Alzheimerdorf Thailand: Ein Lebensabend im Land des Lächelns?

Die Idee, den Lebensabend in Thailand zu verbringen, lockt viele deutsche Rentner. Angesichts knapper Kassen und steigender Pflegekosten in Deutschland suchen sie nach bezahlbaren Alternativen. Thailand verspricht Luxusheime zu Schnäppchenpreisen, ein Leben unter Palmen. Doch hält das Paradies-Versprechen wirklich, was es verspricht? Und was bedeutet es für Menschen mit Demenz, in einem fremden Land betreut zu werden?

Die Realität sieht anders aus

Die Reportage „Oma will nach Thailand“ begleitete Ute Schulz aus Buxtehude bei ihrem Umzug nach Thailand. Statt einer Seniorenresidenz fand sie sich zunächst auf einer schlammigen Baustelle wieder. Doch Frau Schulz gab nicht auf und mietete sich auf eigene Faust ein Haus mitten im Reisfeld. Im dritten Teil der Serie gründete sie sogar eine kleine Senioren-Wohngemeinschaft mit Josefine aus Siegburg.

Auch Reinhard Effing aus Neumünster, der mit seiner „Thai-Lady“ in Pattaya lebt, hat eine klare Vorstellung von seiner Zukunft: „Wenn ich mal richtig krank werde, kann sie mich pflegen“.

Betreuung für Demenzkranke in Thailand

Inzwischen gibt es in Thailand auch spezielle Betreuungseinrichtungen für Alzheimerpatienten aus Deutschland. Ein Beispiel ist das „Dorf der Vergesslichen“ - Baan Kamlangchay - in der Nähe von Chiang Mai. Gegründet wurde es von dem Schweizer Martin Woodtli, der für seine eigene, an Alzheimer erkrankte Mutter eine passende Betreuung suchte. Was er in der Schweiz fand, genügte ihm nicht. Also ging er mit seiner Mutter nach Thailand.

Baan Kamlangchay: Ein Dorf als Therapie

Baan Kamlangchay ist kein Heim im herkömmlichen Sinne. Die Bewohner leben in ganz normalen Wohnhäusern, verteilt über mehrere Straßenzüge, mitten in der Dorfgemeinschaft. Drei Pflegerinnen betreuen schichtweise einen Gast und haben viel Zeit für Spaziergänge, Kosmetik, Schwimmen und Interaktion.

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Martin Woodtli erklärt, dass das Pflegen und Betreuen von älteren Menschen in Thailand einen hohen Stellenwert hat. In Baan Kamlangchay gibt es 14 Gäste aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie leben in kleinen Wohngemeinschaften und werden rund um die Uhr betreut.

Der Alltag in Baan Kamlangchay ist geprägt von Normalität. Die Bewohner gehen Einkaufen im Supermarkt, spazieren im Park oder besuchen Konzerte. Sie haben ihren „Bodyguard“ dabei, der sicherstellt, dass ihnen nichts passiert.

Die Philosophie hinter Baan Kamlangchay

Martin Woodtli legt Wert darauf, dass seine Gäste ein Stück selbstbestimmtes Leben führen können. Er sagt: „Die Entwurzelung, die geografische Verwirrung, die beginnt mit der Krankheit. Wir haben Patienten, die sind überzeugt, sie seien in der Schweiz.“

Die 2000 Einwohner von Faham haben nichts gegen die Demenzkranken. „Hier denken alle, es gehört zum Altwerden, dass man vergesslich oder ein bisschen wunderlich wird“, sagt eine Betreuerin. Vor Alten habe man stets Respekt.

Kritik und Alternativen

Es gibt aber auch Kritik an Woodtlis Konzept. Roger Holzer, der das „Longstay-Resort“ Vivo Bene betreibt, kritisiert, dass Woodtlis Konzept zu sehr an seine Person gebunden sei. Er selbst hat die Idee von Woodtli übernommen, verändert und kommerzialisiert. In seinem Resort gibt es Pflege und Wellness, verschiedene Betreuungspakete und 110 Mitarbeiter.

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Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft betrachtet Betreuungsmodelle im Ausland mit gemischten Gefühlen. Mitarbeiterin Susanna Saxl sagt, dass die fremde Umgebung, die Sprache und das Fehlen der Familie für viele Menschen problematisch sein dürften.

Schattenseiten und Herausforderungen

Ein wichtiger Aspekt ist die Trennung von Familie und Freunden. Die niedrigen Lebenshaltungskosten stehen im Kontrast zu den hohen Reisekosten von Europa nach Thailand. Dementsprechend können sich Kinder und Enkel oft nur wenige Besuche im Jahr leisten.

Auch der Kauf eines Altersruhesitzes gestaltet sich meist schwieriger als erwartet. Nach thailändischem Recht dürfen Ausländer zwar ein Haus, aber kein Grundstück erwerben. Bau- oder Umbaumaßnahmen führen immer wieder zu Missverständnissen und Konflikten. Ebenso gehört die Trennung von Familie und Freunden zu den unterschätzten Aspekten des Auswanderns.

Die Kosten

Die Kosten für eine Betreuung in Thailand variieren je nach Einrichtung und Pflegebedarf. In Baan Kamlangchay kostet ein Pflegeplatz etwa 2700 Euro im Monat. Im Vivo Bene liegen die Preise zwischen 1370 und 3950 Euro pro Monat.

Fazit: Paradies oder Falle?

Ein Lebensabend in Thailand kann eine attraktive Option für Rentner sein, die sich in Deutschland keine gute Pflege leisten können. Das Land lockt mit niedrigen Kosten, einer exotischen Umgebung und einer Kultur, die ältere Menschen respektiert.

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Allerdings gibt es auch Schattenseiten. Die Trennung von Familie und Freunden, kulturelle Unterschiede und sprachliche Barrieren können die Eingewöhnung erschweren. Für Menschen mit Demenz ist es wichtig, dass sie sich in ihrer Umgebung wohlfühlen und eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Betreuern aufbauen können.

Ob Thailand ein Paradies oder eine Falle ist, hängt von den individuellen Bedürfnissen und Umständen ab. Eine sorgfältige Planung und realistische Erwartungen sind entscheidend, um eine gute Entscheidung zu treffen.

Die Rolle der Angehörigen

Die Angehörigen spielen eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine Betreuung in Thailand. Sie müssen sich darauf einlassen, ihre Lieben in der Ferne zu wissen und die Distanz zu überwinden. Viele Angehörige verbringen mehrere Wochen am Stück in Thailand, um ihre Familienmitglieder zu besuchen und sich von der Qualität der Betreuung zu überzeugen.

Ein Blick in die Zukunft

Mit der steigenden Zahl von Menschen mit Demenz wird die Frage nach bezahlbaren und menschenwürdigen Betreuungsmöglichkeiten immer wichtiger. Thailand könnte eine Alternative sein, aber es ist wichtig, die Vor- und Nachteile abzuwägen und die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen zu berücksichtigen.

Die Konzepte von Martin Woodtli und Roger Holzer zeigen, dass es möglich ist, Demenzkranken in Thailand ein gutes Leben zu ermöglichen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Modelle weiterentwickelt und verbessert werden, um noch mehr Menschen eine Perspektive zu bieten.

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