, betont. Im Daoismus wird das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang als grundlegendes Prinzip angesehen. Yin und Yang stehen für Polaritäten, Gegensätze. Während Yang zum Beispiel für Aktivität, Helligkeit und Bewegung steht, repräsentiert Yin Ruhe, Dunkelheit und Stille.

Yin Yoga und die traditionelle chinesische Medizin (TCM)

Um die Wirkung von Yin Yoga besser zu verstehen, ist ein Blick auf die Prinzipien der Chinesischen Medizin hilfreich. In der Chinesischen Medizin wird der Körper als ein Netzwerk von Energiebahnen, den sogenannten Meridianen, betrachtet. Die Meridiane verbinden die inneren Organe miteinander und tragen dazu bei, den Energiefluss im Körper aufrechtzuerhalten. Yin Yoga zielt darauf ab, Blockaden zu lösen, Energiebahnen zu öffnen und den Qi-Fluss zu harmonisieren.

In einer typischen Yin Yoga Stunde findet man sich in Haltungen wie dem Schmetterling, der Mondsichel oder der Raupe wieder. Auch wenn diese erst einmal in der Form an Asanas aus anderen Yogastilen erinnern, werden hier andere Namen verwendet, um die unterschiedliche Absicht des Übens zu verdeutlichen. Die Haltungen sind darauf ausgerichtet zu verweilen, Muskelaktivität abzugeben und bestimmte Meridiane zu stimulieren, um die Energie (Qi) im Körper zirkulieren zu lassen.

Die Wirkung von Yin Yoga auf das Nervensystem

Eine der faszinierendsten Aspekte von Yin Yoga ist dessen tiefgreifende Wirkung auf unser Nervensystem. Durch das Verweilen in den einzelnen Haltungen über einen längeren Zeitraum signalisiert der Körper dem Nervensystem, in den parasympathischen Modus zu wechseln, auch bekannt als der „Ruhen-und-Verdauen“-Zustand. Dieser Modus fördert die Entspannung, senkt den Blutdruck und unterstützt die Verdauung. Die tiefgehende Dehnung in den Yin-Positionen hilft zudem, Verspannungen in den tiefen Muskelschichten zu lösen, was wiederum positive Auswirkungen auf die Nervenenden hat.

Lesen Sie auch: Stressabbau mit Yoga

In einer Welt, in der unser Nervensystem oft überreizt ist, erweist sich Yin Yoga als eine wertvolle Oase der Ruhe. Es ermöglicht eine tiefe Regeneration und trägt dazu bei, die emotionale Belastung, die wir tagtäglich erleben, zu mildern. Darüber hinaus bietet Yin Yoga den Raum Selbstwirksamkeit zu erfahren. Es gibt nicht die eine richtige Haltung oder ein bestimmtes Ziel. Die Übenden können selbst entscheiden, wie viel Intensität für sie nötig oder unnötig ist.

Neuroaffektive Techniken im Somatic Yin Yoga

Neuroaffektive Techniken im Somatic Yin Yoga verbinden uralte Weisheit mit modernen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie zielen darauf ab, die Verbindung zwischen Körper, Geist und Umwelt zu stärken und zu vertiefen. Der Begriff \”neuroaffektiv\” bezieht sich auf die Wechselwirkung zwischen neuronalen Prozessen und emotionalen Erfahrungen. In den letzten Jahrzehnten hat die wissenschaftliche Forschung beeindruckende Erkenntnisse über die Wirkungen von Meditation auf Gehirn und Körper geliefert. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Integration neuroaffektiver Techniken in die Yin Yoga-Praxis.

Die Art und Weise, wie wir in der Yoga-Praxis anleiten und kommunizieren, hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die Erfahrung der Praktizierenden. Herkömmliche Yoga-Anweisungen wie \”Lass los\” oder \”Entspanne dich\” können unbeabsichtigt Druck oder sogar Frustration erzeugen. Im Gegensatz dazu laden verbindungsfördernde Formulierungen zu einer tieferen, bewussteren Erfahrung ein. Verbindungsfördernde Sprache kann das parasympathische Nervensystem aktivieren, was zu einer tieferen Entspannung und einem Gefühl der Sicherheit führt.

Die Integration neuroaffektiver Techniken in Somatic Yin Yoga bietet eine einzigartige Reise zur Wiederentdeckung unserer Verbundenheit mit uns selbst, anderen und der Welt um uns herum. Das Konzept des dreieinigen Gehirns, ursprünglich von Paul MacLean entwickelt, bietet einen nützlichen Rahmen für das Verständnis unserer neurologischen und emotionalen Prozesse im Kontext von Yoga und Meditation. Der Hirnstamm ist der evolutionär älteste Teil unseres Gehirns und eng mit unserem autonomen Nervensystem verbunden. Der Neokortex ist der jüngste und am höchsten entwickelte Teil unseres Gehirns.

Ein Sprachbeispiel für die Anleitung: \”Während du in der Kindshaltung ruhst, spüre, wie dein Atem sanft in deinen Körper fließt und ihn nährt. Erlaube dir, die Unterstützung der Erde zu fühlen. Wenn Emotionen aufsteigen, nimm sie wahr, ohne sie zu bewerten. Das Verständnis des dreieinigen Gehirns ermöglicht es uns, Somatic Yin Yoga als ganzheitliche Praxis zu gestalten, die alle Ebenen unseres Nervensystems anspricht und integriert.

Lesen Sie auch: Bewusstsein und Neuro-Yoga: Eine Verbindung

Emotionale Reifung ist ein lebenslanger Prozess, der durch Meditation und achtsame Praxis erheblich gefördert werden kann. Emotionale Flexibilität bezieht sich auf die Fähigkeit, Emotionen wahrzunehmen, zu akzeptieren und angemessen darauf zu reagieren. Der präfrontale Kortex spielt eine entscheidende Rolle bei der emotionalen Reifung und Regulation. Neuroplastizität bezieht sich auf die Fähigkeit des Gehirns, sich aufgrund von Erfahrungen umzustrukturieren. Emotionale Reifung ist ein fortlaufender Prozess, der durch die gezielte Integration von Meditation und neuroaffektiven Techniken in die Somatic Yin Yoga-Praxis erheblich unterstützt werden kann.

Ein Sprachbeispiel für die Anleitung: \”Während du in der Drachenhaltung verweilst, erlaube dir, die Wellen deiner Emotionen wahrzunehmen. Wie ein geschickter Surfer, bleibe präsent und balanciere auf diesen Wellen. Während du durch diese Sequenz fließt, beobachte, wie dein Geist reagiert. In jeder Haltung hast du die Möglichkeit, deine Aufmerksamkeit zu fokussieren, Impulse wahrzunehmen ohne ihnen zu folgen, und deine emotionalen Erfahrungen zu regulieren.

Traumasensibles Yin Yoga

Traumasensibles Yoga ist ein Ansatz, der die möglichen Auswirkungen von Trauma auf Körper und Geist berücksichtigt und die Yogapraxis entsprechend anpasst. Bei jedem Körperteil eine positive Ressource aktivieren (z.B. Sprachbeispiel: \”Während du deine Aufmerksamkeit zu deinen Füßen lenkst, erinnere dich an ein Gefühl von Erdung und Stabilität. Aufmerksamkeit auf Bereiche von Aktivierung lenken (z.B. Dann zu Bereichen von Ruhe und Entspannung wechseln (z.B. Sprachbeispiel: \”Bemerke, wo in deinem Körper du Aktivierung spürst. Es könnte sich als Spannung, Wärme oder Pulsieren zeigen. Nimm dies wahr, ohne es zu verändern. Nun lenke deine Aufmerksamkeit zu einem Bereich, der ruhig und entspannt fühlt. Vielleicht ist es der Kontakt deiner Stirn mit dem Boden. Lege deine Hände sanft auf dein Herz und deinen Bauch. Spüre die Wärme und den Kontakt deiner Hände. Mit jedem Atemzug, erlaube dir, die Unterstützung deiner eigenen Berührung zu spüren.

Sprachbeispiel für die gesamte Sequenz: \”Während wir durch diese Praxis gehen, erinnere dich daran, dass du jederzeit die Wahl hast, eine Haltung anzupassen oder zu verändern. Dein Körper ist dein weiser Führer. Achte auf die Momente, in denen du dich sicher und geerdet fühlst, und erlaube dir, diese Erfahrung zu vertiefen. Traumasensibles Yoga in Kombination mit neuroaffektiven Techniken bietet einen kraftvollen Ansatz zur Unterstützung von Heilung und Wachstum. Als Lehrer*innen ist es wichtig, sich der möglichen Auswirkungen von Trauma bewusst zu sein und unsere Praxis entsprechend anzupassen.

Atemtechniken im Yin Yoga

Die Atmung ist eine der wenigen autonomen Körperfunktionen, die wir bewusst beeinflussen können. Die bewusste Integration von Atemtechniken in die Somatic Yin Yoga Praxis bietet ein mächtiges Werkzeug zur emotionalen Regulation und neuroaffektiven Balance. Es ist wichtig zu betonen, dass jeder Mensch individuell auf verschiedene Atemtechniken reagieren kann.

Einige Beispiele für Atemtechniken und zugehörige Sprachbeispiele:

  • Lass deinen Atem sanft durch die Nase fließen, als ob du einen Spiegel anhauchen würdest.
  • Während du sanft zwischen den Nasenlöchern wechselst, stelle dir vor, wie du die beiden Seiten deines Gehirns und Nervensystems in Balance bringst.
  • Lade deinen Ausatem ein, sich sanft zu verlängern.
  • Lasse die Ausatmungen wie kleine Wellen aus deinem Bauch kommen. Mit jeder Ausatmung, stelle dir vor, wie du alte Energie und Stagnation freisetzt.
  • Während du summst, spüre die Vibrationen in deinem Kopf und Körper. Lass diesen Klang dich in einen Raum innerer Stille und Ruhe tragen.
  • In der Geborgenheit der Kindshaltung, erlaube deinem Atem, ganz natürlich zu fließen. Beobachte, wie sich dein Körper mit jedem Atemzug sanft bewegt.
  • Während du in der Drachenhaltung verweilst, lass deinen Atem sanft wie Meereswellen fließen.
  • Lass uns gemeinsam den Atem als Anker nutzen. Atme ein für 4, halte sanft für 7, und lass den Atem für 8 ausströmen.
  • Beginne mit einigen Runden Kapalabhati, um Energie zu wecken. Spüre, wie jede Ausatmung Schwere und Stagnation löst. Gehe dann über in tiefe, nährende Bauchatmung.

Körperbasierte Meditationstechniken

Körperbasierte Meditationstechniken nutzen die Weisheit des Körpers als Tor zu tieferer Bewusstheit und emotionaler Regulation. Diese Techniken unterstützen nicht nur die emotionale Regulation und Körperwahrnehmung, sondern fördern auch die Entwicklung von Präsenz und Achtsamkeit im Alltag. Es ist wichtig zu betonen, dass jeder Mensch seine eigene einzigartige Erfahrung mit diesen Techniken machen wird.

Einige Beispiele für körperbasierte Meditationstechniken und zugehörige Sprachbeispiele:

  • Erlaube dir, ein tiefes, ausgedehntes Gähnen zu initiieren. Spüre, wie sich dein Kiefer öffnet, dein Gesicht entspannt und eine Welle der Entspannung durch deinen ganzen Körper fließt.
  • Lass deine Arme wie Zweige im Wind sanft mit deinem Atem tanzen. Beim Einatmen, spüre wie sich deine Arme mühelos heben, als würden sie von der Luft getragen. Beim Ausatmen, erlebe wie sie zurücksinken, gehalten von der Schwerkraft.
  • Während du deine Aufmerksamkeit zu deinen Füßen lenkst, erlaube ihnen, sich ganz leicht zu bewegen, wie sie möchten. Vielleicht ist es nur ein sanftes Zucken der Zehen oder ein leichtes Kreisen der Fußgelenke.
  • Nimm dir einen Moment Zeit, um eine Emotion zu identifizieren, die gerade präsent ist. Vielleicht ist es Freude, Traurigkeit oder etwas ganz anderes. Nun erforsche deinen Körper wie ein neugieriger Wissenschaftler. Wo spürst du diese Emotion? Ist sie in deiner Brust, deinem Bauch oder vielleicht in deinen Schultern?
  • Finde zuerst einen Ort in deinem Körper, der sich sicher und stabil anfühlt. Das könnten deine Füße sein, die den Boden berühren, oder deine Hände, die sanft auf deinem Schoß ruhen. Nun richte deine Aufmerksamkeit auf einen Bereich, der sich angespannt oder unbehaglich anfühlt. Pendele sanft zwischen diesen beiden Orten hin und her.
  • Während du in der Schmetterlingshaltung verweilst, erlaube dir, dein emotionales Landschaft zu erkunden. Welche Gefühle tauchen auf? Wo im Körper nimmst du sie wahr? Vielleicht spürst du eine Öffnung in der Brust oder eine Schwere im Bauch.

Aufmerksamkeit und Bewusstsein im Yin Yoga

In der Praxis des Somatic Yin Yoga spielen Aufmerksamkeit und Bewusstsein eine zentrale Rolle. Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit, den Fokus bewusst auf bestimmte Aspekte unserer Erfahrung zu richten. Die Kultivierung von Aufmerksamkeit und erweitertem Bewusstsein ist ein zentraler Aspekt des Somatic Yin Yoga. Die Fähigkeit, unsere Aufmerksamkeit zu stabilisieren und unser Bewusstsein zu erweitern, ermöglicht es uns, präsenter, ausgeglichener und verbundener zu leben. Es ist wichtig zu betonen, dass dies ein lebenslanger Prozess ist. Jede Praxis, jeder Moment bietet eine neue Gelegenheit, unsere Aufmerksamkeit zu schulen und unser Bewusstsein zu erweitern.

Einige Beispiele für Übungen zur Förderung von Aufmerksamkeit und Bewusstsein und zugehörige Sprachbeispiele:

  • Richte deine Aufmerksamkeit sanft auf die Innenseite deiner Oberschenkel. Beobachte die Empfindungen dort, als würdest du sie zum ersten Mal wahrnehmen.
  • Erlaube deiner Aufmerksamkeit, wie ein weiter, offener Himmel zu werden. Beobachte, wie Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen wie Wolken durch diesen Himmel ziehen.
  • Beginne deine Aufmerksamkeit langsam durch deinen Körper wandern zu lassen. Beobachte nicht nur die physischen Empfindungen, sondern auch die emotionalen Qualitäten und Gedanken, die in jedem Bereich auftauchen. Wie fühlt sich dein Herz an - physisch und emotional?
  • Stelle dir vor, es gäbe einen Teil in dir, der all deine Erfahrungen beobachtet - deine Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle. Dieser Beobachter ist still, ruhig und urteilsfrei.
  • Kindshaltung: Komm in der Kindshaltung zur Ruhe und richte deine Aufmerksamkeit sanft auf deinen Atem. Spüre, wie die Luft durch deine Nasenlöcher ein- und ausströmt.
  • Schmetterlingshaltung: Während du in die Schmetterlingshaltung gleitest, beginne mit einem Body-Mind-Scan. Wandere mit deiner Aufmerksamkeit durch deinen Körper, von den Füßen bis zum Kopf.
  • Drachenhaltung: In der Drachenhaltung kultiviere das Zeugenbewusstsein. Stelle dir vor, es gäbe einen Teil in dir, der all deine Erfahrungen beobachtet - die Intensität der Dehnung, aufkommende Emotionen, flüchtige Gedanken.
  • Liegende Drehung: Während du in die liegende Drehung kommst, öffne deine Aufmerksamkeit weit.
  • Shavasana: In Shavasana erlaube deinem Bewusstsein, sich zu erweitern. Spüre die Grenzen deines Körpers und lass sie dann sanft verschwimmen. Nimm wahr, wie dein Bewusstsein den ganzen Raum erfüllt, in dem du liegst.
  • Verwendung von Ankern (z.B. Atem, Körperempfindungen): Wenn du bemerkst, dass dein Geist abschweift oder Unruhe aufkommt, ist das völlig normal. Behandle diese Erfahrungen mit Freundlichkeit.

Herzgefühle im Yin Yoga

Herzgefühle wie Liebe, Mitgefühl und Dankbarkeit spielen eine zentrale Rolle in vielen spirituellen Traditionen und sind auch in der modernen Psychologie als wichtige Faktoren für emotionales Wohlbefinden anerkannt. Die Kultivierung von Herzgefühlen wie Liebe, Mitgefühl und Dankbarkeit ist ein wesentlicher Aspekt des Somatic Yin Yoga und kann tiefgreifende Auswirkungen auf unser emotionales Wohlbefinden und unsere Beziehungen haben. Als Lehrerinnen können wir unsere Schülerinnen ermutigen, diese Qualitäten sowohl auf der Matte als auch im Alltag zu erforschen und zu kultivieren. Die Reise zur Öffnung und Kultivierung des Herzens ist eine lebenslange Praxis.

Einige Beispiele für Übungen zur Kultivierung von Herzgefühlen und zugehörige Sprachbeispiele:

  • Lege sanft eine Hand auf dein Herz. Spüre die Wärme und den Pulsschlag unter deiner Hand. Beginne, dir selbst Worte des Wohlwollens zuzusprechen: \\’Möge ich glücklich sein. Möge ich gesund sein. Möge ich in Frieden leben.\\’ Lass diese Worte wie Wellen von deinem Herzen ausgehen.
  • Erinnere dich an eine Situation, in der du Leid erfahren hast. Spüre, wie sich dieses Leid in deinem Körper anfühlt. Lege eine Hand auf dein Herz und sage zu dir selbst: \\’Möge ich frei von Leid sein. Möge ich Frieden finden.\\’ Stelle dir nun vor, wie andere Menschen ähnliches Leid erfahren. Erweitere dein Mitgefühl auf sie: \\’Mögen alle Wesen frei von Leid sein.
  • Während du sanft deine Brust öffnest, denke an drei Dinge in deinem Leben, für die du dankbar bist. Es können große oder kleine Dinge sein. Spüre, wie sich das Gefühl der Dankbarkeit in deinem Körper ausbreitet. Vielleicht bemerkst du eine Wärme in deiner Brust oder ein Lächeln auf deinen Lippen.
  • Lege sanft deine Hand auf dein Herz. Spüre die Wärme deiner Hand und den Rhythmus deines Herzschlags. Atme sanft in diesen Bereich hinein. Erinnere dich an einen Moment, in dem du tiefe Liebe, Dankbarkeit oder Freude empfunden hast.

Das Mandala im Yin Yoga

Das Mandala, ein Begriff aus dem Sanskrit, der \”Kreis\” bedeutet, ist ein tiefgründiges Symbol für Ganzheit und Integration.

Einige Beispiele für die Verwendung des Mandala-Konzepts im Yin Yoga und zugehörige Sprachbeispiele:

  • Zentrierung: Stelle dir vor, du sitzt in der Mitte eines Kreises. Dieser Kreis ist in vier Teile geteilt, wie eine Torte. Jeder Teil repräsentiert einen Aspekt deines Selbst - positive und herausfordernde Qualitäten, männliche und weibliche Energien.
  • Drachenhaltung (positiv männlich): In dieser kraftvollen Haltung, verbinde dich mit deinen Qualitäten von Stärke, Mut und Zielstrebigkeit. Spüre, wie diese Energie durch deinen Körper fließt. Wo fühlst du diese Qualitäten am stärksten?
  • Schmetterlingshaltung (positiv weiblich): Während du dich in diese öffnende Haltung hineinsenkst, verbinde dich mit deinen Qualitäten von Empfänglichkeit, Fürsorge und Intuition. Spüre, wie sich dein Herz öffnet.
  • Gedrehte Kindshaltung (negativ männlich): In dieser Drehung, erlaube dir, Kontakt mit herausfordernden \\’männlichen\\’ Energien aufzunehmen - vielleicht Ärger, Frustration oder Ungeduld. Wo spürst du diese Energien in deinem Körper?

Potenzielle Gefahren und Kontraindikationen

Obwohl Yin Yoga viele Vorteile bietet, ist es wichtig, sich der potenziellen Gefahren bewusst zu sein. Gelenke, Gewebe und Organe in unserem Körper profitieren zwar von regelmäßiger Bewegung, aber unterschiedliche Gewebearten haben unterschiedliche Bedürfnisse. Faszien brauchen langsames, anhaltendes Dehnen, um ihre Beweglichkeit zu fördern. Yin Yoga ist besonders gut für die Gewebs-Gesundheit und Beweglichkeit unserer Faszien.

Allerdings dehnen wir niemals nur Faszien: Diese hängen strukturell in sogenannten Myofaszialen Ketten (Muskel-Faszien-Ketten) mit Muskeln und Nerven zusammen. Diese Gewebe haben teilweise komplett andere Bedürfnisse, Funktionen und Grenzen als Faszien; so unterschiedlich, dass eine reine Yin Yoga Praxis, aus primär gehaltenen Dehnung für genau diese Strukturen gefährlich sein kann.

Die gefährdetste Struktur hierbei sind die Nerven, denn Nerven lassen sich nicht dehnen und sind sehr empfindlich, so dass sie sogar beim Versuch der Dehnung beschädigt werden können. Wenn wir in einer Yin-Yoga-Dehnstellung versehentlich einen Nerv (mit-) dehnen, kann dies nicht nur unangenehm sein, sondern den Nerv reizen und sogar verletzen, die Wahrnehmung für diesen Bereich und seine natürlichen Grenzen verändern und zu einer dauerhaften Zunahme von Anspannung kommen, da unsere Muskeln hart arbeiten, um unseren Nerven zu schützen.

Ein zusätzlicher Punkt, der bei Yin Yoga beachtet werden sollte: YY ist auf Gewebe Dehnung und Lockerung ausgelegt. Sobald die oben beschriebenen Bedingungen nicht mehr erfüllt sind, sprich die Erfahrungen, Körperwahrnehmungen und Positionen zu viel werden, kann die Yin Yoga Praxis schnell das genaue Gegenteil auslösen. Das kann bei traumatisierten oder sehr gestressten Menschen schnell passieren.

Wenn wir im Yin Yoga schmerzhafte und stimulierende Positionen (besonders häufig z.B. Hüftöffner, M. Iliospoas Dehnungen) länger halten, kann dies schnell „triggernd“ für das Nervensystem sein. Wenn ich mich in diese Reaktion entspannen kann (ventrovagal - grün) und sich mein Nervensystem reguliert, kann dies sehr wohltuend sein und auch bisher festsitzende Anspannungen loslassen. (Das ist großartig - und kann sogar zu Heilung führen) Wenn ich mich aber nicht hineinentspannen kann, die Situation als überfordernd erlebe (wenn auch nur subtil), aber nichts an der Position ändere, ist es viel wahrscheinlicher, dass ich mit Freeze (dorsovagal - rot) reagiere.

Besonders die Ausrichtung im Yin Yoga an der Schmerzgrenze zu bleiben, nicht davon wegzugehen, sondern mich „zu entspannen“ kann schnell eine übermäßige Reizung des Nervensystems bedeuten. Denn aus trauma-therapeutischer Sicht ist es problematisch (eigentlich unmöglich) zu versuchen mich „in meinen Freeze zu entspannen“. Wenn wir in einer solchen Aktivierung sind (aufgrund von Stress, vergangenen Erlebnissen) sind wir eigentlich in einem Bereich, wo wir uns nicht mehr entscheiden können, uns einfach zu entspannen - wir spüren unsere Grenzen nicht und sind handlungsunfähig - eingefroren.

Was an solchen Punkten wirklich hilft (und rein biologisch der natürliche Impuls wäre), ist die Möglichkeit für die eigenen Grenzen einzustehen und NEIN zu sagen. Hier kann es hilfreich sein, die Muskeln anzuspannen und meine Kraft zu spüren oder auch eine Übung zu beenden. Indem ich das tue, nutze ich meine Möglichkeiten, diese Situation zu bewältigen. Dies erlaubt mir die Kraft meines Sympathischen Nervensystems (orange) für mich selbst zu nutzen, was als für die meisten Menschen wohltuend und ermächtigend ist.

Empfehlungen für die Praxis

  • Achte bewusst darauf: Wo sind meine Grenzen heute? Wo wird etwas zu viel?
  • Gestalte bewusst kleine Experimente: Ist es besser Deine Muskeln bewusst anzuspannen und Deine eigene Kraft zu spüren? Kannst Du Dich selbst dann wieder klarer mitbekommen? Kannst Du Dich danach mehr entspannen, oder nicht?
  • Wenn die Situation nicht passt: Was kannst Du tun, um die Situation passend für Dich zu gestalten? Wie kannst Du die Position ändern, Dich vielleicht sogar bewusst dagegen anspannen? Oder ist es sogar gut, die Haltung zu beenden oder auszusetzen?
  • Wohin möchtest Du Deine Aufmerksamkeit richten? Nach innen oder außen?

Empfehlungen für Yogalehrer*innen

  • Setze einen klaren Rahmen, dass es OK für Schüler ist an ihren Grenzen zu bleiben und auch aktiv Asanas zu beenden / auszusetzen, wenn sich dies für sie besser anfühlt.
  • Lade sie explizit dazu ein, zu experimentieren: Wie können sie diese Position für sich passend gestalten? Ist es besser anzuspannen? Können sie sich danach entspannen?
  • Wohin möchten sie ihre Aufmerksamkeit richten? Nach innen oder außen? Auf sich selbst, die Dehnung oder die anderen Praktizierenden, die Pflanze in der Ecke …?

tags: #Yin #Yoga #Nervensystem #Wirkung