Die Alzheimer-Krankheit, benannt nach Alois Alzheimer, ist eine der größten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit. Charakterisiert durch einen fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten, betrifft sie Millionen von Menschen weltweit und stellt eine erhebliche Belastung für Betroffene, Angehörige und Gesundheitssysteme dar. Dieser Artikel beleuchtet die biologischen Grundlagen der Alzheimer-Krankheit, von den Veränderungen im Gehirn bis hin zu den neuesten Erkenntnissen in Forschung und Therapie.
Was ist Alzheimer? Eine Definition
Als Demenz bezeichnen Ärzte eine geistige Behinderung, die entstanden ist, weil das Hirn geschädigt wurde. Die Alzheimer-Demenz gehört zu den häufigsten Formen einer Demenz-Erkrankung. Als Demenz werden dabei alle Krankheiten zusammengefasst, die eine anhaltende oder fortschreitende Beeinträchtigungen des Gedächtnisses und anderer Hirnleistungen aufweisen. Die Alzheimer-Krankheit (Morbus Alzheimer) ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn absterben und die Gehirnmasse insgesamt abnimmt (Hirnatrophie). Dies führt zu Gedächtnisverlust und einem Rückgang der geistigen Fähigkeiten. Schätzungen zufolge ist die Alzheimer-Demenz mit einem Anteil von circa 60 bis 65 Prozent die häufigste irreversible Demenzform. Mit etwa 20 bis 30 Prozent folgen die gefäßbedingten („vaskulären“) Demenzen. Bei etwa 15 Prozent liegt eine Kombination beider Demenzformen vor. Weltweit sind etwa 24 Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt, allein in Deutschland wird die Zahl auf über 1 Million geschätzt, wobei mehr Frauen als Männer betroffen sind.
Alois Alzheimer und die Entdeckung der Krankheit
Die Geschichte der Alzheimer-Krankheit beginnt im Jahr 1906. Der Nervenarzt Alois Alzheimer hielt einen Vortrag, der ihn später berühmt machen sollte. Er beschrieb eine bis dahin unbekannte Form der Demenz, das "eigenartige Krankheitsbild" seiner Patientin Auguste Deter. Bei der 55-Jährigen habe sich eine rasch zunehmende Gedächtnisschwäche bemerkbar gemacht. Sie habe sich in ihrer Wohnung nicht mehr zurechtgefunden, Gegenstände hin und her geschleppt und sie versteckt. Zuweilen habe sie geglaubt, man wolle sie umbringen, und begonnen, laut zu schreien. Nachdem seine Patientin gestorben war, untersuchte er das Gehirn von Auguste Deter: Alois Alzheimer vermutete, dass es eine biologische Ursache für die dokumentierten Veränderungen gegeben hatte. Und tatsächlich: Alzheimer erkannte, dass die Hirnrinde dünner gewesen war als üblich. Er fand auch Eiweißablagerungen in Form von Plaques. Und er konnte ungewöhnliche Bündel von sogenannten Neurofibrillen nachweisen: Dabei hatten sich Fasern in Nervenzellen verknäuelt.
Symptome und Verlauf der Alzheimer-Krankheit
Die Alzheimer-Krankheit verläuft in der Regel schleichend und die ersten Symptome werden oft erst spät erkannt. Erste Veränderungen im Gehirn können schon bis zu 25 Jahre vor den ersten Symptomen auftreten. Die Symptome können von Person zu Person variieren, aber es gibt einige typische Anzeichen:
- Gedächtnisverlust: Dies ist oft das erste und auffälligste Symptom. Betroffene vergessen wichtige Informationen, wiederholen Fragen und haben Schwierigkeiten, sich an kürzlich erlernte Dinge zu erinnern. Es gehört zum Älterwerden dazu, öfter etwas zu vergessen oder sich langsamer zu erinnern. Vergesslichkeit kann ein Anzeichen für Alzheimer sein, muss es aber nicht. Ein typisches Frühsymptom sind Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, das heißt, man kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern.
- Orientierungslosigkeit: Betroffene haben Schwierigkeiten, sich in vertrauten Umgebungen zurechtzufinden, verlegen ihre Brille oder finden ihre Geldbörse nicht. Sie erkennen Orte nicht wieder, an denen sie schon einmal waren.
- Sprachschwierigkeiten: Es kommt zu Wortfindungsstörungen, die Sprache wird undeutlich und Betroffene verwenden einfachere Wörter oder kürzere Sätze. Beim Reden verlieren sie den Faden.
- Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit: Betroffene können reizbarer, ängstlicher, depressiver oder apathischer werden. Sie können auch Misstrauen entwickeln oder unter Wahnvorstellungen leiden.
- Probleme bei der Ausführung alltäglicher Aufgaben: Es fällt ihnen immer schwerer, alltägliche Dinge zu meistern. So können immer weniger assoziieren, zum Beispiel dass Schuhe und Socken an die Füße gehören oder was mit Messer, Gabel und Löffel zu tun ist.
Die Alzheimer-Krankheit wird in verschiedene Stadien eingeteilt:
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- Frühes Stadium (leichte Alzheimer-Demenz): Kleine Gedächtnislücken, Desorientierung in Ort und Zeit, Aufmerksamkeitsstörung, Wortfindungsstörung, Verlust des Geruchssinns, depressive Phasen, Abnahme der Aktivität, Antriebsschwäche.
- Mittleres Stadium (moderate Alzheimer-Demenz): Schwerere Gedächtnisstörungen, Desorientierung zu Situationen oder Personen, Wortverwechslungen, Sprachverständnis nimmt ab, Bewegungsabläufe werden "tollpatschiger", neuropsychiatrische Symptome wie Apathie, Wahn, Halluzination usw., Wesensänderungen, Inkontinenz, Schlafstörung, Verlust der feinmotorischen Fähigkeiten.
- Spätes Stadium (schwere Alzheimer-Demenz): Verlust der Selbstständigkeit, Pflegebedürftigkeit, Bettlägerigkeit, Verlust der Sprache (Mutismus), Schluckbeschwerden, Begleiterkrankungen wie Lungenentzündungen.
Wenn die ersten Symptome auftreten, dann hat das Gehirn des Betroffenen schon einen jahrzehntelangen Veränderungsprozess hinter sich. Unbemerkt sind zahlreiche Nervenzellen mit ihren Verbindungen untereinander abgestorben. Ein Leben lang haben Milliarden von Kontakten zwischen den Nervenzellen alle Erinnerungen gespeichert. Der Verfall der Nervenzellen beginnt an Stellen im Gehirn, die mit dem Gedächtnis und mit der Informationsverarbeitung zu tun haben: Hirnregionen, in denen sich Erlerntes mit neuen Sinneseindrücken verbindet. Wenn Nervenzellen und ihre Verbindungen verloren gehen, dann können die eintreffenden Sinnesreize und Informationen nicht mehr richtig verarbeitet werden - und auch nicht mehr mit dem Erlernten verknüpft werden.
Biologische Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der Alzheimer-Krankheit sind noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt eine Reihe von Faktoren, die eine Rolle spielen:
- Amyloid-Plaques: Dies sind Ablagerungen von Amyloid-beta-Proteinen zwischen den Nervenzellen. Amyloid-beta (abgekürzt Aß) ist ein Protein, das natürlicherweise im Gehirn vorkommt. Im Gehirn von Menschen mit Alzheimer sammelt sich übermäßig viel Amyloid-beta zwischen den Gehirnzellen an und bildet kleinere, giftige Klumpen (Oligomere) und riesige Zusammenlagerungen (Plaques). Die Plaques sind Eiweiß-Ablagerungen: In den Hüllen von Nervenzellen befindet sich ein Eiweiß, das normalerweise fortlaufend hergestellt und abgebaut wird. Bei der Alzheimer-Krankheit lagern sich Bruchstücke dieses Eiweißes, sogenanntes Amyloid, zusammen. Diese Verklumpungen wachsen und schieben sich zwischen die Nervenzellen. Zudem wirken sie wie Gift auf die Nervenzellen und die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen.
- Tau-Fibrillen: Dies sind Ablagerungen von verändertem Tau-Protein innerhalb der Nervenzellen. Im Gehirn gibt es ein weiteres Protein, das mit Alzheimer in Verbindung gebracht wird: das Tau-Protein. Im Inneren der Gehirnzellen sorgt es für die Stabilität und Nährstoffversorgung. Bei der Alzheimer-Krankheit ist das Tau-Protein chemisch so verändert, dass es seiner Funktion nicht mehr nachkommen kann. Die chemische Veränderung des Tau-Proteins bewirkt, dass es eine fadenförmige Struktur bildet. Hinzu kommt: In den Nervenzellen wird das sogenannte Tau-Protein ein wenig umgebaut.
- Genetische Faktoren: In seltenen Fällen (rund 3-5%) ist die Alzheimer-Krankheit genetisch bedingt. Bisher sind drei Gene bekannt, die für diese Form verantwortlich sind. Sind sie verändert, bricht die Alzheimer-Erkrankung in jedem Fall aus - und zwar in der Regel sehr früh, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr. Es gibt z. B. eine Mutation, die dafür sorgt, dass mehr Amyloidbruchstücke entstehen. Auch das Vorhandensein bestimmter Varianten des sogenannten Apolipoprotein E4 Gens gehen mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko einher. Dieses Gen sorgt dafür, dass vermehrt Beta-Amyloid gebildet wird. Auch hier kommt es dadurch zur Bildung von Plaques.
- Alter: Das Alter ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Krankheit. Je älter man wird, umso größer ist auch das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Die meisten Betroffenen sind älter als 80 Jahre, nur in seltenen Fällen beginnt die Krankheit vor dem 65. Lebensjahr.
- Weitere Risikofaktoren: Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Diabetes, schwere Kopfverletzungen, Infektionen, Depression, chronischer Stress sowie das Vorliegen einer Hör- oder Sehminderung, erhöhte Cholesterinwerte.
Es ist aber immer noch ungeklärt, ob die Plaques und Neurofibrillen die Ursache oder nur eine Folge und Antreiber der Krankheit sind.
Die Rolle von Amyloid-β-Peptid und Sekretasen
Die Entstehung von Amyloid-Plaques spielt eine zentrale Rolle in der Pathogenese der Alzheimer-Krankheit. Das Amyloid-β-Peptid, ein Fragment des Amyloid-Vorläuferproteins (ßAPP), neigt dazu, unlösliche Aggregate zu bilden. Die Produktion dieses Peptids wird durch Enzyme namens Sekretasen gesteuert. Insbesondere die β- und γ-Sekretasen schneiden das ßAPP-Protein und setzen das Amyloid-β-Peptid frei. Mutationen im ßAPP-Gen, die zu einem erhöhten Anstieg der Amyloid-Produktion führen, wurden bei Patienten mit frühem Krankheitsbeginn gefunden. Die α-Sekretase hingegen schneidet das ßAPP-Protein anders und verhindert die Bildung des Amyloid-β-Peptids. Die Forschung konzentriert sich daher auf die Hemmung der β- und γ-Sekretasen, um die Entstehung von Amyloid-Plaques zu verhindern oder zu verzögern.
Diagnostik der Alzheimer-Krankheit
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend für die weitere Prognose. Die Diagnosefindung der Alzheimer Erkrankung erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus:
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- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte durch Gespräche mit dem Betroffenen und den Angehörigen.
- Neuropsychologische Tests: Zum Beispiel der "Uhrentest", bei dem die Person gebeten wird, eine Uhrzeit aufzuzeichnen, oder der "Mini-Mental-Status-Test" (MMST), bei dem kognitive Leistungen bewertet werden.
- Bildgebende Verfahren: MRT oder CT, um Veränderungen im Gehirn darzustellen.
- Liquoruntersuchung: Messung von Amyloid-β-Plaques und Tau-Fibrillen im Hirnwasser.
Therapieansätze und aktuelle Forschung
Bisher ist die Alzheimer-Krankheit unheilbar. Die Therapiemöglichkeiten zielen darauf ab, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Dazu gehören:
- Medikamentöse Behandlung: Es gibt Medikamente, die den Gedächtnisverlust bis zu einem gewissen Grad verzögern können. Aktuell sind Medikamente in der Entwicklung, die in einem sehr frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit den Krankheitsverlauf verzögern sollen. Zwei dieser Medikamente - Lecanemab (Handelsname "Leqembi") und Donanemab (Handelsname "Kisunla") - sind 2025 in der Europäischen Union zugelassen worden und stehen ab September bzw. November 2025 auch für die Behandlung zur Verfügung. Da beide Wirkstoffe mit starken Nebenwirkungen verbunden sein können, sind für die Behandlung damit strenge Richtlinien erlassen worden.
- Nicht-medikamentöse Behandlung: Geistige und körperliche Aktivierung, soziale Kontakte, Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie.
- Unterstützung der Angehörigen: Beratung und Entlastung der pflegenden Angehörigen.
Die Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung neuer Therapien, die die Ursachen der Alzheimer-Krankheit bekämpfen. Dazu gehören:
- Immuntherapien: Antikörper, die Amyloid-Plaques entfernen sollen.
- Sekretase-Inhibitoren: Medikamente, die die Bildung von Amyloid-β-Peptid verhindern sollen.
- Tau-Inhibitoren: Medikamente, die die Bildung von Tau-Fibrillen verhindern sollen.
- Gentherapie: Ansätze, die genetische Defekte korrigieren sollen.
Prävention von Alzheimer
Auch wenn die Alzheimer-Krankheit nicht vollständig verhindert werden kann, gibt es einige Maßnahmen, die das Risiko einer Erkrankung senken können:
- Gesunder Lebensstil: Ausgewogene Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität, geistige Aktivität und soziale Kontakte. Studien zeigen: Ein gesunder Lebensstil mit Bewegung, geistiger Aktivität, sozialem Austausch und gesunder Ernährung kann das Risiko senken.
- Vermeidung von Risikofaktoren: Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und Diabetes.
- Frühe Behandlung von Vorerkrankungen: Depressionen, Hör- oder Sehminderung.
Alzheimer und die Pharmaindustrie
Die Pharmaindustrie spielt eine entscheidende Rolle bei der Erforschung und Entwicklung neuer Therapien für die Alzheimer-Krankheit. Viele Unternehmen investieren in die Entwicklung von Medikamenten, die auf die verschiedenen Aspekte der Krankheit abzielen, von der Reduzierung der Amyloid-Plaques bis hin zur Verbesserung der kognitiven Funktion. Die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen, Pharmaunternehmen und Regulierungsbehörden ist entscheidend, um innovative Therapien schnell und sicher für Patienten verfügbar zu machen.
Leben mit Alzheimer: Herausforderungen und Perspektiven
Das Leben mit Alzheimer stellt Betroffene und ihre Familien vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, frühzeitig Unterstützung und Beratung in Anspruch zu nehmen. Es gibt zahlreiche Organisationen und Selbsthilfegruppen, die Informationen, Unterstützung und praktische Hilfe anbieten. Eine positive und unterstützende Umgebung kann dazu beitragen, die Lebensqualität der Betroffenen so lange wie möglich zu erhalten.
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