Alzheimer-Früherkennung durch Augenuntersuchung: Neue Ansätze und Forschungsergebnisse

Die Alzheimer-Krankheit, die häufigste Form der Demenz, betrifft allein in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen, und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostiziert einen Anstieg auf 2,8 Millionen bis zum Jahr 2050. Da Alzheimer bis heute nicht heilbar ist und es keine wirksamen Therapien gibt, ist die Früherkennung von entscheidender Bedeutung, um den Verlauf der Krankheit zu mildern. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Auge eine wichtige Rolle bei der Früherkennung von Alzheimer spielen könnte.

Das Auge als Fenster zum Gehirn: Innovative Diagnoseansätze

Wissenschaftler suchen seit Langem nach Frühzeichen der Alzheimer-Krankheit, die vor den ersten kognitiven Symptomen auftreten und möglichst wenig invasiv sind. Die typischen Symptome wie Gedächtnisverlust und Verhaltensänderungen treten oft erst auf, wenn bereits massive neuronale Zelluntergänge stattgefunden haben. Der Nachweis von Veränderungen im Gehirn, wie Amyloid-Beta-Aggregate und Plaques, ist aufwendig und teuer. Daher rückt das Auge als leicht zugängliches und direkt darstellbares Organ in den Fokus der Forschung.

Drusen als Indikatoren: Ablagerungen im Auge geben Aufschluss

Frühere Studien haben bereits Hinweise darauf gefunden, dass bei Alzheimer-Patienten häufiger sogenannte Drusen in den Augen auftreten. Drusen sind kleine, gelbliche Ablagerungen in der Netzhaut und unterhalb der Retina in der Aderhaut, die die Durchblutung des Auges sicherstellt. Diese Drusen wurden bisher vor allem im Zusammenhang mit der Makulaatrophie, einer klassischen Augenerkrankung, gesehen.

Eine aktuelle Studie kanadischer Forscher unter Leitung der Ophthalmologin Dr. untersuchte Gewebeproben von Verstorbenen mit und ohne Alzheimer-Diagnose. Die Forscher entnahmen kleine Ausschnitte der Aderhaut und des Pigmentgewebes in verschiedenen Bereichen des Auges, darunter die Makula und die schläfenseitigen, oberen und unteren Bereiche. Die Gewebsproben wurden angefärbt, um mögliche Drusen sichtbar zu machen.

Der Vergleich zeigte einen Anstieg der Gesamtzahl der Drusen in allen Bereichen des Auges bei gesunden älteren Menschen im Vergleich zu jüngeren. Interessanterweise fanden sich im schläfenseitigen Bereich des Auges häufiger mittelgroße Drusen in den Augen von Alzheimer-Patienten, auch im Vergleich zu gesunden Augen der gleichen Altersgruppe.

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Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine detaillierte Untersuchung des Auges, insbesondere des schläfenseitigen Bereichs, bei Menschen mit Alzheimerverdacht oder bestehender Diagnose sinnvoll sein könnte. Ein bildgebendes Verfahren, das von Augenärzten durchgeführt werden kann, könnte die Drusen sichtbar machen und somit zur Diagnose oder Verlaufskontrolle der Erkrankung beitragen.

OCT-Angiographie: Veränderungen der Mikrogefäße im Visier

Eine weitere vielversprechende Methode zur Früherkennung von Alzheimer ist die Optische Kohärenztomographie-Angiographie (OCT-A). Diese moderne Bildgebung des Augenhintergrundes ermöglicht die Darstellung von morphologischen Veränderungen im Frühstadium der Alzheimer-Krankheit.

Wissenschaftler der Washington University in St. Louis führten eine Studie mit 30 Teilnehmern durch, von denen 14 aufgrund positiver Alzheimer-Biomarker als Alzheimer-Patienten im präklinischen Stadium galten. Die Forscher ermittelten mit der OCT-A Parameter wie die Dicke der retinalen Nervenfaserschicht, die Dicke der Ganglienzellschicht, das Makulavolumen, die Dichte der retinalen Blutgefäße und die Ausdehnung der fovealen avaskulären Zone (FAZ).

Die Auswertung der Befunde zeigte, dass die präklinischen Alzheimer-Patienten zwei konsistente Abweichungen von der Bildgebung der Kontrollgruppe aufwiesen: Die FAZ war deutlich vergrößert, und die innere Foveadicke war signifikant geringer. Diese Veränderungen deuten auf Anomalitäten der retinalen Mikrogefäße und Alterationen der Foveaarchitektur in einem Anfangsstadium von Alzheimer hin.

Obwohl die Stichprobengröße dieser Studie klein ist, betont Prof. Dr. Focke Ziemssen von der Tübinger Universitätsaugenklinik das Potenzial der OCT-Methode zur Überwachung von Veränderungen des ektodermalen Gewebes, einschließlich Atrophie innerhalb des zentralen Nervensystems.

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Künstliche Intelligenz (KI) erkennt Veränderungen in Netzhautgefäßen

Ein Forscherteam der Universität London hat mithilfe der KI-Technik "Quartz" die Augen von über 60.000 Menschen im Alter zwischen 40 und 69 Jahren untersucht. Die KI misst automatisch die Breite und das Ausmaß der Drehungen und Wendungen von winzigen Venen und Arterien in der Netzhaut. Innerhalb von Sekunden erkennt sie auffällige Muster in den Netzhautgefäßen, die auf Marker für die Hirngesundheit hinweisen könnten.

Die Wissenschaftler verglichen die Scan-Ergebnisse mit den Ergebnissen von kognitiven Leistungstests der Studienteilnehmer. Dabei zeigte sich, dass Personen mit verengten oder auffällig gewundenen Blutgefäßen schlechter in Gedächtnis- und Reaktionstests abschnitten.

Die Forscher vermuten, dass Veränderungen der Blutgefäße in der Netzhaut auf eine verminderte Blutversorgung des Gehirns zurückzuführen sein könnten, was wiederum eine frühe Ursache oder Folge von Demenz und Alzheimer sein könnte. Ein großer Vorteil dieser Technik ist, dass sie in die tägliche Routine von Optikern und Augenkliniken integriert werden könnte und somit eine kostengünstige und schnelle Möglichkeit zur Risikoerkennung bieten würde.

Laserbasierte Verfahren: Spektraler Fingerabdruck der Netzhaut

Ein europäisches Forschungsteam unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) hat ein laserbasiertes Verfahren entwickelt, mit dem sich eine Alzheimer-erkrankte Netzhaut von einer gesunden anhand ihres spektralen Fingerabdrucks unterscheiden lässt.

Anders als bisherige Studien setzen die Forscher nicht auf den Nachweis bestimmter Biomarker, sondern entschlüsseln mit spektroskopischen Mitteln die biochemische Zusammensetzung der Netzhaut. So können sie minimale Veränderungen aufspüren, noch bevor sich diese auf der Netzhaut niederschlagen.

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Die Forschenden haben die einzelnen Schichten der Netzhaut anhand von Querschnitten über ihren unterschiedlichen Gehalt an Nukleinsäuren, Rhodopsin, Lipiden und Proteinen biochemisch identifiziert. Anhand von Frontalaufnahmen konnten sie gesunde und kranke Maus-Retinas mit einer Genauigkeit von 86 Prozent unterscheiden.

Prof. Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-IPHT, betont, dass die Raman-spektroskopische Untersuchung einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Diagnosegenauigkeit leistet. Prof. Rainer Leitgeb von der Medizinischen Universität Wien, der das Projekt koordiniert, ergänzt, dass die jüngsten Ergebnisse einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer frühzeitigen und zuverlässigen Diagnostik darstellen.

Die Partner der Medizinischen Universität Wien bauen nun ein Gerät, das die Raman-Spektroskopie mit der optischen Kohärenztomografie (OCT) kombiniert. Die medizinische Zulassung soll in Kürze abgeschlossen sein, sodass das Gerät bald an ersten Patientinnen und Patienten getestet werden kann.

Amyloid-Beta-Moleküle in der Augenlinse: Ein neuer Ansatz aus den USA

Amerikanische Forscher um Lee Goldstein an der Harvard Medical School (USA) haben eine neue Möglichkeit gefunden, die Alzheimer-Demenz frühzeitig zu erkennen. Sie haben Amyloid-Beta-Moleküle in der Augenlinse nachgewiesen, eine Eiweißverbindung, die für die Alzheimer-Erkrankung typisch ist. Mit einem speziellen Test können die Forscher die Substanz nun viel früher im Auge nachweisen als im Gehirn. Die neue Untersuchungsmethode erfordert zwei Schritte: einen Lasertest, der sich bereits in der klinischen Erprobung befindet, und eine Fluoreszenzmethode, die zurzeit noch an Tieren getestet wird.

Symptome der Alzheimer-Krankheit: Worauf Sie achten sollten

Es ist wichtig zu beachten, dass die Früherkennung von Alzheimer nicht nur durch Augenuntersuchungen erfolgen kann. Achten Sie auf folgende Symptome, die auf eine beginnende Alzheimer-Erkrankung hindeuten können:

  1. Gedächtnisprobleme / Vergesslichkeit: Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, die sich auf das tägliche Leben auswirkt (z.B. Vergessen von Terminen, Ausschalten des Herdes, Notwendigkeit von Merkzetteln).
  2. Schwierigkeiten beim Planen und Problemlösen: Schwierigkeiten, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder etwas vorausschauend zu planen und umzusetzen.
  3. Probleme mit gewohnten Tätigkeiten: Alltägliche Handlungen werden plötzlich als große Herausforderung empfunden.
  4. Schwierigkeiten beim Erkennen von Bildern und räumlichen Dimensionen.
  5. Schwierigkeiten, einem Gespräch zu folgen und sich aktiv daran zu beteiligen: Verlust des Gesprächsfadens, Verwendung unpassender Füllwörter, Wortfindungsprobleme.
  6. Verlegen von Gegenständen an ungewöhnlichen Orten: Vergessen, wo sich die Sachen befinden und wozu sie gut sind.
  7. Verlust der Eigeninitiative: Weniger Interesse an Hobbys, sozialen oder sportlichen Aktivitäten.
  8. Starke Stimmungsschwankungen ohne erkennbaren Grund.

Wenn eines oder mehrere dieser Anzeichen wiederholt auftreten, sollten Sie ärztlichen Rat einholen, um frühzeitig Hilfe zu bekommen, falls es sich um eine beginnende Alzheimer-Krankheit oder eine andere Form der Demenz handelt.

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