Alkoholmissbrauch ist eine weit verbreitete Problematik mit potenziell schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit, insbesondere für das Gehirn. Einer der bedeutendsten Schäden infolge von Alkoholkonsum ist die alkoholassoziierte Hirnatrophie. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung, um ein umfassendes Verständnis für Betroffene und Interessierte zu schaffen.
Neurobiologische Grundlagen der Alkoholabhängigkeit
Die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Genetische Faktoren spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung einer Alkoholabhängigkeit. Dieser genetische Anteil ist offenbar in Subgruppen alkoholabhängiger Patienten mit besonders schwerem Krankheitsverlauf am stärksten ausgeprägt und könnte dort für die Entwicklung der Abhängigkeitserkrankung bedeutsamer sein als der Einfluss von Umweltfaktoren.
Ein unscheinbareres Merkmal, nämlich eine teilweise genetisch bedingte, schwache Auswirkung akuten Alkoholkonsums, ist entscheidend an der Disposition zur Alkoholabhängigkeit beteiligt. Personen, die akut nur wenig Auswirkungen des Alkohols verspüren, sind besonders gefährdet, alkoholabhängig zu werden, da ein natürliches Warnsignal fehlt. Aktuelle genetische Studien und Untersuchungen im Primatenmodell weisen darauf hin, dass die erhöhte Alkoholtoleranz Folge einer Unterfunktion der serotonergen Neurotransmission sein könnte.
Soziale Isolation stellt einen weiteren Risikofaktor dar. Rhesusaffen, die ohne Mütter aufwachsen müssen, zeigten in Studien als erwachsene Tiere einen exzessiven Alkoholkonsum. In Adoptionsstudien zeigte sich, dass auch Menschen, die in ihrer frühen Kindheit lange in Heimen leben mussten, als Erwachsene häufig exzessiv Alkohol konsumieren und ein erhöhtes Risiko aufweisen, alkoholabhängig zu werden. Eine erhebliche Diskrepanz zwischen Wünschen und sozialen Möglichkeiten kann zum Rückzug in einen exzessiven Alkoholkonsum beitragen, und die gesellschaftliche Ablehnung und abwertende Etikettierung abhängigen Verhaltens kann die soziale Isolation weiter verstärken.
Alkoholassoziierte Hirnatrophie: Definition und Auswirkungen
Die alkoholassoziierte Hirnatrophie betrifft die graue und weiße Substanz des Gehirns und lässt sich in bildgebenden Verfahren als Ventrikelerweiterung und Verbreiterung der Sulci darstellen. Bei vergleichbarem Alkoholkonsum sind Frauen von einer Hirnatrophie stärker betroffen als Männer. Die Hirnatrophie ist im frontalen Kortex und Zerebellum besonders ausgeprägt, findet sich aber auch im anterioren Hippocampus alkoholabhängiger Patienten, und zwar unabhängig vom Vorliegen eines Wernicke-Korsakow-Syndroms. Das Ausmaß der alkoholassoziierten Hirnatrophie im frontalen und temporalen Kortex ist klinisch besonders wichtig, da eine Störung der genannten Hirnareale die längerfristige Handlungsplanung und das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigen und einen auf kurzfristige Belohnung angelegten Alkoholkonsum verstärken kann.
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Symptome der Alkoholabhängigkeit
Zu den Symptomen der Alkoholabhängigkeit zählen die Toleranzerhöhung, Entzugssymptome bei Beendigung des Konsums, ein Verlangen nach Alkohol, die Kontrollminderung beim Alkoholkonsum, ein anhaltender Missbrauch trotz schädlicher Folgen und ein Vorrang des Alkoholkonsums vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen.
Toleranzentwicklung und Entzugssymptomatik
Bedeutsame Merkmale für ein neurobiologisches Verständnis der Alkoholabhängigkeit sind einerseits die zunehmende Toleranz gegenüber den Auswirkungen des exzessiven Alkoholkonsums und das Auftreten von Entzugserscheinungen bei Unterbrechung der Alkoholzufuhr und andererseits eine Sensitivierung gegenüber den verhaltensmodulierenden Wirkungen des Alkoholkonsums. Um das Konzept der Toleranzentwicklung zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass das Gehirn als autoregulatives Organ auf die Beibehaltung einer Homöostase eingerichtet ist. Wird diese beispielsweise durch die alkoholbedingte Sedierung aus dem Gleichgewicht gebracht, reagiert das Gehirn mit einer gegenregulatorischen Verminderung der GABAA-Rezeptoren, über die ein wichtiger Teil der sedativen Wirkungen des Alkohols vermittelt wird. Zudem blockiert Alkohol die Übertragung am glutamatergen NMDA-Rezeptor. So kann zunehmend mehr Alkohol konsumiert werden, ohne dass eine exzessive Sedierung erfolgt.
Die Kehrseite der Medaille ist die erhöhte Empfindlichkeit gegen eine Unterbrechung der Alkoholzufuhr. Denn zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Erregung und Hemmung steigt die Zahl der durch Alkohol in ihrer Funktion behinderten NMDA-Rezeptoren an. Im Entzug trifft der exzitatorische Botenstoff Glutamat auf eine erhöhte Zahl glutamaterger Rezeptoren, während sein Gegenspieler, der sedierende Neurotransmitter GABA, nur auf eine reduzierte Rezeptorenzahl einwirken kann. Damit verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen Exzitation und Sedation im Gehirn und es kann zu Krampfanfällen oder anderen Entzugssymptomen kommen.
Konditionierter Entzug
Wenn eine Alkoholabhängigkeit eingetreten ist, wird der chronische Alkoholkonsum oft beibehalten, um das Auftreten von unangenehmen und körperlich bedrohlichen Entzugserscheinungen zu vermeiden. Entzugserscheinungen können aber auch als konditionierte Reaktionen auftreten. Dann lösen Umweltreize, die bisher mit dem Alkoholkonsum assoziiert waren, im Organismus die Erwartung aus, dass jetzt der Alkoholkonsum unmittelbar bevorsteht.
Alkohol als Zellgift und seine Auswirkungen auf das Gehirn
Alkohol ist ein Zellgift, das sich nach der Aufnahme schnell im gesamten Körper verteilt. Einige Organe, darunter das Gehirn, reagieren auf dessen Wirkung besonders empfindlich. Alkohol beeinflusst verschiedene Botenstoffe, die für die Übermittlung von Informationen zwischen den Nervenzellen verantwortlich sind. Das Nervengift wirkt sich hemmend auf die Informationsübertragung aus, wodurch die Wahrnehmung und das Reaktionsvermögen verlangsamt werden. Da Alkohol auch das Belohnungssystem des Gehirns aktiviert, wirken geringe Mengen zunächst stimmungshebend, angstlösend und enthemmend.
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Alkoholvergiftung
Wenn die Alkoholaufnahme sehr schnell erfolgt oder mehrere Getränke über einen längeren Zeitraum getrunken werden, nimmt der Alkoholgehalt im Blut stetig zu. In der Medizin wird spätestens ab einem Blutalkoholgehalt von ein bis zwei Promille von einer Alkoholvergiftung gesprochen. Diese äußert sich durch Symptome wie häufiges Erbrechen, Gleichgewichtsstörungen, eine geringe Muskelspannung und ein verringertes Reaktionsvermögen. Zudem kommt es häufig zu Verwirrtheit, Orientierungslosigkeit und Gedächtnislücken. Ab einem Blutalkoholgehalt von 3 Promille kann es zu Bewusstlosigkeit, Unterkühlung und einer schwachen Atmung kommen. Eine wiederholte Überdosierung von Alkohol und häufige Rauschzustände können jedoch ernstzunehmende Alkohol Spätfolgen nach sich ziehen.
Das Korsakow-Syndrom: Eine Folge von chronischem Alkoholmissbrauch
Das Korsakow-Syndrom ist meist die Folge eines jahrelangen, exzessiven Alkoholkonsums. Es kommt zu einer Hirnschädigung, die mit Symptomen wie Gedächtnis- und Orientierungsproblemen einhergehen kann. Da es zu irreversiblen Hirnschädigungen kommt, lässt sich die Erkrankung nicht heilen. Grundsätzlich hängt die Lebenserwartung vom Grad der Schädigung des Hirns und der konsequenten Alkoholabstinenz Betroffener ab. Insbesondere bei fehlender Behandlung ist die Prognose schlecht.
Ursachen und Risikofaktoren des Korsakow-Syndroms
Das Korsakow-Syndrom entsteht aufgrund eines Mangels an Vitamin B1 (Thiamin). Insbesondere ein langjähriger Alkoholmissbrauch geht oft mit einem Vitaminmangel einher: Zum einen kommt es bei Menschen mit Alkoholsucht oft zu einer Mangelernährung. Zum anderen führt Alkoholismus dazu, dass der Magen-Darm-Trakt das Vitamin schlechter aufnehmen kann. Aber auch andere Risikofaktoren und Erkrankungen können die Krankheit begünstigen.
Symptome des Korsakow-Syndroms
Besonders typisch sind beim Korsakow-Syndrom Störungen des Gedächtnisses und der Merkfähigkeit. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis wird in Mitleidenschaft gezogen. Betroffene leiden mitunter an verschiedenen Formen des Gedächtnisverlustes (Amnesie):
- Anterograde Amnesie: Neue Informationen, die nach der Hirnschädigung hinzukommen, können sich Betroffene nur schlecht merken.
- Retrograde Amnesie: Auch viele Dinge aus der Zeit vor der Hirnschädigung fallen Patient*innen nicht mehr ein.
Aufgrund der Gedächtnisstörungen kommt es bei Betroffenen oft zu weiteren Verhaltensänderungen und Symptomen:
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- Konfabulationen: Betroffene erinnern sich oft nicht mehr an bestimmte Ereignisse, weshalb sie dazu neigen, die Lücken spontan durch eigene Fantasien aufzufüllen und so zu kaschieren.
- Orientierungsstörungen: Auch Störungen der Orientierung und Vergesslichkeit sind typisch.
Diagnose und Behandlung des Korsakow-Syndroms
In vielen Fällen erfolgt die Diagnose anhand der typischen Symptome in Kombination mit einigen Untersuchungen. Insbesondere chronischer Alkoholmissbrauch gibt einen Hinweis auf die Erkrankung. Zunächst prüft dieder ÄrztinArzt, inwieweit das Gedächtnis der zu untersuchenden Person beeinträchtigt ist. Anhand des Blutbilds lässt sich zudem feststellen, ob tatsächlich ein Vitamin-B1-Mangel vorliegt.
Ist das Korsakow-Syndrom voll ausgeprägt, geht es in der Therapie vor allem darum, die Symptome zu lindern. Durch die Gabe von Vitamin B1 und strikter Alkoholabstinenz kann sich der Zustand einiger Patient*innen leicht verbessern. Mithilfe eines neuropsychologischen Trainings und psychotherapeutischer Behandlung können Betroffene zusätzlich unterstützt werden.
Vorbeugung des Korsakow-Syndroms
Hauptrisikofaktor für die Erkrankung ist ein chronischer Alkoholismus. Daher gilt: Wer dem Korsakow-Syndrom vorbeugen möchte, sollte auf regelmäßigen, übermäßigen Alkoholkonsum verzichten. Menschen, die zu Alkoholmissbrauch neigen, können den Schädigungen des Gehirns durch die Zufuhr von Vitamin B1 ein Stück weit vorbeugen.
Alkoholbedingte Spätepilepsie
Die alkoholbedingte Spätepilepsie nach jahre- bis jahrzehntelangem Alkoholabusus ist am ehesten durch eine diffuse Hirnparenchymschädigung bedingt. Eine antikonvulsive Therapie ist nur bei strikter Alkoholabstinenz sinnvoll, da nur dann eine ausreichende Compliance mit regelmäßiger Einnahme und ärztlicher Überwachung gewährleistet ist, eine Verschlechterung der Leberfunktion mit konsekutiver hepatischer Enzephalopathie weniger wahrscheinlich ist und die alkoholbedingte Hirnatrophie evtl. reversibel, unter Abstinenz zumindest nicht progredient ist.
Alkoholentzugsdelir
Bei jedem Delir, gleich welcher Ätiologie, handelt es sich stets um einen potenziell lebensbedrohlichen Zustand. Das Alkohol(entzugs)delir wird nach plötzlicher Abstinenz ausgelöst. Früh weisen die Patienten einen mittelfrequenten Tremor, eine Tachykardie, Hypertonie, Mydriasis, Hyperhidrosis und Schlaflosigkeit auf, die beim manifesten Alkoholismus morgendliche Anzeichen des Entzugs darstellen. Weiterhin werden zeitliche und örtliche Desorientiertheit, psychomotorische Erregung mit Perseverieren von vertrauten Handlungen, ein starker Tremor sowie Halluzinationen beobachtet.
Therapie des Alkoholentzugsdelirs
Die früher praktizierte „Alkoholsubstitutionstherapie“ ist aus präventiv-ethischen Gründen obsolet. Zu den allgemeinen Maßnahmen zählt neben der Stressulkusprophylaxe die reichliche Flüssigkeitszufuhr. Die prophylaktische Gabe von Magnesium oral oder intravenös unter Serumspiegelkontrolle soll zur Kupierung eines leicht ausgeprägten Delirs bereits ausreichen. Zur Prophylaxe einer Wernicke-Enzephalopathie muss eine parenterale Substitution von Vitamin B1 erfolgen.
In Deutschland gilt zur Behandlung des mittelschweren und schweren Delirs allgemein Clomethiazol als Medikament der ersten Wahl, insbesondere wenn keine kardiovaskulären Erkrankungen vorliegen und bereits früher einmal ein Delir durchgemacht wurde. Bei vorbestehenden kardiopulmonalen Erkrankungen werden Benzodiazepine vorgezogen.
Wernicke-Enzephalopathie
Die Wernicke-Enzephalopathie und die Korsakow-Psychose gelten heute als akute bzw. chronische Verlaufsform derselben Krankheitsentität, treten jedoch häufig isoliert auf. Ursache der Erkrankungen ist ein Thiamin-(Vitamin-B1-)Mangel, der durch Fehlernährung oder mangelnde Resorption entsteht. Bei der Wernicke-Enzephalopathie findet sich eine Trias aus Augenmotilitätsstörung, ataktischer Gangstörung sowie Desorientierung und Vigilanzstörung.
Diagnose, Symptome, Ursachen und Risikofaktoren der Wernicke-Enzephalopathie
Die Diagnose erfolgt anhand der Krankengeschichte, insbesondere bezüglich Alkoholmissbrauch oder Essstörungen, anhand der Symptome, Magnetresonanztomografie des Kopfes, Hirnströme, Blutuntersuchung (Vitamin-B1-Spiegel). Symptome sind neurologische Ausfälle, Störungen der Bewegungskoordination, Gangunsicherheit, Sehstörungen, psychische Ausfallerscheinungen, Orientierungslosigkeit, Verwirrtheit, Unruhe, Zittern, großes Schlafbedürfnis. Ursachen und Risikofaktoren sind Vitamin-B1-Mangel durch Mangelernährung, oft sind Alkoholmissbrauch oder Essstörungen, seltener Stoffwechselerkrankungen.
Behandlung, Prognose und Vorbeugung der Wernicke-Enzephalopathie
Die Behandlung besteht aus der Gabe von Vitamin-B1-Präparaten einmalig höher dosiert und über einen längeren Zeitraum niedriger, eventuell vorbeugende Gabe. Unbehandelt führt die Wernicke-Enzephalopathie oft zum Tod; mit Behandlung gehen viele Symptome zurück, bleibende neurologisch-motorische oder psychische Schädigungen sind möglich. Vorbeugend kann bei bekanntem Risiko Vitamin B1 gegeben werden; frühzeitige Behandlung von Risikofaktoren wie Alkoholismus oder Essstörungen ist wichtig.
Alkohol und Nervensystem: Weitere Schädigungen
Ein starker Alkoholkonsum kann neben „kleineren“ kognitiven Einbußen auch eine Polyneuropathie und viele weitere Nervenschäden hervorrufen. Nur sechs Minuten nach dem Alkoholkonsum erreicht die Substanz das zentrale Nervensystem, wo sie ihre Wirkung als Nervengift ausübt. Dies geschieht gleich auf mehreren Ebenen, denn die Alkoholwirkung beeinflusst zahlreiche Rezeptoren bzw. Rezeptor-Gruppen und löst so eine Vielzahl von Veränderungen aus. Diese sind meist umso größer und gravierender, je häufiger Alkohol konsumiert wird.
Alkoholwirkung auf Nervenzellen
Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wirkt Ethanol im Nervensystem vor allem auf die Außenhaut der einzelnen Nervenzellen ein. Diese Membranen erfüllen normalerweise zahlreiche wichtige Aufgaben, werden durch den Alkohol allerdings blockiert. Dadurch verändert sich die Reiz- und Signalübertragung. Genauer gesagt werden verschiedene Rezeptoren (GABA und NMDA) stimuliert bzw. blockiert, wodurch die Informationsweiterleitung zwischen den Zellen heruntergefahren wird. Während auf der einen Seite die Informations- und Reizweiterleitung durch die Alkoholwirkung gehemmt wird, kommen aktivierende Hormone auf Touren. So werden Endorphine und andere Botenstoffe wie Dopamin und Serotonin ausgeschüttet, die dem Betroffenen ein euphorisches Hochgefühl verleihen. Auf diese Weise geraten das Nervensystem und der Neurotransmitter-Haushalt völlig durcheinander. Je häufiger dies passiert, desto größer wird das Risiko, ein Suchtgedächtnis, und damit verbunden eine Alkoholkrankheit, zu entwickeln.
Indirekte Auswirkungen von Alkohol auf das Nervensystem
Ein hoher Alkoholkonsum kann das Nervensystem direkt oder indirekt negativ beeinflussen. So ist unter anderem davon auszugehen, dass Ethanol einzelne Bestandteile der peripheren Nerven direkt schädigt. Daneben gibt es einige indirekte Möglichkeiten, wie Alkohol einen negativen Einfluss auf das Nervensystem ausübt. So leiden viele Alkoholsüchtige unter einer Mangelversorgung mit Thiamin sowie anderen wichtigen B-Vitaminen (vor allem B1 und B12), die für die Bildung der Schutzschicht von Nervenzellen essenziell sind.
Erkrankungen durch alkoholbedingte Nervenschädigungen
Die für Nerven und Zellen schädliche Alkoholwirkung kann bei Betroffenen viele Symptome und Erkrankungen hervorrufen, wie z.B.:
- Polyneuropathie: Nervenschädigungen des peripheren Nervensystems, die entweder direkt durch einen erhöhten und chronischen Alkoholkonsum oder indirekt durch einen Vitamin B1- oder einen Vitamin B12-Mangel ausgelöst werden.
- Zentrale pontine Myelinolyse: Eine neurologische Erkrankung, die bei Menschen mit einem dauerhaft erhöhten Alkoholkonsum auftreten kann und durch Elektrolytschwankungen verursacht wird.
- Marchiafava-Bignami-Krankheit: Eine neuropsychiatrische Krankheit, die vornehmlich Menschen mit Alkoholismus betrifft, deren Ursache aber noch nicht vollständig geklärt ist und die durch eine Degeneration im Corpus callosum gekennzeichnet ist.
Umkehrbarkeit von Nervenschäden und Therapie
Ob der Alkoholkonsum im Gehirn der Betroffenen direkt oder indirekt zu einer Nervenschädigung führt, ist unerheblich für die Frage, ob die schädlichen Auswirkungen des Konsums umkehrbar oder irreversibel sind. Stattdessen kommt es in den meisten Fällen auf das Ausmaß des Schadens an und darauf, wie schnell eine mögliche Behandlung einsetzt. In jedem Fall ist ein sofortiger Stopp des Alkoholkonsums Pflicht, damit das Gehirn die Möglichkeit erhält, sich zu regenerieren und sich von der Wirkung des Alkohols zu erholen.
Therapie der Alkoholsucht
Betroffene, die Alkoholmissbrauch betreiben oder an einer Abhängigkeit leiden, sollten sich der Gefahr bewusst sein, der sie sich und ihren Körper aussetzen und sich möglichst schnell professionelle Hilfe suchen. Eine qualifizierte Therapie der Alkoholsucht besteht immer aus einer Entgiftung, Entwöhnung und einer ambulanten Nachsorge. Grundsätzlich gilt, je früher die Behandlung begonnen wird, umso geringer ist die Gefahr für bleibende Schädigungen der Gehirnzellen.
Das Korsakow-Syndrom im Detail
Das Korsakow-Syndrom ist eine neuropsychiatrische Erkrankung, die zu ausgeprägter Amnesie und kognitiven Beeinträchtigungen führt. Typische Ursachen sind ein jahrelanger Alkoholabusus, aber auch ein nicht-alkoholassoziierter Thiaminmangel. Das Korsakow-Syndrom wird dem Spektrum der Wernicke-Enzephalopathie zugerechnet. Die Wernicke-Enzephalopathie ist akut und oft reversibel, das Korsakow-Syndrom hingegen chronisch und meist irreversibel.
Epidemiologie
Die Studienlage zu epidemiologischen Daten des Korsakow-Syndroms ist relativ dünn. Da das neuropsychiatrische Syndrom als stark unterdiagnostiziert gilt und Uneinigkeit über die genauen Diagnosekriterien besteht, gibt es nur wenige verlässliche Angaben über die Inzidenz und Prävalenz.
Pathogenese
Bei der Entwicklung des Korsakow-Syndroms spielen zwei Hauptfaktoren eine entscheidende Rolle: Thiaminmangel und chronischer Alkoholabusus.
- Thiaminmangel: Jede Erkrankung, die zu chronischem Thiaminmangel führt, kann in einer Wernicke-Enzephalopathie resultieren und - wenn diese unbehandelt bleibt - in ein Korsakow-Syndrom münden.
- Alkoholabusus: Die häufigste Ursache des Korsakow-Syndroms ist chronischer Alkoholmissbrauch. Alkohol beeinträchtigt die Absorption und Verwertung von Thiamin im Gastrointestinaltrakt, dessen Speicherung in der Leber und die Nutzung innerhalb der Nervenzellen.
Neben der Thiaminmangel-bedingten Nervenzellschädigung, die vor allem die Basalregionen betrifft, spielen direkte neurotoxische Effekte des Alkohols eine Rolle. Bei entsprechender Vulnerabilität werden der zerebrale Cortex, aber auch subkortikale Hirnregionen geschädigt - mit der Folge einer zerebralen Atrophie und kognitiven Einschränkungen.
Klinisches Bild
Das klinische Bild des Korsakow-Syndroms ist vielgestaltig. Im Vordergrund stehen folgende Beschwerden: partieller Verlust des Altzeitgedächtnisses, Merkfähigkeitsstörungen, Unfähigkeit, neue Gedächtnisinhalte zu speichern. Fakultativ hinzukommen können Orientierungsstörungen, Konfabulationen und ein Mangel an Einsicht. Patienten mit Korsakow-Syndrom zeigen sowohl Einbußen beim Abrufen von Faktenwissen als auch autobiographisch-episodischen Informationen. Studien belegen weiterhin, dass Korsakow-Patienten oft auch weitere kognitive Schwächen aufweisen, insbesondere geminderte exekutive Funktionen, Störungen der affektiven Verarbeitung und Defizite im Entscheidungsverhalten.
Diagnose
Das Korsakow-Syndrom ist in den meisten Fällen eine klinische Diagnose. Der Verdacht ergibt sich anhand der Anamnese/Fremdanamnese.