Ein Schlaganfall kann das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen von einem Moment auf den anderen verändern. Die neurologischen Ausfälle, die unmittelbar nach dem Ereignis auftreten, sind oft schwerwiegend, doch in vielen Fällen bessern sie sich innerhalb weniger Monate. Das Ausmaß der Verbesserung und die Frage, ob alle funktionellen Beeinträchtigungen verschwinden, sind jedoch von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Einige erlangen trotz anfänglicher Einschränkungen alle ihre Fähigkeiten zurück, während andere dauerhafte Behinderungen davontragen.
Das erste halbe Jahr: Ein entscheidender Zeitraum für die Erholung
Grundsätzlich leiden etwa drei von vier Betroffenen auch noch zwei bis drei Wochen nach dem Schlaganfall an neurologischen Symptomen mit funktioneller Beeinträchtigung. Besonders häufig sind Lähmungserscheinungen, die bei mehr als der Hälfte aller Schlaganfall-Betroffenen dauerhaft bestehen bleiben, insbesondere in Arm und Hand. Die Schwere der Ausfälle spielt dabei eine große Rolle für den Verlauf der Erholung. Wer zu Beginn nur leichte oder mäßige Beeinträchtigungen hatte, kann vor allem in den ersten Wochen nach dem Schlaganfall mit einer deutlichen Verbesserung rechnen. Bei Personen mit schweren Beeinträchtigungen sind deutliche Fortschritte beim Wiedererlangen ihrer Fähigkeiten auch noch bis zu sechs Monate nach dem Schlaganfall möglich.
Ein halbes Jahr nach dem Schlaganfall hat etwa jeder vierte Betroffene keinerlei Funktionsverluste mehr. Diese Marke von sechs Monaten ist für Mediziner wichtig, da Ausfälle, die nach drei bis sechs Monaten noch andauern, in vielen Fällen dauerhaft bestehen bleiben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nach einem halben Jahr keine Chance mehr auf Besserung besteht. Es gibt immer wieder Fälle, in denen auch später als sechs Monate nach dem Schlaganfall noch eine Erholung möglich war. Die Heilung ist ein individueller, kontinuierlicher Prozess, und es gibt kein allgemeingültiges Datum, bis wann Verbesserungen möglich sind und ab wann nicht mehr.
Herausforderungen im Alltag: Unsichtbare Folgen und der Kampf um Anerkennung
Viele Betroffene erleben auch unsichtbare Folgen des Schlaganfalls, die für Außenstehende oft schwer nachvollziehbar sind, aber das Leben dennoch stark verändern. Dazu gehören beispielsweise kognitive Probleme und Schwindel. Diese Spätfolgen können sich auf das gesamte Befinden und alle Lebensbereiche, den Beruf und Beziehungen auswirken.
Ein Betroffener berichtet: „Der Kampf ist nie vorbei. Immer wenn ich denke, ich hätte ein Problem hinter mir gelassen, taucht ein neues auf.“ Aktuell kämpft er darum, dass sein Grad der Schwerbehinderung nicht herabgestuft wird, da dies für ihn als Arbeitnehmer einen großen Unterschied machen würde. Er würde seinen Kündigungsschutz verlieren und könnte nicht mehr früher in Rente gehen. Trotz schwerer anfänglicher Einschränkungen hat er sich mühsam zurück ins Arbeitsleben gekämpft, ist aber schnell überfordert, wenn er viele Sachen gleichzeitig erledigen muss. Er ist dankbar für die Rücksichtnahme seiner Kollegen, weiß aber auch, dass er großes Glück hat, wieder arbeiten zu können.
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Schwindel nach Schlaganfall: Ursachen, Diagnose und Behandlung
Schwindel ist ein häufig auftretendes Symptom, das sich auch nach einem Schlaganfall entwickeln kann. Dieses subjektiv variierende Gefühl geht beim zentralen und zentral-vestibulären Schwindel oft mit anderen neurologischen Symptomen einher, darunter Sprachstörungen oder Schluckbeschwerden, Koordinationsprobleme, Gleichgewichtsstörungen oder Doppeltsehen. Auch Unsicherheit beim Gehen, Übelkeit, Erbrechen, unwillkürliche Augenbewegungen, Kopfschmerzen und kognitive Veränderungen können damit verbunden sein.
Schwindel entsteht, wenn an die Gleichgewichtszentrale im Kleinhirn oder Hirnstamm widersprüchliche Informationen von verschiedenen Sinnesorganen gesendet werden und das Gehirn diese nicht adäquat verarbeiten kann. Die Informationen stammen vom Gleichgewichtsorgan im Innenohr, von den Augen und den Sensoren in Gelenken, Sehnen und Muskeln. Besonders häufig tritt Schwindel infolge eines Schlaganfalls im Bereich des Kleinhirns und Hirnstamms auf.
Hinter Schwindel, der erst Monate nach dem Schlaganfall neu auftritt, können vielfältige Ursachen stecken. Die genaue Ursache lässt sich nicht immer eindeutig ausmachen, da Zusammenhänge von mehreren Faktoren eine Rolle spielen, die sich gegenseitig beeinflussen. Es kann auch sein, dass der Schwindel erst im Verlauf wahrgenommen wird, weil in der postakuten Phase schwerwiegendere Symptome und Funktionsstörungen vordergründig waren und die Aufmerksamkeit beanspruchten. Eine mögliche Erklärung für das verzögerte Auftreten von Schwindel hängt mit den Umbauprozessen im Gehirn zusammen. Nach einem Schlaganfall kommt es zu Veränderungen im betroffenen Gehirngewebe, wie Entzündungen, Schwellungen und Umbauprozesse durch die erlittene Schädigung von Strukturen.
Um Schwindel nach einem Schlaganfall abzuklären, eine mögliche Ursache zu diagnostizieren und zu behandeln, sollte eine fachärztliche neurologische Vorstellung erfolgen. Hier erfolgt eine umfassende Anamnese und klinisch-körperliche Untersuchung. Zur Differenzierung werden spezifische Funktions- und Provokationstests durchgeführt. Auch laborchemische Blut-Untersuchungen sowie HNO-ärztliche, Herz- und Gefäßuntersuchungen sowie bildgebende Untersuchungen des Gehirns können indiziert sein.
Die Behandlungsoptionen bei Schwindel nach einem Schlaganfall sind je nach individueller Situation unterschiedlich. Sie sind zum einen darauf ausgerichtet, Regenerationsprozesse zu unterstützen sowie die Symptome und die damit verbundene Unsicherheit und Belastung durch Beeinträchtigungen im Alltag zu lindern. Dazu können auch Medikamente mit neuroprotektiver Wirkung und zur Kontrolle des Schwindels zum Einsatz kommen. Wichtig zur Wiedererlangung der Selbstkontrolle, Sicherheit bei den alltäglichen Aktivitäten und Sturzprophylaxe ist das vestibuläre Training.
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Rehabilitation: Wege zurück ins Leben
Menschen, die einen Schlaganfall erleiden, werden zunächst in der Akutklinik versorgt, bevor sie eine mindestens dreiwöchige Reha beginnen. Wenn sie nach Hause zurückkehren, stehen sie vor der großen Herausforderung, ihr Leben neu zu organisieren. Die ambulante Versorgung dieser Patienten nach ihrer Entlassung aus der klinischen Reha ist oft mangelhaft.
Aus der Neuroforschung ist bekannt, dass sich das Gehirn besonders im ersten Jahr nach einem Schlaganfall verändern und verbessern kann. Studien haben erwiesen, dass man durch eine hohe Therapiedichte auch längere Zeit nach dem Schlaganfall noch Fortschritte machen kann.
Therapiemöglichkeiten:
- Physiotherapie und Ergotherapie: Basistherapien, die unersetzlich sind. Spezielle Therapiekonzepte nach Bobath werden von Neurofachtherapeuten für Schlaganfallpatienten angeboten.
- Logopädie: Zur Behandlung von Sprach- und Schluckbeschwerden.
- Vestibuläres Training: Spezielle physiotherapeutische und ergotherapeutische Übungen zur Verbesserung der Gleichgewichts- und Koordinationsfähigkeiten.
- Gerätegestützte Therapie: Kann in der Armrehabilitation hilfreich sein.
- Intensivtherapien: Können durch eine hohe Therapiedichte auch längere Zeit nach dem Schlaganfall noch Fortschritte ermöglichen.
- Medikamentöse Behandlung: Zum Beispiel die lokale Anwendung von Botulinumtoxin bei Verkrampfungen.
- Rehasport-Gruppen: Spezielle Angebote für Schlaganfall-Patienten in vielen Regionen.
- Psychotherapie: Kann helfen, die neue Situation gut zu meistern.
Weitere wichtige Aspekte:
- Hausarzt: Sollte die weitere Versorgung übernehmen.
- Kardiologe oder Neurologe: Sollten hinzugezogen werden, wenn die Schlaganfall-Ursache noch nicht gefunden ist oder weiterhin neurologische Defizite bestehen.
- Sozialdienst in der Klinik: Kann bei der Organisation von Hilfsmitteln und Wohnraumanpassungen helfen.
- Pflegestützpunkte oder Pflegeberatungsstellen: Bieten Beratung zu rechtlichen und organisatorischen Fragen.
- Selbsthilfegruppen: Bieten Austausch mit anderen Betroffenen und wichtige Tipps.
- Schlaganfall-Lotsen: Beraten und begleiten Betroffene und ihre Angehörigen durch das erste Jahr nach dem Schlaganfall.
Partnerschaftliche Herausforderungen: Wenn sich das Leben verändert
Ein Schlaganfall stellt nicht nur den Betroffenen vor große Herausforderungen, sondern auch die Partnerschaft. Veränderungen im Wesen des Partners, körperliche Einschränkungen und die damit verbundene Abhängigkeit können die Beziehung stark belasten. Viele Partner fühlen sich einsam, überfordert und vermissen die Vertrautheit und Spontaneität, die früher selbstverständlich waren.
Gespräche sind wichtig, um die eigenen Gefühle und Ängste auszudrücken und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Auch professionelle Hilfe, wie beispielsweise eine Paartherapie, kann in dieser schwierigen Situation Unterstützung bieten.
Mut machen und Hoffnung geben
Trotz aller Herausforderungen ist es wichtig, den Mut nicht zu verlieren und die Hoffnung auf ein erfülltes Leben nach dem Schlaganfall nicht aufzugeben. Jeder Mensch ist anders, und jeder Weg zur Rehabilitation ist individuell. Es gibt viele Möglichkeiten, die Lebensqualität zu verbessern und neue Perspektiven zu entwickeln.
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Ein Betroffener, der acht Jahre nach seinem schweren Schlaganfall immer noch sehr froh ist, kein Pflegefall geworden zu sein, sagt: „Auch wenn es nie mehr so geworden ist wie es war, bleibt es einem selbst überlassen was man daraus machen will. Ich habe gelernt, dass doch mehr geht als man selber denkt.“
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