Die Wirkung von Adenosin auf das Gehirn: Ein umfassender Überblick

Koffein, die weltweit am häufigsten konsumierte psychoaktive Substanz, beeinflusst unsere Wachheit, Aufmerksamkeit und kognitive Leistungsfähigkeit. Diese Effekte werden hauptsächlich auf die Wechselwirkung von Koffein mit Adenosinrezeptoren im Gehirn zurückgeführt. Adenosin spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Schlafs und der neuronalen Aktivität.

Adenosin und seine Funktion im Gehirn

Adenosin ist ein Nukleosid, das im gesamten Körper vorkommt und als extrazellulärer Modulator der Zellaktivität fungiert. Es wirkt hauptsächlich inhibitorisch und beeinflusst die Freisetzung von Neurotransmittern. Forscher der Universität von Texas in Dallas haben herausgefunden, dass bei längerer Aktivität von Zellen in den Wachheitszentren des Hirnstamms Adenosin freigesetzt wird. Dieses Adenosin bindet an spezifische Nervenzellrezeptoren und reduziert die Aktivität der Neuronen, was zu Müdigkeit führt. Dieser Mechanismus schützt das Gehirn vor Energiemangel, der in aktiven Hirnbereichen während langer Wachphasen entstehen kann. Während des Schlafs sind die Neuronen weniger aktiv und verbrauchen weniger Energie, wodurch sich die Energiereserven des Gehirns wieder auffüllen können.

Es wird angenommen, dass Adenosin eine wichtige Rolle bei der Auslösung von Schlaf spielt, insbesondere nach längeren Wachphasen. Studien deuten darauf hin, dass der Aufbau von Schlafdruck während des Wachseins und dessen Abbau während des Schlafs mit Veränderungen der extrazellulären Adenosinkonzentration zusammenhängen. Bei ungewöhnlich langen Wachphasen steigt die Adenosinkonzentration kontinuierlich an und sinkt anschließend durch Erholungsschlaf wieder ab. Dies führte zu der Hypothese, dass Adenosin eine Schlüsselsubstanz für den Schlaftrieb ist.

Adenosin entfaltet seine schlaffördernde Wirkung hauptsächlich über den A1-Adenosinrezeptor (A1AR), der in weiten Teilen des Gehirns vorkommt. Die Forschergruppe um Robert W. McCarley von der Harvard Medical School zeigte, dass die A1AR-mRNA nach 6 Stunden Schlafentzug signifikant hochreguliert wird. Mittels Rezeptorautoradiographie im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass auch die Rezeptordichte des A1AR nach Schlafentzug in den Zellen des basalen Vorderhirns zunimmt. Ähnliche schlafentzugsinduzierte Effekte wurden auch für andere kortikale und subkortikale Regionen bei Ratten beobachtet.

In Experimenten mit gesunden Probanden konnte nach einer Nacht Schlafentzug mittels PET eine signifikant erhöhte Verfügbarkeit des A1AR (insbesondere im orbitofrontalen Kortex) festgestellt werden.

Lesen Sie auch: Synaptische Auswirkungen von Strychnin

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Adenosin über A1AR inhibitorische Effekte, insbesondere auf exzitatorische Neurone in Kerngebieten des basalen Vorderhirns, ausübt, die mit der Schlaf-Wach-Regulation in Verbindung stehen. Adenosin dient somit der Regulation des homeostatischen Schlaftriebs in Abhängigkeit von neuronaler Aktivität und Energiestoffwechsel.

Die Wirkung von Koffein auf Adenosinrezeptoren

Koffein wirkt, indem es die Adenosinrezeptoren im Gehirn blockiert. Diese Blockade führt zu einer Enthemmung der Nervenzellen und somit zu einer Aktivierung. Mithilfe der Positronenemissionstomographie (PET) konnte gezeigt werden, dass Koffein an den A1-Adenosinrezeptor bindet und diesen blockiert. Bereits eine durchschnittliche tägliche Koffeinmenge, die in etwa vier bis fünf Tassen Kaffee entspricht, kann etwa 50 Prozent der Adenosinrezeptoren blockieren.

Die biologischen Wirkungen von Koffein werden den antagonistischen Effekten an zerebralen Adenosinrezeptoren zugeschrieben. Koffein reduziert die Schläfrigkeit, verlängert die Einschlaflatenz und verlängert die Dauer von Wachphasen nach dem Einschlafen.

Optimierung des Koffeinkonsums

Prof. Dr. Dr. Martin E. Keck, Chefarzt der Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie der Rehaklinik Seewis in Graubünden, Schweiz, erklärt, dass der optimale Zeitpunkt für den Konsum von Koffein individuell verschieden ist. Es gibt jedoch neurobiologische Aspekte, die berücksichtigt werden können. Das Stresshormon Kortisol hat eine aktivierende Wirkung und hemmt wie Koffein die Adenosinrezeptoren. Der Kortisolspiegel steigt in der ersten Nachthälfte nicht an, damit wir uns erholen können. Ungefähr ab Mitternacht steigt der Kortisolspiegel dann wieder an mit einem Höhepunkt rund 30 Minuten nach dem Aufwachen und Aufstehen.

Um von einer Tasse Kaffee zusätzlich Energie zu bekommen, macht es Sinn, diese dann zu trinken, wenn der Kortisolspiegel natürlicherweise wieder sinkt. Eine Studie aus Kanada definiert den Zeitraum zwischen neun und zehn Uhr morgens als optimalen Zeitpunkt, um Kaffee zu trinken. Viele Menschen trinken ihren ersten Kaffee oder Espresso aus Gewohnheit direkt zum Frühstück oder direkt nach dem Aufstehen. Unser Gehirn ist es dann gewohnt, zur erwarteten Uhrzeit Koffein zu bekommen. Kulturelle Gewohnheiten überlagern quasi den biologischen Rhythmus.

Lesen Sie auch: Überblick: Medikamente & Nervensystem

Wenn man seine Koffeinzufuhr optimieren und an seinen natürlichen Rhythmus anpassen möchte, dann ist zu Anfang im Zuge der Umstellung sogar damit zu rechnen, dass man weniger Energie hat. Die Umstellung würde ein paar Tage brauchen. Und man müsste natürlich erst einmal herausfinden, wie der eigene biologische Rhythmus ist. Koffein kann auch einen gegensätzlichen oder sogar kontraproduktiven Effekt haben. Denn Kortisol wird je nach Bedarf und insbesondere bei Stress noch zusätzlich ausgestoßen. Das kann bei Menschen mit einer Depression oder einem Burnout dazu führen, dass der Kortisolspiegel gar nicht mehr sinkt.

Schlafstörungen und der Adenosin-Regelkreis

Schlaf ist lebensnotwendig. Bleibt die Ruhepause für den Organismus aus, rächt sich das nicht nur körperlich: Auch bei vielen psychischen Erkrankungen tritt Schlaflosigkeit auf. Es wird vermutet, dass viele Fälle von Schlafstörungen auf Störungen des Adenosin-Regelkreises zurückzuführen sind.

Lesen Sie auch: Eine Analyse von DMT und dem Gehirn

tags: #adenosin #wirkung #gehirn