Wer abnehmen möchte, greift gerne auf kalorienarme Zuckerersatzstoffe zurück. Doch Vorsicht ist geboten: Beobachtungsstudien deuten auf mögliche gesundheitliche Nachteile hin. Insbesondere die Zuckeralkohole Xylit und Erythrit stehen im Verdacht, das Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle zu erhöhen. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage und gibt Verbrauchern wichtige Hinweise für einen bewussten Konsum von Zuckerersatzstoffen.
Zuckerersatzstoffe: Eine kalorienarme Alternative mit fragwürdigem Ruf
Manitoba - Künstliche Süßungsmittel wie Aspartam, Sucralose oder Stevioside werden oft als kalorienarme Alternativen zu Haushaltszucker angepriesen. Es liegen jedoch keine Beweise dafür vor, dass Übergewichtige durch diese Stoffe ihr Gewicht besser unter Kontrolle haben. Beobachtungsstudien weisen sogar auf mögliche Nachteile hin.
Forscher der University of Manitoba fassten in einer Übersichtsarbeit im Canadian Medical Association Journal (2017; doi: 10.1503/cmaj.161390) die vorliegenden Studien zusammen. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass künstliche Süßstoffe auf lange Sicht zu einer Gewichtszunahme führen könnten und das Risiko für Adipositas, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck oder Herzerkrankungen steigen könnte. Der Verdacht liegt nahe, dass Zuckerersatzstoffe den Stoffwechsel, die Zusammensetzung der Darmbakterien und den Appetit beeinflussen.
Ihr Fazit basiert auf der Auswertung von 37 Studien mit über 400.000 Teilnehmern, die durchschnittlich zehn Jahre lang untersucht wurden. Allerdings wurden nur sieben dieser Studien randomisiert mit Kontrollgruppen durchgeführt (RCT). Einer der Autoren, Ryan Zarychanski von der Rady Faculty of Health Sciences an der University of Manitoba, bemängelt die geringe Anzahl klinischer Studien angesichts der Millionen von Menschen, die künstliche Süßungsmittel konsumieren. Im Gegensatz zu Beobachtungsstudien können RCTs eine Ursachen-Wirkungs-Beziehung nachweisen. Die einbezogenen RCTs umfassten 1.003 Teilnehmer über einen kürzeren Zeitraum von sechs Monaten.
Beobachtungsstudien deuten auf gesundheitliche Nachteile hin
Während kontrollierte Studien keine signifikanten Ergebnisse zeigten, ergaben Beobachtungsstudien Hinweise auf mögliche gesundheitliche Nachteile. In zwei Beobachtungsstudien stieg der BMI sogar an (Obesity 2014, Obesity Res Clin Practice 2014). Eine dritte Beobachtungsstudie mit 3.371 Teilnehmern zeigte, dass die Gruppe, die täglich künstliche Süßungsmittel konsumierte, im Vergleich zu denjenigen, die dies nicht taten, um 0,77 kg/m2 zunahm (Obesity 2008). Auch in allen anderen Beobachtungsstudien stieg das Risiko für verschiedene untersuchte Endpunkte entweder an oder war nicht signifikant.
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Forscher konnten bisher einen Anstieg für folgende Indikationen zeigen:
- BMI
- Hüftumfang
- Gewichtszunahme während der Schwangerschaft
- Abdominale Adipositas
- Erhöhtes Risiko für Diabetes Typ 2
- Metabolisches Syndrom
- Bluthochdruck
- Schlaganfall
- Kardiovaskuläre Ereignisse
Um eine evidenzbasierte Aussage zu Nutzen und Risiken von künstlichen Süßungsmitteln auf die Gesundheit und das Gewicht machen zu können, sind weitere RCTs nötig, die einen längeren Zeitraum untersuchen.
Xylit: Erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen und Schlaganfälle?
Eine Studie der Cleveland Clinic in den USA, veröffentlicht im „European Heart Journal“, kommt zu dem Ergebnis, dass höhere Werte des Süßstoffs Xylit im Blut mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle verbunden sind. Erstautor der Studie ist Dr. med. Marco Witkowski, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC).
Xylit, häufig auch als „Birkenzucker“ bezeichnet, ist ein Zuckeralkohol, der als kalorienarmer Süßstoff in verschiedenen Lebensmitteln und Getränken verwendet wird. In der Lebensmittelindustrie wird Xylit geschätzt, weil es die Textur, Feuchtigkeit und Haltbarkeit von Produkten verbessert, ohne einen Nachgeschmack wie andere Süßstoffe zu hinterlassen. Es wird daher in großen Mengen verkauft und als „natürlicher Süßstoff“ beworben, da es in geringen Mengen auch in Obst oder Gemüse vorkommt und vom Körper produziert werden kann.
Xylit: Einstufung und Verwendung
Künstliche Süßstoffe wie Xylit werden von Gesundheitsbehörden der USA und der Europäischen Union als "Generally Recognized as Safe" (GRAS) eingestuft. Ihr Einsatz wurde von mehreren Leitlinienorganisationen für Personen empfohlen, die an Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. Außerdem soll Xylit einigen Untersuchungen zufolge eine karieshemmende Wirkung haben. Daher wird der Süßstoff nicht nur als Ersatz für Zucker, sondern auch als zusätzliches Mittel gegen Karies vermarktet, etwa als Zusatz von Zahncremes, Lutschtabletten oder Kaugummis.
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Studienergebnisse zu Xylit und kardiovaskulären Risiken
Dr. med. Marco Witkowski untersuchte während eines Forschungsaufenthalts an der Cleveland Clinic, ob der Konsum von Xylit das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und für Schlaganfälle erhöht.
Dazu wurden zunächst Blutproben von insgesamt mehr als 3.300 Herz-Kreislauf-Patienten analysiert. Diese Patienten wurden daraufhin über einen Zeitraum von drei Jahren beobachtet. In diesem Zeitraum kam es bei Patienten mit hohen Xylit-Konzentrationen im Blut signifikant häufiger zu Schlaganfällen, sogenannten „kardialen Ereignissen“ wie einem Herzinfarkt oder zu einem Todesfall.
Erythrit: Erhöhtes Thrombose- und Infarktrisiko?
Auch der Zuckeraustauschstoff Erythrit steht im Verdacht, die Gefahr für Thrombosen und Infarkte zu erhöhen. Ein internationales Forscherteam konnte anhand von Blutproben bei mehr als 4.000 Probanden aufzeigen, dass erhöhte Blutkonzentrationen des Zuckeralkohols Erythritol mit thromboembolischen Komplikationen in Verbindung stehen. Beteiligt an der Studie ist Dr. med. Marco Witkowski vom Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC).
Erythrit wird aus Mais gewonnen und gerne als Zuckeraustauschstoff genutzt, da die Substanz nahezu frei von Kalorien ist und den Blutzucker- und Insulinspiegel nicht beeinflusst - wodurch das Süßungsmittel auch für Menschen mit Diabetes mellitus attraktiv ist. Bislang wurde davon ausgegangen, dass die Substanz zwar in die Blutbahn aufgenommen wird, aber dann wieder nahezu vollständig über die Nieren ausgeschieden wird. Zudem fehlten Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Süßstoffen und kardiovaskulären Ereignissen untersuchten.
In der Studie wurden nun über drei Jahre hinweg mehr als tausend Personen mit einem hohen Risiko für Schlaganfall oder Herzinfarkt beobachtet und mit unabhängigen Patientenkohorten aus den USA (über 2100 Personen) und Deutschland (über 830 Personen) verglichen. Bei Teilnehmern, bei denen es in dieser Zeit zu Schlaganfall, Herzinfarkt oder gar Tod kam, wurde im Blut ein erhöhter Erythritol-Spiegel festgestellt.
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Kritik an den Studienergebnissen
Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt sind, bewerten die Ergebnisse mit Zurückhaltung, da zu viele Fragen noch offen seien. Vielmehr sollten die Daten als wichtiger Hinweis genutzt werden, Erythritol wie auch andere Zuckerersatzstoffe in umfassenden Langzeituntersuchungen weiter unter die Lupe zu nehmen.
Was bedeutet das für Verbraucher?
Die Studienergebnisse zu Xylit und Erythrit geben Anlass zur Vorsicht. Besonders Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken sollten ihren Konsum dieser Süßstoffe überdenken und sich bei Unsicherheiten an ihren Arzt oder Ernährungsberater wenden.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Studienlage noch nicht ausreichend ist, um definitive Aussagen über die langfristigen Auswirkungen von Zuckerersatzstoffen auf die Gesundheit zu treffen. Weitere Forschung ist notwendig, um die potenziellen Risiken und Vorteile besser zu verstehen.
Alternativen zu Zuckerersatzstoffen
Statt auf Zuckerersatzstoffe zu setzen, ist es oft sinnvoller, auf Lebensmittel mit natürlicher Süße zu setzen und weniger gesüßte Produkte zu konsumieren. Agavendicksaft, Ahornsirup, Honig, Birnenkraut oder Apfelsüße klingen zwar wie gesunde Süßungsalternativen - bestehen zum überwiegenden Teil aber letztlich aus Zucker. Sie bringen lediglich mehr Mineralstoffe mit. Gegenüber dem hohen Zuckergehalt ist der Vitaminanteil dieser eher teuren Süßungsmittel verschwindend gering.
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