Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) sind die am häufigsten verschriebenen Antidepressiva und gelten als nebenwirkungsarm und gut verträglich. Trotz ihrer langen Verfügbarkeit gibt es jedoch vergleichsweise wenig Wissen über die längerfristigen Auswirkungen und Nebenwirkungen dieser Substanzen. Neuere Forschungsergebnisse zeigen sowohl positive Zusatzeffekte als auch mögliche negative Effekte von SSRIs, die Patienten und Behandler gleichermaßen verunsichern können. Ein Symposium auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin widmete sich den über die antidepressive Wirksamkeit hinausgehenden Effekten von SSRIs.
Möglicher Nutzen von SSRIs bei Demenz
Dr. rer. nat. Claudia Bartels von der Universitätsmedizin Göttingen legte dar, dass SSRIs möglicherweise bei der Behandlung von Demenz einen Nutzen haben könnten. Angesichts der Tatsache, dass weltweit fast 50 Millionen Menschen mit Demenz leben und diese Zahl bis 2050 auf weit über 100 Millionen ansteigen soll, sind wirksame Therapieoptionen dringend erforderlich. Studien deuten darauf hin, dass eine Depression mit einer Verdoppelung des Demenzrisikos einhergeht, insbesondere bei Altersdepression.
Depression als Risikofaktor für Demenz
Der genaue Zusammenhang zwischen Demenz und Depression ist noch unklar. Es stellt sich die Frage, ob die Depression ein unabhängiger Risikofaktor ist, dessen Modifikation sich positiv auf die Entwicklung der Demenz auswirken könnte, oder ob es gemeinsame Risikofaktoren gibt. Es ist auch möglich, dass die Depression eine Prodromalform der Demenz oder eine unabhängige Koinzidenz darstellt.
Belegt ist jedoch, dass SSRIs auch bei älteren Patienten antidepressiv wirken. In Bezug auf die Wirkung von SSRIs bei Amyloid-Pathologie bzw. Alzheimer-Demenz gibt es aus tierexperimentellen und präklinischen Studien diverse positive Ergebnisse, während klinische Prüfungen und Registerstudien widersprüchliche Ergebnisse liefern. Viele Studien hatten jedoch nur kleine Stichproben und waren nicht prospektiv. Zudem wurde die SSRI-Behandlung oft erst begonnen, als die Demenz bereits offensichtlich war, und zur Beurteilung des kognitiven Outcomes diente lediglich der Mini Mental State Test (MMST).
Sekundärpräventive Ansätze im Stadium des Mild Cognitive Impairment (MCI)
Trotzdem könnte ein Drug Repurposing - wie man es auch von Statinen und NSAIDs kennt - in Ermangelung einer kausalen, krankheitsmodifizierenden Therapie eine attraktive Alternative sein. Eine Verzögerung des Krankheitsverlaufs hält Bartels durchaus für möglich. Eine Studie aus dem Jahr 1987 zeigte, dass eine Verzögerung des Ausbruchs einer Demenz um 5 Jahre die Prävalenz halbieren würde. Ansetzen könnten sekundärpräventive Ansätze im Stadium des Mild Cognitive Impairment (MCI), von dem 20 % der über 60-Jährigen betroffen sind und 40 % von ihnen innerhalb von 3-10 Jahren eine Demenz entwickeln.
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Bartels und ihre Kollegen untersuchten in einer Kohorte der Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative, wie sich SSRIs bei Menschen mit einer Depression in der Vorgeschichte auf die Konversion von MCI zu Demenz auswirken. Die Ergebnisse zeigten, dass SSRIs mit einem verzögerten Krankheitsverlauf assoziiert sind. Bei MCI-Patienten mit einer Depression in der Vorgeschichte, die länger als 4 Jahre mit SSRIs behandelt worden waren, manifestierte sich im Schnitt 3 Jahre später eine Demenz als bei Teilnehmern mit einer Depression in der Vorgeschichte, die mit einem anderen Antidepressivum oder gar nicht behandelt worden waren. Dies galt aber auch im Vergleich zu MCI-Patienten ohne Depression in der Vorgeschichte.
Die langfristige Einnahme von SSRIs könnte somit den Übergang von MCI zu Alzheimer-Demenz verzögern, allerdings müsste dies nun in einer prospektiven klinischen Studie im Langzeitverlauf validiert werden. Es wurde festgestellt, dass eine Depression in der Vorgeschichte oder eine antidepressive Therapie keinen Einfluss auf Liquorbiomarker wie Beta-Amyloid oder Tau hatte. Es ist jedoch möglich, dass andere Untersuchungsmethoden erforderlich sind oder ein anderer Mechanismus zugrunde liegt.
Sexuelle Dysfunktion als mögliche Langzeitfolge
Rund 50-70 % der Menschen mit Depression leiden an einer sexuellen Dysfunktion, entweder unter SSRI oder ohnehin wegen der Depression. Prof. Dr. med. Tillman Krüger von der Medizinischen Hochschule Hannover betonte, dass Patienten gezielt danach gefragt werden müssen, da sie es von sich aus nur selten erzählen.
Auswirkungen von SSRIs auf die sexuelle Funktion
Das serotonerge System ist für Stimmung, Kognition, Impulskontrolle und überwiegend sexuelle Inhibition zuständig. Von allen bekannten Rezeptoren im serotonergen System wirkt einzig der 5-HT1A-Rezeptor sexuell stimulierend. Die hinderliche Wirkung von SSRIs auf die sexuelle Funktion lässt sich anhand der neuronalen Korrelate der sexuellen Dysfunktion in der MRT-Bildgebung zeigen. Nach Gabe von Paroxetin reagiert die neuronale Aktivität im Gehirn nicht mehr so stark auf sexuelle Stimuli, und die dopaminerge Aktivität im Nucleus accumbens wird reduziert.
Antidepressiva können sowohl kurzfristige als auch langfristige Effekte auf die sexuelle Funktion haben. Eine Erhöhung des serotonergen Tonus im synaptischen Spalt führt oftmals zu einer sexuellen Inhibition, die vor allem über 5HT1B-, 5HT1C- und 5HT2C-Rezeptoren vermittelt wird.
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Post-SSRI Sexual Dysfunction (PSSD)
Von einer Post-SSRI Sexual Dysfunction (PSSD) spricht man, wenn eine unter der Behandlung aufgetretene sexuelle Dysfunktion nach Absetzen der Therapie bestehen bleibt. Eine Umfrage in einem dem Thema PSSD gewidmeten Internetforum ergab eine mögliche PSSD bei 183 von 532 Teilnehmern und eine sehr wahrscheinliche PSSD bei 23 Teilnehmern, davon aber nur 20 % Frauen. Im Juni 2019 hat die EMA die persistierende sexuelle Dysfunktion nach SSRI- und SNRI-Therapie anerkannt, und mittlerweile tragen einige SSRI einen Warnhinweis.
Bei Frauen könne in seltenen Fällen eine Persistent Genital Arousal Disorder (PGAD) auftreten, zu deren Ätiopathologie und klinischen Merkmalen bislang wenig bekannt sei. Krügers Fazit ist, dass die alleinige Erhöhung des serotonergen Tonus negative Emotionen, aber eben auch positive, sowie die Libido und andere Sexualfunktionen dämpft. Patienten sollten deshalb über die mögliche nachhaltige Beeinträchtigung der Sexualität auch nach Beendigung einer SSRI-Behandlung aufgeklärt werden.
Krüger empfahl Psychiatern, bei Männern mit SSRI-induzierter sexueller Dysfunktion über die Verschreibung eines PDE-5-Hemmers nachzudenken, betonte aber, dass hierbei immer auch die Partnerin einbezogen werden müsse.
Einfluss von SSRIs auf den Knochenstoffwechsel
Studien deuten darauf hin, dass SSRIs möglicherweise auch den Knochenstoffwechsel beeinflussen. Prof. Dr. med. Ulrich Schweiger von der Medizinischen Universität zu Lübeck berichtete, dass Menschen mit Depressionen eine Überalterung des Skelettsystems um 5-10 Jahre aufweisen. Eine Metaanalyse zeigt, dass Depressionen mit einer signifikant verringerten Knochendichte in Lendenwirbelsäule, Femur und Hüfte assoziiert sind.
Mögliche zugrunde liegende Mechanismen
Mögliche zugrunde liegende Mechanismen sind eine Dysregulation des Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Systems mit Hyperkortisolismus, eine Dysregulation des Hypothalamus-Hypophysen-Gonadensystems mit niedrigen Konzentrationen von Testosteron bzw. Östrogen, eine Aktivierung des Immunsystems mit erhöhten Konzentrationen von IL-1, IL-6, TNF-alpha, CRP und MCP-1, Verhaltensveränderungen mit verminderter körperlicher Aktivität und vermehrtem Konsum von Alkohol, Nikotin und anderen Substanzen - oder eben Effekte von Antidepressiva.
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Erhöhtes Frakturrisiko
Tierexperimentelle Studien zeigen, dass Sertralin die Heilung von Knochendefekten im Zahnbereich behindert. Kurzfristig hat Fluoxetin antiresorptive Effekte, indem es die Osteoklastendifferenzierung behindert. Langfristig entsteht ein serotoninbedingter Anstieg des Sympatikotonus, der die Knochenresorption steigert und zu einem Nettoeffekt von beeinträchtigter Knochenbildung und vermehrtem Knochenverlust führt. Studien zu SSRIs und Knochendichte beim Menschen gibt es nur wenige, und diese wenigen lassen keinen Einfluss der Antidepressiva erkennen. Eine populationsbasierte Prävalenzstudie aus Dänemark ergab allerdings, dass eine Therapie mit SSRIs mit einem erhöhten Frakturrisiko einhergeht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Depressionen mit einer niedrigeren Knochendichte assoziiert sind und Antidepressiva in tierexperimentellen Studien einen ungünstigen Einfluss auf den Knochenstoffwechsel haben. Beim Menschen sind sie mit einer erhöhten Frakturrate assoziiert, aber ein Einfluss von Antidepressiva auf die Knochendichte ist nicht gesichert.
SSRIs und Tumorprogression bei Krebspatienten
Auch der Effekt einer Therapie mit SSRI bei Tumorpatienten wirft Fragen auf. Prof. Dr. med. Kai Kahl von der Medizinischen Hochschule Hannover berichtete, dass 15-25 % der Tumorpatienten an einer Major Depression leiden. Die S3-Leitlinie Depression empfiehlt, bei einer Komorbidität von mittelgradiger bis schwerer depressiver Störung und Tumorerkrankung eine Pharmakotherapie mit einem Antidepressivum, insbesondere einem SSRI, anzubieten.
Mögliche Mechanismen
Die meisten Substanzen werden in den Zulassungsstudien nicht auf Karzinogenität geprüft. Das serotonerge System mit seinen 5HT-Rezeptoren ist aber nicht nur zentral relevant. Viele Tumoren besitzen 5HT-Rezeptoren, die die mitogene Aktivität regulieren. Serotonin moduliert die intrazelluläre Signaltransduktion. Die Exposition einer Osteosarkomzelllinie gegenüber Serotonin führte zum Beispiel bereits nach 10 Minuten zu einer Aktivierung mitogener Faktoren. Ein weiterer möglicher Mechanismus sei die SSRI-induzierte zelluläre Glukoseaufnahme, so Kahl weiter. Eine stärkere Glukoseaufnahme bedeute eine bessere Stoffwechselaktivität und damit ein rascheres Tumorwachstum beziehungsweise frühere Rezidive.
Besorgniserregende Studienergebnisse
Verschiedene Studien lieferten besorgniserregende Ergebnisse: So kam es bei Frauen mit epithelialem Ovarialkarzinom, die SSRIs einnahmen, signifikant früher zu einem Progress. Die Autoren vermuten, dass die SSRIs die Serotoninkonzentrationen in der Mikroumgebung des Tumors verändern, was zu einer verstärkten Proliferation führt. In einer großen Brustkrebskohorte war die SSRI-Einnahme mit einer um 27 % höheren Brustkrebsmortalität assoziiert.
In einer eigenen Arbeit untersuchte Kahl die mitogene Aktivität von Ovarial- und Brustkrebs-Zelllinien nach SSRI-Stimulation. Hier zeigte sich kein negativer Effekt: Bei den Ovarialkarzinomzellen kam es nicht zu einer signifikant stärkeren Proliferation, und bei den Mammakarzinomzellen zeigte sich kein signifikanter Anstieg der Glukoseaufnahme. Kahl wertete dies als durchaus beruhigend, wies aber darauf hin, dass es sich dabei nur um vorläufige Befunde handele, da die Tests lediglich an Tumorzellen stattgefunden hätten und nicht im Tumor selbst.
Die Frage, ob eine Brustkrebspatientin mit Depression mit einem SSRI behandelt werden sollte, bejahte Kahl entschieden. Selbst bei einem Krebsrezidiv sollte weiterbehandelt werden, denn eine Depression sei mit ihren möglichen Folgen für Lebensstil und Adhärenz als weitaus gefährlicher einzustufen als die SSRI-Therapie.
Wirkungsweise von Antidepressiva
Antidepressiva lindern depressive Störungen, aber die genaue Wirkungsweise ist noch nicht vollständig geklärt. Früher ging man davon aus, dass ein Mangel der Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin und Dopamin im Gehirn die Ursache für Depressionen sei. Antidepressiva sind jedoch keine Drogen, die die Stimmung künstlich pushen oder Ängste nehmen, und ihre Wirkung tritt erst nach einigen Tagen bis Wochen ein.
Das Modell der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
Am Beispiel eines SSRI lässt sich folgendes Modell beschreiben: Wird eine Nervenzelle erregt, transportiert sie diese Information "elektrisch" durch Weitergabe von Spannungsänderungen an der Zellwand. Von einer zur nächsten Zelle wird die Information aber "chemisch" weitergegeben - durch Botenstoffe, z.B. Serotonin. Die Zellen haben einen Transporter, der Serotonin wieder zurück in die ausschüttende Zelle "schaufeln" kann. Der SSRI blockiert diesen Transporter und damit die Wiederaufnahme des Serotonins. Dadurch sind die Rezeptoren der nächsten Zelle mit Botenstoff gesättigt, und die Zelle baut Rezeptoren ab. In der Folge laufen verschiedene Kaskaden ab, die dazu führen, dass die Aktivität bestimmter Hirngebiete im Vorderlappen des Großhirns zunimmt, die Vernetzungsdichte der Gehirnzellen zunimmt, die Stresshormonachse sich entspannt und sogar Entzündungskaskaden beeinflusst werden.
Individuelle Auswahl des geeigneten Antidepressivums
Die Schwelle, ein Medikament gegen Depressionen, Angststörungen oder Zwangssymptome einzunehmen, ist heutzutage gering. Ein Antidepressivum wirkt dann besonders gut, wenn tatsächlich eine Depression vorliegt. Die Frage, welches Medikament das geeignete ist, richtet sich in erster Linie nach der Diagnose und den individuellen Bedürfnissen des Patienten. Dabei werden mögliche Nebenwirkungen berücksichtigt, um ein Medikament auszuwählen, das keine zusätzlichen Probleme verursacht.
Gentests und Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)
Die Forschung hat Gentests auf den Markt gebracht, die vorhersagen können, wie die Leber ein Medikament verstoffwechseln wird oder wie gut der Übertritt eines Wirkstoffes vom Blut ins Gehirn gelingen wird. Allerdings ist der praktische Nutzen noch nicht optimal. Mittlerweile wissen wir, dass für Sie passende und vielversprechende Antidepressiva ihre positive Wirkung früh “andeuten”, bevor die volle Wirkung einsetzt. Überdies lässt sich die Konzentration des eingesetzten antidepressiven Wirkstoffs im Blutserum messen (Therapeutisches Drug Monitoring, TDM), um die Dosis des Antidepressivums zu optimieren.
Alternative Behandlungsstrategien
Falls eine Pharmakotherapie nicht anschlägt, ist ein Wechsel auf ein Antidepressivum mit anderem Wirkmechanismus und besonders hoher Wirksamkeit sinnvoll. In diesem Fall kann eine Kombination zweier Antidepressiva Sinn machen oder auch die Hinzunahme einer Substanz, welche die Wirkung des Antidepressivums verstärkt (Augmentationsbehandlung). Auch die Umstellung auf das “Reserve”-Antidepressivum Tranylcypromin (Jatrosom) kann sinnvoll sein.
Nebenwirkungen und Absetzerscheinungen
Eine nebenwirkungsfreie Pharmakotherapie existiert leider (noch) nicht. Jedes Medikament hat erwünschte und unerwünschte Wirkungen, über die der Psychiater individuell aufklärt. Häufige Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Durchfall und - je nach Wirkstoff - Unruhe und Schlaflosigkeit oder Ermüdung. Die meisten Nebenwirkungen verschwinden jedoch nach ca. zwei bis drei Wochen, da sich der Körper auf den regelmäßig verabreichten Wirkstoff einstellt.
Absetzerscheinungen statt Entzugserscheinungen
Beim Absetzen von Antidepressiva können Absetzerscheinungen auftreten, die jedoch nicht mit Sucht oder Entzug zu verwechseln sind. Antidepressiva machen nicht süchtig wie Alkohol, Opiate oder Kokain. Treffender sind die Begriffe Absetzerscheinungen und Absetzsymptome. Diese entstehen durch ein Ungleichgewicht im Gehirn, wenn die Serotonin-Konzentration nach dem Absetzen des Medikaments sinkt.
Vermeidung von Absetzerscheinungen durch Ausschleichen
Absetzsymptome sind ein rein physiologisches Phänomen, das nichts mit Sucht oder „Entzug“ zu tun hat. Man kann diese Symptome auch verhindern oder zumindest reduzieren, und zwar durch das so genannte Ausschleichen: Man reduziert die Dosis des Medikamentes über einen gewissen Zeitraum: anfangs etwas schneller, am Ende etwas langsamer. Das Ausschleichen sollte man mit seinem Arzt besprechen.
Psychosomatische Aspekte
Die Psychosomatik untersucht die Auswirkungen von emotionalen und kognitiven Prozessen auf den Körper, insbesondere auf das subjektive Krankheitsempfinden. Hierzu zählen seelische Probleme mit physischen Folgen wie etwa Essstörungen genauso wie Hypochondrie.
Weitere Forschungsergebnisse und Perspektiven
Antidepressiva und Lebensqualität
Eine Studie untersuchte, wie sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Menschen entwickelte, bei denen eine Depression diagnostiziert wurde. Die Erkenntnis der Studie: Die 57 Prozent der Studienteilnehmer, die Antidepressiva erhielten, hatte keine stärkere Verbesserung ihrer Lebensqualität, als die 43 Prozent, die keine derartigen Medikamente erhielten. Es gibt allerdings auch Einschränkungen und Kritik an der Studie. Zum einen von den Forschenden selbst: Im Rahmen der Studie wurden Gruppen mit unterschiedlich schweren Depressionen nicht getrennt betrachtet. Frühere Studien zur Wirksamkeit von Antidepressiva hatten bereits zum Ergebnis gehabt, dass die Medikamente kurzfristig wirksamer als ein Placebo sind.
Neuroplastizität und Kontextfaktoren
Es deutet vieles darauf hin, dass klassischere und neuere pharmakologische Ansätze der Depressionsbehandlung ähnliche Wirkmechanismen teilen könnten. Diese Mechanismen begünstigen langfristige Neuroplastizität, die nachgeschaltete molekulare Kaskaden auslösen können und vice versa. Darüber hinaus wurde für die meisten antidepressiven Substanzen auch eine Verbesserung der negativen Verzerrung in der emotionalen Verarbeitung nachgewiesen. Die Wirkmechanismen antidepressiver Substanzen, wie Neuro- und Metaplastizität, die Veränderung negativer kognitiver Verzerrungen und die Stabilisierung von Neurotransmitterdysbalancen, hängen stark von Interaktionen mit der Umwelt, anderen Menschen und dem eigenen Körper ab.
Auswirkungen auf das Gehirn nach einmaliger Dosis
Eine einzige Dosis eines der weltweit am häufigsten verwendeten Medikamente zur Behandlung der Depression führt innerhalb weniger Stunden zu messbaren Veränderungen im gesamten Gehirn. Wissenschaftler haben entdeckt, dass der Wirkstoff Escitalopram Vernetzungen zwischen funktionellen Vernetzungen stark verändert - also die synchrone Gehirnaktivität in verschiedenen Hirnarealen in Ruhe. Dieser schnelle und weitreichende Effekt von Escitalopram ist außergewöhnlich, denn die antidepressive Wirkung dieser Medikamentenklasse benötigt meist zwei bis drei Wochen, um sich voll zu entfalten.
Unterdrückung des REM-Schlafs und Lernprozesse
Depressionen können mit Medikamenten, die den REM-Schlaf unterdrücken, wirksam behandelt werden. Wie Wissenschaftler festgestellt haben, beeinträchtigt die Unterdrückung des REM-Schlafes gleichzeitig das Lernen und kann Gedächtnisstörungen hervorrufen.
Fazit
Die langfristigen Auswirkungen von Antidepressiva auf das Gehirn sind vielfältig und komplex. Während SSRIs bei der Behandlung von Depressionen und möglicherweise auch bei Demenz einen Nutzen haben können, sind sie auch mit potenziellen Risiken wie sexueller Dysfunktion, Veränderungen im Knochenstoffwechsel und möglicherweise auch einer Beeinflussung der Tumorprogression verbunden. Es ist wichtig, dass Patienten und Behandler sich dieser möglichen Langzeitfolgen bewusst sind und die Therapie sorgfältig abwägen. Zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, die genauen Mechanismen der Antidepressiva-Wirkung besser zu verstehen und personalisierte Behandlungsansätze zu entwickeln, die die individuellen Bedürfnisse und Risiken der Patienten berücksichtigen.
Wichtiger Hinweis
Dieser Artikel dient lediglich zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle Beratung durch einen Arzt oder Apotheker. Bei Fragen oder Bedenken bezüglich der Einnahme von Antidepressiva sollten Sie sich immer an einen qualifizierten Gesundheitsexperten wenden.
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