Exopulse Mollii Suit: Wirksamkeit und Anwendung bei Multipler Sklerose

Der Exopulse Mollii Suit hat in der MS-Community große Aufmerksamkeit erregt. Dieser Artikel beleuchtet die verfügbaren Informationen über den Anzug, einschließlich seiner Funktionsweise, der Ergebnisse klinischer Studien und der aktuellen Empfehlungen von Fachgesellschaften.

Was ist der Exopulse Mollii Suit?

Der Exopulse Mollii Suit ist ein Neuromodulationsanzug, der von dem schwedischen Chiropraktiker Fredrik Lundqvist entwickelt wurde. Er besteht aus einer Jacke und einer Hose, in die 58 Elektroden eingenäht sind. Diese Elektroden stimulieren bis zu 40 Muskelgruppen durch transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Der Anzug zielt darauf ab, spastisch bedingte Muskelverspannungen zu reduzieren und schwache Muskeln zu aktivieren.

Funktionsweise

Der Exopulse Mollii Suit nutzt das Prinzip der Elektrostimulation, um einen physiologischen Reflexmechanismus, die sogenannte Antagonistenhemmung, auszulösen. Dabei werden elektrische Signale an die Antagonisten der spastischen Muskeln gesendet, was zu einer Entspannung der betroffenen Muskeln führt.

Wenn beispielsweise der Bizeps verkrampft ist, stimuliert der Exopulse Mollii Suit den Trizeps, um den Bizeps zu lockern. Auf diese Weise können spastische Muskeln entspannt, schwache Muskeln (re)aktiviert und spastisch bedingte Schmerzen vermindert werden.

Anwendung

Patienten tragen den Exopulse Mollii Suit normalerweise jeden zweiten Tag für 60 Minuten. Diese einstündige Anwendung reicht aus, um die positive Wirkung für viele Stunden aufrechtzuerhalten. Der Prozess verläuft nicht-invasiv und nicht-medikamentös und birgt damit eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen bei Spastik.

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Klinische Studien und Ergebnisse

Pilotstudie von Ottobock

Der Hersteller Ottobock hat eine kleine, randomisiert-kontrollierte Pilotstudie zu dem Exopulse Mollii Suit veröffentlicht. Die Studie umfasste 30 MS-Patienten mit Spastik und zeigte signifikante Auswirkungen auf die Balance der Patienten sowie auf Spastik und Lebensqualität.

Konkret zeigte sich nach einmaliger Anwendung eine signifikante Verbesserung der Balance im aktiven Studienarm gegenüber dem Arm, der nur zum Schein behandelt wurde. Nachdem alle Patienten einen Monat lang aktiv teilgenommen hatten, zeigte sich bei diesen Patienten insgesamt betrachtet eine signifikante Verbesserung motorischer Symptome. Balance und Spastik verbesserten sich mehr als die Mobilität und diese wiederum stärker als die gesamte Lebensqualität. Auf Fatigue und auf Schmerzen hingegen konnten keine signifikanten Effekte verzeichnet werden.

Weitere Studien

Eine weitere Studie analysierte Daten von 72 Probanden mit infantiler Zerebralparese (ZP), Multipler Sklerose (MS) und Schlaganfall. Die Ergebnisse zeigten, dass die multifokale Neuromodulation die Gehfähigkeit verbessern kann. Es wurden Wirkungen auf das statische und dynamische Gleichgewicht, das Sturzrisiko, die Mobilität, Verbesserungen bei den oberen Extremitäten und eine allgemeine Steigerung des gesundheitlichen Nutzens sowie eine Verringerung durch Spastik bedingter Schmerzen festgestellt. Die Wirkungen sind sowohl unmittelbar als auch anhaltend.

Zusammenfassende Bewertung

Eine zusammenfassende systematische Begutachtung kam zu dem Schluss, dass das Potenzial des EMS zur Verbesserung der motorischen Fähigkeiten bei neurologischen Patienten dargestellt wurde. Frühere Untersuchungen mit dem Exopulse Mollii Suit lieferten ermutigende Ergebnisse.

Kritik und Einschränkungen

Prof. Peter Flachenecker merkt an, dass das Studiendesign verbessert werden könnte, insbesondere durch die Einbeziehung eines Kontrollarms mit Scheintherapie im längeren Teil der Studie, um Placebo-Effekte auszuschließen. Prof. Mathias Mäurer kritisiert die Werbestrategie des Anzugherstellers und fordert objektive, wissenschaftliche Erkenntnisse.

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Kosten und Erstattung

Der Exopulse Mollii Suit ist mit rund 10.000 Euro relativ teuer. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten in der Regel nicht, da der Anzug als neue Behandlungsmethode gilt und noch keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vorliegt. Einige Patienten versuchen, die Kosten über Spendenaufrufe in den sozialen Medien zu decken.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass ein Ganzkörper-Neurostimulationsanzug, der die geschwächte Muskulatur von Patienten mit Multipler Sklerose (MS) aktivieren soll, nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden muss. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Anzug als Hilfsmittel zur Krankenbehandlung einzustufen sei, das einen kurativen Zweck verfolge. Solche Produkte dürften nur dann zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben werden, wenn sie als neue Behandlungsmethode anerkannt seien. Voraussetzung hierfür sei eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit der Methode - auch im Vergleich zu bereits von der GKV übernommenen Verfahren. Eine solche Empfehlung liege bislang nicht vor.

Empfehlungen

Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) kann den Anzug noch nicht generell für MS-Patienten empfehlen. Um die Wirksamkeit des innovativen Hilfsmittels beurteilen zu können, seien weitere Studien notwendig. Prof. Dr. Hayrettin Tumani empfiehlt, vor einer generellen Empfehlung die Ergebnisse größer angelegter, qualitativ hochwertiger Studien abzuwarten, um sowohl den potenziellen Nutzen als auch eventuelle Limitationen und Zielgruppen präzise benennen zu können.

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