Gürtelrose, verursacht durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV), birgt nicht nur das Risiko von schmerzhaften Hautausschlägen und langfristigen Nervenschmerzen, sondern steht auch im Verdacht, das Schlaganfallrisiko zu erhöhen. Die vorliegende Analyse beleuchtet diesen Zusammenhang und betrachtet verschiedene Aspekte, von den Ursachen bis hin zu präventiven Maßnahmen wie der Impfung.
Was ist Gürtelrose?
Wer sich in der Kindheit Windpocken einfängt, kann später im Leben eine Gürtelrose bekommen. Denn das Herpes-Zoster-Virus, das die Windpocken verursacht, nistet sich langfristig in die Ganglien der Hirn- und Rückenmarksnerven ein. Schwächelt das Immunsystem, bricht es entlang der Nervenbahnen wieder aus - Gürtelrose entsteht. Herpes zoster (HZ), allgemein als Gürtelrose bekannt, ist eine weit verbreitete Virusinfektion, die durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht wird. Nachdem die Varizella-Zoster-Viren die typische Kinderkrankheit Windpocken ausgelöst haben, verschwinden sie nicht einfach aus dem Körper. Sie ziehen sich in die Wurzeln der Hirn- und Rückenmarksnerven zurück und ruhen dort ein Leben lang. Nur auf Basis der Windpocken-Infektion kann später eine Gürtelrose entstehen. Allerdings können "Gürtelrose-Bläschen" bei Personen, die bislang von den Varizella-Zoster-Viren verschont geblieben sind, die Windpocken-Krankheit auslösen.
Das erhöhte Schlaganfallrisiko nach Gürtelrose
Mehrere Studien haben gezeigt, dass Menschen, die eine Gürtelrose entwickeln, ein erhöhtes Risiko haben, kurz darauf auch einen Schlaganfall zu erleiden. In der ersten Woche nach dem Auftreten der Gürtelrose steigt das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um das 2,4-Fache, hatte beispielsweise eine Forschergruppe vom Olmsted Medical Center in Rochester errechnete. Nach und nach sinkt die Gefahr dann wieder auf ein normales Niveau. In den ersten zwei Wochen nach Ausbruch der Gürtelrose war das Schlaganfallrisiko am höchsten. Für jene 22 Prozent der Teilnehmer, die weder eine Impfung noch antivirale Medikamente erhalten hatten, war es in diesem Zeitraum doppelt so hoch wie im durchschnittlichen Beobachtungszeitraum.
Eine Studie der London School of Hygiene and Tropical Medicine untersuchte Kundendaten einer großen US-amerikanischen Krankenversicherung. Die Patienten waren über 65 Jahre alt und hatten innerhalb von fünf Jahren nach dem Auftreten einer Gürtelrose entweder einen Schlaganfall (42.954 Menschen) oder einen Herzinfarkt (24.237 Menschen) erlitten. Sie stellten fest, dass in der ersten Woche nach dem Auftreten der Gürtelrose das Risiko für einen Schlaganfall 2,4-fach und für einen Herzinfarkt 1,7-fach erhöht war. In den folgenden sechs Monaten fiel das jeweilige Risiko langsam auf ein normales Level ab. Das Risiko für einen Schlaganfall war bis zu drei Monate signifikant erhöht: In der zweiten bis vierten Woche 1,6-fach und in der fünften bis zwölften Woche 1,2-fach.
Mögliche Ursachen für den Zusammenhang
Mögliche Erklärungen gibt es einige. So können Entzündungen die Bildung von Blutgerinnseln begünstigen, die wiederum einen Schlaganfall auslösen können. Auch könnte der der Blutdruck durch Schmerz und Stress und beim Ausbruch einer Gürtelrose steigen, mutmaßen Mediziner. Hinzu kommt, dass das Virus die Funktion der Blutgefäße zu beeinflussen scheint. Die Wissenschaftler ziehen eine Vielzahl von biologischen Gründen in Betracht, die die herz- und gefäßschädigende Wirkung von Varizella-Zoster-Viren erklären könnten. So wird etwa eine Reaktivierung der Viren vor allem in Nähe zu einer Arterie beobachtet, was zur Entzündung, Rupturen und Thrombosen der Gefäße führen kann.
Lesen Sie auch: Alkohol als Risikofaktor für Demenz
Das höhere Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall bei Gürtelrose könne durch verschiedene biologische Mechanismen erklärt werden, so die Autoren der beiden Studien. Auch bei anderen Infekten steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten an, wie frühere Untersuchungen zeigten . Die Entzündung könnte zu einer Thrombose und damit zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen , wenn die Blutgefäße schon von Arteriosklerose betroffen sind. Außerdem könne der Blutdruck durch den Stress und Schmerz bei einer Infektion mit Gürtelrose ansteigen.
Die Rolle der Impfung
Vor allem ältere Menschen, deren Immunkräfte langsam nachlassen, entwickeln eine Gürtelrose. Ab dem 50ten Lebensjahr wird daher eine Gürtelrose-Impfung empfohlen. Ungeimpft erkrankt jeder dritte Mensch im Laufe seines Lebens an Gürtelrose. Eine Möglichkeit, Gürtelrose und damit ihren Komplikationen vorzubeugen, sei die Impfung gegen das Zoster-Virus. Diese ist seit Ende 2013 für Personen ab 50 Jahren in Deutschland zugelassen. Sie reduziert das Risiko, an Gürtelrose zu erkranken, um etwa 50 Prozent.
Allerdings schützt der ältere, bis 2018 gebräuchliche Lebendimpfstoff gegen Gürtelrose nicht besonders zuverlässig. Forscher haben nun untersucht, ob die Impfung im Falle eines Wiederaufflammens des Virus vor einem Schlaganfall bewahren könnte. Denkbar wäre, dass die Impfung den Krankheitsverlauf zumindest abmildert - und so auch das nachfolgende Schlaganfallrisiko senkt. Am geringsten war die Wahrscheinlichkeit für eine Hirnblutung in den ersten 14 Tagen bei jenen sechs Prozent, die sowohl eine Impfung als auch eine antivirale Therapie gegen Gürtelrose erhalten hatten - sie war nur um 39 Prozent höher als durchschnittlich über den Gesamtzeitraum betrachtet. Die Ergebnisse legen nahen, dass eine Impfung - auch wenn sie versagt und der Geimpfte doch an Gürtelrose erkrankt - das Schlaganfallrisiko dennoch mindern könnte. 100-prozentigen Schutz bietet sie aber nicht.
Trotz der eingeschränkten Wirksamkeit des Lebendimpfstoffes bleibt die beste Strategie sich impfen zu lassen, und so die Wahrscheinlichkeit für beide Ereignisse - Gürtelrose und anschließenden Schlaganfall - zu reduzieren. Zudem gibt es seit 2018 einen neuen Impfstoff - einen Totimpfstoff, der besser vor Gürtelrose schützen kann als der alte Lebendimpfstoff. Da der Untersuchungszeitraum der Studie vor seiner Zulassung erfolgte, war er allerdings nicht Gegenstand der Untersuchung. Möglicherweise schützt er aber auch vor einem nachfolgenden Schlaganfall besser als der Lebendimpfstoff.
Studien zufolge haben gegen Herpes zoster geimpfte Personen ein um 16 Prozent reduziertes Schlaganfallrisiko, verglichen mit nicht geimpften Kontrollpersonen. Konsequenterweise empfiehlt, laut einer Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts vom 15.9.2020, die Ständige Impfkommission seit Ende des Jahres 2018 eine Impfung mit Herpes-zoster-Totimpfstoff für Menschen ab 60 Jahren.
Lesen Sie auch: Migräne als Risikofaktor für Demenz?
Weitere Studienergebnisse zur Impfung und Demenzrisiko
Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie aus Wales untersuchte, ob die HZ-Lebendimpfung das Demenz-Risiko reduziert. Während der 7-jährigen Follow-up-Dauer senkte die HZ-Impfung das Risiko einer neuen Demenz-Diagnose signifikant um 3,5 %, was einer relativen Risiko-Reduktion von 20,0 % (95%KI [6,5;33,4]) entsprach. Eine australische Studie mit ähnlichem Design bestätigte jetzt die Daten aus Wales.
In den USA wurde die HZ-Impfung im Jahr 2017 vom Lebendimpfstoff auf einen rekombinanten Totimpfstoff umgestellt. In einer Studie wurde das Demenzrisiko nach Lebend- vs. Totimpfung über 6 Jahre anhand von 2 adjustierten Kohorten mit jeweils mehr als 100.000 Personen untersucht. Der rekombinante Totimpfstoff senkte das Demenz-Risiko gegenüber der Lebendimpfung signifikant um 17 %, was durchschnittlich 164 zusätzlichen Tagen ohne Demenz entsprach.
Der Nutzen der HZ-Impfung wurde in 4 Studien aus Wales, Australien und den USA nachgewiesen. Darüber hinaus zeigten 3 Studien aus Wales, Australien und den USA übereinstimmend, dass HZ-Impfungen auch das Risiko für Demenz signifikant senkten (um rund 20 %), wobei der Totimpfstoff gegenüber dem Lebendimpfstoff besser abschnitt. In Deutschland wird die HZ-Impfung mit dem rekombinanten Totimpfstoff seit 2018 für alle Personen ab 60 Jahren sowie für Risikopersonen ab 50 Jahren empfohlen.
Wichtigkeit der Früherkennung und Behandlung
Gerade während einer Gürtelrose-Erkrankung sollten Patienten daher mögliche Schlaganfallsymptome wie plötzliche Lähmungserscheinungen oder Probleme beim Sprechen ernst nehmen. Sollten sich die Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen einer Gürtelrose und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko bestätigen, hätte das signifikante Implikationen für die öffentliche Gesundheit, da durch Herpes zoster (HZ) verursachte Schlaganfälle und Infarkte mit dem Einsatz von Virostatika und einer ausreichenden Durchimpfung vermeidbar wären.
Lesen Sie auch: Alzheimer und Herpesviren – Ein komplexer Zusammenhang
tags: #gurtelrose #schlaganfall #zusammenhang