Die Amygdala, auch Mandelkern genannt, ist eine zentrale Struktur im Gehirn, die eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere Angst, spielt. Als Teil des limbischen Systems ist sie an der Bewertung von Sinneseindrücken, der Steuerung von Verhaltensreaktionen in Gefahrensituationen und der Speicherung emotionaler Erinnerungen beteiligt.
Einführung in die Amygdala
Das Gefühl der Angst ist ein universelles menschliches Erlebnis. Es äußert sich in körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Schweißausbrüchen und Zittern. Die Amygdala ist eine Schlüsselstruktur im Gehirn, die diese Angstreaktionen steuert und uns hilft, Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren.
Anatomie und Lage der Amygdala
Die Amygdala besteht aus zwei mandelförmigen Ansammlungen von Nervenzellkörpern, die sich im Zentrum des Gehirns befinden, jeweils im linken und rechten Schläfenlappen, direkt vor dem Hippocampus. Diese Struktur ist durch dünne Lamellen (Schichten) unterteilt, die sich funktionell unterscheiden. Die Amygdala erhält Informationen aus verschiedenen Gehirnbereichen und leitet sie an diese weiter.
Die Funktion der Amygdala
Die Amygdala hat vielfältige Funktionen im Gehirn, die sie zu einer Schlüsselstruktur für Emotionen, Verhalten und die Verarbeitung von Sinneseindrücken machen.
Steuerung der Emotion Angst
Die Amygdala agiert wie ein Frühwarnsystem. Sie hilft, potenzielle Gefahren zu erkennen und schnell darauf zu reagieren. Sie bewertet Situationen innerhalb von Millisekunden und schätzt Gefahren ein. Einige Anblicke, Geräusche oder Gerüche lösen schon von Geburt an oder nach einmaliger Begegnung Angst aus.
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Schaltkreise der Angst
Der Neurowissenschaftler Joseph LeDoux von der New York University hat die zugrundeliegenden Mechanismen als einen Schaltkreis der Angst beschrieben, der über zwei Wege Informationen an die Amygdala sendet:
- Schneller, grober Weg: Direkt vom Thalamus erhält die Amygdala eine grobe Skizze der Situation, um schnell die Gefahr einzuschätzen. Diese thalamo-amygdaläre Verbindung ermöglicht eine blitzschnelle Reaktion auf eine Gefahr.
- Langsamer, genauer Weg: Eine genaue Analyse liefert etwas später der langsamere Weg vom Thalamus über den Neocortex und den Hippocampus. Die sensorischen Areale des Neocortex ermöglichen eine differenziertere Wahrnehmung der Angstreize. Der Hippocampus bringt bewusste Erinnerungen an unangenehme oder angstauslösende Situationen mit ins Spiel.
Beteiligung an anderen Emotionen
Neben der Angst ist die Amygdala auch für Emotionen wie Wut, Trauer und Freude verantwortlich.
Gedächtnis und emotionale Ereignisse
Emotionale Ereignisse werden durch die Amygdala besonders intensiv im Gedächtnis verankert.
Erkennen und Verstehen von Emotionen bei anderen
Die Amygdala ist auch für das Erkennen und Verstehen von Emotionen bei anderen zuständig.
Stressreaktionen
In Stresssituationen aktiviert die Amygdala das autonome Nervensystem, indem sie Signale an den Hypothalamus sendet. Dies führt zur Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol.
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Die Amygdala und das limbische System
Die Amygdala ist ein wichtiger Teil des limbischen Systems, einem stammesgeschichtlich alten Areal im Gehirn, das für die Verarbeitung von Emotionen und Trieben zuständig ist. Zu den Strukturen des limbischen Systems gehören neben der Amygdala auch der Hippocampus und das Septum.
Angeborene und erlernte Ängste
Manche Ängste sind angeboren, während andere durch Lernprozesse erworben werden. Angeborene Ängste, wie die Furcht vor dem Schrei einer Eule oder dem Geruch eines Raubtiers, sind evolutionär bedingt und dienen dem Überleben. Erlernte Ängste entstehen, wenn ein neutraler Reiz mit einem unangenehmen Reiz assoziiert wird.
Die Rolle der Hemisphären
Die rechte Hirnhälfte scheint für die Emotionsverarbeitung besonders wichtig zu sein. Nach rechtsseitigen Gehirnverletzungen fällt es Patienten schwer, Gefühle im Gesicht des anderen zu deuten. Doch auch linkshemisphärische Verletzungen wirken sich auf die Gefühlswelt aus. Studien mit Neugeborenen sprechen ebenfalls dafür, dass die linke Hemisphäre stärker bei positiven, die rechte bei negativen Gefühlen aktiv ist.
Angststörungen und die Amygdala
Eine Fehlfunktion der Amygdala kann zu Angststörungen führen. Neuere Studien haben gezeigt, dass bestimmte Gruppen von Nervenzellen in der Amygdala für die Regulierung von Angst entscheidend sind. Die Unterdrückung dieser neuronalen Mikro-Schaltkreise kann zu einem langanhaltenden ängstlichen Verhalten führen.
Erkrankungen und Schädigungen der Amygdala
Schädigungen der Amygdala können zu Problemen bei der emotionalen Bewertung von Situationen führen. Beim Urbach-Wiethe-Syndrom, einer seltenen Erbkrankheit, kommt es zu einer Verkalkung der Amygdala. Betroffene Menschen können nicht oder kaum den emotionalen Ausdruck von Angst erkennen, beschreiben oder reproduzieren.
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Die Amygdala und Stress
Stress kann Angst erhöhen. Der Glucocorticoidrezeptor für das Stresshormon Cortisol vermittelt verstärkte Angst. Studien haben gezeigt, dass nicht nur die Hirnregion, sondern auch die Art der Neuronenpopulation eine entscheidende Rolle spielt.
Angst und Depression
Angst und Depression treten oft gemeinsam auf. Neurobiologisch gesehen sind ein Mangel an GABAerger und serotonerger Übertragung, d.h. ein Ungleichgewicht der relevanten Neurotransmitter, eine der Ursachen von Angststörungen und Panikattacken.
Therapieansätze
Ein besseres Verständnis der Vorgänge in der Amygdala trägt dazu bei, spezifischere Therapien für Angst- und Trauma-Störungen zu entwickeln. Zukünftige Therapieansätze könnten auf Prävention setzen und darauf abzielen, mit dem Hyperarousal umzugehen, das oft automatisch in Stresssituationen entsteht.
Die Amygdala: Mehr als nur eine "Angstzentrale"?
Obwohl die Amygdala oft als "Angstzentrale" bezeichnet wird, ist ihre Rolle im Gehirn komplexer. Sie ist an einer Vielzahl von emotionalen und kognitiven Prozessen beteiligt.