Nervenschmerzen, auch bekannt als neuropathische Schmerzen, können das tägliche Leben stark beeinträchtigen. Sie entstehen, wenn Nervenfasern beschädigt sind, was zu einer Vielzahl von Symptomen führt, darunter das Gefühl von "Ameisenlaufen". Die Behandlung von Nervenschmerzen unterscheidet sich von anderen Schmerzarten, die infolge einer Gewebeschädigung entstehen. Nervenschmerzen entstehen im Unterschied hierzu als direkte Folge einer Schädigung von Gefühlsnerven.
Was sind Nervenschmerzen?
Nervenschmerzen sind Schmerzen, die durch Schädigungen oder Funktionsstörungen des Nervensystems verursacht werden. Beschädigte Nerven können überempfindlich reagieren und beginnen, Schmerzsignale zu senden, ohne dass eine direkte Ursache vorhanden ist. Sie können eine Art Eigenleben entwickeln, bei dem sie spontan aktiv werden. Diese erhöhte Aktivität kann zu starken Schmerzempfindungen führen.
Ursachen und Symptome von Nervenschmerzen
Nervenschmerzen können am gesamten Körper auftreten - entweder nur an einer Stelle oder an verschiedenen Stellen gleichzeitig. Zurückzuführen sind sie auf Nervenschädigungen, die vielfältige Ursachen haben können. Sie entstehen beispielsweise durch eine Grunderkrankung, einen Unfall oder eine Operation.
Die Symptome der Nervenschmerzen können in ihrer Intensität variieren. Sie überkommen die Person plötzlich und werden oft als stark empfunden. Typischerweise treten Nervenschmerzen in Ruhe auf. Sie können kurz, das heißt über einen Zeitraum weniger Sekunden bis Minuten, oder auch über Stunden, Tage und Wochen auftreten. Nervenschmerzen unterscheiden sich von anderen Schmerzen dahingehend, dass die Schmerzen nicht an den Nervenendigungen auftreten, sondern dort, wo die Nervenbahn geschädigt ist. So verändert sich auch die Sensibilität der Haut. Das bedeutet, dass äußere Reize wie Temperatur (Kälte, Wärme) oder Druck in den Arealen, in denen eine Nervenschädigung auftritt, zum Beispiel als stärker oder weniger schmerzhaft empfunden werden als vorher oder an einer anderen Körperstelle. Zudem sind weitere Beschwerden möglich wie eine Allodynie oder eine Hyperalgesie (gesteigerte Schmerzempfindlichkeit). Neben den Gefühlsstörungen kommt es bei geschädigten Nerven auch zu Fehlfunktionen der mit ihnen verbundenen Muskeln.
Treten Nervenschmerzen auf, sind sie die Folge von gereizten oder geschädigten Nervenfasern des zentralen (Gehirn und Rückenmark) oder des peripheren Nervensystems. Bei Letzterem handelt es sich um die Nerven, die im Körper außerhalb von Gehirn und Rückenmark verlaufen.
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Nervenschädigungen haben unterschiedliche Ursachen, daher variieren die Nervenschmerzen in ihrer Ausprägung. Die Gefühlsstörungen im peripheren Nervensystem treten entweder lokal begrenzt (fokal), multifokal (mehrere Krankheitsherde, die über den Körper verteilt sind, die sich gleichzeitig bemerkbar machen) oder generalisiert auf.
Einige der Ursachen für Nervenschmerzen sind:
- Diabetes mellitus: Hier schädigt ein dauerhaft erhöhter Blutzucker die Nervenfasern an verschiedenen Stellen im Körper. Die Betroffenen können ein Spektrum an Empfindungen erleben, von Kribbeln und Taubheit bis hin zu intensiven Schmerzen. Diese Schmerzen können durch Berührungen oder sogar durch das Tragen von Kleidung ausgelöst werden, die unter normalen Umständen nicht schmerzhaft wären.
- Vitamin-B12-Mangel: Führt auf Dauer dazu, dass sich die Myelinscheiden, die für eine rasche Reizweiterleitung entlang der Nervenfasern verantwortlich sind, zurückbilden.
- Engpass-Syndrome: Wie das Karpaltunnelsyndrom.
- Akute oder chronische Radikulopathie: Dabei handelt es sich um eine Schädigung oder Reizung einer Nervenwurzel.
- Verschiedene Medikamente: (z.B. Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie: Eine Nebenwirkung einiger chemotherapeutischer Medikamente, die Nervenschäden in den Extremitäten verursacht.)
Es können Gefühlsstörungen wie Taubheit oder eine Überempfindlichkeit auftreten. Nervenschmerzen werden häufig als elektrisierend, einschießend oder brennend beschrieben.
Häufige Folgeerkrankungen von Nervenschädigungen
- Postherpetische Neuralgie: Anhaltende Schmerzen in einem Bereich, der von Herpes Zoster, auch bekannt als Gürtelrose, betroffen war, nachdem der Ausschlag abgeklungen ist.
- Diabetische Neuropathie: Schädigung der Nerven als Folge von Diabetes, die zu Schmerzen, Taubheit und Kribbeln, hauptsächlich in den Füßen und Beinen, führt.
- Trigeminusneuralgie: Eine Erkrankung, die durch starke Schmerzattacken im Bereich des Gesichts gekennzeichnet ist, insbesondere entlang des Trigeminusnervs. Zu den Nervenschmerzen zählt z.B. die Trigeminusneuralgie mit einschießenden, teils elektrisierenden Gesichtsschmerzen.
- Phantomschmerz: Schmerzen, die in einem Körperteil gefühlt werden, der amputiert wurde oder anderweitig nicht mehr vorhanden ist.
- Polyneuropathie: Eine Erkrankung, die viele Nerven im Körper betrifft, oft verbunden mit Diabetes, Alkoholmissbrauch oder Infektionen.
- Karpaltunnelsyndrom: Ein Engpasssyndrom des Handgelenks, das Nervenschmerzen, Taubheit und Kribbeln in der Hand verursacht.
- Multiple Sklerose: Eine Krankheit des zentralen Nervensystems, die zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann, einschließlich Nervenschmerzen.
- Ischias: Schmerzen, die entlang des Ischiasnervs verlaufen, vom unteren Rücken über die Hüfte bis zu den Beinen.
- HIV-assoziierte Neuropathie: Nervenschäden, die als Komplikation einer HIV-Infektion oder der Behandlung auftreten können.
- Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie: Eine Nebenwirkung einiger chemotherapeutischer Medikamente, die Nervenschäden in den Extremitäten verursacht.
Wann zum Arzt bei Nervenschmerzen?
Nervenschmerzen gehören zum Formenkreis der chronischen Schmerzen und lassen sich je nach Ursache unterschiedlich erfolgreich behandeln. Dies belastet die betroffene Person psychisch und physisch oft erheblich und schränkt die Lebensqualität möglicherweise stark ein. Ein früher Behandlungsbeginn ist daher sehr wichtig, um zu verhindern, dass die Nervenschmerzen chronisch werden: Sobald die Nervenschmerzen auftreten, ist es sinnvoll, in der hausärztlichen Praxis vorstellig zu werden. Besteht der Verdacht auf eine neurologische Erkrankung, erfolgt eine Überweisung an die entsprechenden Fachärzte. Wenn der Verdacht auf Nervenschmerzen besteht, sollte ein erfahrener Schmerzmediziner aufgesucht werden.
Was macht der Arzt bei Nervenschmerzen?
Als Erstes erfolgt die Anamnese. Bei diesem ausführlichen Gespräch zur Krankengeschichte erkundigt sich der Neurologe über Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus. Auch frühere Operationen oder Unfälle könnten Nerven verletzt haben und für die Beschwerden verantwortlich sein. Neben der Art der Symptome erfragt der Arzt zudem, wie schmerzhaft diese sind. Denn die Dauer, Intensität und Art der Schmerzen lassen wichtige Rückschlüsse darauf zu, welche Behandlungsmethode Erfolg bringen könnte.
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Dem Gespräch folgt die neurologische Untersuchung, mit der sich neuropathische Beschwerden aufdecken lassen, die der betroffenen Person möglicherweise nicht bewusst waren. wie die quantitative sensorische Testung (QST). Dabei werden die Haut und darunterliegende Nervenfasern mittels Temperatur (Wärme, Kälte) oder mechanischer Reize ( z.B. zur Messung der Leitfähigkeit. Direkt zu erkennen sind geschädigte, große Nerven mittels bildgebender Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) oder der Computertomographie (CT). Darüber hinaus entnimmt der Neurologe möglicherweise eine Probe aus einem betroffenen Nerv, um sie auf Veränderungen zu untersuchen.
Nach Abschluss dieser Untersuchungen kann sich der behandelnde Arzt dann ein umfassendes Bild von der Art den zu therapierenden Nervenschmerzen machen, um diese effektiv zu behandeln.
Wege zur Linderung von Nervenschmerzen
Nervenschmerzen stellen eine Herausforderung dar, sind aber nicht unbezwingbar. Mit der richtigen Behandlung und Anpassungen im Alltag lässt sich die Lebensqualität deutlich verbessern. Wichtig ist, aktiv zu bleiben und Hilfe zu suchen.
Die Behandlung von Nervenschmerzen unterscheidet sich von anderen Schmerzarten. Zur Behandlung von Nervenschmerzen werden andere Medikamente eingesetzt als beim Gewebeschmerz, da Nervenschmerzen auf NSAR und Coxibe nicht gut ansprechen. Es hat sich gezeigt, dass Medikamente, die eigentlich zur Behandlung anderer Erkrankungen entwickelt worden sind, bei Nervenschmerzen sehr wirksam sein können. Hierzu zählen beispielsweise Medikamente gegen epileptische Anfälle (sog. Antikonvulsiva) oder Medikamente gegen Depressionen (sog. Antidepressiva). Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin und Pregabalin), sowie Antidepressiva (z.B. Amitriptylin oder Duloxetin) werden daher bei neuropathischen Schmerzerkrankungen nicht gegen Depression und Anfälle, sondern gezielt zur Schmerzlinderung eingesetzt.
Lassen sich Nervenschmerzen durch die zuvor genannten Medikamente nicht ausreichend behandeln, können mittelstark oder stark wirksame Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide zum Einsatz kommen. An den Opioiden ist besonders, dass sie sowohl bei Gewebeschmerzen wie auch bei Nervenschmerzen wirken.
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Einige der Behandlungsansätze sind:
- Medikamentöse Behandlung: Die Behandlung von Nervenschmerzen mit Medikamenten ist sehr anspruchsvoll, da klassische Schmerzmittel häufig wenig gegen die Nervenschmerzen ausrichten können. Es gibt aber Substanzklassen, deren Medikamente auch starke Nervenschmerzen lindern können. Diese Medikamente werden in der Regel in Tablettenform eingenommen und greifen beruhigend in die Funktion der Nervenzellen ein. Sie beeinflussen die Aktivität der Nervenzellen und der schmerzleitenden Nervenbahnen. Sie normalisieren die für neuropathische Schmerzen typischen Veränderungen und Störungen der Nervenfunktion. Die Wirkung entsteht durch eine Hemmung der Schmerzweiterleitung im Rückenmark. Die zuvor genannten Antikonvulsiva und Antidepressiva können jahrelang eingenommen werden, ohne dass bleibende Organschäden entstehen. Allerdings können alle diese Medikamente Nebenwirkungen haben, die zumeist im Gehirn ausgelöst werden. Am häufigsten kann es zu Müdigkeit, Schwindel und manchmal Gedächtnisstörungen kommen. Glücklicherweise verschwinden diese Nebenwirkungen regelhaft mit der Zeit oder bei Reduktion der eingenommenen Medikamentenmenge.
- Örtliche und oberflächliche Behandlung: Es gibt auch die Möglichkeit, einige Formen von Nervenschmerzen mit örtlicher und oberflächlicher Behandlung am Schmerzort zu therapieren. Die Medikamente werden dann in Form eines Pflasters oder als Creme auf die Haut aufgebracht, um bestimmte Bestandteile der Nervenzelloberfläche zu beeinflussen und die Schmerzentstehung oder -weiterleitung zu verhindern. Hierzu zählt das Medikament Lidocain, ein örtliches Betäubungsmittel - wie es auch der Zahnarzt in einer Spritze zur Betäubung verwendet. Ein andersartiges Pflaster enthält den Wirkstoff Capsaicin. Der Wirkstoff Capsaicin wird aus der Chilischote gewonnen und ist für die Schärfe mancher Speisen verantwortlich. Capsaicin kann nach Pflasterbehandlung auf der Haut dazu führen, dass sich geschädigte Nervenfasern aus der betroffenen Haut zurückziehen und damit die Nervenschmerzen in diesem Bereich für 2-3 Monate verschwinden. Danach wachsen die Nervenfasern wieder nach. Bei Wiederauftreten der Schmerzen kann dann erneut ein Capsaicin-Pflaster geklebt werden. Diese Form der Behandlung ist besonders dann sinnvoll, wenn es einen kleinen oberflächlichen Schmerzbereich gibt, etwa bei einem Nervenschmerz nach einer Gürtelrose, der auch als postherpetische Neuralgie bezeichnet wird.
- Kausale Therapie: Bei der kausalen Therapie geht es in erster Linie darum einen konkreten Auslöser für die Nervenschmerzen herauszufinden, um diesen dann gezielt zu bekämpfen. Nach Möglichkeit wird der Auslöser der Polyneuropathie behandelt. Einige Beispiele: Bei Diabetes ist unter anderem eine möglichst gute Blutzuckereinstellung wichtig. Außerdem sollten Betroffene ihre Füße regelmäßig untersuchen und schützen. Bei einer durch Alkohol ausgelösten Polyneuropathie sollte Alkohol gemieden und besonders auf eine ausgewogene Ernährung geachtet werden. Bei entzündlichen Formen der Polyneuropathie setzt man beispielsweise Glukokortikoide oder Immunglobuline ein.
- Invasive Therapie: Die Invasive Therapie hingegen ist nur dann empfehlenswert, wenn andere Therapien gegen Nervenschmerzen nicht erfolgreich waren. Denn bei dieser Behandlung werden die Nervenschmerzen durch elektrische Impulse verringert.
- Physiotherapie: Eine Physiotherapie kann bei akuten Nervenschmerzen eine positive Wirkung haben und dazu beitragen Nervenschmerzen nachhaltig zu lindern. Dies gilt auch für eine Ergotherapie. Physiotherapie kann bei der Behandlung von Nervenschmerzen eine maßgebliche Rolle spielen, insbesondere bei Schmerzen, die durch physische Verletzungen oder Zustände wie einen Bandscheibenvorfall verursacht werden. Durch gezielte Übungen kann die Mobilität verbessert und Schmerzen können gelindert werden.
- Psychologische Unterstützung: Des Weiteren kann einigen Patienten mit Nervenschmerzen auch durch psychologische Unterstützung geholfen werden. Insbesondere wenn diese darauf abzielt die Schmerzakzeptanz zu verbessern. Eine Psychotherapie kann helfen, besser mit Schmerzen oder möglichen Folgen einer Polyneuropathie wie Schlafstörungen oder Depressionen umzugehen. Austausch und gegenseitige Unterstützung finden Betroffene in Selbsthilfegruppen.
- Alternative Methoden: Viele Betroffene finden auch durch alternative Behandlungsmethoden wie Akupunktur, Meditation und Entspannungstechniken Linderung. Diese Methoden können helfen, den Stresslevel zu senken, der oft mit chronischen Schmerzen einhergeht.
- Lebensstil Anpassungen: Ausreichend Schlaf bietet Erholung in stressigen Lebensphasen und kann damit auch die Schmerzintensität und das Empfinden abmildern. Eine gesunde Ernährung, reich an B-Vitaminen, unterstützt die Nervengesundheit. Besonders Vitamin B12 ist wichtig. Regelmäßige, sanfte Bewegung hilft. Regelmäßige Temperaturreize durch kalte und warme Kneipp-Anwendungen können womöglich das Schmerzempfinden verändern. Einfach probieren und etwas Geduld aufbringen. Achtung: bei Herz-Kreislauf-Problemen oder Durchblutungsstörungen erst den Arzt fragen! Und per Thermometer sicherstellen, dass durch das Wasser kein Verbrühen droht! Nikotin und Alkohol schaden den Nerven. Also: bitte darauf verzichten.
Medikamente zur Schmerzlinderung
Bei stärkeren Beschwerden kann der Arzt Präparate gegen Depressionen oder Epilepsie verordnen. Diese lindern auch Nervenschmerzen. In besonders schweren Fällen wird eine Behandlung bei einem spezialisierten Schmerztherapeuten nötig, der eventuell auch Opio-ide einsetzt. Oft ist es sinnvoll, mehrere Wirkstoffe zu kombinieren. Bei lokal begrenzten Schmerzen kann eine Behandlung mit einem Chili-Pflaster helfen. Schmerzen durch eine Polyneuropathie lassen sich möglicherweise mit verschiedenen Medikamenten abschwächen, aber meistens nicht ganz beheben. Häufig tritt die Wirkung erst nach einigen Wochen ein. Es kann nötig sein, verschiedene Wirkstoffe und Dosierungen zu testen. Im ärztlichen Gespräch sollte geklärt werden, welche Therapien gegen Schmerzen infrage kommen, welche Vor- und Nachteile sie haben können und welche Erfolgsaussichten bestehen. Vorab sollte außerdem besprochen werden, ob die gesetzliche Krankenkasse für die ausgewählte Behandlung zahlt. Nicht bei allen Therapieverfahren existieren sichere wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit. Als Schmerzmittel infrage kommen zum Beispiel: bestimmte Epilepsie-Medikamente, bestimmte Antidepressiva, Opioide, vor allem bei stärkeren Schmerzen. Manche Patientinnen oder Patienten sprechen auf Pflaster mit dem Betäubungsmittel Lidocain oder Capsaicin an, dem Wirkstoff der Chilischote.
Polyneuropathie: Eine spezielle Form der Nervenschmerzen
Bei einer Polyneuropathie erkranken periphere Nerven - das sind die Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Oft kommt es zu Brennen, Kribbeln, Taubheitsgefühlen oder Schmerzen, meist in Füßen und Beinen. Mindestens fünf Prozent aller älteren Menschen haben eine Polyneuropathie. Es gibt zahlreiche Ursachen. Häufige Gründe sind Diabetes, Alkoholkonsum oder Medikamente. Falls möglich, wird der Auslöser behandelt.
Was ist eine Polyneuropathie?
Der Begriff „Neuropathie“ bedeutet sinngemäß Nervenleiden, also Erkrankung der Nerven. Der Wortbestandteil „poly“ steht für „viele“. Bei einer Polyneuropathie erkranken also viele Nerven. Bei einer Polyneuropathie sind periphere Nerven betroffen. Darunter versteht man die Gesamtheit aller Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark.
Polyneuropathie-Symptome: Wie äußert sich die Nervenerkrankung?
Eine Polyneuropathie kann unterschiedliche Beschwerden hervorrufen, je nachdem, welche Nervenabschnitte erkrankt sind. Vereinfacht gesagt, sind die Enden langer Nerven besonders anfällig für Schäden, zum Beispiel durch Nährstoffmangel. Deshalb beginnt eine Polyneuropathie oft weit entfernt vom Rumpf in den Füßen. Häufig zeigen sich die Symptome gleichmäßig auf beiden Seiten, sozusagen sockenförmig in beiden Füßen. Im Verlauf können sich die Beschwerden strumpfförmig auf beide Unterschenkel ausbreiten. Seltener oder erst im weiteren Verlauf sind Hände und Arme betroffen. Manchmal zeigt sich eine Polyneuropathie nur an einem Bein oder einem Arm oder aber am Körperstamm.
Häufige Symptome einer Polyneuropathie sind beispielsweise:
- Kribbeln
- Gefühl von Ameisen unter der Haut, „Ameisenlaufen“
- Taubheitsgefühle, Pelzigkeitsgefühle
- Vermindertes Temperaturempfinden
- Verminderte Sensibilität
- Schmerzen, oft als Brennen oder Stechen empfunden
- Überempfindlichkeit
- Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, Muskelzucken
- Gangschwierigkeiten, etwa Unsicherheiten beim Gehen, Gefühl, als würde man auf Watte gehen
Die Ausprägung der Beschwerden kann variieren. Einige Betroffene fühlen nur gelegentlich ein Kribbeln im Bein. Für andere ist schon das Berühren der Bettdecke eine Qual.
Auch autonome Nerven können erkranken. Autonome oder vegetative Nerven steuern verschiedene Körperfunktionen, die wir nicht oder nur teilweise willentlich beeinflussen können - zum Beispiel die Herzfrequenz, die Atmung, die Verdauung, die Blasenfunktion, die Schweißbildung. Auch diese Nerven können bei einer Polyneuropathie betroffen sein. Das kann Symptome verursachen wie Verdauungsstörungen, Blasenentleerungsstörungen oder Störungen der Herzfunktion.
Ursachen der Polyneuropathie: Diabetes, Alkohol und mehr
Die Liste möglicher Auslöser einer Polyneuropathie ist sehr lang. Bei etwa einem Viertel aller Betroffenen bleibt die Ursache trotz intensiver Suche unklar. Bei Polyneuropathien gibt es selten auch erbliche Formen.
Zu den häufigen Ursachen einer Polyneuropathie zählen beispielsweise:
- Diabetes mellitus (diabetische Neuropathie)
- Alkoholmissbrauch (alkoholische Polyneuropathie)
- Medikamente, etwa eine Chemotherapie bei Krebs (Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie)
- Grunderkrankungen, wie eine Nieren- oder eine Tumorerkrankung
Beispiele für weitere Auslöser der Nervenkrankheit sind:
- Autoimmunerkrankungen, zum Beispiel ein Guillain-Barré-Syndrom
- Infektionen, wie eine Borreliose oder eine HIV-Infektion
- Vergiftungen, etwa durch Schwermetalle wie Thallium oder Arsen
- Stoffwechselstörungen, etwa Schilddrüsenstörungen
- Vitaminmangel, zum Beispiel ein Vitamin-B12-Mangel, manchmal durch einen Missbrauch von Lachgas verursachte eine Überdosierung von Vitamin B6
- Eine schwere Krankheit mit Therapie auf Intensivstation, zum Beispiel bei einer Blutvergiftung
Wie wird eine Polyneuropathie diagnostiziert?
Erste Anlaufstelle ist oft die hausärztliche Praxis. Die Ärztin oder der Arzt kann - falls nötig - an eine passende Spezialistin oder einen Spezialisten überweisen. Für die Diagnose erfragt der Arzt oder die Ärztin die Krankengeschichte. Es erfolgt eine neurologische Untersuchung, bei der unter anderem Sensibilität und Muskelreflexe geprüft werden. Bei Verdacht auf eine Polyneuropathie kommen weitere Untersuchungen in Betracht, zum Beispiel:
- Untersuchung der elektrischen Aktivität der Nerven (Elektroneurographie)
- Untersuchung der elektrischen Aktivität der Muskeln (Elektromyographie)
- Untersuchung von Blut- und Urinwerten: Eine Polyneuropathie ist üblicherweise nicht direkt im Blut nachweisbar. Laborwerte können aber beispielsweise Hinweise auf auslösende Krankheiten geben.
- Entnahme und Untersuchung von Nervenwasser (Lumbalpunktion)
- Genetische Untersuchungen
Manchmal wird ein winziges Stück Nerv entnommen (Biopsie), um es unter dem Mikroskop zu untersuchen. Das lässt möglicherweise Rückschlüsse auf die Ursache zu. Auch die Entnahme und Analyse einer Hautprobe kann aufschlussreich sein. Röntgen-, Ultraschall-, MRT- und weitere Untersuchungen können zum Einsatz kommen.
Polyneuropathie-Therapie: Medikamente und weitere Behandlungsmöglichkeiten
Es gibt nicht „das eine Mittel“, das bei einer Polyneuropathie am besten hilft. Denn eine Polyneuropathie kann verschiedene Ursachen haben und sich ganz unterschiedlich zeigen. Deshalb besprechen Betroffene idealerweise mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt, welche Behandlung in der individuellen Situation geeignet erscheint.
Je nach Fall kann es sinnvoll sein, eine Ärztin oder einen Arzt mit Spezialgebiet Schmerztherapie hinzuzuziehen.
Ist eine Polyneuropathie heilbar?
Kann die Ursache frühzeitig beseitigt werden, ist eine Polyneuropathie eventuell heilbar. Die Symptome können sich zurückbilden. Das gelingt allerdings nicht in jedem Fall. Ist die Krankheit schon fortgeschritten oder die Ursache nicht behebbar, kann man zumindest versuchen, den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen.
Kann man einer Polyneuropathie vorbeugen?
Eine Polyneuropathie lässt sich nicht in jedem Fall verhindern.
Was Sie selbst bei Nervenschmerzen tun können
Nervenschmerzen lassen sich in der Regel nicht gezielt vorbeugen, dafür sind die Ursachen zu vielfältig. Grundsätzlich ist es allerdings sinnvoll, auf einen gesunden Lebensstil mit einer ausgewogenen und gesunden Ernährung und einem achtsamen Umgang mit dem eigenen Körper und der Psyche zu achten.
Ein paar Möglichkeiten, um sich Linderung zu verschaffen:
- Bewegung und Ernährung: Gute Zuckerwerte können das Fortschreiten der Neuropathie aufhalten. Bewegung und eine gesunde Ernährung wirken sich günstig auf Zucker-, Blutfett- und Blutdruckwerte und damit die Nerven aus. Zudem lenkt Bewegung vom Schmerz ab.
- TENS: Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) erzeugen Elektroden auf der Haut ein leichtes Kribbeln, das den Schmerzreiz überlagert. Es dauert einige Wochen, ehe man bei regelmäßiger Anwendung den Effekt spürt. Gelegentlich muss man erst eine kurze Verschlechterung durchhalten. Zudem wirkt die Methode nicht bei jedem. In TENS eingeführt wird man oft im Rahmen eines diabetes- oder schmerzbedingten Klinikaufenthalts. Für daheim übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Gerät.
- Hochtontherapie: Bei der Hochtontherapie sollen elektrische Schwingungen aus den Elektroden positiv auf den Nerven-Stoffwechsel wirken. Das Verfahren wenden Ärzte auch bei einem Klinikaufenthalt an. Zu Hause muss man für Behandlung, Gerätemiete oder -kauf selbst zahlen. Belege für anhaltende Effekte fehlen. (ca. 30 bis 60 Euro pro Sitzung)
- Akupunktur: Die Nadeltherapie ist bei einigen Schmerzproblemen anerkannt. Bei neuropathischen Schmerzen reichen die Belege nicht, um die Behandlung zur Kassenleistung zu machen. Meist muss man selbst zahlen (ca. 35 Euro bis 65 Euro je Sitzung). Manche Patienten berichten, dass ihnen Akupunktur hilft. Mindestens fünf bis zehn Sitzungen sind notwendig, ehe man einen Erfolg absehen kann.
- Selbstfürsorge für die Psyche: Ein wichtiges Mittel, um das Schmerzempfinden zu dämpfen, ist die persönliche Bewertung. Das liegt daran, dass im Gehirn eine enge Verbindung zwischen Schmerzreizen und negativen Gefühlen besteht. Wer es schafft, sich aus dem Sog von Befürchtungen und Hilflosigkeit zu befreien, den starke Schmerzen auslösen können, ist auf Dauer weniger belastet. Konzentrieren Sie sich auf Dinge, die Ihnen Freude bereiten und persönlich wichtig für Sie sind. Das können Hobbys sein, Treffen mit Freunden oder Musik. Wer Positives erlebt, nimmt Schmerzen in diesem Moment nicht so intensiv wahr. Und macht die Erfahrung, dass sich die Schmerzstärke beeinflussen lässt.
- Unterstützende Nährstoffe: Manche machen gute Erfahrungen mit Benfotiamin, einer veränderten Form des Vitamins B1, oder Alpha-Liponsäure, einem Antioxidans. Als Zusatztherapie kann man das probieren. Die Mittel gibt es etwa als Tabletten in der Apotheke. Ärzte können Alpha-Liponsäure als höher dosierte Infusion verabreichen. Bitte zu Dosis, Kosten und Darreichungsform mit dem Arzt beraten.
- Kontrolle lernen: Von Entspannungsverfahren über Achtsamkeitstrainings bis hin zur Selbstbeeinflussung, etwa durch eine sogenannte Fantasiereise oder durch ablenkende Übungen wie die Faust zu ballen: Es gibt viele Methoden, deren positive Wirkung bei Schmerzen gut belegt ist. Was am besten hilft, ist oft Typsache. Wichtig ist eine professionelle Anleitung. Kurse gibt es etwa in der Volkshochschule. Manche Krankenkassen bieten Kurse an.
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