Alzheimer: Gibt es Hoffnung auf Heilung? Eine kritische Betrachtung

Die Alzheimer-Krankheit stellt Forschende seit Jahrzehnten vor große Herausforderungen. Trotz intensiver Bemühungen gibt es bis heute keine wirksamen Medikamente, die die Krankheit heilen oder ihren Verlauf aufhalten könnten. Die Suche nach einer Heilung gleicht einem Wettlauf gegen die Zeit, bei dem Rückschläge und Misserfolge die Regel sind.

Der aktuelle Stand der Alzheimerforschung

Bisherige Therapieansätze konzentrieren sich hauptsächlich auf die Linderung der Symptome, nicht aber auf die Bekämpfung der Ursachen. Medikamente wie Donepezil oder Galantamin können den Abbau von Nervenzellen lediglich verlangsamen, aber nicht aufhalten. Sie verbessern weder die Lebensqualität noch verlängern sie die Lebensdauer der Betroffenen.

Die molekulare Alzheimerforschung, die seit 25 Jahren als vielversprechender Ansatz gilt, wird zunehmend kritisiert. Peter Whitehouse von der Case Western Reserve University in Cleveland bezeichnet das wiederholte Scheitern klinischer Medikamentenstudien als bemerkenswert. Auch Konrad Beyreuther, einer der Entdecker eines mit Alzheimer assoziierten Gens, räumt ein, dass es bisher keine erfolgreiche klinische Studie gegeben hat.

Die Rolle von Amyloid und Tau-Proteinen

Ein zentraler Ansatzpunkt der Forschung ist die Rolle von Amyloid-beta und Tau-Proteinen bei der Entstehung von Alzheimer. Die gängige Hypothese besagt, dass sich Amyloid-beta im Gehirn ansammelt und Plaques bildet, während sich das Tau-Protein chemisch verändert. Beide Prozesse sollen zum Absterben von Nervenzellen führen. Neue Medikamente zielen darauf ab, diese Prozesse zu verhindern oder zu verlangsamen.

Es gibt jedoch auch Zweifel an dieser Hypothese. Studien haben gezeigt, dass etwa ein Drittel aller alten Menschen, unabhängig davon, ob sie gesund oder dement sind, die demenztypischen Veränderungen im Gehirn aufweisen. Dies deutet darauf hin, dass die Ablagerungen im Gehirn nicht zwangsläufig zu Alzheimer führen müssen.

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Der lange Weg zu einer wirksamen Therapie

Die Entwicklung neuer Alzheimer-Medikamente ist ein langwieriger und kostspieliger Prozess. Viele Substanzen, die im Labor vielversprechend erscheinen, scheitern in klinischen Studien. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2014 ergab eine Misserfolgsquote von 99,6 Prozent für Medikamente, die von 2002 bis 2012 in klinischen Studien erprobt wurden.

Trotz dieser Rückschläge gibt es auch Hoffnung. Mit Lecanemab wurde in der EU erstmals eine Alzheimer-Therapie zugelassen, die auf die zugrundeliegenden Krankheitsprozesse abzielt. Der Antikörper soll den Verlauf der Krankheit in einem frühen Stadium verlangsamen, indem er sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn richtet. Allerdings kommt diese Therapie nur für einen sehr kleinen Teil der Alzheimer-Patienten infrage.

Kritik an der Alzheimerforschung

Einige Experten kritisieren, dass sich die Alzheimerforschung zu sehr auf die molekularen Aspekte der Krankheit konzentriert und die gesellschaftlichen und ethischen Fragen vernachlässigt. Der Psychiater Alexander Kurz von der TU München bemängelt, dass die Industrie uns einreden wolle, dass wir das Problem mit den passenden Medikamenten lösen könnten, aber damit sei gar nichts gelöst. Er fordert eine grundlegendere Auseinandersetzung mit der Frage, warum das Altern des Gehirns als Krankheit definiert wird.

Ebenso wenig werden neue Pillen bei der Antwort helfen, wie sich eine würdevolle Pflege und Betreuung umsetzen und bezahlen lassen, oder ob Menschen mit leichten kognitiven Einschränkungen bereits als dement gelten sollten.

Die Früherkennung als Geschäftsmodell

Die Angst vor Alzheimer hat eine lukrative Früherkennungsindustrie entstehen lassen. Forscher jubeln beinahe wöchentlich über neue Tests, die in der Lage sein sollen, Alzheimer schon Jahre vor den ersten Symptomen zu diagnostizieren. Eine Umfrage der Harvard Medical School und der Organisation "Alzheimer Europe" ergab, dass sich etwa zwei Drittel der gesunden Befragten auf Alzheimer testen lassen würden, ehe sie Symptome spüren. Allerdings glaubt ein ebenso großer Anteil fälschlicherweise, dass es wirksame Medikamente gegen die Demenz gibt.

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Befürworter der Früherkennung argumentieren, dass Menschen mit einer positiven Prognose genügend Zeit bliebe, um zu entscheiden, wie und von wem sie später versorgt werden wollen. Doch die Tests bieten nicht die erhoffte Sicherheit. Ärzte liegen immer wieder falsch, wenn sie allein aufgrund der Testergebnisse entscheiden sollen, ob ein Mensch bereits unter Alzheimer leidet. Zudem ist unklar, wie ein Mensch mit der Angst umgehen soll, in 20 Jahren wahrscheinlich an Alzheimer zu erkranken, wenn es keine Medikamente gibt, die den Ausbruch der Krankheit verhindern können.

Prävention: Ein unsicherer Weg

Wenn sich Alzheimer schon nicht heilen und kaum behandeln lässt, kann man dann wenigstens effektiv vorbeugen? Ärzte betonen unermüdlich, wie wichtig Alzheimer-Prävention sei, verschweigen aber meist, dass auch das Wissen über die richtige Vorbeugung äußerst mager ist.

Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck und Diabetes das Risiko für Alzheimer erhöhen können. Allerdings wurde für keinen dieser Faktoren eine ursächliche Beziehung speziell zu Alzheimer gefunden. Auch beim Thema Prävention müssen Forscher und Ärzte also vor der mysteriösen Krankheit Alzheimer kapitulieren.

Nehls' "Formel" gegen Alzheimer

Der Arzt und Molekulargenetiker Michael Nehls behauptet, es gäbe so etwas wie eine "Formel" gegen Alzheimer. Er ist der Ansicht, dass Alzheimer kein Schicksal, sondern eine Mangelerkrankung sei, die sich durch die Behebung von Mängeln vermeiden und im Anfangsstadium sogar heilen lasse. Nehls' Anti-Alzheimer-Formel umfasst fünf Bereiche: gesunde Ernährung, körperliche Aktivität, Schlaf, soziale Aktivität und Lebenssinn.

Nehls' Ansatz wird jedoch auch kritisiert. Seine Sorglosigkeit beim Vereinfachen komplexer Zusammenhänge sowie seine mitunter ideologisch aufgeladenen Begrifflichkeiten werden bemängelt. Seine Hochrechnungen, wie beispielsweise die Behauptung, dass Fernsehen das Alzheimerrisiko verdoppelt, werden als gewagt kritisiert.

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Hoffnungsschimmer am Horizont

Trotz aller Herausforderungen gibt es auch positive Entwicklungen in der Alzheimerforschung. Christian Haass, Alzheimerforscher und Standortsprecher des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), ist optimistisch, dass die Zeit der Fehlschläge vorbei ist. Er sieht in den neuen Wirkstoffen wie Lecanemab und Donanemab erstmals Medikamente, die einen grundlegenden Mechanismus der Erkrankung blockieren und so ein Fortschreiten des Krankheitsverlaufs signifikant verlangsamen.

Haass betont, dass die Therapie ihre bestmögliche Wirkung entfaltet, wenn sie so früh wie möglich begonnen wird, also dann, wenn erst einmal nur eine leichte kognitive Störung vorliegt. Er sieht in den neuen Alzheimer-Wirkstoffen einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es noch einiges zu klären und zu verbessern gibt, etwa mit Blick auf die Nebenwirkungen oder die optimale Dosierung.

Die Bedeutung der Forschung

Die Forschung an Alzheimer ist von großer Bedeutung, da die Zahl der Betroffenen aufgrund der steigenden Lebenserwartung weiter zunehmen wird. In Deutschland leben derzeit etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, die meisten davon mit Alzheimer. Bis 2050 wird sich die Zahl voraussichtlich mehr als verdoppeln.

Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Forschung weiterhin intensiviert wird, um neue Therapieansätze zu entwickeln und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

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