Einleitung
Der Nervus accessorius, auch bekannt als elfter Hirnnerv, spielt eine entscheidende Rolle für die Funktion des Trapezius- und des Sternocleidomastoideusmuskels. Schädigungen dieses Nervs können zu erheblichen funktionellen Einschränkungen führen, insbesondere im Bereich des Schultergürtels. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und verschiedene rekonstruktive Maßnahmen zur Wiederherstellung der Funktion des Nervus accessorius.
Anatomie und Funktion des Nervus Accessorius
Der Nervus accessorius ist ein motorischer Nerv, der sich in zwei Anteile gliedert: einen spinalen und einen kranialen Anteil. Der spinale Anteil entspringt dem Rückenmark und innerviert den Musculus trapezius und den Musculus sternocleidomastoideus. Diese Muskeln sind für die Bewegung des Kopfes, des Halses und der Schultern verantwortlich. Eine Störung des Nervus accessorius kann zu einer Absenkung der Skapula, einem Abheben des medialen Skapularandes ("Scapular Winging") und Kraftlosigkeit bei der seitlichen Armhebung führen.
Ursachen für eine Schädigung des Nervus Accessorius
Eine Schädigung des Nervus accessorius kann verschiedene Ursachen haben:
- Iatrogene Verletzungen: Diese entstehen häufig im Rahmen chirurgischer Eingriffe, insbesondere bei zervikalen Lymphknotenbiopsien oder radikalen Neck Dissections. Laut Studien sind iatrogene Verletzungen die häufigste Ursache für Accessoriusläsionen.
- Traumatische Verletzungen: Direkte Traumata im Halsbereich, wie sie beispielsweise bei Unfällen auftreten können, können den Nervus accessorius schädigen.
- Tumore: Tumore im Halsbereich können den Nerv komprimieren oder infiltrieren und so seine Funktion beeinträchtigen.
Diagnose einer Schädigung des Nervus Accessorius
Die Diagnose einer Schädigung des Nervus accessorius umfasst mehrere Schritte:
- Anamnese: Eine sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte ist entscheidend, um die Ursache der Schädigung zu ermitteln.
- Klinische Untersuchung: Die klinische Untersuchung umfasst die Beurteilung der Funktion des Musculus trapezius und des Musculus sternocleidomastoideus. Dabei wird auf eine Schwäche oder Atrophie der Muskeln geachtet. Ein Absenken der Skapula und ein "Scapular Winging" sind typische Zeichen einer Schädigung des Nervus accessorius.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Die Elektroneurographie (ENG) und Elektromyographie (EMG) können eingesetzt werden, um die Funktion des Nervs und der innervierten Muskeln zu beurteilen.
- Bildgebende Verfahren: Die Magnetresonanzneurographie (MRN) kann Nervenläsionen darstellen und zur Lokalisation und Beurteilung des Schweregrades eingesetzt werden.
Konservative Therapie
In einigen Fällen, insbesondere bei leichten Schädigungen des Nervus accessorius, kann eine konservative Therapie ausreichend sein. Diese umfasst:
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- Physiotherapie: Physiotherapeutische Übungen können helfen, die Kraft und Beweglichkeit der betroffenen Muskeln wiederherzustellen.
- Schmerzmanagement: Schmerzmittel können zur Linderung von Schmerzen eingesetzt werden.
Operative Therapie
Bei schwereren Schädigungen des Nervus accessorius oder wenn die konservative Therapie nicht erfolgreich ist, kann eine operative Therapie in Betracht gezogen werden. Es gibt verschiedene operative Verfahren zur Wiederherstellung der Funktion des Nervus accessorius:
1. Nervenrekonstruktion
- Direkte Nervennaht: Bei einer frischen Verletzung des Nervus accessorius kann dieser häufig in mikrochirurgischer Art und Weise direkt genäht werden (primäre Nervennaht).
- Nerventransplantation: Sollte eine ausgeprägter Destruktion des Nervens bestehen, oder die Defektstrecke keine Primärnaht erlauben, kann mit einer Nerventransplantation die Kontinuität des Nervens wiederhergestellt werden. Hierbei wird ein Nerv aus einem anderen Körperbereich entnommen und als Transplantat eingesetzt, um die Lücke im Nervus accessorius zu überbrücken. Häufig verwendete Spendernerven sind der Nervus suralis oder der Nervus auricularis magnus.
- Nerventransposition: Bei der Nerventransposition wird ein anderer Nerv, wie der Nervus massetericus oder der Nervus hypoglossus, verwendet, um die Innervation des Musculus trapezius wiederherzustellen. Allerdings kann dies zu einem möglichen Funktionsverlust des Spendernervs führen.
2. Muskeltransfer
Wenn eine Nervenrekonstruktion nicht möglich oder nicht erfolgversprechend ist, kann ein Muskeltransfer in Betracht gezogen werden. Hierbei werden andere Muskeln, wie der Musculus levator scapulae und die Mm. rhomboidei, verlagert, um die Funktion des Musculus trapezius zu unterstützen. Das Prinzip der klassischen Operation nach Eden-Lange besteht in der Lateralisierung der Mm. rhomboidei und des M. levator scapulae.
3. Distale Nerventransfers
Der Nerventransfer ermöglicht durch Umlagerung entbehrlicher motorischer Faszikel eines gesunden Spendernervs zielmuskelnah auf die motorischen Endäste des geschädigten Nervs die Reinnervation der betroffenen Muskulatur und konvertiert dadurch eine proximale in eine distale Läsion.
Mikrochirurgische Techniken
Die Mikrochirurgie spielt eine zentrale Rolle bei der Rekonstruktion des Nervus accessorius. Mithilfe mikrochirurgischer Techniken können Nerven und Gefäße präzise dargestellt und rekonstruiert werden. Dies ermöglicht eine spannungsfreie Koaptation der Nervenenden und eine optimale Durchblutung des Transplantats.
Fazialisparese und Nerventransfers
Bei einer Fazialisparese, einer Lähmung des Gesichtsnervs, können ähnliche Nerventransfertechniken angewendet werden, um die Gesichtsmuskulatur wieder zu innervieren. Hierbei können der Nervus massetericus, der Nervus accessorius oder der Nervus hypoglossus verwendet werden, um die betroffenen Muskelgruppen zu reinnervieren.
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Nachbehandlung und Rehabilitation
Nach einer operativen Rekonstruktion des Nervus accessorius ist eine intensive Nachbehandlung und Rehabilitation entscheidend für den Erfolg der Behandlung. Physiotherapie, Ergotherapie und gegebenenfalls Logopädie können helfen, die Funktion der betroffenen Muskeln wiederherzustellen und Kompensationsmechanismen zu vermeiden.
Komplikationen
Wie bei jedem operativen Eingriff können auch bei der Rekonstruktion des Nervus accessorius Komplikationen auftreten. Zu den möglichen Komplikationen gehören:
- Infektionen
- Blutungen
- Nervenverletzungen
- Narbenbildung
- Funktionsverlust des Spendernervs
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