Der Zusammenhang zwischen Zucker, Epilepsie und funktioneller Hypoglykämie

Epilepsie ist eine chronische neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Krampfanfälle gekennzeichnet ist. Krampfanfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn. Obwohl die Ursachen von Epilepsie vielfältig sind, gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Stoffwechselstörungen, insbesondere dem Blutzuckerspiegel, und dem Auftreten von Anfällen.

Funktionelle Hypoglykämie: Eine oft verkannte Ursache für Anfälle

Die funktionelle Hypoglykämie, auch reaktive Hypoglykämie genannt, ist ein Zustand, bei dem der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit ungewöhnlich stark abfällt. Dies kann bei Menschen ohne Diabetes auftreten und wird oft übersehen oder falsch diagnostiziert. Symptome einer funktionellen Hypoglykämie können Zittern, Schweißausbrüche, Angstzustände und sogar Bewusstseinsstörungen sein. In einigen Fällen können diese Symptome fälschlicherweise als epileptische Anfälle interpretiert werden.

Professor Dr. Jochen Seufert, Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg, hat sich auf die funktionelle Hypoglykämie spezialisiert. Seine Abteilung behandelt wöchentlich mehrere Patienten, bei denen die Symptome zunächst als Epilepsie fehlgedeutet wurden. Seufert betont, dass das Bewusstsein dafür, dass auch Nicht-Diabetiker von gefährlichen Unterzuckerungsattacken betroffen sein können, noch zu wenig verbreitet ist.

Die Rolle von Insulin und Glukose

Nach dem Essen schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus. Insulin ist ein Hormon, das Muskeln und Fettgewebe signalisiert, Glukose (Blutzucker) aus dem Blut aufzunehmen. Normalerweise sinkt der Blutzuckerspiegel etwa ein bis eineinhalb Stunden nach dem Essen. Bei manchen Menschen tritt diese Reaktion jedoch verzögert auf, sodass der Blutzuckerspiegel erst nach drei bis vier Stunden abfällt.

Ursachen für funktionelle Hypoglykämie

Es gibt verschiedene Faktoren, die zu einer funktionellen Hypoglykämie beitragen können:

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  • Schlanke Frauen: Weibliche Geschlechtshormone können den Körper besonders empfindlich für Insulin machen. Dies führt dazu, dass Zucker schneller aus dem Blut aufgenommen wird. Bei sehr schlanken Frauen mit wenig Fettgewebe kann dies zu Problemen führen, da weniger Glukosespeicher vorhanden sind.
  • Sportler: Körperliche Anstrengung senkt den Blutzuckerspiegel, da die Muskeln Glukose als Energiequelle nutzen. Wenn während des Trainings nicht ausreichend Energie zugeführt wird, können sich die Muskeln anpassen und insulinempfindlicher werden, um den Treibstoff besser aufnehmen zu können. Dies kann dazu führen, dass die Muskeln die Glukose förmlich aus dem Blut saugen, was insbesondere für das Gehirn problematisch ist, da es ebenfalls auf Glukose angewiesen ist.
  • Gewöhnung an niedrige Blutzuckerspiegel: Wer regelmäßig niedrige Blutzuckerspiegel hat, kann sich daran gewöhnen. Der Körper reagiert dann weniger empfindlich auf Unterzuckerung.
  • Magenverkleinerungsoperationen: Menschen nach Magenverkleinerungsoperationen können ebenfalls unter funktionellen Hypoglykämien leiden.

Diagnose und Therapie

Die Diagnose einer funktionellen Hypoglykämie erfordert eine sorgfältige Untersuchung der Blutzuckerwerte in Verbindung mit den auftretenden Symptomen. Ein wichtiger erster Schritt ist die Erfassung der Krankengeschichte und der Symptome. Betroffene werden oft gebeten, detailliert zu protokollieren, wann die Symptome auftreten, in welchem Zusammenhang (z.B. nach dem Essen, während des Sports) und wie lange sie anhalten.

Um die Diagnose zu bestätigen, wird der Blutzuckerspiegel gemessen, idealerweise während einer Symptomepisode. Der orale Glukosetoleranztest (OGTT) wird häufig eingesetzt, um zu überprüfen, wie der Körper auf eine Glukosezufuhr reagiert. Dabei wird über mehrere Stunden hinweg der Blutzucker- und Insulinspiegel nach Einnahme einer Glukoselösung gemessen. In seltenen Fällen kann ein längeres Fasten unter ärztlicher Aufsicht notwendig sein, um zu prüfen, ob der Blutzuckerspiegel auch ohne Nahrungsaufnahme auf kritische Werte absinkt. Die Bestimmung des Insulin- und C-Peptid-Spiegels im Blut kann helfen, die Ursache der Hypoglykämie zu ermitteln.

Die Basis der Therapie bildet eine gezielte Ernährungsumstellung. Betroffene sollten kleine, häufige Mahlzeiten zu sich nehmen, die komplexe Kohlenhydrate, Proteine und Fette enthalten. Moderate und regelmäßige körperliche Aktivität kann helfen, den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren. In schwereren Fällen können Medikamente verschrieben werden, welche die Insulinausschüttung regulieren.

Einige Medikamente, wie Diazoxid, können die Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse nach dem Essen bremsen. Somatostatin-Analoga wirken ähnlich, müssen aber gespritzt werden. In manchen Fällen kann auch eine Gewichtszunahme helfen, da die Muskeln durch die Hormone der Fettzellen weniger insulinempfindlich werden.

Epilepsie und Diabetes: Ein möglicher Zusammenhang

Es gibt Hinweise darauf, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes häufiger an idiopathischer generalisierter Epilepsie erkranken. Eine Studie des Walton Center für Neurologie und Neurochirurgie in Liverpool untersuchte 518 Personen zwischen 15 und 30 Jahren mit idiopathischer generalisierter Epilepsie. Von diesen hatten 7 Patienten Typ-1-Diabetes (1,4 %). In einer gleichaltrigen Vergleichsgruppe gab es unter 150.000 Probanden hingegen nur 465 Epilepsie-Fälle (0,3 %).

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In den meisten Fällen wurde zuerst der Diabetes diagnostiziert, die Krampfanfälle traten erst später auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Epilepsie durch eine Typ-1-Diabeteserkrankung ausgelöst wird. Es ist jedoch auch möglich, dass beide Erkrankungen unabhängig voneinander auftreten.

Darüber hinaus kann eine Unterzuckerung bei Diabetikern einen epileptischen Anfall auslösen. Die Wahrscheinlichkeit für Krampfanfälle steigt während Hypoglykämien, auch wenn der Diabetiker nicht an Epilepsie leidet.

Epilepsie: Diagnose und Behandlung

Epilepsie ist eine chronische Erkrankung, die durch Fehlentladungen im Gehirn verursacht wird, welche Anfälle zur Folge haben. Die Diagnose wird in der Regel gestellt, wenn wiederholt epileptische Anfälle auftreten. In manchen Fällen reicht dafür schon ein einzelner Anfall aus, wenn entsprechende Zusatzuntersuchungen wie EEG oder MRT (Kernspintomographie) typische Auffälligkeiten zeigen.

Therapie von Epilepsie

Die Basis der Therapie von Epilepsie sind Antikonvulsiva, Medikamente, die gegen Epilepsie wirken. Fokale und generalisierte Epilepsien werden unterschiedlich behandelt, da verschiedene Medikamente für verschiedene Arten von Epilepsie besonders gut oder nicht so gut wirksam sind. Paradoxerweise kann man durch den falschen Einsatz von Antiepileptika Epilepsien auch verschlimmern.

Die Behandlung von Epilepsie zielt immer darauf ab, die beste Lebensqualität zu erreichen. Zu Beginn der Erkrankung ist das Behandlungsziel die Anfallsfreiheit. Wenn dies mit dem ersten oder spätestens dem zweiten Antiepileptikum nicht gelingt, spricht man von einer Therapierefraktärität.

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In solchen Fällen kann eine epilepsiechirurgische Behandlung in Frage kommen. Das Ziel eines epilepsiechirurgischen Eingriffs wäre ebenfalls die dauerhafte Anfallsfreiheit.

Ketogene Diät als Therapieoption

Eine weitere Therapieoption, insbesondere bei Kindern mit medikamentenresistenter Epilepsie, ist die ketogene Diät. Diese sehr fettreiche und extrem kohlenhydratarme Diät zwingt den Körper, Energie für das Gehirn vorwiegend durch aus dem Fettabbau stammende Ketone statt durch Glukose bereitzustellen.

Die ketogene Diät besteht üblicherweise aus 90% Fett sowie 10% Eiweiß und Kohlenhydraten. Erlaubte Lebensmittel sind etwa stärkearme Gemüse, Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Nüsse und (vorzugsweise pflanzliche) Fette.

Die ketogene Ernährung bei Epilepsie sollte unter Aufsicht von Ärzten und Ernährungsexperten stattfinden.

Wichtige Hinweise für Epilepsie-Patienten

  • Regelmäßige Medikamenteneinnahme: Die regelmäßige Einnahme von Antikonvulsiva ist wichtig, um die Anfälle zuverlässig zu unterdrücken.
  • Notfallausweis: Ein Notfallausweis ist hilfreich, wenn man irgendwo ein Anfallsereignis oder auch andere Erkrankungen bzw. einen Unfall hat und man selbst keine Auskunft geben kann.
  • Anfallskalender: Einen Anfallskalender zu führen kann insbesondere in Phasen der Umstellung der Medikation sehr hilfreich sein, um zu schauen, welchen Effekt die Umstellung der Medikation hat.

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