Ein Schlaganfall kann weitreichende Folgen haben, darunter Appetitlosigkeit und damit verbundener Gewichtsverlust. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen für Appetitlosigkeit nach einem Schlaganfall und stellt Behandlungsansätze vor, um Betroffenen zu helfen, wieder zu Kräften zu kommen.
Was ist ein Schlaganfall?
Ein Schlaganfall, auch Gehirnschlag oder Apoplex genannt, ist eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn. Es gibt zwei Haupttypen:
- Ischämischer Schlaganfall: Hierbei wird ein Blutgefäß im Gehirn durch ein Blutgerinnsel verstopft, was zu einer Unterversorgung von Hirnarealen führt. Dies macht etwa 80 % der Fälle aus.
- Hämorrhagischer Schlaganfall: Dieser wird durch eine Hirnblutung verursacht, die durch schwache oder beschädigte Blutgefäße entstehen kann.
Ursachen von Appetitlosigkeit nach einem Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall leiden viele Betroffene unter Appetitlosigkeit. Mehrere Faktoren können dazu beitragen:
- Schluckstörungen (Dysphagie):
- Etwa die Hälfte aller Schlaganfall-Patienten ist in der Akutphase von einer Schluckstörung betroffen, bei einem Viertel bleibt sie bestehen.
- Dysphagie erschwert das Essen und Trinken, was zu einer verminderten Nahrungsaufnahme führen kann.
- Der Fachbegriff Dysphagie steht für die schmerzfreie Störung beim Herunterschlucken von fester Nahrung und Flüssigkeiten.
- Davon abgegrenzt wird die Odynophagie, die schmerzhafte Schluckstörung.
- Je nach Schweregrad kann diese Schluckstörung die Nahrungsaufnahme erschweren oder sogar gänzlich unmöglich machen, wenn Nahrung und Flüssigkeiten nicht mehr in die Speiseröhre und den Magen transportiert werden können.
- Störungen im Mundraum während der „oralen Schluckphase“, das heißt an Zunge, Lippen oder Kiefer, führen meist dazu, dass Nahrungsbrei nicht ausreichend zerkleinert wird, im Mundraum bleibt und wieder austritt. Weitaus gefährlicher ist es, wenn der Kiefer oder das Gaumensegel falsch stehen, so dass sich Betroffene ernsthaft an der Nahrung verschlucken können.
- Schließt der Speiseröhren-Schließmuskel nicht richtig oder verkrampft, fühlt sich das an, als würde die Nahrung im Hals „stecken bleiben“.
- Bei einer ösophagealen Dysphagie kann dieser Prozess nur eingeschränkt oder gar nicht stattfinden. Oft ist die Speiseröhre permanent verengt oder komplett verstopft.
- Motorische Beeinträchtigungen:
- Eine einseitige Lähmung (Hemiparese) kann das Essen und Trinken erschweren, da Betroffene Schwierigkeiten haben, Besteck zu halten und Nahrung zum Mund zu führen.
- Infolge eines Schlaganfalls kommt es häufig auch zu einer Beeinträchtigung der Zungen- und Mundbewegung.
- Neurologische Auswirkungen:
- Der Schlaganfall kann das Zusammenspiel der Muskeln und Organe im Schluckprozess beeinträchtigen, was zu Schluckstörungen führt.
- Störungen des Nervensystems, im Rückenmark oder im Gehirn können das Zusammenspiel der Muskeln und Organe im Schluckprozess beeinträchtigen.
- Psychische Faktoren:
- Weltweit entwickelt etwa ein Drittel aller Betroffenen innerhalb des ersten Jahres nach einem Schlaganfall eine behandlungswürdige Depression.
- Viele Schlaganfallpatienten fühlen sich antriebslos, müde und verspüren keinen Hunger.
- Eine Depression nach einem neurologischen Ereignis kostet Betroffene unendlich viel Kraft.
- Gefühle von Antriebs- und Kraftlosigkeit, eine Stimmung von Gedrücktheit und Verzagtheit.
- Sie sind schweigsam, in sich zurückgezogen.
- Betroffene blicken mit Selbstzweifeln und Angst in die Zukunft, fühlen sich dem Leben nicht mehr gewachsen. Nicht selten äußern sie die Sorge, von anderen abhängig zu sein und ihnen dabei zur Last zu fallen.
- Weitere medizinische Ursachen:
- Auch Infektionen und Entzündungen im Mund- und Rachenraum, akute Tumore, allgemeine Fehlbildungen und spezielle Situationen wie der Durchbruch des Zwerchfells oder Erkrankungen der Speiseröhre können eine Schluckstörung auslösen. Ebenso sind Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS-Syndrom) oft mit Schluckstörungen verbunden.
- Munderkrankungen wie beispielsweise Zahnfleischentzündungen und Mundsoor können die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren.
Folgen von Appetitlosigkeit und Mangelernährung
Appetitlosigkeit nach einem Schlaganfall kann zu Mangelernährung und Dehydration führen. Dies hat weitreichende Folgen:
- Verlängerte Erholungszeit: Mangelernährung kann die Leistungsfähigkeit der inneren Organe beeinträchtigen und Heilungsprozesse verlangsamen.
- Muskelverlust und Schwäche: Wenn dem Körper nicht genügend Nährstoffe zugeführt werden, kommt es zu Gewichtsabnahme und Muskelverlust, was die Rehabilitation beeinträchtigen kann.
- Erhöhtes Komplikationsrisiko: Mangelernährung schwächt das Immunsystem und erhöht das Risiko für Infektionen und andere Komplikationen.
- Verminderte Lebensqualität: Essen und Trinken ist nicht nur wichtig für die körperliche Gesundheit, sondern auch ein Akt des Genusses, der viel mit Lebensqualität zu tun hat.
Diagnose von Schluckstörungen und Appetitlosigkeit
Um die Ursache von Schluckstörungen und Appetitlosigkeit zu ermitteln, sind verschiedene diagnostische Maßnahmen erforderlich:
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- Anamnese: Der Arzt erfragt die Art der Schluckstörung, den Zeitpunkt des ersten Auftretens und mögliche Auslöser. Notizen aus dem Pflegealltag können hierbei sehr hilfreich sein.
- Klinische Untersuchung: Der Arzt untersucht den Mund- und Rachenraum, um mögliche Ursachen wie Entzündungen oder Tumore zu erkennen.
- Schluckdiagnostik: Ein flexibles Kunststoff-Endoskop wird durch ein Nasenloch in den Rachenraum geschoben, um das Gaumensegel, die hintere Zunge, den Kehldeckel, den unteren Rachen und den Kehlkopfeingang zu begutachten (FEES - Fiberotische Endoskopische Evaluation des Schluckens).
- Weitere Untersuchungen: Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen wie eine Röntgenuntersuchung der Speiseröhre oder eine neurologische Untersuchung durchgeführt werden.
- Screening auf Mangelernährung: Es sollte ein Screening auf Mangelernährung erfolgen. Sehr gut validiert und schnell durchführbar ist die Kurzform des Mini Nutritional Assessments (MNA-SF). Das Screening kann von Ernährungsberatern, Pflegepersonal oder Ärzten durchgeführt werden.
Behandlungsansätze bei Appetitlosigkeit nach Schlaganfall
Die Behandlung von Appetitlosigkeit nach einem Schlaganfall zielt darauf ab, die Nahrungsaufnahme zu erleichtern, den Ernährungszustand zu verbessern und die Lebensqualität zu erhöhen.
- Logopädische Therapie:
- Logopäden sind auf die Behandlung von Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen spezialisiert.
- Durch gezielte Übungen können die Muskeln und Organe, die am Schlucken beteiligt sind, trainiert und gestärkt werden.
- Übungstipps für die Mundmotorik bei Schluckstörungen:
- Lippenübung: Lächeln Sie breit mit geschlossenen Lippen. Die Lippen anschließend geschlossen spitzen. Beide Schritte wiederholen.
- Zungenübungen: Strecken Sie bei leerem Mund Ihre Zunge weit heraus und ziehen Sie sie ganz schnell wieder ein. Wiederholen Sie diese Übung so schnell und so oft Sie können. Bewegen Sie Ihre Zunge oben am Gaumen vor und zurück.
- Anpassung der Ernährung:
- Die Konsistenz der Nahrung sollte an die Schluckfähigkeit des Patienten angepasst werden.
- Bei Schluckstörungen sind breiartige Speisen oft leichter aufzunehmen als feste oder flüssige Nahrung.
- Pürierte Kost kann eine gute Option sein, um sicherzustellen, dass der Patient ausreichend Nährstoffe erhält.
- Das Hinzufügen von Andickungsmittel ist bei Festnahrung oft gar nicht notwendig. Bei Getränken hingegen schon. Manche Andickungsmittel haben einen leichten Eigengeschmack, der in Kombination mit Wasser noch unangenehm durchkommen kann. Besser schmecken da oft angedickte Saftschorlen oder Tees, die diesen Geschmack leicht überdecken.
- Einzelne Gerichte können Sie problemlos eigenständig pürieren. Wichtig ist, dass die Konsistenz glatt und einheitlich ist, es sei denn, der Schlucktherapeut empfiehlt etwas anderes. Bei Lebensmittel wie Fleisch, Brot und einzelnen Gemüsesorten ist es schwierig eine einheitliche Konsistenz zu erhalten.
- Ernährungstherapie:
- Eine Ernährungsfachkraft kann einen individuellen Ernährungsplan erstellen, der auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt ist.
- Bei Bedarf kann Trinknahrung eingesetzt werden, um den Nährstoffbedarf zu decken. Die gebrauchsfertigen Drinks enthalten Energie, Eiweiß, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente in konzentrierter Form, sodass einer krankheitsbedingten Mangelernährung entgegengewirkt werden kann. Bei anhaltenden Schluckstörungen nach einem Schlaganfall eignen sich besonders konsistenzadaptierte Trinknahrung als hochwertige Ernährungsunterstützung.
- Der Ernährungsplan während der Rehabilitation sollte insbesondere bei Patienten mit Schluckstörungen Mahlzeiten und Getränke vorsehen, die an die Schluckfähigkeit und den Energie- und Eiweißbedarf des Patienten angepasst sind.
- Zusätzlich werden Zwischenmahlzeiten angeboten und Trinknahrung bereitgestellt.
- Bei einem spezifischen Nährstoffmangel werden vermehrt die Lebensmittel angeboten, die diesen Nährstoff enthalten. Auch Nahrungsergänzungsmittel können eingesetzt werden.
- Der Kostaufbau sollte bei einer Mangelernährung immer stufenweise erfolgen, da besonders bei Patienten, die mehrere Tage kaum etwas zu sich genommen haben, die Gefahr des Refeeding-Syndroms besteht.
- Hilfsmittel:
- Spezielle Essbestecke und Trinkhilfen können die Nahrungsaufnahme erleichtern, insbesondere bei motorischen Einschränkungen.
- Es empfiehlt sich auch eine Gummimatte unterhalb des Tellers zu legen. So kann der Teller nicht verrutschen und das Verspeisen der Mahlzeit kann idealerweise selbständig erfolgen. Auch eine Randerhöhung bzw.
- Im Besonderen sind Nasenausschnittsbecher zu empfehlen. Schlaganfall-Patienten empfehlen wir, die Hauptmahlzeit, d.h.
- Medikamentöse Therapie:
- Manche Begleiterscheinungen von Dysphagie lassen sich mit bestimmten Wirkstoffen abmildern. So kann zum Beispiel das Risiko einer Lungenentzündung (Pneumonie) mit bestimmten Medikamenten verringert werden. Andere Medikamente verringern konkret den Speichelfluss, wenn dieser verstärkt auftritt und eine gesundheitliche Gefahr darstellt.
- Weitere Maßnahmen:
- Eine aufrechte Körperhaltung beim Essen und Trinken kann die Nahrungsaufnahme erleichtern. Ist der von Dysphagie Betroffene bettlägerig, sollten Sie ihn zu jeder Mahlzeit und auch zum Trinken in eine aufrechte Liegeposition bringen.
- Eine sorgfältige Mundpflege kann Munderkrankungen vorbeugen, die die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren.
- Essen und Trinken sollte in einer ruhigen und entspannten Atmosphäre stattfinden, um Stress zu vermeiden. Gleichzeitig ist die Nahrungsaufnahme für Dysphagie-Betroffene ein anstrengender Vorgang, der Ruhe und Konzentration erfordert.
- Um nicht nur gegen die Ursachen, sondern auch gegen die Appetitlosigkeit selbst etwas zu tun, können zum Beispiel Gewürzpflanzen mit Bitterstoffen (zum Beispiel Anis, Fenchel, Kümmel, Rosmarin) eingesetzt werden, die appetitanregend und verdauungsfördernd wirken. Manchen Patienten hilft auch ein kleiner Schluck Pepsinwein vor dem Essen, der die appetitanregende Wirkung eines Aperitifs besitzt.
- Studien zufolge wird dann bis zu 20 Prozent mehr Nahrung verzehrt. Das Essen sollte appetitlich angerichtet sein. Ab und zu sollten ältere Menschen auch ein Restaurant besuchen - wegen der anderen Umgebung und der Abwechslung.
- Behandlung von Depressionen:
- Wenn eine Depression als Ursache für die Appetitlosigkeit identifiziert wurde, sollte diese behandelt werden. Ein vertrauensvolles Gespräch, in dem verwirrende Gedanken, Sorgen oder Gefühle von Ratlosigkeit ausgesprochen werden, kann stets zur spontanen Entlastung beitragen.
- Die Anzahl der festgestellten Symptome bestimmt die Schwere der depressiven Erkrankung. Unterschieden wird zwischen einzelnen Episoden einer leichten, mittelgradigen oder schweren Depression.
- Mögliche Konsequenzen für das weitere Leben werden be- und durchdacht. Im günstigen Fall gelingt es den Betroffenen im Laufe der Krankheitsverarbeitung, die erlebte Krise als einen Teil ihres Lebens zu akzeptieren. Als etwas, an dem sie wachsen und aus dem sie gestärkt in die Zukunft treten.
- Ein Austausch im Kreise der Familie oder mit guten Freunden, kann gleichermaßen ein tröstendes Gefühl vermitteln, nicht alleine zu sein. Möglicherweise bleibt trotz dieses Austausches der Leidensdruck der Betroffenen unverändert hoch, weil eine anhaltende Antriebslosigkeit oder die fehlende Kraft ein aktives und bestärkendes Sozialleben erschweren.
- Eine depressive Erkrankung sollte stets fachärztlich und fachpsychologisch begleitet werden. Betroffene und deren Angehörigen sollten keine Scheu davor haben, sich Unterstützung einzufordern.
Tipps für Angehörige und Pflegende
- Unterstützung beim Essen und Trinken: Helfen Sie dem Betroffenen bei der Nahrungsaufnahme, achten Sie auf eine aufrechte Körperhaltung und bieten Sie geeignete Hilfsmittel an.
- Geduld und Verständnis: Seien Sie geduldig und verständnisvoll, da die Nahrungsaufnahme für Menschen mit Schluckstörungen sehr anstrengend sein kann.
- Beobachtung: Achten Sie auf Anzeichen von Mangelernährung und Dehydration, wie Gewichtsverlust, Müdigkeit und trockene Haut.
- Kommunikation: Sprechen Sie mit dem Arzt oder Logopäden über die Probleme und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen.
- Mundpflege: Eine sorgfältige Mundpflege ist wichtig, um Munderkrankungen vorzubeugen, die die Nahrungsaufnahme zusätzlich erschweren können.
- Appetit anregen: Um nicht nur gegen die Ursachen, sondern auch gegen die Appetitlosigkeit selbst etwas zu tun, können zum Beispiel Gewürzpflanzen mit Bitterstoffen (zum Beispiel Anis, Fenchel, Kümmel, Rosmarin) eingesetzt werden, die appetitanregend und verdauungsfördernd wirken. Manchen Patienten hilft auch ein kleiner Schluck Pepsinwein vor dem Essen, der die appetitanregende Wirkung eines Aperitifs besitzt.
Prävention von Mangelernährung nach Schlaganfall
Eine frühzeitige und konsequente Behandlung von Schluckstörungen und Appetitlosigkeit kann dazu beitragen, Mangelernährung und ihre Folgen zu verhindern.
- Frühes Screening: Führen Sie bei Schlaganfall-Patienten frühzeitig ein Screening auf Mangelernährung durch.
- Individuelle Therapie: Passen Sie die Therapie an die individuellen Bedürfnisse des Patienten an.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Arbeiten Sie eng mit Ärzten, Logopäden, Ernährungsberatern und anderen Fachkräften zusammen.
- Aufklärung: Klären Sie Patienten und Angehörige über die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung und die Möglichkeiten der Ernährungsunterstützung auf.
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