Ambulant Betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz: Eine umfassende Information

Ambulant betreute Wohngemeinschaften (abWGs) stellen eine Wohnform dar, die es pflegebedürftigen Menschen ermöglicht, in einem gemeinsamen Haushalt zu leben und gleichzeitig externe Pflege- und Betreuungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Sie bieten eine Alternative zur vollstationären Versorgung und ermöglichen ein selbstbestimmtes Leben in einer familiären Atmosphäre. Besonders für Menschen mit Demenz können diese Wohngemeinschaften eine wertvolle Option sein, um weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und eine hohe Lebensqualität zu erhalten.

Was ist eine ambulant betreute Wohngemeinschaft?

In ambulant betreuten Wohngemeinschaften leben in der Regel zwei bis zwölf Menschen mit Pflege- oder Betreuungsbedarf zusammen. Der Unterstützungs- und Pflegebedarf wird dabei durch Dienstleistungsunternehmen, wie z.B. ambulante Pflegedienste, aber auch durch Unterstützung von Angehörigen oder Ehrenamtlichen gedeckt. Die Bewohnerinnen einer solchen WG schließen mit ihrem Vermieter einen normalen Mietvertrag, organisieren selbstbestimmt ihren Alltag und bilden dafür ein Gremium. Sie bestimmen selbst über den Einzug neuer Mitbewohnerinnen, wählen entweder einzeln oder gemeinsam den/die Pflegedienst(e) aus und bestimmen Art und Umfang der Pflege- und Betreuungsleistungen. Sie haben das Hausrecht (Schlüsselgewalt) und räumen dem Pflegedienst nur einen Gaststatus ein, ohne Büro und Schlüssel.

Selbstbestimmt vs. Trägergesteuert

Ambulant betreute Wohngemeinschaften (abWGs) zeichnen sich über ihre Zuordnung als selbst- oder trägergesteuert aus. Zudem gibt es Kriterien, die speziell nur für ambulant betreute Intensivwohngemeinschaften gelten.

  • Selbstgesteuerte Wohngemeinschaften: Die Mieterinnen bzw. ihre gesetzlichen Vertreterinnen entscheiden selbst über alle Angelegenheiten des Gemeinschaftslebens, in einem regelmäßig tagenden Gremium. In selbstgesteuerten ambulant betreuten Wohngemeinschaften muss laut Art. 22 PfleWoqG ein Gremium der Selbstbestimmung eingerichtet werden. Stimmberechtigt sind die Mieterinnen bzw. ihre gesetzlichen Vertreterinnen. Vermieter*innen sowie Pflege- und Betreuungsdienste haben kein Stimmrecht.
  • Trägergesteuerte Wohngemeinschaften: Wenn die Voraussetzungen für eine selbstgesteuerte ambulant betreute Wohngemeinschaft nicht erfüllt sind, gilt sie als trägergesteuert. Für trägergesteuerte Wohngemeinschaften sowie für solche mit mehr als 12 pflege- oder betreuungsbedürftigen Personen gelten die Vorschriften für stationäre Einrichtungen und besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe gemäß PfleWoqG. Die Bildung eines Gremiums der Selbstbestimmung ist ebenfalls vorgeschrieben. Es hat jedoch nur eine Mitwirkungsfunktion, nicht aber Mitbestimmung bei Alltagsentscheidungen (§ Art.

Eine nicht selbstorganisierte Wohngemeinschaft steht unter der Verantwortung eines Trägers und ist von diesem strukturell abhängig. Das bedeutet: Der Pflegedienst ist zwar Gast in der WG, kann aber von den WG-Mitgliedern nicht "abgewählt" werden. Pflege- und Betreuungsleistungen sind somit nicht frei wählbar. Oft sind Vermieter und Anbieter von Dienstleistungen identisch.

Gesetzliche Rahmenbedingungen in Bayern

In Bayern regelt das Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) die Anforderungen an Pflege, Betreuung und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung. Seit der Gesetzesnovelle 2023 sind neben selbstgesteuerten auch trägergesteuerte ambulant betreute Wohngemeinschaften zulässig. Die Gründung einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft (abWG) muss der zuständigen Behörde (FQA) spätestens drei Monate vorher mitgeteilt werden - inklusive Informationen zu Pflege- und Betreuungsleistungen. Bei einer geplanten Auflösung ist die Behörde unverzüglich zu informieren (Art. 21 Abs. 1 S. Bei der Regelprüfung prüft die zuständige Behörde gemäß Art.

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Ambulant betreute Wohngemeinschaften werden durch die Fachstellen für Pflege- und Behinderteneinrichtungen - Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) beraten und i.d.R. jährlich geprüft.

Qualitätsanforderungen

Art. 19 PfleWoqG definiert die Qualitätsanforderungen in selbstgesteuerten ambulant betreuten Wohngemeinschaften folgendermaßen: Der beauftragte ambulante Betreuungs- oder Pflegedienst hat sicherzustellen, dass die zu erbringenden Betreuungs- und Pflegeleistungen, insbesondere im Bereich des sachgerechten Umgangs mit Arznei- und Betäubungsmitteln, der Hygiene, der hauswirtschaftlichen Versorgung, der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilisierung dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechen (Ergebnisqualität) und persönlich und fachlich geeignete Beschäftigte eingesetzt werden sowie die Qualität des Wohnens angemessen ist. Ambulanten Betreuungs- oder Pflegediensten, die in der selbstgesteuerten ambulant betreuten Wohngemeinschaft […] tätig sind, kann diese Tätigkeit untersagt werden, wenn die von ihnen erbrachten Leistungen den Qualitätsanforderungen des Art.

Vorteile von ambulant betreuten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz

  • Selbstbestimmung und Teilhabe: Bewohner*innen können ihren Alltag aktiv mitgestalten und ihre individuellen Fähigkeiten und Interessen einbringen.
  • Soziale Kontakte: Die Gemeinschaft bietet die Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, was Einsamkeit und Isolation entgegenwirken kann.
  • Individuelle Betreuung: Durch die ambulante Betreuung können die Bewohner*innen entsprechend ihren Bedürfnissen und Wünschen unterstützt werden.
  • Häusliche Atmosphäre: Die Wohngemeinschaft bietet eine wohnliche Umgebung, die Geborgenheit und Sicherheit vermittelt.
  • Entlastung für Angehörige: Angehörige können entlastet werden, da die Bewohner*innen professionell betreut werden und sie sich nicht mehr rund um die Uhr kümmern müssen.

Gründung einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft

Die Initiatorinnen von ambulant betreuten Wohngemeinschaften können Privatpersonen (z.B. zukünftige Mieterinnen oder Angehörige), gemeinnützige Initiativen, Dienstleisterinnen, private Hausbesitzerinnen, Wohnungsbaugenossenschaften oder Kommunen sein. Wichtig sind frühzeitige Bedarfsermittlung und Einbindung lokaler Akteure (ambulante Dienste, Vereine, Gemeinden). Zudem sollte frühzeitig geklärt werden, wer Betreuung und Pflege zuverlässig leisten kann. Das Konzept umfasst grundlegende Ideen und beschreibt Strukturen detailliert (Zielgruppen, Räume, Ausstattung, Dienstleister*innen). Die rechtzeitige Kontaktaufnahme mit Behörden (FQA, zur Qualitätssicherung nach PfleWoqG sowie Baubehörde bezüglich Bauvorschriften und Brandschutz) ist notwendig (für weitergehende Informationen vgl.

Konzept und Struktur

Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft basiert auf dem Konzept privaten Wohnens mit individuellen Wohnbereichen und gemeinsam genutzten Räumen, z. B. Wohnküche, Wohnzimmer, Gäste-WC sowie Hauswirtschaftsräume. Die Immobilie sollte barrierefrei gestaltet sein (gemäß DIN 18040-2), mit ausreichend Platz für Rollstühle und Rollatoren sowie speziellen Anforderungen für Demenz- und Sinnesbeeinträchtigungen gerecht werden. Ein Beispielraumprogramm für zehn Bewohner umfasst etwa Minimum 400 m² Gesamtfläche, mit Einzelzimmern, Gemeinschaftsküche, Wohnraum, Vorrats- und Abstellräumen sowie zusätzlichen WC- und Garderobenflächen. Dabei sollte die Fläche pro Person maximal 50-55 m² nicht überschreiten, insbesondere wenn Fördermittel (vgl. Förderung PflegeoNah) beantragt werden. Frühzeitig ist die Abstimmung mit Baubehörden bezüglich baurechtlicher Vorgaben (z. B. Barrierefreiheit, Brandschutz) zu empfehlen. Für weitergehende Informationen vgl.

Rolle der Vermieter*innen

Initiatoren ambulanter Wohngemeinschaften sind häufig zugleich Vermieterinnen. Die Immobilie kann entweder Eigentum bleiben oder verkauft werden, zudem besteht die Option, geförderten Wohnraum zu schaffen. Der Wohnraum ist entsprechend der Bedarfe der Nutzerinnen zu gestalten. Die Miete richtet sich nach der Quadratmeterzahl und orientiert sich am örtlichen Mietspiegel. Üblich sind Einzelmietverträge für Privat- und Gemeinschaftsflächen (vgl. Wichtig ist zudem eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Vermieterinnen, Dienstleisterinnen und Selbstbestimmungsgremium, welches im Fall einer selbstgesteuerten abWG das Entscheidungsrecht hat, wer einziehen soll (vgl. Für weitere Informationen vgl.

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Gremium der Selbstbestimmung

Zur Wahrung der Selbstbestimmung wird ein „Gremium der Selbstbestimmung“ gebildet, das intern die Qualität sichert und den Alltag regelt. Vermieter und Dienstleister haben dort kein Stimmrecht. Das Gremium benötigt eine schriftliche Vereinbarung über Aufgaben, Rechte und Pflichten. Für weitere Informationen vgl. In einer selbstgesteuerten ambulant betreuten Wohngemeinschaft entscheidet die Mieterschaft eigenverantwortlich über alle sie betreffenden Angelegenheiten, ggf. Das Gremium entscheidet auch über die hauswirtschaftliche Versorgung, deren Umfang und Umsetzung mit den Dienstleistern vertraglich geregelt wird. In trägergesteuerten Wohngemeinschaften gibt es ebenfalls ein Gremium der Selbstbestimmung. Dessen Handlungsspielraum ist jedoch eingeschränkt, es wirkt bei Fragen der Wohngemeinschaft mit.

Eine neutrale Moderation kann besonders in der Aufbauphase hilfreich sein, z. B. Die Moderation ist unterstützend, neutral und ohne Stimmrecht. Ziel ist es, die abWG-Mitglieder zur eigenständigen Selbststeuerung zu befähigen. Sie hilft auch bei der Lösung von Konflikten. Für weitere Informationen vgl.

Betreuungskonzept

Ein kollegiales Miteinander zwischen Dienstleister*innen, Angehörigen und abWG-Mitgliedern ist wesentlich. Das Betreuungskonzept umfasst Pflege, Betreuung, Alltagsgestaltung und Hauswirtschaft, die eng miteinander verzahnt sind. Eine flexible Organisation berücksichtigt die Wünsche der Mitglieder. AbWG-Mitglieder beteiligen sich nach ihren Möglichkeiten am Alltag. Für weitergehende Informationen vgl.

Finanzierung

Die Kosten variieren je nach Wohngemeinschaft. Eigenmittel, ggf.

Förderungsmöglichkeiten in Bayern

Förderungen müssen individuell recherchiert und gemäß Richtlinien beantragt werden. Für weitere Informationen vgl.

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  • Anschubfinanzierung: Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention bietet eine Anschubfinanzierung für neue ambulant betreute abWGs (inkl. trägergesteuerte) gemäß Art. 2 Abs. 3 PfleWoqG. Förderzeitraum: max.
  • Barrierearme Umbaumaßnahmen: Pflegebedürftige mit Anspruch nach § 38a SGB XI erhalten zur Gründung einer ambulant betreuten Wohngruppe einmalig bis zu 2.613 € für barrierearme Umbaumaßnahmen. Die Gesamtförderung pro Wohngruppe beträgt maximal 10.452 €. Bei mehr als vier Anspruchsberechtigten wird der Betrag anteilig aufgeteilt.
  • Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: Nach § 40 Abs. 4 SGB XI fördern Pflegekassen wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, etwa technische Hilfen oder barrierefreie Umbauten, wenn sie die Pflege erleichtern oder die Selbstständigkeit stärken. In ambulant betreuten Wohngruppen (3-12 Personen) können bis zu vier Pflegebedürftige je 4.180 € erhalten - max. 16.720 € pro Maßnahme.
  • Förderung für gemeinnützige Träger: Für gemeinnützige Träger (§ 5 Abs. 1 Nr. Bau max. 33 %, Ausstattung max. 50 %, Personal/Sachkosten max.
  • KfW-Bank - Altersgerecht umbauen: Umfasst eine Förderung von Modernisierungsmaßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung von Barrieren in bestehenden Wohnungen (Programm Nr. Zinsgünstige Darlehen über max. 50.000.-€ pro Wohnung.Zuschüsse in Höhe von 8 % der Bausumme, max.
  • Bayerisches Wohnungsbauprogramm: Mit der Wohnraumförderung - Bayerisches Wohnungsbauprogramm - Anpassung von bestehendem Wohnraum an die Belange von Menschen mit Behinderung werden bauliche Maßnahmen, die Menschen mit Behinderung (§ 2 Abs. 1 SGB XI) die Nutzung ihres Wohnraums erleichtern, gefördert. Die Förderung erfolgt in Form eines leistungsfreien Baudarlehens in Höhe von bis zu 10.000 € je Wohneinheit, das faktisch einem Zuschuss entspricht. Voraussetzung ist, dass die antragstellenden Personen die Einkommensgrenze nach Art. Der Antrag ist bei den zuständigen Kreisverwaltungsbehörden - Landratsamt oder kreisfreie Stadt - zu stellen.
  • Kommunale Förderprogramme: Einzelne Kommunen stellen eine Anschubfinanzierung für die Gründung ambulant betreuter Wohngemeinschaften zur Verfügung. Die Landeshauptstadt München unterstützt die Gründung ambulant betreuter Wohngemeinschaften mit einer Anschubfinanzierung von bis zu 50.000 €. Gefördert werden unter anderem Umbaukosten, etwa für rollstuhlgeeignete Fußböden, sowie Personalkosten in der Aufbauphase. Der Landkreis Unterallgäu unterstützt den Aufbau ambulant betreuter Wohngemeinschaften durch die Förderung von Investitionskosten, die zur Erfüllung baurechtlicher Anforderungen erforderlich sind - etwa für die Erstellung und Umsetzung eines Brandschutzkonzepts.

Weitere finanzielle Unterstützung

Zusätzlich haben Pflegedienste die Möglichkeit auf ihre Leistungen Investitionskosten abzurechnen. Die Pflegeversicherung hilft, die Kosten zu decken. Die Höhe der ambulanten Sachleistung ergibt sich aus dem jeweiligen Pflegegrad, siehe Informationsblatt Nr. Dies kann durch einen monatlichen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 224 € gem. Darüber hinaus haben Pflegebedürftige ab dem Pflegegrad 1 Anspruch auf Betreuungs- und Entlastungsleistungen bis zu einer Höhe von 131 € monatlich, die über den Pflegeanbieter oder einen externen Anbieter erbracht werden können, siehe Informationsblatt Nr.

Ambulant betreute Wohngemeinschaften in der Praxis

Laut Bayerischem Landesamt für Statistik (Stand: Dezember 2023) verteilen sich die abWG-Typen wie folgt: Demenz-WGs (12,5 %), Pflege/Mischformen (43,6 %), Intensivpflege-WGs (43,2 %) und WGs für Pflegebedürftige unter 65 Jahren (0,6 %). Die Koordinationsstelle Pflege und Wohnen in Bayern führt Projektlisten von abWGs mit Angaben zu Ort, abWG-Mieteranzahl, Zielgruppe und Ansprechpersonen. Für die Angaben und Qualität der Angebote übernimmt die Koordinationsstelle keine Verantwortung. Die Listen sind durchsuchbar und können heruntergeladen oder angezeigt werden.

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