Alpha-Liponsäure: Wirkung auf das Gehirn und therapeutisches Potenzial

Immer mehr Menschen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen, manche schon ab Mitte 50. In Deutschland wird die Zahl der Erkrankten mittlerweile auf eine Million geschätzt. Bisher gibt es kein Medikament, das die Krankheit dauerhaft aufhalten oder gar heilen kann. Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat nun einen Teilerfolg erzielt. Mit dem Wirkstoff Alpha-Liponsäure konnte der Krankheitsverlauf für ein bis zwei Jahre gestoppt werden, so die Ergebnisse einer Studie, die in Hannover vorgestellt wurde. Alpha-Liponsäure ist kein neuer Wirkstoff: Der Patentschutz ist bereits seit geraumer Zeit abgelaufen.

Was ist Alpha-Liponsäure?

Die Alpha-Liponsäure (ALA) ist eine schwefelhaltige Fettsäure mit starken antioxidativen Eigenschaften. Sie ist sowohl wasser- als auch fettlöslich, was ihr ermöglicht, Zellmembranen und die Blut-Hirn-Schranke effizient zu passieren. Sie ist ein starkes natürliches Antioxidans und hat die Fähigkeit, andere Antioxidantien zu reduzieren und in ihrer Funktion zu recyceln. Daher erhöht sie die intra- und extrazelluläre Verfügbarkeit der biologisch aktiven Formen von Glutathion, Coenzym Q10, Vitamin C und E, auch ohne dass diese substituiert werden müssen.

Der menschliche Körper kann Alpha-Liponsäure in geringen Mengen selbst synthetisieren, vor allem in Leber, Nieren und Herz. In der Natur wird ausschließlich die R-Form der Alpha-Liponsäure gebildet. Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel enthalten häufig ein Gemisch aus R- und S-Alpha-Liponsäure. Unterschiede der biologischen Aktivitäten von R- und S-Form sind unter Fachleuten umstritten. Im Labor wird die Gesamt-Konzentration gemessen und nicht zwischen den beiden Isomeren unterschieden.

Wie wirkt Alpha-Liponsäure im Gehirn?

Die Alpha-Liponsäure Wirkung im Gehirn beruht auf ihrer Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Sie wirkt dort neuroprotektiv und zeigt in Studien Potenzial bei kognitivem Abbau, Müdigkeitssyndromen und neurodegenerativen Erkrankungen. Alpha-Liponsäure fängt aggressive sauerstoffhaltige Verbindungen in der Nervenzelle ab und verhindert auf diese Weise entzündliche Prozesse. Zweiter Effekt: die Nervenzellen werden mit Energie versorgt.

Neuroprotektive Eigenschaften

Als potentes Antioxidans neutralisiert Alpha-Liponsäure freie Radikale und schützt Nervenzellen vor oxidativem Stress. Sie moduliert Entzündungsprozesse durch Hemmung des Transkriptionsfaktors NF-κB, verbessert die Insulinsensitivität und schützt die Mitochondrien vor Schäden.

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Einfluss auf Alzheimer

Eine Studie ergab, dass Alpha-Liponsäure den Krankheitsverlauf bei Alzheimer-Patienten für ein bis zwei Jahre stoppen konnte. Patienten mit leichter Demenz profitierten am meisten: In den ersten sechs Monaten verbesserte sich der Zustand sogar, und das höhere Hirnleistungsniveau blieb dann über zwei Jahre erhalten. Patienten mit mittelschwerer Demenz profitierten rund eineinhalb Jahre: so lange ließ sich der weitere Gedächtnisverfall stoppen. Menschen mit weit fortgeschrittener Demenz hingegen konnten von der alpha-Liponsäure nicht profitieren. Hier sind die krankhaften Eiweißablagerungen in den Nervenzellen bereits so massiv, dass die begleitenden Entzündungsreaktionen nicht mehr in den Griff zu bekommen sind.

Die Wissenschaftler konnten Gehirnproben von verstorbenen Patienten gewinnen und feststellen, dass im Vergleich zu Alzheimer-Patienten dort die Entzündungsmarke im Gehirn deutlich geringer war. Dies bestärkte sie in der Meinung, dass sie mit dem Medikament die Folgen dieser Alzheimerveränderungen - nämlich die Entzündungen, die wiederum zu Gewebsschädigung führen - unterdrücken können.

Andere neurologische Erkrankungen

Besonders aufsehenerregend sind die Ergebnisse zur Wirkung von Alpha-Liponsäure bei Multipler Sklerose. Die Patienten berichteten zudem über weniger Stürze, ein verbessertes Lauftempo und eine Reduktion der Fatigue-Symptomatik.

Weitere Anwendungsgebiete und Wirkungen

Alpha-Liponsäure hat sich in den letzten Jahren als bemerkenswerte Substanz für die Neuroprotektion etabliert. Sie wird in der Lebertherapie häufig ergänzend eingesetzt - etwa bei Fettleber, toxischer Belastung oder chronischer Hepatitis. Einige Studien deuten darauf hin, dass Alpha-Liponsäure die Schilddrüsenfunktion positiv beeinflussen kann, z. B. durch Verbesserung der Insulinsensitivität und Verringerung von Entzündungen.

Diabetische Polyneuropathie

Bei der diabetischen Polyneuropathie, einer häufigen und oft schmerzhaften Komplikation des Diabetes mellitus, hat Alpha-Liponsäure in mehreren klinischen Studien positive Effekte gezeigt. Die ALADIN-Studie demonstrierte eine signifikante Verbesserung neuropathischer Symptome nach intravenöser Gabe von 600 mg Alpha-Liponsäure täglich über drei Wochen. Eine aktuelle Metaanalyse aus dem Jahr 2022 unterstützt die Wirksamkeit von Alpha-Liponsäure zur Linderung von Schmerzen, Brennen, Parästhesien und Taubheitsgefühlen bei diabetischer Neuropathie.

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Entgiftung

Alpha-Liponsäure wirkt als Radikalfänger und kann die Ausscheidung von Fremdstoffen unterstützen. Insbesondere Metallionen wie z.B. Blei, Quecksilber, Kupfer, Eisen und Platin löst sie aus der Bindung an schwefelhaltige Proteine heraus und chelatiert sie über ihre Thiolgruppen. Die Exkretion erfolgt vor allem über die Galle. Sie unterstützt die Ausscheidung bestimmter organischer Substanzen und wird daher bei akuten Intoxikationen eingesetzt z.B. bei Pilzvergiftungen.

Schutz der Mitochondrien

Mit der Nahrung zugeführte, freie Alpha-Liponsäure schützt die Mitochondrien vor oxidativem Stress. Gleichzeitig fungiert Alpha-Liponsäure als Elektronenakzeptor in Enzymkomplexen der Atmungskette.

Dosierung und Anwendung

Für die Behandlung der diabetischen Neuropathie werden üblicherweise Dosierungen von 600-1200 mg Alpha-Liponsäure täglich empfohlen. Bei Multipler Sklerose haben sich höhere Dosierungen von 1200 mg täglich als wirksam erwiesen. Alpha-Liponsäure sollte auf nüchternen Magen eingenommen werden, da die Nahrungsaufnahme die Bioverfügbarkeit verringern kann.

Nebenwirkungen und Sicherheit

Alpha-Liponsäure gilt allgemein als sicher und gut verträglich. Gelegentlich können milde Nebenwirkungen wie gastrointestinale Beschwerden, Hautausschläge oder Kopfschmerzen auftreten, besonders bei höheren Dosierungen.

Mangelerscheinungen

Ein Alpha-Liponsäure-Mangel ist selten, kann aber bei erhöhtem oxidativem Stress auftreten (z. B. durch Umweltbelastungen, chronische Krankheiten oder intensiven Sport).

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Alpha-Liponsäure in Lebensmitteln

Zu den natürlichen Quellen zählen Gemüse wie Spinat, Brokkoli und Tomaten sowie Fleisch und Innereien (v. a. Niere, Herz und Leber sowie rotem Fleisch enthalten). Dennoch ist der Gehalt in Lebensmitteln relativ niedrig.

Alpha-Liponsäure vs. Alpha-Linolensäure

Alpha-Liponsäure wird häufig mit Alpha-Linolensäure verwechselt, jedoch handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Substanzen. Während Alpha-Linolensäure eine pflanzliche Omega-3-Fettsäure ist, gehört Alpha-Liponsäure (auch ALA genannt) zu den schwefelhaltigen Verbindungen und wirkt als starkes Antioxidans in unseren Zellen.

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