Demenz ist eine Erkrankung, die primär mit höherem Lebensalter assoziiert wird. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass Demenz auch in jüngeren Jahren auftreten kann. Auch wenn die Zahl der Demenzerkrankungen mit dem Alter stetig steigt, gibt es durchaus Menschen, die bereits deutlich vor ihrem 65. Lebensjahr an einer Demenz erkranken. In Deutschland leben mehr als 100.000 Menschen im Alter zwischen 45 und 64 Jahren mit einer Demenz. Die Lebenssituation von jüngeren Demenzerkrankten unterscheidet sich in der Regel von der älterer Menschen, die im Rentenalter erkranken.
Was ist Demenz?
Bei Demenz handelt es sich um Erkrankungen des Gehirns mit zunehmenden kognitiven Störungen, zum Beispiel Vergesslichkeit. Die Demenz ist keine einheitliche Erkrankung, sondern ein Sammelbegriff für krankhafte Vergesslichkeit unterschiedlicher Ursachen. Gemeinsam ist allen Demenzformen, dass Nervenzellen zugrunde gehen, die für das Gedächtnis unverzichtbar sind. Bis zu einem gewissen Grade ist die zunehmende Vergesslichkeit eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Alterns. Bei krankhafter Vergesslichkeit sprechen Ärztinnen und Ärzte von Demenz. Es handelt sich um eine Erkrankung, die stärker als jede andere Störung des Gehirns mit dem Lebensalter zusammenhängt.
Ab wann spricht man von Demenz im jüngeren Lebensalter?
Von einer Demenz im jüngeren Lebensalter spricht man, wenn die ersten Symptome vor dem 65. Lebensjahr auftreten. Grundsätzlich können alle Demenzformen auch vor dem 65. Lebensjahr auftreten. Menschen unter 65 Jahren sind häufiger von Demenzformen betroffen, die sich auf das Verhalten und die Persönlichkeit auswirken, wie zum Beispiel Frontotemporale Demenz. Die Altersspanne bei der frontotemporalen Demenz ist jedoch breit: Die Erkrankung kann auch deutlich früher oder später auftreten - zwischen dem 20. und 85. Lebensjahr. Da die FTD häufig vor dem 65. Lebensjahr ausbricht, gehört sie zu den frühbeginnenden Demenzen.
Ursachen von Demenz im jüngeren Alter
Während bis zu 90 Prozent der Demenzen im höheren Lebensalter durch die Alzheimer-Krankheit sowie Durchblutungsstörungen des Gehirns verursacht werden, sind die selteneren Demenzursachen im jüngeren Alter relativ häufiger vertreten. Zu den Risikofaktoren und Ursachen von Demenz zählen:
- Alkoholmissbrauch
- Schlaganfall
- genetische Risikofaktoren
- Diabetes
- Herzerkrankung
- Vitamin-D-Mangel
- Schwerhörigkeit
- soziale Isolation
Es wird deutlich: Nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention von Demenzerkrankungen.
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Frontotemporale Demenz (FTD)
Dazu zählt unter anderem die Frontotemporale Demenz, die im Anfangsstadium eher Demenz-untypische Symptome zeigt, zum Beispiel emotionale Verflachung, Antriebslosigkeit und Wesensveränderungen. Kennzeichnend bei der FTD ist, dass Nervenzellen speziell im Stirnhirn (Frontallappen) und im Schläfenlappen (Temporallappen) untergehen. In diesen Gehirnbereichen werden wichtige Funktionen gesteuert: Zu den Aufgaben der Frontallappen gehören unter anderem das Sozialverhalten und die Verhaltenskontrolle, die Temporallappen sind unter anderem für das Sprachverständnis von Bedeutung.
Symptome von Demenz
Obwohl sich die Symptome nicht wesentlich von denen einer Demenz im höheren Lebensalter unterscheiden, bleiben frühe Demenzen oft zunächst unerkannt. So kommt es vor, dass jüngere Menschen mit Demenz erst Jahre nach Auftreten der ersten Symptome richtig diagnostiziert und behandelt werden. Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle:
- Demenz wird oft mit Vergesslichkeit gleichgesetzt.
- In jungen Jahren wird eine Demenz nicht vermutet.
- Selbst Ärztinnen und Ärzte führen Symptome wie Vergesslichkeit oder auffälliges Verhalten häufig zunächst auf Depressionen, Burnout, Stress oder Beziehungsprobleme zurück.
- Jüngere Menschen mit Demenz kommen erst gar nicht in die ärztliche Praxis - sei es, weil sie sich „nicht krank“ fühlen, sei es, weil sie aus Angst vor der Diagnose das Arztgespräch meiden.
- Mit 55 oder 60 Jahren denkt man bei Vergesslichkeit nicht unbedingt an Demenz.
Typische Anzeichen und Symptome einer Demenz sind:
- Gedächtnisprobleme / Vergesslichkeit: Eines der Hauptsymptome einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung ist eine Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, die sich auf das tägliche Leben auswirkt. Diese Vergesslichkeit äußert sich beispielsweise darin, dass wichtige Termine vergessen, der Herd nicht ausgeschaltet oder der Alltag nur mit Hilfe von Merkzetteln bewältigt werden kann.
- Schwierigkeiten beim Planen und Problemlösen: Den Betroffenen fällt es schwer, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder etwas vorausschauend zu planen und umzusetzen. Sie brauchen für vieles mehr Zeit als zuvor. Probleme tauchen beispielsweise beim Kochen oder Backen nach bekannten Rezepten, beim Umgang mit Zahlen oder beim Bezahlen von Rechnungen auf.
- Probleme mit gewohnten Tätigkeiten: Alltägliche Handlungen werden plötzlich als große Herausforderung empfunden.
- Schwierigkeiten, Bilder zu erkennen und räumliche Dimensionen zu erfassen.
- Schwierigkeiten, einem Gespräch zu folgen und sich aktiv daran zu beteiligen: Sie verlieren den Faden, verwenden unpassende Füllwörter oder haben Wortfindungsprobleme.
- Verlegen von Gegenständen an ungewöhnlichen Orten: Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind, lassen oft Dinge liegen oder legen sie an ungewöhnliche Orte. Sie vergessen nicht nur, wo die Sachen sind, sondern auch, wozu sie gut sind.
- Verlust der Eigeninitiative: Viele Menschen mit Alzheimer verlieren zunehmend ihre Eigeninitiative und gehen immer weniger ihren Hobbys, sozialen oder sportlichen Aktivitäten nach.
- Starke Stimmungsschwankungen ohne erkennbaren Grund: können eine Folge einer Alzheimer-Erkrankung sein.
- Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit.
Diagnose von Demenz
Je früher eine Demenzerkrankung erkannt wird, desto größer sind die Chancen, den Krankheitsverlauf zu verzögern, Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Erste Anlaufstelle für die Diagnosestellung ist die hausärztliche Praxis. Es kann zwei bis vier Jahre dauern, bis jemand zum Facharzt kommt und die entsprechenden Untersuchungen gemacht werden. Demenzerkrankungen können und sollen in jedem Lebensalter behandelt werden.
Betroffene und Angehörige sollten daher auffällige Wesensveränderungen, Sprachprobleme oder psychische Beeinträchtigungen immer ernst nehmen und ärztlich abklären lassen. Wenn eines oder mehrere dieser Anzeichen bei Ihnen oder einem Familienmitglied wiederholt auftreten, sollten Sie ärztlichen Rat einholen. So können Sie frühzeitig Hilfe bekommen, wenn es sich um eine beginnende Alzheimer-Krankheit oder eine andere Form der Demenz handelt.
Die Diagnostik bei einer Alzheimer-Krankheit umfasst in der Regel mehrere Untersuchungen und spezielle Tests:
- Kognitive Tests und psychometrische Tests: Im Rahmen von verschiedenen Demenz-Tests wird die geistige Leistungsfähigkeit untersucht.
Herausforderungen und Auswirkungen einer frühen Demenz
Die Diagnose Demenz ist für jeden Betroffenen ein Schock. Für Jüngere, die mitten im Leben stehen, ist die Diagnose jedoch oft noch belastender als für ältere Erkrankte. Sie müssen sich nicht nur mit der einer unheilbaren, fortschreitenden Krankheit, sondern auch mit den damit verbundenen Veränderungen auseinandersetzen.
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Zu den besonderen Herauforderungen gehören:
- Die Akzeptanz der Diagnose: Demenzerkrankungen sind für Jüngere schwerer zu akzeptieren. Sie schämen sich, wollen es nicht wahrhaben und glauben, es müsse eine Heilung geben.
- Der Verlust des „alten Lebens“: Die eigenen Finanzen regeln, Kinder oder Eltern zu betreuen, Verantwortung im Beruf übernehmen - das bisherige Leben aufgeben zu müssen, ist im jüngeren Lebensalter nur sehr schwierig zu bewältigen.
- Die Auswirkungen auf die Familie: Familien von jungen Erkrankten müssen akzeptieren, dass sich mit der Diagnose die gesamte Lebenssituation verändert. Besonders hart für Partnerinnen und Partner ist der schleichende Verlust von Gemeinsamkeiten, von Erinnerungen, von der Möglichkeit, gemeinsame Sorgen zu teilen. Zwar ist der Mensch noch da, doch das alte Gegenüber geht verloren.
- Stigmatisierung im Alltag: Menschen mit Demenz erkennt man nicht auf den ersten Blick. Problematisch ist auch, dass die meisten Pflege- und Betreuungsangebote nicht auf die Bedürfnisse von jüngeren Menschen mit Demenz ausgerichtet sind. Gerade wenn das Zusammenleben im gewohnten Zuhause nicht mehr möglich ist, sind sie oft gezwungen in Pflegeheime umzuziehen, in denen alles auf ältere Seniorinnen und Senioren ausgerichtet ist. Das beginnt bei der Gestaltung und Ausstattung der Räume über den Tagesablauf bis hin zum Angebot an sozialen und sportlichen Aktivitäten. Hinzu kommt, dass den Jüngeren in den herkömmlichen Einrichtungen der wichtige Kontakt zu Gleichaltrigen fehlt.
- Berufliche und finanzielle Auswirkungen: Wenn eine Demenz früh im Leben auftritt, stehen die Betroffenen meist noch im Berufsleben. Oft leben Kinder mit im Haushalt und es bestehen finanzielle Verpflichtungen. Im Beruf stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit besteht, zunächst weiterzuarbeiten - eventuell in einem weniger anspruchsvollen Arbeitsbereich oder mit reduziertem Stundenumfang. Unter Umständen muss die (Früh-)Rente beantragt werden. Beide Veränderungen sind mit finanziellen Einbußen verbunden.
- Auswirkungen auf die Kinder: Für die Kinder ist es - je nach Alter - schwierig, zu verstehen und zu akzeptieren, wenn ein Elternteil an einer Demenz erkrankt. Sie brauchen Unterstützung, um zu lernen, wie sie damit umgehen können. Eine therapeutische Begleitung kann sehr sinnvoll sein.
- Auswirkungen auf die Partnerschaft: Eine früh einsetzende Demenz hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Beziehung in Ehe und Partnerschaft. Die gemeinsame Lebensplanung wird umgeworfen und einer der Partner wird vom anderen zunehmend abhängig.
Unterstützungsmöglichkeiten für jüngere Demenzerkrankte und ihre Familien
Menschen, die jung an einer Demenz erkranken, und ihre Angehörigen haben meist andere Bedürfnisse als ältere Demenzerkrankte und ihre Familien. Spezialisierte Angebote für diese Gruppe gibt es leider kaum. Deshalb gestaltet sich die Suche nach Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten meist aufwendiger.
Folgende Anlaufstellen und Angebote können hilfreich sein:
- Beratung: Alzheimer-Gesellschaften und Beratungsstellen zur Demenz bieten Beratung an. Auch der Sozialpsychiatrische Dienst des Gesundheitsamtes Ihrer Kommune ist eine mögliche Anlaufstelle.
- Selbsthilfegruppen: Gruppen für Menschen mit beginnender Demenz sind meist nicht auf jung Erkrankte spezialisiert, es nehmen aber häufig auch jüngere Menschen daran teil. Einige örtliche Alzheimer-Gesellschaften bieten Gruppen für Angehörige von jüngeren Demenzerkrankten an. Erkundigen Sie sich vor Ort danach.
- Betreuungsangebote: Spezialisierte Betreuungsangebote für junge Menschen mit Demenz gibt es in der Regel nicht. Helferkreise und Betreuungsbörsen vermitteln aber ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, die eine stundenweise Betreuung zu Hause übernehmen. Entsprechende Angebote erfahren Sie über die Alzheimer-Gesellschaften oder auch über Pflegestützpunkte bzw. Ihre Pflegekasse.
- Wohnformen: In Pflegeheimen leben meist nur ältere Pflegebedürftige. Eine Alternative können Einrichtungen für (jüngere) psychisch kranke Menschen sein. Auch ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz stellen eine Möglichkeit dar, wenn die Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist. Allgemeine Informationen zu Wohngemeinschaften finden Sie auf unserem Informationsblatt 13 - Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz
- Therapeutische Begleitung: Da die Erkrankung für alle Beteiligten eine große Belastung darstellt, ist eine therapeutische Begleitung, zum Beispiel eine systemische Familientherapie, sehr zu empfehlen. Über das Jugendamt sind weitere familienunterstützende Angebote zu erhalten, zum Beispiel Familienhelfer.
- Leistungen der Eingliederungshilfe: In manchen Fällen kommen Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) infrage.
- Pflegegrad: Wenn Sie feststellen, dass sich ein Unterstützungsbedarf abzeichnet, sollten Sie den möglichen Anspruch auf einen Pflegegrad prüfen. Denn mit diesem stehen der betroffenen Person verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung zu, die ihren Pflegealltag erleichtern sollen.
Prävention von Demenz
Unabhängig davon kann jeder Mensch sein Demenzrisiko zumindest etwas senken. Eine Reihe von Studien zeigt beispielsweise, dass regelmäßige körperliche Betätigung mit einer geringeren Häufigkeit von Demenz im Alter einhergeht. Bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Blutdruck geht eine gute medikamentöse Einstellung mit einem geringeren Demenzrisiko einher (Deutsche Hochdruckliga). Auch wer auf seine Ernährung achtet und starkes Übergewicht vermeidet, kann die Demenzentwicklung im Alter positiv beeinflussen: Ein Body Mass Index (BMI) von über 30 ist aktuellen Daten zufolge mit einem vierfach höheren Demenzrisiko verbunden (Schwedisches Zwillingsregister). Auch ein geistiges Training kann dazu beitragen, dass sich das Demenzrisiko vermindert. Wissenschaftliche Studien legen darüber hinaus nahe, dass körperliche Aktivitäten und gezielte Trainingsverfahren, die die geistigen Fähigkeiten stärken, den Krankheitsverlauf verlangsamen können. Man vermutet, dass bis zu 40 Prozent aller Demenzerkrankungen verhindert werden können.
Zur Vorbeugung empfiehlt sich:
- geistig aktiv sein
- viel Bewegung
- gesunde Ernährung
- Übergewicht und Bluthochdruck vermeiden
- Diabetes rechtzeitig behandeln lassen
- Hörminderungen ausgleichen
- sozial aktiv sein
- Stress reduzieren
- neugierig sein
- Belastung durch Luftverschmutzung vermeiden
Therapie und Behandlung von Demenz
Die Demenz ist derzeit nicht heilbar. Mit den sogenannten Cholinesterase-Hemmern und den NMDA-Rezeptorblockern gibt es allerdings zwei Medikamentenklassen, die die Abnahme der Leistungsfähigkeit des Gehirns für eine gewisse Zeit verlangsamen können. Der Effekt ist aber nur vorübergehend. Eines der Probleme bei der Demenztherapie ist die meist zu späte Diagnose. Wenn die betroffenen Menschen ausgeprägte Symptome zeigen, sind viele Nervenzellen bereits irreversibel geschädigt. Welche Medikamente für eine gezielte Frühtherapie in Frage kommen, wird derzeit intensiv erforscht.
Nicht heilen zu können, heißt aber nicht, nicht behandeln zu können! Die Hilfen und Therapiemöglichkeiten sind stadienabhängig. Neben der genannten medikamentösen Therapie ist anfänglich ein Hirnleistungstraining möglich, was den Betroffenen helfen und auch Spaß machen kann. Mit fortschreitender Erkrankung muss jedoch die Umgebung an die Möglichkeiten der Patienten angepasst werden.
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