Alkohol, im Allgemeinen Ethanol oder Ethylalkohol, ist ein Bestandteil vieler Genussmittel wie Bier und Wein. Der Konsum erfolgt hauptsächlich aufgrund seiner berauschenden Wirkung, die Entspannung und Wohlbefinden verspricht. Die Schattenseiten werden dabei oft vergessen oder verdrängt. Alkohol schädigt die Leber, beeinflusst die Bildung roter Blutzellen negativ und gilt - vor allem durch das Abbauprodukt Acetaldehyd - als nervenschädigend und krebserregend. Starker Alkoholkonsum kann neben kognitiven Einbußen auch Polyneuropathie, das Korsakow-Syndrom und viele weitere Nervenschäden verursachen.
Wie Alkohol ins Gehirn gelangt und dort wirkt
Wenn Menschen Alkohol trinken, wird der Wirkstoff über verschiedene Körperstellen aufgenommen. Ein kleinerer Anteil wird über die Mund- und Magenschleimhaut aufgenommen, die deutlich größere Menge über den Dünndarm. Anschließend gelangt die Substanz ins Blut und überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Nur sechs Minuten nach dem Alkoholkonsum erreicht sie das zentrale Nervensystem, wo sie ihre Wirkung als Nervengift entfaltet.
Ethanol wirkt im Nervensystem vor allem auf die Außenhaut der einzelnen Nervenzellen. Diese Membranen erfüllen normalerweise wichtige Aufgaben, werden durch den Alkohol jedoch blockiert. Dadurch verändert sich die Reiz- und Signalübertragung. Verschiedene Rezeptoren (GABA und NMDA) werden stimuliert bzw. blockiert, wodurch die Informationsweiterleitung zwischen den Zellen heruntergefahren wird. Gleichzeitig werden aktivierende Hormone wie Endorphine, Dopamin und Serotonin ausgeschüttet, die ein euphorisches Hochgefühl verleihen. Nervensystem und Neurotransmitter-Haushalt geraten dadurch durcheinander. Je häufiger dies passiert, desto größer wird das Risiko, ein Suchtgedächtnis und damit eine Alkoholkrankheit zu entwickeln. Es kommt zu dauerhaften Umstrukturierungen im Gehirn, die das Verlangen nach dem Wirkstoff auch nach einer erfolgreichen Suchttherapie immer wieder aufflackern lassen.
Direkte und indirekte Schädigungen des Nervensystems durch Alkohol
Ein hoher Alkoholkonsum kann das Nervensystem direkt oder indirekt negativ beeinflussen. Ethanol kann einzelne Bestandteile der peripheren Nerven direkt schädigen, wie die Schutzschicht der Zellen (Myelinscheiden) und die Nervenzellfortsätze (Axone). Diese Form der Schädigung kommt bei einer Polyneuropathie vor, kann aber auch direkt im Gehirn auftreten.
Indirekt wirkt sich Alkohol negativ auf das Nervensystem aus, indem er zu einer Mangelversorgung mit Thiamin und anderen wichtigen B-Vitaminen (vor allem B1 und B12) führt. Diese Vitamine sind essenziell für die Bildung der Schutzschicht von Nervenzellen. Eine Unterversorgung führt dazu, dass die empfindlichen Nervenzellen schutzlos sind und stärker auf den schädlichen Einfluss der toxischen Substanz reagieren.
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Mögliche Symptome und Erkrankungen durch Alkoholkonsum
Die für Nerven und Zellen schädliche Alkoholwirkung kann bei Betroffenen viele Symptome und Erkrankungen hervorrufen. Viele typische Symptome aufgrund von Nervenschäden werden von den Betroffenen zunächst ignoriert oder infolge des Alkoholrausches gar nicht wahrgenommen.
Polyneuropathie
Die Polyneuropathie bzw. alkoholische Polyneuropathie wird entweder direkt durch einen erhöhten und chronischen Alkoholkonsum oder indirekt durch einen Vitamin B1- oder einen Vitamin B12-Mangel ausgelöst. Sie umfasst Nervenschädigungen des peripheren Nervensystems. Betroffen sein können die motorischen Nerven (Zuckungen & Krämpfe der Muskeln, Muskelschwäche), das vegetative Nervensystem (Herzrasen, Ödeme, Magen-Darm-Beschwerden) oder die sensiblen Nerven (Kribbeln / Schmerzen in den Beinen, Taubheitsgefühle, Störungen der Druck- und Temperaturwahrnehmung, Gangunsicherheit).
Korsakow-Syndrom
Beim Korsakow-Syndrom handelt es sich um eine durch chronischen Alkoholkonsum ausgelöste Gedächtnisstörung, die auf einem Thiaminmangel und einer daraus folgenden Schädigung des zentralen Nervensystems beruht. Ein missbräuchlicher Alkoholkonsum führt häufig zu einer Mangelernährung oder Resorptionsstörungen, wodurch eine Unterversorgung mit Vitamin B1 ausgelöst wird. Das führt zu Schädigungen im Hippocampus sowie in den Mammilarkörpern. Häufig geht dem Korsakow-Syndrom eine Wernicke-Enzephalopathie, eine potenziell tödliche Akuterkrankung voraus. Diese ist im Gegensatz zum Korsakow-Syndrom meist heilbar. Bildet sich das Wernicke-Korsakow-Syndrom vollständig aus, führt dies zu Symptomen wie Gedächtnisstörungen, Gefühlsschwankungen, starker Müdigkeit und Erschöpfungszuständen.
Weitere neurologische Erkrankungen
Bei Menschen, die einen dauerhaft erhöhten Alkoholkonsum pflegen, wird das Nervensystem durch den indirekten Einfluss der neurologischen Substanz geschädigt. So führt der oftmals mit einer Alkoholabhängigkeit einhergehende Vitamin B-Mangel zu einer Unterversorgung mit Nicotinsäure und Tryptophan, was wiederum Veränderungen im sogenannten Motorcortex sowie weiteren Hirnarealen zur Folge hat.
Die zentrale pontine Myelinolyse ist ebenfalls eine neurologische Erkrankung, die bei Menschen mit einem dauerhaft erhöhten Alkoholkonsum auftreten kann. Hauptursächlich für die ZPM sind Elektrolytschwankungen, d. h. ein zu rasanter Anstieg der Natriumkonzentration nach einer vorherigen Hyponatriämie durch Mangelernährung. Meist tritt die zentrale pontine Myelinolyse rund eine halbe Woche nach Ausgleich der Hyponatriämie auf und kann zu Schädigungen der Myelinscheiden, insbesondere im Bereich des Hirnstamms führen. Das kann sich anhand von Symptomen wie Müdigkeit und Bewegungsstörungen oder aber auch in Gesichtslähmungen, Bewusstseinsstörungen und Koma sowie Atemstillstand äußern.
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Die Marchiafava-Bignami-Krankheit ist eine neuropsychiatrische Krankheit, die vornehmlich Menschen mit Alkoholismus betrifft, deren Ursache aber noch nicht vollständig geklärt ist. Auch diese Erkrankung tritt hauptsächlich in Verbindung mit einem Vitaminmangel durch Alkohol auf. Gekennzeichnet ist sie durch eine Degeneration - in schweren Fällen auch durch eine Nekrose (traumatischer Zelltod) - im Corpus callosum, dem sogenannten Balken des Gehirns. Die Folge ist eine bisweilen chronische Verminderung der Intelligenz. Motorische Störungen und epileptische Anfälle können ebenfalls auftreten.
Sind die Schäden durch Alkoholkonsum im Gehirn reversibel?
Ob der Alkoholkonsum im Gehirn der Betroffenen direkt oder indirekt zu einer Nervenschädigung führt, ist unerheblich für die Frage, ob die schädlichen Auswirkungen des Konsums umkehrbar oder irreversibel sind. In den meisten Fällen kommt es auf das Ausmaß des Schadens an und darauf, wie schnell eine mögliche Behandlung einsetzt. Ein sofortiger Stopp des Alkoholkonsums ist in jedem Fall notwendig, damit das Gehirn die Möglichkeit erhält, sich zu regenerieren und sich von der Wirkung des Alkohols zu erholen. Studien haben gezeigt, dass das Gehirn diese Fähigkeit durchaus besitzt - allerdings nur bis zu einem gewissen Ausmaß.
Alkoholische Getränke mögen vielleicht für gute Laune und Partyspaß sorgen, wirken aber auf das Gehirn und das Nervensystem hochtoxisch, so dass Alkohol selbst in geringen Mengen als schädlich gilt. Menschen mit einem gelegentlichen, moderaten Alkoholkonsum entwickeln in der Regel keine bleibenden gesundheitlichen Schäden. Das Risiko steigt allerdings mit jedem Glas Rotwein und jedem Liter Bier, vor allem, wenn regelmäßig bzw. täglich konsumiert wird.
Betroffene, die Alkoholmissbrauch betreiben oder an einer Abhängigkeit leiden, sollten sich der Gefahr bewusst sein, der sie sich und ihren Körper aussetzen. Durch das starke Verlangen (Craving) und den Kontrollverlust über den Konsum gelingt es den von einer Alkoholsucht betroffenen Frauen und Männern nur in den allerwenigsten Fällen, allein mit dem Trinken aufzuhören. Daher gelten Substanzstörungen als Krankheit, die Behandlung zählt zu den Leistungen der Krankenkasse und Rentenversicherung.
Therapie und Behandlung von Alkoholsucht
Damit der Absprung gelingt, sollten sich die betroffenen Patienten möglichst schnell professionelle Hilfe suchen. Eine qualifizierte Therapie der Alkoholsucht besteht immer aus einer Entgiftung, Entwöhnung und einer ambulanten Nachsorge. Je früher die Behandlung begonnen wird, umso geringer ist die Gefahr für bleibende Schädigungen der Gehirnzellen. Auch andere Organe des Körpers wie der Magen-Darm-Trakt, das Herz-Kreislauf-System, die Leber und die Bauchspeicheldrüse profitieren, wenn der Konsum beendet wird.
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Aktuelle Forschungsergebnisse
Eine internationale Studie hat ermittelt, dass selbst wenn man aufhört, Alkohol zu trinken, weiter Nervenzellen zerstört werden. Wissenschaftler untersuchten Patienten mithilfe von MRT-Aufnahmen und wiesen massive Schäden in der weißen Gehirnsubstanz nach, die für das Lernen und die Gedächtnisleistung verantwortlich ist. Die Forscher vermuten, dass eine alkoholbedingte Entzündungsreaktion dafür verantwortlich ist.
Es gibt aber auch gute Nachrichten: Um sich von den Schäden zu erholen, reichen bereits ein paar Monate Abstinenz. Eine Studie fand heraus, dass sich die Hirnrinde, die bei Menschen mit Alkoholproblem tendenziell dünner ist, bereits innerhalb der ersten Wochen zurückbildet und wieder dicker wird. Nach 7,3 Monaten war die Dicke der Hirnrinde bei einem Großteil der Teilnehmer wieder vergleichbar mit der von Nicht-Trinkern.
Eine Studie der Universität Heidelberg hat nachgewiesen, dass Alkohol rasch Veränderungen im Gehirn verursacht. Bei gesunden Menschen würden sich die Verschiebungen im Hirnstoffwechsel wieder vollständig zurückbilden. Dieser Regenerationsprozess könnte allerdings bei häufigem Konsum zum Erliegen kommen.
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