Alzheimer Demenz: Übertragbar durch medizinische Eingriffe? Eine Analyse aktueller Studien

Die Alzheimer-Krankheit, eine der häufigsten Ursachen für Demenz weltweit, betrifft allein in Deutschland schätzungsweise eine Million Menschen. Bisher kannte man zwei Hauptformen der Erkrankung: die altersbedingte, sporadische Variante und die seltenere, genetisch bedingte Form. Nun deuten aktuelle Forschungsergebnisse darauf hin, dass es unter sehr spezifischen Umständen auch eine Übertragung von Alzheimer geben könnte.

Iatrogene Übertragung: Ein seltener Sonderfall

Forschende aus Großbritannien haben im Fachjournal "Nature Medicine" eine Studie veröffentlicht, die auf seltene Fälle einer möglichen Alzheimer-Übertragung infolge bestimmter medizinischer Maßnahmen hinweist. Diese sogenannte "iatrogene" Übertragung bezieht sich auf die Übertragung von aus dem Gehirn gewonnenem Material zwischen Menschen. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Erkenntnisse keineswegs bedeuten, dass Alzheimer eine ansteckende Krankheit ist. Der Umgang mit Alzheimerpatienten und deren Pflege birgt keinerlei Risiko.

Christian Haass, Biochemiker und Sprecher des DZNE-Standorts München, betont: "Es gibt keinerlei Belege dafür, dass Alzheimer eine Infektionskrankheit ist, also ansteckend sein könnte. Auch die jetzt veröffentlichten Ergebnisse ändern nichts an dieser Einschätzung. Der Umgang mit Alzheimerpatientinnen und -patienten und deren Pflege stellt kein Risiko dar."

Die britische Studie: Wachstumshormone und Amyloid-Beta-Peptide

Die aktuelle Studie des University College London (UCL) knüpft an frühere Untersuchungen derselben Arbeitsgruppe an. Grundlage sind diesmal Befunde bei acht Erwachsenen, die in ihrer Jugend Wachstumshormone erhielten, die aus dem Hirngewebe verstorbener Menschen hergestellt worden waren. Dieses Verfahren wurde von 1959 bis 1985 weltweit praktiziert und wird heutzutage nicht mehr angewendet. Im Vereinigten Königreich erhielten in diesem Zeitraum insgesamt 1848 Personen diese Therapie.

Rund 30 Jahre nach der Behandlung entwickelten fünf der acht untersuchten Personen kognitive Beeinträchtigungen, die den Kriterien einer Alzheimer-Erkrankung entsprachen. Bei zweien wurde die Diagnose durch Blutuntersuchungen bestätigt. Eine weitere Person zeigte Symptome einer leichten kognitiven Beeinträchtigung, während eine andere nur subjektive kognitive Symptome hatte und die dritte symptomlos war. Im Gehirn einer der drei verstorbenen Personen fanden sich klare Anzeichen für eine Alzheimer-Erkrankung.

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Die Forschenden des UCL vermuten, dass die Hormonpräparate mit abnormal gefalteten Amyloid-beta-Peptiden verunreinigt waren und diese Eiweißstoffe durch die Behandlung übertragen wurden. Amyloid-beta-Peptide werden vom menschlichen Organismus natürlicherweise produziert und abgebaut. Bei einer Alzheimer-Erkrankung verändern diese Moleküle jedoch ihre Form und reichern sich - zusammengeballt zu mikroskopischen Ablagerungen, den sogenannten "Plaques" - im Gehirn an.

Der Prion-ähnliche Mechanismus: Ein Dominoeffekt im Gehirn

Die aktuelle Veröffentlichung ist auch vor dem Hintergrund einer seit längerem diskutierten Theorie zum Mechanismus der Alzheimer-Erkrankung zu sehen: Demnach zwingen abnorme Amyloid-beta-Peptide nach und nach anderen, zunächst normalen Amyloid-beta-Peptiden eine ebenfalls abnorme Gestalt auf. Durch diesen Dominoeffekt breitet sich der krankhafte Prozess im Gehirn aus. Dabei lagern sich die Eiweißstoffe zu immer größeren Aggregaten zusammen, von denen sich kleinere Teile ablösen können ("Seeds" genannt), die das pathologische Geschehen zusätzlich verbreiten.

Labor- und Tierversuche stützen diese These. Beim Menschen ist ein solches Phänomen von den sehr seltenen, aber tödlichen Prionen-Erkrankungen wie der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bekannt. Diese Hirnleiden werden durch krankmachende, abnormal gefaltete Eiweißstoffe - "Prionen" genannt - ausgelöst.

Mathias Jucker, Neurobiologe und Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Tübingen, äußert sich dazu: "Die vorliegenden Studienergebnisse sind äußert interessant, aber angesichts einer Datenbasis mit nur wenigen Personen unter Vorbehalt zu sehen. Dennoch befeuern sie die Diskussion um einen Prion-ähnlichen Mechanismus bei Alzheimer."

Konsequenzen für Therapie und Forschung

Sollte sich ein Prion-ähnlicher Mechanismus bei Alzheimer tatsächlich bestätigen, hätte dies bedeutende Auswirkungen auf die Therapieentwicklung. Amyloid-beta wäre ein noch wichtigeres Zielobjekt für Medikamente. Neueste Alzheimer-Medikamente setzen bereits bei diesem Eiweißstoff an und bremsen den Krankheitsverlauf etwas ab. Sie zielen jedoch vorwiegend auf vergleichsweise große Aggregate von Amyloid-beta. Im Fall eines Prion-ähnlichen Verhaltens wäre es naheliegend, mit entsprechenden Wirkstoffen bereits kleinste Aggregate dieses Moleküls anzugehen.

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Risikobewertung und Hygienemaßnahmen

Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang auch von Bedeutung ist, ist der Umgang mit Biomaterial, das bekanntermaßen abnormal gefaltetes Amyloid-beta-Peptide enthält oder potenziell enthalten könnte. Das betrifft zum Beispiel Hirnoperationen aber auch Experimente in Forschungslaboren. Grundsätzlich werden die Risiken, die hiervon ausgehen, für gering gehalten.

Michael Beekes, Leiter der Forschungsgruppe Prionen und Prionoide am Robert Koch-Institut, betont, dass chirurgische Instrumente bereits seit längerem routinemäßig gegen Prionen aufbereitet werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Behandlungen zumindest teilweise auch gegen Amyloid-β, Tau und α-Synuclein wirksam sind. Zudem gibt es keine epidemiologischen Daten, die auf ein erhöhtes Alzheimer-Risiko nach Hirnoperationen aufgrund einer Übertragung von Amyloid-β-Seeds hindeuten.

Einschränkungen und weitere Forschungsfragen

Es ist wichtig zu betonen, dass die aktuelle Studienlage noch Unsicherheiten aufweist. Die geringe Anzahl der untersuchten Personen und das Fehlen eines definitiven neuropathologischen Alzheimer-Nachweises sind Einschränkungen, die weitere Studien erforderlich machen.

Michael Beekes merkt an: "Was wir haben, ist ein mosaikartiges Befundbild, das aber noch deutliche Lücken und Unsicherheiten aufweist." Er hält es für verfrüht, das klinische Syndrom der Patienten bereits aufgrund der aktuell berichteten Daten als iatrogene Alzheimerkrankheit zu bezeichnen und die Alzheimerkrankheit somit als übertragbar anzusehen.

Zudem beleuchtet die Studie nicht, wie die mutmaßlich übertragenen Aβ-Seeds entstanden sind. Weitere Forschung ist notwendig, um die weitreichenden Schlussfolgerungen des Autorenteams zu überprüfen und gegebenenfalls zu stützen.

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