Apathie bei Demenz: Ursachen, Diagnose und Behandlungsansätze

Apathie, ein Zustand der Teilnahmslosigkeit und des verminderten Interesses an der Umgebung, ist ein häufiges und belastendes Symptom bei Demenzerkrankungen. Besonders häufig tritt Apathie bei der frontotemporalen Demenz (FTD) auf, stellt aber auch bei anderen Demenzformen eine Herausforderung für Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte dar. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Apathie im Kontext von Demenz, die diagnostischen Schritte und verschiedene Behandlungsansätze, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Was ist Apathie?

Der Begriff Apathie stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet "Unempfindlichkeit". Medizinisch beschreibt er Teilnahmslosigkeit, Antriebslosigkeit und fehlende Reaktionen auf äußere Reize. Apathische Menschen wirken oft schläfrig, traurig oder resigniert; selbst Grundbedürfnisse wie Hunger oder Durst werden ignoriert.

Apathie bei Demenz: Ein häufiges Symptom

Apathie ist ein häufiges Symptom bei Demenz. Etwa 76 bis 96 % aller Demenzpatienten entwickeln im Verlauf der Erkrankung Symptome wie Apathie, Aggressivität, Unruhe, Enthemmung oder Affektlabilität. Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sind rund 90 % der Demenzbetroffenen im Endstadium von Apathie betroffen. Die Häufigkeit variiert je nach Demenzform:

  • Frontotemporale Demenz: 92 %
  • Vaskuläre Demenz: 72 %
  • Morbus Alzheimer: 63 %
  • Lewy-Body-Demenz: 57 %

Apathie gilt als Risikofaktor für eine geringere Lebensqualität, einen beschleunigten Krankheitsverlauf und eine höhere Belastung für die betreuenden Personen.

Ursachen von Apathie bei Demenz

Die Ursachen von Apathie bei Demenz sind vielfältig und komplex. Sie können in biologische, psychologische und umfeldbezogene Faktoren unterteilt werden.

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Biologische Ursachen

  • Neurodegenerative Prozesse: Demenz ist durch zunehmende Defizite in kognitiven, emotionalen und sozialen Bereichen gekennzeichnet. Alle Demenzformen gehen mit einem Verlust bzw. Abbau von Nervenzellen und neuronalen Verbindungen einher und sind mit einem Untergang von Hirngewebe assoziiert. Bei der Alzheimer-Krankheit blockieren Beta-Amyloid- und Tauproteine den neuronalen Informationsaustausch und führen zum Absterben der Nervenzellen. Bei der Lewy-Körper-Demenz bilden sich aus bislang unbekannter Ursache sogenannte Lewy-Körperchen, die hauptsächlich aus dem Eiweiß alpha-Synuclein bestehen. Bei der Frontotemporalen Demenz dominiert eine präsenil beginnende neuronale Dysfunktion und der Verlust von neuronalen Verbindungen im Frontal- und Temporalbereich.
  • Dysregulation der Neurotransmitter: Bezüglich biologischer Ursachen wird die metabolische Hypothese favorisiert, bei der von einer Dysregulation der Hypophysen-Hypothalamus-Nebennierenrinden-Achse ("Stress-Achse") und einer resultierenden Imbalance im Transmittersystem mit Auftreten von Wahn (Dopamin) und depressiver Symptomatik (Serotonin) ausgegangen wird. Die Atrophie im Bereich der Nucleus raphe dorsalis (Serotoninmangel) kann ebenfalls zu affektiven Symptomen führen.
  • Somatische Erkrankungen: Apathie kann auch infolge somatischer oder psychiatrischer Komorbidität auftreten. Schmerzen (z. B. im Rahmen von Stürzen, unerkannten Frakturen, Osteoporose oder Schmerzen durch fehlsitzende Zahnprothesen), eine Neuroleptika-Überdosierung oder internistische Erkrankungen (z. B. Hyperthyreose, Harnwegsinfekte) können Apathie begünstigen. Auch die Besiedelung der atrophen Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori kann zu Appetitverlust und Nahrungsverweigerung führen, was den Eindruck von Apathie verstärkt.

Psychologische und umfeldbezogene Ursachen

  • Defizitorientierter Umgang: Ein defizitorientierter Umgang (unbewusste kontinuierliche Konfrontation mit den Defiziten) mit dem Erkrankten kann zu Depressivität und zur Minderung des Selbstwertgefühls führen.
  • Psychosoziale Faktoren: Die schwierige psychosoziale Situation von Demenzkranken (Verlust, Umzug ins Heim) und fehlende kognitive Verarbeitung können die Verstärkung von Verhaltensstörungen beobachten.
  • Traumatisierungen: Posttraumatische Belastungsstörungen zum Beispiel als Ergebnis von Traumatisierungen durch den zweiten Weltkrieg können nun, bei eingeschränkter Kognition, zu Angstzuständen, Schlafstörungen, Alpträumen und Aggressivität führen.
  • Bestehende psychische Störungen: Bereits prämorbid bestehende affektive und psychotische Störungen oder Persönlichkeitsakzentuierungen können nun Verhaltensstörungen hervorrufen oder verstärken und müssen im therapeutischen Gesamtkonzept berücksichtigt werden.

Frontotemporale Demenz (FTD) und Apathie

Die frontotemporale Demenz (FTD) ist eine vergleichsweise seltene Form der Demenz, bei der Nervenzellen im Frontal- und/oder Temporallappen des Gehirns absterben. Diese Hirnregionen steuern Gefühle, Sozialverhalten und Sprache. Typische Anzeichen der FTD sind Teilnahmslosigkeit, enthemmtes Verhalten oder Sprachprobleme.

Formen der FTD

Die FTD zeigt sich in unterschiedlichen Varianten:

  • Verhaltensvariante (bvFTD): Veränderungen in Persönlichkeit und Verhalten stehen im Vordergrund, wie Enthemmung, Apathie oder Verlust von Einfühlungsvermögen. Viele erkennen ihr eigenes Verhalten nicht als problematisch und haben keine Krankheitseinsicht.
  • Sprachliche Variante (PPA): Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen, Lesen oder Schreiben stehen im Vordergrund. Die Primär Progressive Aphasie (PPA) zeigt sich in drei verschiedenen Formen, je nachdem, welche sprachlichen Fähigkeiten am stärksten eingeschränkt sind:
    • Semantischer Typ: Menschen mit dieser Form verlieren nach und nach das Verständnis für Wörter.
    • Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mit der Zeit immer schwieriger.
    • Logopenischer Typ: Bei dieser Form fällt es den Betroffenen schwer, die richtigen Worte zu finden.

Genetische Aspekte der FTD

Frontotemporale Demenz kann eine Erbkrankheit sein, muss es aber nicht. In rund 60 Prozent der Fälle tritt die Erkrankung ohne erkennbare Vorbelastung auf (sporadische FTD). In rund 40 Prozent der Fälle zeigt sich eine familiäre Häufung. Bei etwa 10 bis 15 Prozent aller Menschen mit FTD lässt sich eine genetische Veränderung nachweisen, die die Erkrankung auslöst. Meist handelt es sich um Mutationen in den Genen C9orf72, GRN oder MAPT.

Diagnose von Apathie bei Demenz

Die Diagnose von Apathie bei Demenz erfordert eine sorgfältige Anamnese, die Erhebung der Krankengeschichte und die Einschätzung der Angehörigen. Da es derzeit kein einzelnes Verfahren gibt, das FTD eindeutig nachweisen kann, erfolgt die Diagnose in mehreren Schritten. Dabei ist es wichtig, andere mögliche Ursachen für die Sympome auszuschließen:

  • Anamnese: Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte und prüft grundlegende kognitive Fähigkeiten, zum Beispiel das Gedächtnis.
  • Befragung der Angehörigen: Besonders bei der Verhaltensvariante sind Einschätzungen aus dem Umfeld entscheidend. Denn Erkrankte zeigen oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen.
  • Kognitive Tests: Diese erfassen spezifische Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten, die für FTD typisch sind. Betroffene erzielen im Mini-Mental-Status-Test (MMST) häufig volle Punktzahlen.
  • Bildgebende Verfahren: Mithilfe von MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar gemacht werden.
  • Genetische Untersuchungen: Liegen in der Familie weitere Fälle von FTD vor, kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.

Spezifische Skalen können zur Beurteilung von Ursachen (zum Beispiel Schmerzen, Depression) und Schweregrad der Verhaltensstörungen eingesetzt werden.

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Therapie von Apathie bei Demenz

Da Apathie ein komplexes Symptom mit vielfältigen Ursachen ist, erfordert die Behandlung einen umfassenden Ansatz, der sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Therapieverfahren umfasst.

Medikamentöse Therapie

Eine klare medizinische Therapie gegen Apathie bei Demenz existiert bisher nicht. Auch Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen, gibt es leider nicht. Weltweit wird dazu jedoch intensiv geforscht.

  • Antidementiva: Antidementiva (Galantamin, Donepezil, Rivastigmin, Memantin) können bei Verhaltensstörungen wirksam sein.
  • Antidepressiva: Am besten sind Serotinwiederaufnahmehemmer zur Behandlung einer affektiven Symptomatik untersucht.
  • Oxytocin-Nasenspray: Eine Studie zeigt, dass ein Nasenspray mit Oxytocin die Gleichgültigkeit zu reduzieren scheint. Die Ergebnisse zeigten einen signifikanten Rückgang der Apathie bei Patienten, die mit Oxytocin behandelt wurden, im Vergleich zu jenen, die nur ein Placebo erhielten.

Es ist wichtig zu beachten, dass Psychopharmaka nur dann eingesetzt werden sollten, wenn die nichtmedikamentösen Interventionen nicht effektiv waren. Zuvor muss eine gründliche somatische Abklärung erfolgen. Anticholinerg wirksame, sedierende und muskelrelaxierende Medikamente sollten gemieden werden.

Nicht-medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapien sind ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Apathie bei Demenz. Sie können helfen, die Selbstständigkeit zu fördern, den Alltag zu strukturieren und kognitive Fähigkeiten möglichst lange zu erhalten.

  • Psychosoziale Interventionen: Zu psychosozialen Interventionen liegen evidenzbasierte Daten vor. Effektstärken für Erinnerungstherapie, Ergotherapie, körperliche Aktivitäten und aktive Musiktherapie wurden publiziert.
  • Sanfte Aktivierung: Fördere geistige und körperliche Aktivitäten ohne Überforderung.
  • Sinnesreize: Kühle Waschungen, Basale Stimulation oder einfache Umschläge wecken Impulse.
  • Musik: Lieblingsmusik oder gemeinsame Konzertbesuche können aktivieren.
  • Küche einbeziehen: Beim Kochen helfen lassen, denn Geräusche und Düfte wirken stimulierend.
  • Aroma-Handmassagen: Mit Jasmin, Rosengeranie oder Lavendel sanft die Sinne ansprechen.
  • Natur erleben: Sitzplätze im Freien mit frischer Luft, Wind, Farben und Vogelstimmen, all das schafft Eindrücke.
  • Liebevolle Begleitung: Auch ohne Rückmeldung wirkt ein freundlicher und geduldiger Umgang tief.

Weitere nicht-medikamentöse Therapieformen sind:

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  • Kognitive Förderung (strukturierte Trainings, alltagsnahe Aufgaben)
  • Ergotherapie
  • Musik-, Kunst- oder Tanztherapie
  • Biografiearbeit zur Aktivierung von Erinnerungen
  • Gartentherapie

Es ist wichtig, dass die Angebote zu den individuellen Möglichkeiten passen und regelmäßig von geschultem Personal angeleitet werden.

Weitere Maßnahmen

Neben therapeutischen Maßnahmen gibt es viele kleine Dinge, die dazu beitragen können, dass Menschen mit Frontotemporaler Demenz länger körperlich und geistig aktiv bleiben. Vieles lässt sich unkompliziert in den Alltag integrieren:

  • Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert Fitness, Stimmung und Schlaf. Moderate Bewegung wie Walking, Tanzen oder Gymnastik wirkt ausgleichend und baut Ängste ab.
  • Geistige Anregung: Aktivitäten, die das Gehirn fordern, können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Geeignet sind Brettspiele, Puzzles, Handarbeiten oder Basteln. Wichtig ist, dass die Beschäftigung Freude macht und nicht überfordert.
  • Soziale Kontakte: Ein gutes Miteinander macht zufriedener - und hält den Kopf fit. Ein Treffen mit Freunden, Familie oder Nachbarn kann ebenso bereichernd sein wie der Besuch einer Tagespflege oder eines Demenzcafés.

Umgang mit Apathie im Alltag

Der Umgang mit apathischen Menschen mit Demenz erfordert viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Verständnis. Hier sind einige Tipps, die helfen können:

  1. Ursachen abklären: Könnte eine Depression oder eine andere Erkrankung vorliegen?
  2. Medikamente prüfen: Beruhigungsmittel oder Antipsychotika können Apathie begünstigen.
  3. Klare Kommunikation: Verwenden Sie kurze, einfache Sätze und vermeiden Sie komplexe Anweisungen.
  4. Einfache Angebote: Bieten Sie einfache Aktivitäten an, die den Betroffenen nicht überfordern.
  5. Positive Impulse setzen: Auch ohne Rückmeldung wirkt ein freundlicher und geduldiger Umgang tief.

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