Neustart für das Gehirn: Wege aus der Depression – Neue Perspektiven und Behandlungsansätze

Depressionen sind eine weit verbreitete psychische Erkrankung, die Millionen von Menschen weltweit betrifft. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass Depressionen bis zum Jahr 2020 der zweithäufigste Grund für Erwerbsunfähigkeit sein werden. Trotz der hohen Prävalenz und der schwerwiegenden Folgen der Erkrankung sind die Ursachen und Entstehungsmechanismen von Depressionen noch immer nicht vollständig verstanden.

Die Verbreitung und das Stigma der Depression

Weltweit leiden mehr als 300 Millionen Menschen an Depressionen. In Deutschland sind schätzungsweise vier Millionen Menschen betroffen. Rund jeder Fünfte erkrankt im Laufe seines Lebens einmal an einer Depression. Viele Betroffene erfahren aufgrund der Erkrankung Stigmatisierung und Einschränkungen im sozialen und beruflichen Leben. Trotz der Tatsache, dass Depressionen jeden treffen können, gilt die Erkrankung noch immer als Stigma.

Konventionelle Behandlungsmethoden und ihre Grenzen

Ein Viertel der Betroffenen spricht weder auf Psychopharmaka noch auf Psychotherapie an. Oft vergehen Wochen, bis sich zeigt, ob sich eine Verbesserung einstellt oder nicht. Die Entwicklung von Psychopharmaka macht kaum Fortschritte. Viele Versuche, Depressionen wie andere Krankheiten mit Medikamenten zu behandeln, erscheinen mittlerweile fragwürdig.

Das therapeutische Gespräch stellt immer noch eine Königsdisziplin der Behandlungsmethoden dar, wenn auch Langzeitverfahren wie die Psychoanalyse durch den Kostendruck im Gesundheitswesen immer mehr an den Rand gedrängt werden. In Deutschland sind über 40 Antidepressiva auf dem Markt. Therapieplätze sind Mangelware. Online-Therapien drängen auf den Markt, und gerade wurde die systemische Psychotherapie als viertes Behandlungsverfahren zugelassen.

Die Placebo-Debatte

Der amerikanische Psychiater Dr. Irving Kirsch von der Harvard Medical School hat Studien von Pharmafirmen ausgewertet, mit denen sie sich um die Zulassung ihrer Präparate bewarben - sowohl veröffentlichte als auch unveröffentlichte. Das Ergebnis: Ein Placebo war in allen Studien fast genauso wirksam wie das Medikament. Der Unterschied ist laut Kirsch zwar "statistisch, aber nicht klinisch relevant".

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Alternative Behandlungsansätze und neue Erkenntnisse

Angesichts der Grenzen konventioneller Behandlungsmethoden rücken alternative Ansätze und neue wissenschaftliche Erkenntnisse zunehmend in den Fokus.

Hirnstimulationstechniken

Eine Weiterentwicklung der Hirnstimulation ist die transkranielle Magnetstimulation (TMS), die zielgerichtet bestimmte Hirnareale ansteuert und - im Gegensatz zur EKT - ambulant durchgeführt wird. Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist eine nicht-invasive Methode, bei der Magnetfelder eingesetzt werden, um bestimmte Hirnareale zu stimulieren. Im Gegensatz zur Elektrokrampftherapie (EKT) wird die TMS ambulant durchgeführt und gilt als schonender.

Ketamin

Auch Ketamin, als Narkosemittel und Partydroge bekannt, rückt immer mehr in den Fokus der Psychiater. Die antidepressive Wirkung tritt sehr schnell ein - eine Erlösung für schwerstdepressive Patienten, die vorher auf keine andere Therapieform angesprochen haben. In den USA ist seit Anfang 2019 ein Ketamin-Nasenspray zugelassen. In Deutschland greift man noch auf Infusionen zurück. Malek Bajbouj von der Berliner Charité rechnet aber mit einer baldigen Zulassung des Nasensprays in Deutschland. Der Wirkstoff Ketamin, der sowohl als Narkosemittel als auch als Partydroge bekannt ist, zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von Depressionen. Seine antidepressive Wirkung tritt sehr schnell ein, was insbesondere für schwerstdepressive Patienten von Bedeutung ist, die auf andere Therapieformen nicht ansprechen.

Achtsamkeit

Achtsamkeit hilft bei Depression. Gerade in Zeiten wie diesen trägt Achtsamkeit. Ein Licht ins Fenster stellen möchte ich für uns alle, gemeinsam mit meinem Kollegen Martin Steca. Lasst uns zusammen Achtsamkeit üben! Mit diesem Angebot komme ich gerne dem Wunsch einiger ehemaligen Teilnehmer nach. In:“ Ein Licht ins Fenster - Achtsamkeit Online „findet Ihr unser Online Angebot.

Der Einfluss von Entzündungen und Darmflora

In der Sendung "scobel: Depression - alte Mythen, neue Wahrheiten" wird unter anderem thematisiert, dass auch Entzündungen und Störungen der Darmflora Depressionen verursachen können.

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Psychische Vielfalt als Potenzial

Psychische Leiden wie Autismus, Schizophrenie oder eine bipolare Störung können nützlich sein. In die richtigen Bahnen gelenkt, können leichte Formen bestimmter psychischer Leiden wie etwa Autismus oder Depressionen zu einer Bereicherung für die Gemeinschaft werden, wie Beispiele aus der Frühgeschichte der Menschheit zeigen. In manchen Bereichen tun sie das erkennbar auch heute. Denn es gibt sie: manisch-depressive Menschen, die überdurchschnittlich kreativ sind oder Menschen im Autismus-Spektrum, die hervorragende Leistungen in der Mathematik oder IT zeigen.

Die Neurodiversitätsbewegung

Im gesellschaftlichen Diskurs formiert sich seit einigen Jahren eine Neurodiversitätsbewegung, die einen offeneren Umgang mit der "Vielfalt im Gehirn" und dem Anderssein propagiert. Nicht nur die vermeintlich "normale" Funktion des Gehirns, sondern die psychische Vielfalt rückt nun in den Blick der Forschung. Unsere Gesellschaft und ihre Institutionen stellen die Weichen dafür, ob dieses Potenzial genutzt wird oder sich als Krankheit manifestiert.

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