Das Alice im Wunderland Syndrom (AIWS), auch bekannt als Todd-Syndrom, ist eine neurologische Erkrankung, die durch verzerrte Wahrnehmungen des eigenen Körpers, der Zeit und der Umgebung gekennzeichnet ist. Der Name leitet sich von Lewis Carrolls Roman "Alice im Wunderland" ab, in dem die Protagonistin ähnliche Erfahrungen macht. Obwohl das Syndrom selten ist, kann es beängstigend sein und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Es wird vermutet, dass Lewis Carroll, der selbst an Migräne litt, sich von seinen eigenen Erfahrungen für die Beschreibungen in seinem Buch inspirieren ließ.
Was ist das Alice im Wunderland Syndrom?
Das Alice im Wunderland Syndrom (AIWS) ist keine eigenständige Krankheit, sondern eine Sammlung von Symptomen, die im Rahmen anderer Erkrankungen auftreten. Es wurde erstmals 1952 von der amerikanischen Neurologin Caro Lippman beschrieben und 1955 von dem britischen Psychiater John Todd genauer definiert. Todd beschrieb das Syndrom als eine Reihe von Wahrnehmungsstörungen, die Verzerrungen der Größe, Masse oder Form des eigenen Körpers oder seiner Position im Raum beinhalten und oft von Depersonalisation und/oder Derealisation begleitet werden.
Ursachen des Alice im Wunderland Syndroms
Das Alice im Wunderland Syndrom kann verschiedene Ursachen haben, darunter:
- Migräne: AIWS tritt häufig als Begleiterscheinung einer Migräne auf, insbesondere im Rahmen einer Aura.
- Epilepsie: Auch als Vorbote eines epileptischen Anfalls kann das Syndrom in Erscheinung treten, insbesondere bei Temporallappenepilepsie.
- Infektionen: Infektionen mit dem Zoster- oder Epstein-Barr-Virus können AIWS auslösen. Bei Kindern stellt EBV vermutlich die häufigste Ursache dar. Auch eine SARS-CoV-2-Infektion kann das Syndrom auslösen.
- Drogenmissbrauch: Die übermäßige Einnahme psychoaktiver, halluzinogener Drogen kann zu den Zuständen führen.
- Andere Erkrankungen: In seltenen Fällen kann AIWS auch bei Schlaganfall, Hirntumor, Schizophrenie oder Depression auftreten. Temporo- und parietookzipitale Läsionen können ebenfalls ursächlich sein.
Wahrscheinlich liegen dem Syndrom organische oder funktionelle Veränderungen in einem bestimmten Bereich des Gehirns zugrunde, dem Temporallappen oder auch Schläfenlappen. Was aber genau dahintersteckt, ist unklar und muss weiter erforscht werden.
Symptome des Alice im Wunderland Syndroms
Betroffene beschreiben einen teilweisen Verlust der Orientierung, da die Umgebung und der eigene Körper verändert wahrgenommen werden. Daher kann der Zustand auch zu Angstzuständen oder sogar Panikattacken führen. Die Symptome können von kurzer Dauer sein (Minuten) oder auch länger anhalten (Wochen).
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Folgende Symptome sind typisch für das Alice im Wunderland Syndrom:
- Makropsie: Der eigene Körper oder Teile wie die Hände und Arme erscheinen größer.
- Mikropsie: Der eigene Körper oder Körperteile erscheinen kleiner.
- Metamorphopsie: Dinge in der Umgebung sind verzerrt, größer, kleiner oder bewegen sich eigenartig. Darunter fallen:
- Teleopsie: Objekte scheinen weiter entfernt als sie tatsächlich sind.
- Pelopsie: Objekte scheinen näher dran, als sie tatsächlich sind.
- Dysmorphopsie: Die Umgebung erscheint unförmig und verzerrt.
- Halluzinationen: Gegenstände oder Formen werden gesehen, die gar nicht da sind.
- Orientierungsverlust: Betroffene wissen nicht mehr wo oben und unten oder links oder rechts ist. Auch eine Fehlanordnung von Körperteilen wie in Gemälden von Pablo Picasso werden beschrieben.
- Veränderungen des Zeitgefühls: Die Zeit rast vorbei oder vergeht sehr langsam.
- Derealisation: Die äußere Welt wird als nicht wirklich/real erlebt.
- Depersonalisation: Der/Die Betroffene fühlt sich entfremdet.
- Akustische Wahrnehmungen: Stimmen oder Geräusche werden gehört.
- Veränderungen im Tastsinn: Der Boden verschwindet oder fühlt sich weich an.
- Körperliche Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel und Müdigkeit.
Einige Betroffene berichten auch von visuellen Verzerrungen, bei denen der Raum als flach (2-dimensional) wahrgenommen wird.
Diagnose des Alice im Wunderland Syndroms
Es gibt keinen spezifischen Test für das Alice im Wunderland Syndrom. Die Diagnose basiert in der Regel auf einer sorgfältigen Anamnese und der Beschreibung der Symptome durch den Patienten. Um andere mögliche Ursachen auszuschließen, können neurologische Untersuchungen, EEG (Elektroenzephalografie) und bildgebende Verfahren wie MRT (Magnetresonanztomografie) des Gehirns durchgeführt werden.
Alice im Wunderland Syndrom und Epilepsie
Das Alice im Wunderland Syndrom kann auch im Zusammenhang mit Epilepsie auftreten, insbesondere bei Temporallappenepilepsie. In diesen Fällen können die Symptome des AIWS als Teil eines epileptischen Anfalls oder als Aura vor einem Anfall auftreten. Es ist wichtig, dies von einer Migräne-Aura zu unterscheiden.
Therapie des Alice im Wunderland Syndroms
Eine gezielte Therapie des Alice im Wunderland Syndroms gibt es nicht. Die Behandlung konzentriert sich auf die zugrundeliegende Erkrankung. Wenn AIWS im Rahmen einer Migräne auftritt, kann eine Migräneprophylaxe mit Medikamenten oder alternativen Methoden sinnvoll sein. Bei Epilepsie werden Antiepileptika eingesetzt. Im Idealfall verschwinden durch die Behandlung der Grunderkrankung dann auch die Symptome des Alice im Wunderland Syndroms.
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In der Akutphase können bei stark ausgeprägten Symptomen Beruhigungsmittel zum Schutz der Betroffenen gegeben werden. Es ist wichtig, Betroffene im Falle einer Wahrnehmungsstörung vor möglichen Verletzungen zu schützen und Kinder zu beruhigen.
Fallbeispiele
- Eine Frau namens Gillian berichtet, dass sie dieses Phänomen seit der Kindheit hat: Es fing damit an, dass sie im Bett lag und es viel zu groß war. Sie dagegen war plötzlich viel zu klein. Ihre Mutter konnte sich keinen Reim darauf machen und hat vermutet, dass es ein Traum war. Einmal hatte sie in der Schule während einer Klausur visuelle Wahrnehmungsstörungen und kam nur sehr knapp durch die Prüfung. Auch in anderen Situationen trat es auf: Die Arme waren plötzlich überdimensioniert und die Hände zu groß. Bei der Arbeit konnte sie plötzlich das Smartphone nicht mehr bedienen, weil die Finger in ihrer Wahrnehmung viel zu groß waren. Zum Glück löste sich die Situation gerade noch rechtzeitig auf.
- Sammi, ein Koch aus Belgien, leidet unter Migräne und dem Alice im Wunderland Syndrom. Seine ersten Migräneattacken hatte er bereits im Kindesalter. Im Alter von 13 begannen dann auch die Alice-im-Wunderland-Symptome. Meistens kamen die Migräne-Anfälle nachts und begannen mit Alpträumen. Ein bis zweimal im Jahr startete die Attacke damit, dass plötzlich alles um ihn herum sehr schnell wurde.
Umgang mit dem Alice im Wunderland Syndrom
Für Betroffene und ihre Angehörigen ist es wichtig, sich über das Alice im Wunderland Syndrom zu informieren und zu verstehen, dass es sich um eine neurologische Störung handelt, die behandelbar ist. Kinder sollten beruhigt und vor möglichen Gefahren geschützt werden. Eine offene Kommunikation mit dem Arzt ist entscheidend, um die richtige Diagnose zu stellen und eine geeignete Therapie einzuleiten.
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