Alzheimer-Demenz-Forschung Aktuell: Ein Überblick über Fortschritte und Herausforderungen

Die Alzheimer-Demenz ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die durch Gedächtnisverlust, kognitive Beeinträchtigungen und Verhaltensänderungen gekennzeichnet ist. Weltweit arbeiten Wissenschaftler intensiv daran, die Ursachen dieser komplexen Krankheit zu verstehen, neue diagnostische Verfahren zu entwickeln und Therapien zu finden, die den Verlauf der Krankheit beeinflussen können. Obwohl es noch keine Heilung gibt, gibt es Fortschritte in der Diagnostik, Prävention und Therapie, die den Krankheitsverlauf verlangsamen können.

Aktuelle Entwicklungen in der Alzheimer-Forschung

Die Alzheimer-Forschung hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Zu den wichtigsten Schwerpunkten gehören die Früherkennung, die Entwicklung von Antikörper-Medikamenten, das Verständnis der Krankheitsmechanismen, die Vorbeugung von Demenzerkrankungen sowie die Verbesserung der Pflege und Lebensqualität von Betroffenen.

Früherkennung als Schlüssel zur wirksamen Behandlung

Alzheimer und andere Demenzerkrankungen beginnen oft Jahre, bevor erste Symptome auftreten. Daher konzentriert sich die Forschung auf die Entwicklung neuer Bluttests, bildgebender Verfahren und digitaler Methoden, um die Krankheiten früher und zuverlässiger zu erkennen. Da Medikamente im frühen Stadium am besten wirken, ist die Früherkennung ein entscheidender Faktor in der Versorgung.

In Europa werden bereits zwei Bluttests auf fehlerhafte Eiweiße im Rahmen klinischer Studien eingesetzt. Der Kieler Neurologe Thorsten Bartsch hofft, dass diese Tests bald die Routinediagnostik der Alzheimer-Erkrankung unterstützen können. Neurowissenschaftler André Fischer vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Göttingen hofft, dass solche Tests künftig zum Screening für alle ab 60 Jahren alle zwei Jahre eingesetzt werden können.

Antikörper-Medikamente: Ein neuer Therapieansatz

Mit den Antikörpern Leqembi (Wirkstoff: Lecanemab) und Kisunla gibt es erstmals Medikamente, die den Verlauf von Alzheimer verlangsamen können. Sie richten sich an Menschen in einem frühen Krankheitsstadium und greifen gezielt in die Prozesse im Gehirn ein. Leqembi reduziert schädliche Amyloid-beta-Ablagerungen im Gehirn.

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Leqembi: Zulassung und Kontroversen

Im August 2025 wurde das Medikament Leqembi in Europa zugelassen. Es ist der erste Alzheimer-Antikörper, der in der EU zugelassen wurde. In Fachkreisen ist das Medikament jedoch nicht unumstritten. Die Kritikpunkte sind der hohe Preis und die begrenzte Wirksamkeit. Andererseits ist es das erste Medikament, das ursächlich gegen die Altersdemenz wirkt und nicht nur die Symptome der Krankheit beeinflusst.

Die europäische Zulassungsbehörde war zunächst zögerlich, weil die Therapie Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen und Mikroblutungen haben kann. Alzheimer-Patienten mit einer bestimmten genetischen Anlage - zwei Kopien des sogenannten ApoE4-Gens - sind wegen ihres erhöhten Risikos für diese Komplikationen grundsätzlich von einer Behandlung ausgeschlossen. Insgesamt ist die Therapie mit Leqembi aufwändig, da sie alle zwei Wochen eine Infusion erfordert.

Wirkungsweise und Anwendungsbereich von Leqembi

Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab bzw. verhindert die Bildung neuer Plaques.

Leqembi kann Alzheimer weder heilen noch den Krankheitsverlauf aufhalten. Ziel der Behandlung ist es, den geistigen Abbau bei Menschen im frühen Krankheitsstadium zu verlangsamen. Der Wirkstoff kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben. Dazu zählen vor allem Personen mit einer Alzheimer-Diagnose im Stadium eines Mild Cognitive Impairment (MCI, zu Deutsch „leichte kognitive Störung“) oder im frühen Stadium einer Alzheimer-Demenz.

Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden - entweder durch eine Lumbalpunktion oder mittels Amyloid-PET. Auch genetische Voraussetzungen spielen eine Rolle: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des sogenannten ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen. Leqembi eignet sich außerdem nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen. In Kombination mit dem Medikament steigt das Risiko für eine Hirnblutung deutlich.

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Kosten und Verfügbarkeit

Die Kosten für die Behandlung mit Leqembi sind hoch. Es ist davon auszugehen, dass jährlich ungefähr 24.000 € Medikamentenkosten entstehen. Nach den Ergebnissen der Zulassungsstudien verzögert Leqembi den Fortschritt der Demenz nur um wenige Monate. Momentan rechnet man damit, die Uhr um etwa sechs Monate zurückdrehen zu können.

Leqembi ist seit dem 1. September 2025 in Deutschland erhältlich. Vor der Behandlung gelten besondere Auflagen: Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen sich in ein EU-weites Register einschreiben. Zusätzlich erhalten die Erkrankten eine Patientenkarte und ausführliche Aufklärungsunterlagen, die von den Behörden genehmigt wurden.

Nebenwirkungen und Sicherheitsvorkehrungen

In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Diese waren in den meisten Fällen symptomlos, wurden aber engmaschig kontrolliert. Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab: Menschen mit zwei Kopien dieses Gens sind besonders gefährdet und daher von der Behandlung ausgeschlossen.

Bei den für die EU-Zulassung relevanten Patientengruppen - also Menschen mit höchstens einer Kopie des ApoE4-Gens - kam es in rund 13 % der Fälle zu Hirnblutungen und in 9 % zu Hirnschwellungen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen (11 %) und Infusionsreaktionen (26 %). In der Studie wurden drei Todesfälle gemeldet, von denen zwei mit der gleichzeitigen Einnahme von Gerinnungshemmern in Verbindung gebracht wurden.

Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen.

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Krankheitsmechanismen verstehen

Um neue Therapieansätze zu entwickeln, ist es wichtig zu verstehen, was genau im Gehirn von Menschen mit Alzheimer passiert. Forschende untersuchen zentrale Prozesse wie die Ablagerung der Proteine Amyloid-beta und Tau, entzündliche Vorgänge, die Bedeutung von Umwelteinflüssen und genetische Aspekte.

Ein Forschungsteam um Prof. Stefan Lichtenthaler (München) befasst sich mit TREM2, einem Eiweiß-Molekül, das auf der Oberfläche der Immunzellen des Gehirns vorkommt. In Laborexperimenten wollen die Forschenden untersuchen, wie man diesen Schalter beeinflussen kann, um entzündliche Prozesse, die mit Alzheimer einhergehen, einzudämmen.

Vorbeugung von Demenzerkrankungen

Rund 45 Prozent aller Demenzerkrankungen ließen sich nach aktuellem Stand der Wissenschaft durch die Reduktion bestimmter Risikofaktoren verzögern oder sogar verhindern. Dazu gehören Bluthochdruck, Diabetes, Hörverlust, Depressionen oder soziale Isolation. Die Forschung versucht, diese Zusammenhänge besser zu verstehen und Menschen dabei zu unterstützen, ihr persönliches Risiko zu senken.

Lebensstilfaktoren und Prävention

Unabhängig von neuen Antikörper-Medikamenten setzt Thorsten Bartsch auf Prävention durch eine Veränderung des Lebensstils. Auch andere Risikofaktoren für eine Demenz sind beeinflussbar: Diabetes und Übergewicht lassen sich ebenso behandeln wie Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel. Hörgeräte sorgen für soziale Teilhabe - auch das ein wichtiger Faktor, um die grauen Zellen fit zu halten.

Darüber hinaus gibt es eine weitere Möglichkeit, das Risiko für eine Demenz zu reduzieren: Die Impfung gegen Gürtelrose-Viren. Das belegt eine jüngst im Fachmagazin Nature publizierte Studie aus Wales. Ähnliche Effekte sind auch bei anderen Viren denkbar, sagt Konstantin Sparrer vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Ulm.

Schon ein wenig Bewegung könnte Alzheimer-Demenz bremsen, zeigt eine Harvard-Langzeitstudie. Demnach könnte schon ein Spaziergang von 3.000 Schritten am Tag das Fortschreiten von Alzheimer um bis zu drei Jahre verzögern.

Ernährung und Demenzrisiko

Vorsicht ist bei Fast Food geboten! Ernährung mit hochverarbeiteten Lebensmitteln kann schwere Folgen wie Übergewicht oder Diabetes haben. Paradontitis-Prävention ist, einer Untersuchung der Universität Greifswald zufolge, gleichzeitig eine gegen die Alzheimer-Erkrankung.

Schlaf und Demenzrisiko

Verringert sich der Tiefschlaf bei Menschen über 60 Jahren auch nur minimal, erhöht sich das Demenzrisiko signifikant, zeigt eine neue Studie. Könnte mehr Tiefschlaf also Demenz vorbeugen?

Pflege und Lebensqualität

Neben der medizinischen Forschung rückt auch der Alltag von Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt. Studien befassen sich damit, wie die Versorgung individueller, die Belastung für Angehörige geringer und die Selbstständigkeit der Erkrankten länger erhalten werden kann.

Weitere Forschungsansätze

Die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) fördert verschiedene Forschungsprojekte, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Alzheimer-Krankheit beschäftigen.

  • Einwirken auf TREM2: Ein Forschungsteam um Prof. Stefan Lichtenthaler (München) befasst sich mit TREM2, einem Eiweiß-Molekül, das auf der Oberfläche der Immunzellen des Gehirns vorkommt. In Laborexperimenten wollen die Forschenden untersuchen, wie man diesen Schalter beeinflussen kann, um entzündliche Prozesse, die mit Alzheimer einhergehen, einzudämmen.
  • Gentherapie zur Prävention: Ein Team um Prof. Martin Fuhrmann (Bonn) möchte mit Hilfe eines gentherapeutischen Verfahrens das Risiko-Gen ApoE3 verändern und damit das Risiko für Alzheimer senken.
  • Risikofaktoren für Frontotemporale Demenz: Ziel dieses Projekts um Prof. Anja Schneider (Bonn) ist es, mittels einer Technik der Erbgutanalyse namens GWAS genetische Risikofaktoren für die Frontotemporale Demenz (FTD) aufzuklären.
  • Bluttest zur Vorhersage des Alzheimer-Risikos: Prof. Monique Breteler (Bonn) wird gemeinsam mit Fachleuten aus den Niederlanden anhand von Daten aus zwei großen bevölkerungsbasierten Studien untersuchen, inwieweit Bluttests das Alzheimer-Risiko im frühen Stadium zuverlässig abschätzen können.

Die Rolle der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG)

Zu den satzungsgemäßen Aufgaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (DAlzG) gehört auch die Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung. Die DAlzG unterstützt regelmäßig Forschungsvorhaben im Bereich Demenz und schreibt alle zwei Jahre eine Forschungsförderung im Bereich der Versorgungsforschung aus.

Die DAlzG unterstützt Forschungsprojekte auch praktisch, beispielsweise indem sie ihr Expertenwissen in Projektbeiräten zur Verfügung stellt. Im Rahmen des Projektes PraWiDem wurde 2022 eine Arbeitsgruppe Demenz und Forschung aufgebaut, die das Projekt kontinuierlich begleitet und aktuelle Forschungsfragen diskutiert.

Herausforderungen und Perspektiven

Die Alzheimer-Forschung steht vor großen Herausforderungen. Alzheimer ist eine äußerst komplexe Krankheit, und viele der Prozesse, die im Gehirn ablaufen, sind noch immer nicht vollständig verstanden. Hinzu kommt, dass Alzheimer beginnt, lange bevor die ersten Symptome sichtbar werden. Wenn das Gedächtnis nachlässt, sind die Schäden im Gehirn meist bereits weit fortgeschritten und der Krankheitsprozess nicht mehr umkehrbar.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es Hoffnung. Erste Medikamente greifen gezielt in den Krankheitsverlauf ein, und Therapien können das Leben von Menschen mit Demenz bereits heute spürbar verbessern, indem sie den Alltag erleichtern, Fähigkeiten länger erhalten und die Lebensqualität steigern. Forschende weltweit arbeiten daran, Alzheimer eines Tages zu stoppen oder zu heilen und dadurch das Leben künftiger Generationen entscheidend zu verändern.

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