Menschen mit diabetischer Neuropathie wünschen sich oft nichts sehnlicher, als wieder unbeschwert und ohne ständige Schmerzen leben zu können. Diese Nervenschädigung kann unangenehme Empfindungen bis hin zu starken Schmerzen verursachen, insbesondere in den Füßen und Beinen. Betroffene sollten daher so schnell wie möglich ihren Hausarzt oder Diabetologen aufsuchen. Neben der medikamentösen Behandlung durch den Arzt gibt es verschiedene Maßnahmen, die Betroffene selbst ergreifen können, um ihre Beschwerden zu lindern. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist jedoch individuell verschieden, sodass es sich lohnt, verschiedene Ansätze auszuprobieren. Oftmals führt eine Kombination mehrerer Methoden zum größten Erfolg.
Sollten sich die Beschwerden trotz Behandlung nicht deutlich bessern, kann ein spezialisierter Schmerztherapeut hinzugezogen werden. Zudem ist es wichtig, dass der Arzt andere mögliche Ursachen für die Beschwerden ausschließt.
Ursachen und Entstehung von Polyneuropathie
Polyneuropathie (PNP, Polyneuritis) bezeichnet Funktionsstörungen mehrerer peripherer Nerven, die nicht durch Verletzungen verursacht wurden. Sie äußern sich oft durch Symptome wie Ameisenlaufen, Kribbeln oder Schmerzen. Viele verschiedene Erkrankungen und Substanzen können die Nerven schädigen. Dazu gehören Stoffwechsel- oder hormonelle Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Akromegalie oder Schwangerschaft, aber auch Mangelernährung und Infektionen wie Borreliose, Lepra, Syphilis, HIV oder Zytomegalie. Entzündungen, rheumatische Erkrankungen und das Guillain-Barré-Syndrom können ebenfalls Polyneuropathie verursachen. Darüber hinaus können therapeutische Bestrahlung und Krebserkrankungen die Entstehung einer Polyneuropathie begünstigen.
Die Ursachenforschung kann sehr aufwendig sein und bleibt in etwa 20 % der Fälle erfolglos. Die Diagnostik umfasst neurologische Untersuchungen, bei denen Sensibilität, Vibrationsempfinden, Motorik und Reflexe geprüft werden. Zusätzlich werden Blutuntersuchungen auf mögliche Auslöser durchgeführt. Eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und eine Elektromyografie können den Verdacht auf Polyneuropathie erhärten. In manchen Fällen werden auch Gewebeproben entnommen. Ob die autonomen Nervenfasern des Herzens geschädigt sind, wird mithilfe eines EKGs geprüft. Eine Schädigung der Blasennerven kann sich durch eine inkomplette Blasenentleerung äußern.
Symptome einer Polyneuropathie
Die Symptome einer Polyneuropathie können vielfältig sein und hängen davon ab, welche Nervenabschnitte betroffen sind. Da die Enden langer Nerven besonders anfällig für Schäden sind, beginnt eine Polyneuropathie oft in den Füßen. Häufig treten die Symptome gleichmäßig auf beiden Seiten auf, sodass sich ein sockenförmiges Muster in beiden Füßen bildet. Im weiteren Verlauf können sich die Beschwerden strumpfförmig auf beide Unterschenkel ausbreiten. Seltener oder erst später sind Hände und Arme betroffen. In manchen Fällen tritt eine Polyneuropathie nur an einem Bein oder Arm oder am Körperstamm auf.
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Zu den häufigsten Symptomen einer Polyneuropathie gehören:
- Kribbeln
- Gefühl von Ameisen unter der Haut ("Ameisenlaufen")
- Taubheitsgefühle, Pelzigkeitsgefühle
- Vermindertes Temperaturempfinden
- Verminderte Sensibilität
- Schmerzen, oft als Brennen oder Stechen empfunden
- Überempfindlichkeit
- Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, Muskelzucken
- Gangschwierigkeiten, z. B. Unsicherheiten beim Gehen, Gefühl, auf Watte zu gehen
Auch autonome Nerven können betroffen sein und Symptome wie Verdauungsstörungen, Blasenentleerungsstörungen oder Störungen der Herzfunktion verursachen.
Diagnose von Polyneuropathie
Die Diagnose einer Polyneuropathie beginnt in der Regel in der hausärztlichen Praxis. Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und führt eine neurologische Untersuchung durch, bei der Sensibilität und Muskelreflexe geprüft werden. Bei Verdacht auf Polyneuropathie können weitere Untersuchungen wie die Elektroneurographie (Messung der elektrischen Aktivität der Nerven), die Elektromyographie (Messung der elektrischen Aktivität der Muskeln) und die Untersuchung von Blut- und Urinwerten durchgeführt werden. In manchen Fällen werden auch Nervenwasser (Lumbalpunktion) entnommen, genetische Untersuchungen durchgeführt oder eine Nervenbiopsie entnommen.
Behandlung von Polyneuropathie
Es gibt keine Standardtherapie für Polyneuropathie, da die Behandlung von der Ursache und den individuellen Symptomen abhängt.
Behandlung der Ursache
Nach Möglichkeit sollte die Ursache der Polyneuropathie behandelt werden. Bei Diabetes ist eine gute Blutzuckereinstellung wichtig. Bei einer durch Alkohol ausgelösten Polyneuropathie sollte Alkohol gemieden werden. Bei entzündlichen Formen der Polyneuropathie können beispielsweise Glukokortikoide oder Immunglobuline eingesetzt werden.
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Schmerzlinderung
Schmerzen, die durch Polyneuropathie verursacht werden, können mit verschiedenen Medikamenten gelindert werden. Dazu gehören bestimmte Epilepsie-Medikamente, Antidepressiva und Opioide. Auch Pflaster mit Lidocain oder Capsaicin können helfen.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten
Neben Medikamenten gibt es weitere Behandlungsmöglichkeiten, die bei Polyneuropathie eingesetzt werden können:
- Physiotherapie: Kann bei Muskelschwäche oder Gleichgewichtsstörungen helfen.
- Ergotherapie: Kann helfen, Gelenkversteifungen zu vermeiden und Muskeln wiederaufzubauen.
- Psychotherapie: Kann helfen, besser mit Schmerzen oder möglichen Folgen einer Polyneuropathie wie Schlafstörungen oder Depressionen umzugehen.
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Elektroden auf der Haut erzeugen ein leichtes Kribbeln, das den Schmerzreiz überlagert.
- Hochtontherapie: Elektrische Schwingungen sollen positiv auf den Nerven-Stoffwechsel wirken.
- Akupunktur: Manche Patienten berichten, dass ihnen Akupunktur hilft.
- Wasseranwendungen: Regelmäßige Temperaturreize durch kalte und warme Kneipp-Anwendungen können womöglich das Schmerzempfinden verändern.
- Magnettherapie: Neuere Studien zeigen positive Effekte bei diabetischer Neuropathie.
Selbsthilfemaßnahmen
Neben den ärztlichen und therapeutischen Maßnahmen können Betroffene auch selbst einiges tun, um ihre Beschwerden zu lindern:
- Gute Zuckerwerte: Gute Zuckerwerte können das Fortschreiten der Neuropathie aufhalten.
- Bewegung und gesunde Ernährung: Bewegung und eine gesunde Ernährung wirken sich günstig auf Zucker-, Blutfett- und Blutdruckwerte und damit die Nerven aus. Zudem lenkt Bewegung vom Schmerz ab.
- Verzicht auf Nikotin und Alkohol: Nikotin und Alkohol schaden den Nerven.
- Selbstfürsorge für die Psyche: Konzentrieren Sie sich auf Dinge, die Ihnen Freude bereiten und persönlich wichtig für Sie sind.
- Unterstützende Nährstoffe: Manche machen gute Erfahrungen mit Benfotiamin oder Alpha-Liponsäure.
- Kontrolle lernen: Entspannungsverfahren, Achtsamkeitstrainings und Selbstbeeinflussung können helfen, das Schmerzempfinden zu dämpfen.
- Füße gut pflegen: Die Empfindungsstörungen bei Polyneuropathien können gefährliche Folgen haben.
- Mobil bleiben: Nutzen Sie physikalische Therapien und Krankengymnastik, um gelenkig zu bleiben.
- Wadenkrämpfe lindern: Zur Behandlung von Wadenkrämpfen kann Magnesium versucht werden.
- Schwindel- und Schwächegefühle behandeln: Tragen Sie Stützstrümpfe und stehen Sie langsam auf, um Schwindel zu vermeiden.
- Blasenstörungen in den Griff bekommen: Gehen Sie regelmäßig zur Toilette, damit sich nicht zu viel Restharn in der Blase ansammelt.
- Erektionsstörungen ansprechen: Polyneuropathien machen auch vor dem vegetativen Nervensystem nicht halt.
Heilungschancen und Vorbeugung
Kann die Ursache der Polyneuropathie frühzeitig beseitigt werden, ist eine Heilung möglich und die Symptome können sich zurückbilden. Ist die Krankheit jedoch schon fortgeschritten oder die Ursache nicht behebbar, kann man zumindest versuchen, den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen.
Einer Polyneuropathie lässt sich nicht in jedem Fall vorbeugen. Allerdings können Menschen mit Diabetes ihr Risiko für einen diabetischen Nervenschaden senken, indem sie nicht rauchen, wenig Alkohol trinken, bei Übergewicht abnehmen, auf gute Blutzucker- und Blutdruckwerte achten, täglich ihre Füße untersuchen und regelmäßig zu den Kontrolluntersuchungen gehen.
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Polyneuropathie bei Jürgen Drews
Auch der Schlagersänger Jürgen Drews leidet unter einer Polyneuropathie, wie seine Tochter Joelina Drews in einem Interview bestätigte. Obwohl es sich bei ihrem Vater nur um eine leichte Form der Erkrankung handle, dürfe man diese nicht unterschätzen. Eines der Symptome, unter denen Jürgen Drews leidet, sind Gangschwierigkeiten.
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