Kleinhirnatrophie: Ursachen, Symptome und Behandlungsansätze

Der Begriff Ataxie, abgeleitet vom griechischen "a-taxia" (fehlende Ordnung), beschreibt eine Gruppe seltener Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarks, die durch eine Störung der Muskelkoordination gekennzeichnet sind. Diese Störung beeinträchtigt Gleichgewicht und Bewegungskoordination, was sich auf Gehen, Sitzen, Stehen, Sprechen, Handbewegungen und Augenbewegungen auswirken kann.

Was ist Ataxie?

Ataxien manifestieren sich durch einen unsicheren, breitbeinigen Gang, unleserliche Handschrift und Schwierigkeiten beim Greifen und Halten. Einige Betroffene sind nicht in der Lage, ohne Unterstützung aufrecht zu sitzen oder zu stehen. Auch die Sprache kann beeinträchtigt sein. Ataxien können in jedem Alter auftreten, auch bei Kindern.

Das Kleinhirn und das Rückenmark spielen eine entscheidende Rolle bei der Feinabstimmung von Bewegungen. Erworbene Ataxien sind meist auf Schäden im Kleinhirn zurückzuführen, die vielfältige Ursachen haben können. Darüber hinaus können Ataxien genetisch bedingt sein. Es gibt mindestens 200 verschiedene Genmutationen, die erbliche Ataxien verursachen können. Die Ursache angeborener, erblicher Ataxien ist ein fortschreitender Untergang bestimmter Nervenzellen im Kleinhirn, für den je nach Unterform unterschiedliche Genveränderungen verantwortlich sind.

Formen von Ataxien

Man unterscheidet verschiedene Formen von Ataxien, abhängig von der zugrunde liegenden Ursache und der betroffenen Struktur im Nervensystem.

Zerebelläre Ataxie

Die zerebelläre Ataxie ist eine neurologische Störung, die durch pathologische Veränderungen im Kleinhirn entsteht. Dieses wichtige Hirnareal, das sich im hinteren Teil des Schädels befindet, ist für die Koordination von Bewegungen und die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts von entscheidender Bedeutung. Es sammelt Informationen über die Position und Bewegung der Muskeln und Gelenke des Körpers und koordiniert diese Informationen, um eine präzise und flüssige Motorik zu ermöglichen. Es ist sozusagen das "Dirigentenzentrum" des motorischen Systems.

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Bei der zerebellären Ataxie ist das Kleinhirn in seiner Fähigkeit, Bewegungen zu koordinieren, beeinträchtigt. Dies kann zu einer unkontrollierten und ungeschickten Motorik führen. Betroffene Menschen können Schwierigkeiten beim Gang, Sprechen und Greifen haben. Auch die Augen können betroffen sein, sodass Augenbewegungen beeinträchtigt sind.

Genetisch bedingte Ataxien

Bei den erblich bedingten Ataxien kann es sich um dominant vererbte Ataxien handeln, die von einer Generation an die nächste vererbt werden. Die Patienten wissen häufig, dass die Krankheit in der Familie vorkommt. Unter den dominant vererbten Ataxien ist die spinozerebelläre Ataxie Typ 3 (SCA3) am häufigsten. Sie wird auch Machado-Joseph-Krankheit genannt und beginnt üblicherweise zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.

Sind die Eltern nicht betroffen, aber deren Kind oder mehrere Geschwisterkinder erkrankt, handelt es sich um eine rezessiv vererbte Ataxie: Das heißt, dass die Eltern beide nur jeweils Träger der krankmachenden Erbanlage sind, die Krankheit aber bei ihnen nicht zum Ausbruch kommt. Damit das Kind erkrankt, müssen beide Elternteile die Genveränderungen vererben. Unter allen rezessiven Ataxien kommt die Friedreich-Ataxie am häufigsten vor. Sie beginnt in der Kindheit bzw. Pubertät: Die Eltern der Betroffenen sind gesund, während bei den Betroffenen, die sich vorher altersentsprechend entwickelt haben, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen auftreten. Es kommt zu Schwierigkeiten beim Gehen und Stürzen.

Charakteristisch für alle Ataxien ist die Gangunsicherheit. Je nach Untergruppe einer SCA können jedoch verschiedene andere Symptome hinzukommen, wie etwa eine zunehmend verwaschene Sprache, Augenfolgestörungen und Doppelbilder, Schädigungen der peripheren Nerven, Krampfanfälle, Netzhautdegeneration, Zittern (Tremor) oder eine vermehrte Muskelsteifigkeit. Gewissheit über den jeweils vorliegenden Typ der SCA kann die molekulargenetische Diagnostik bringen, da es viele Überschneidungen zwischen den Symptomen gibt. Zu den autosomal dominant vererbten Ataxien gehören ferner auch die Episodischen Ataxien (EA 1-5), eine Sonderform stellt die Dentato-rubro-pallido-luysiane Atrophie (DRPLA) dar, die überwiegend in Japan vorkommt. Die Friedreich-Ataxie ist mit etwa 1:50.000 die häufigste Form der rezessiv vererbten Ataxien. Die Erkrankung beginnt ebenfalls meistens mit einer Gangunsicherheit, zu der Sprechstörungen, Feinmotorikstörungen und weitere Krankheitszeichen hinzutreten können. Häufig findet sich eine Skoliose, also eine seitliche Verbiegung der Wirbelsäule, eine Hohlfußbildung und eine Beteiligung des Herzmuskels. Die Erkrankung ist langsam fortschreitend. Seit 1996 ist eine verlässliche molekulargenetische Diagnostik möglich.

Symptomatische Ataxien

Bei den symptomatischen Ataxien sind nichtdegenerative Ursachen, wie z. B. Tumoren, zerebrovaskuläre Erkrankungen oder entzündliche Erkrankungen (z. B. Encephalomyelitis disseminata), von Kleinhirndegenerationen auf der Basis von z. B. toxischen, metabolischen oder paraneoplastischen Erkrankungen zu unterscheiden. Am häufigsten ist die alkoholtoxische Kleinhirnvorderlappenatrophie, an zweiter Stelle stehen medikamentös-toxische Kleinhirnschädigungen, z. B. durch Antiepileptika.

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Alkoholtoxische Kleinhirnatrophie

Neben der durch eine akute Alkoholintoxikation bedingten Ataxie kann es bei chronischem Alkoholismus zu einer Degeneration der Kleinhirnrinde, insbesondere im Bereich des Oberwurmes und medialer Anteile des Kleinhirnvorderlappens, mit dann auf Dauer bestehender ataktischer Symptomatik, kommen. Pathogenetisch spielt neben der direkten alkoholtoxischen Wirkung auch eine mit chronischem Alkoholismus vergesellschaftete Mangelernährung, insbesondere der Thiaminmangel, eine Rolle. Zum Symptomspektrum einer Wernicke-Enzephalopathie gehört deshalb auch in aller Regel eine zerebelläre Ataxie.

Die Patienten entwickeln bei fortbestehendem Alkoholismus eine progrediente Gang- und Standataxie bei meist deutlich ataktischem Knie-Hacke-Versuch, während okulomotorische Zeichen einer Kleinhirnschädigung oder eine ataktische Bewegungsstörung im Bereich der Arme fehlen oder wesentlich geringer ausgeprägt sind. Trotz ausgeprägter Ataxie stürzen die Patienten auffällig selten. Die zunächst progrediente zerebelläre Symptomatik kann im Verlauf über Jahre stabil bleiben; bei Alkoholabstinenz ist eine relativ rasche und weitgehend vollständige Rückbildung innerhalb weniger Wochen möglich. Bei einem Teil der Patienten steht die Kleinhirnschädigung als neurologische Alkoholfolgekrankheit ganz im Vordergrund, bei einem anderen Teil der Patienten hingegen eine alkoholtoxische Polyneuropathie.

Die bei der alkoholtoxischen Kleinhirnschädigung im Vordergrund stehende Gang- und Standataxie erlaubt in typischen Fällen die Unterscheidung von der rein zerebellären Form der idiopathischen, sporadischen Ataxie, bei der die ataktische Störung an Beinen und Armen meist gleich stark ausgebildet ist. Diese klinische Differenzierung ist jedoch nicht sicher, auch apparative Untersuchungen wie z. B. MRT unter der Frage einer differenziellen Schwerpunktbildung der Atrophie des Kleinhirns erlauben keine sichere Unterscheidung.

Medikamentös-toxische Kleinhirnschädigungen

Eine persistierende Ataxie aufgrund einer Degeneration der Kleinhirnrinde kann durch eine Reihe von Medikamenten verursacht sein. Die meisten der genannten Medikamente führen bei akuter Intoxikation zu einer vorübergehenden Ataxie; bei langjähriger Einnahme kann es zu einer irreversiblen Kleinhirnrindendegeneration mit auf Dauer fortbestehender Ataxie kommen. Zu irreversibler Kleinhirnschädigung mit meist bleibender Ataxie kann es durch Zytostatika wie Fluorouracil, Vincristin und insbesondere durch Zytosin-Arabinosid kommen. Charakteristischerweise stellt sich subakut innerhalb der ersten Tage (2-7 Tage) nach Beginn der Chemotherapie mit Zytosin-Arabinosid ein z. T. schweres zerebelläres Syndrom ein. Ein weiteres Medikament mit neurotoxischer Wirkung auf die Kleinhirnrinde ist Lithium. Aufgrund der relativ geringen therapeutischen Breite kommen immer wieder akute oder chronische Lithiumintoxikationen vor. Persistierende Schädigungen in Form einer zerebellären Ataxie sind aber selten. Nitrofurantoin, das in der Therapie und zur Prophylaxe von Harnwegsinfekten teilweise als Langzeittherapie gegeben wird, kann ebenfalls zu einer toxischen Kleinhirnschädigung führen. Auch intravenöse Gabe von Co-Trimoxazol (z. B. Bactrim) in der Dosierung von 20 mg Trimethoprim/kg KG/Tag und 100 mg Sulfamethoxazol/kg KG/Tag führt in seltenen Fällen als Nebenwirkung zu einer Ataxie. Eine chronische Bromeinnahme kann ein schweres, z. T.

Toxische Kleinhirnschädigung durch Lösungsmittel und Schwermetalle

Der Frage einer neurotoxischen Schädigung durch Lösungsmittel kommt in letzter Zeit zunehmende Bedeutung zu. Neben psychoorganischen Beeinträchtigungen und einem Polyneuropathiesyndrom sind seltener auch Kleinhirnschädigungen mit Ataxie nach Exposition insbesondere gegenüber Dioxin, Benzol und Trimethyltin (TMT) beschrieben. Bei den Schwermetallen, die zu einer toxischen Kleinhirnschädigung führen können, ist insbesondere Quecksilber zu nennen. Weiterhin ist Thallium toxisch für das Cerebellum.

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Ataxie bei Hypothyreose

Eine Hypothyreose kann selten zu einer meist gering ausgeprägten zerebellären Ataxie führen. Bei den wenigen autopsierten Fällen wurden keine pathomorphologischen Veränderungen am Kleinhirn gefunden. Die Ataxie ist nach Behandlung der Hypothyreose reversibel.

Immunvermittelte Ataxien

Ataxien mit Malabsorptionssyndrom bzw. immunvermittelte Ataxien (außer der paraneoplastischen zerebellären Degeneration) beziehen sich auf die sog. Bei diesen Patienten ist neben der zerebellären Ataxie eine sensorische Neuropathie vorhanden. Das Erkrankungsalter liegt um das 40. Lebensjahr. Es wird eine kryptische Glutensensitivität ohne Zöliakie mit chronischen Durchfällen vermutet. Relativ aktuell wurde über Patienten mit Ataxie und Schilddrüsenantikörpern als Zeichen einer Hashimoto-Thyreoiditis berichtet. Sehr selten kann eine Ataxie im Rahmen eines polyglandulären endokrinen Autoimmunsyndroms bei Patienten mit hohen GAD-Antikörpertitern im Serum auftreten.

Paraneoplastische zerebelläre Degeneration

Eine paraneoplastische Ataxie geht auf eine Kleinhirnrindendegeneration mit im Vordergrund stehendem Verlust von Purkinje-Zellen bei Bronchial- und Ovarialkarzinomen, seltener auch bei Lymphomen oder Mammakarzinom zurück. Klinisch entwickelt sich rasch innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten ein generalisiertes zerebelläres Syndrom. Es gibt Befunde, die dafür sprechen, dass sich bei mehr als einem Drittel der Patienten mit Bronchialkarzinom im Erkrankungsverlauf langsam und schleichend ein leichtes zerebelläres Syndrom einstellt und dass bei der Mehrzahl dieser Fälle autoptisch ein signifikanter Verlust von Purkinje-Zellen in der Kleinhirnrinde nachweisbar ist. Dies macht jedoch deutlich, dass beim Auftreten eines zerebellären Syndroms ohne sonst erkennbare Ursache an eine zugrunde liegende neoplastische Erkrankung gedacht werden muss. Eine paraneoplastisch bedingte Ataxie kann der Manifestation des zugrunde liegenden Tumorleidens um Jahre vorausgehen.

Histopathologisch sind zwei Typen der paraneoplastischen zerebellären Degeneration zu unterscheiden: ein Typ mit rein degenerativen und ein zweiter mit sowohl degenerativen als auch entzündlichen Veränderungen. Der teilweise inflammatorische Charakter im akuten Krankheitsstadium wird auch im Liquorbefund mit häufig erhöhtem Liquoreiweiß und pathologischen Immunglobulinkonzentrationen (intrathekale IgG-Produktion) deutlich, gelegentlich ist auch eine leichte lymphozytäre Pleozytose nachweisbar. Vieles spricht dafür, dass eine Autoimmunpathogenese zugrunde liegt. Ein Teil der paraneoplastischen Ataxien ist mit dem Auftreten von Autoantikörpern verbunden; bei gynäkologischen Tumoren in erster Linie Anti-Yo, bei kleinzelligem Bronchialkarzinom Anti-Hu und bei Mamma- und Bronchialkarzinom mit Ataxie und Opsoklonus Anti-Ri.

Zerebellitis

Eine Zerebellitis kann als Komplikation unterschiedlicher viraler Infektionen auftreten. In typischen Fällen besteht ein zweigipfeliger Verlauf: Einige Tage oder wenige Wochen nach einem grippalen oder gastrointestinalen Infekt kommt es mehr oder weniger akut zum Auftreten des zerebellären Syndroms. Bei Kindern sind Varizellen die häufigste Ätiologie (bis zu 0,05 % aller Kinder mit einer Varizelleninfektion sollen zerebelläre Symptome entwickeln). Die Prognose der Varizellenzerebellitis bei Kindern ist günstig, nur selten kommt es zu persistierenden zerebellären Defiziten. Bei Erwachsenen ist eine Zerebellitis seltener als bei Kindern. Mögliche Erreger sind Influenza-, Parainfluenza-, Polio-, Coxsackie-, Herpes-simplex-, Zytomegalie-, Varicella-Zoster- und Epstein-Barr-Virus.

Relativ plötzlich entwickelt sich dann das zerebelläre Syndrom mit Stand- und Gangataxie, Extremitätenataxie und Dysarthrie. Zerebelläre Okulomotorikstörungen mit sakkadierter Blickfolge, gemindertem optokinetischem Nystagmus, gestörter Fixationssuppression des vestibulookulären Reflexes, Blickrichtungsnystagmus und dysmetrischen Sakkaden sind häufig; es kann ein Opsoklonus (rasche konjugierte, vorwiegend horizontale Sakkaden unterschiedlicher Amplitude ohne intersakkadisches Intervall) hinzutreten. Extremitätenmyoklonien, die wie der Opsoklonus z. T. durch Reize provoziert werden (Reflexmyoklonien), können Begleitsymptom sein. Derartige klinische Syndrome sind unter verschiedenen synonymen Bezeichnungen in die Literatur eingegangen, wie z. B. akute zerebelläre Enzephalitis, Kinsbourne-Enzephalitis, Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom. Bei Letzterem muss - insbesondere im Kindesalter - ein Neuroblastom als paraneoplastische Ursache ausgeschlossen werden.

In der Regel bestehen eine leicht- bis mäßiggradige lymphozytäre Pleozytose und eine Eiweißerhöhung im Liquor. Ataxie kann Symptom eines CLIPPERS-Syndroms („chronic lymphocytic inflammation with pontine perivascular enhancement responsive to steroids“) und Autoimmunenzephalitiden sein. Insbesondere in Zusammenhang mit Demenz, Myoklonien und extrapyramidalmotorischen Symptomen ist bei zusätzlicher Ataxie an eine Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD) zu denken.

Erworbene Ursachen für eine Ataxie

Für die Feinabstimmung von Bewegungen sind vor allem das Kleinhirn (Zerebellum), das Rückenmark und die Verbindungen dazwischen zuständig. Verschiedene Ursachen führen unter Umständen dazu, dass eine normale Kommunikation zwischen diesen Zentren - und damit die Koordination von Bewegungen - nicht mehr möglich ist.

Störungen im Kleinhirn

Häufigste Ursache für eine im Laufe des Lebens erworbene Ataxie ist eine Störung der Kleinhirnfunktion. Das Kleinhirn ist unter anderem für die Planung, Koordination und Feinabstimmung von Bewegungen zuständig. Es hat daher eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung einer Ataxie:

  • Eine Durchblutungsstörung oder Blutung im Kleinhirn (Schlaganfall) beeinträchtigt in der Regel seine Funktion nachhaltig und führt oft zu dauerhaften Bewegungsstörungen.
  • Bei entzündlichen Erkrankungen, welche das Gehirn betreffen, kommt es mitunter ebenfalls zu einer starken Schädigung von Kleinhirn und Rückenmark, so beispielsweise bei Multipler Sklerose. Selten tritt eine Ataxie im Rahmen der sogenannten Multisystematrophie (MSA-C) auf.
  • Wucherungen (Hirntumoren oder Tochterabsiedlungen = Metastasen bei Krebserkrankungen) stellen eine weitere Ursache für eine Funktionsstörung des Kleinhirns dar. Selten kommt es bei Krebserkrankungen auch zu einer Fehlregulation des Immunsystems, sodass das Kleinhirn durch körpereigene Antikörper angegriffen und geschädigt wird ("paraneoplastische Kleinhirndegeneration", PKD).
  • Auch Infektionen schädigen unter Umständen das Kleinhirn und lösen eine Ataxie aus. Dazu zählen etwa Infektionen mit HIV, dem Epstein-Barr-Virus (Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers) oder dem Herpes-Zoster-Virus (Erreger von Windpocken und Gürtelrose) sowie Borreliose und Syphilis.
  • In anderen Fällen beeinträchtigen Vergiftungen die Kleinhirnfunktion und lösen so Bewegungsstörungen aus. Sehr eindrucksvoll zeigt sich etwa eine vorübergehende Kleinhirnfunktionsstörung beim Alkoholrausch, wenn ein betrunkener Mensch starke Probleme bei der Koordination von Bewegungen und beim Gleichgewichtssinn zeigt. Chronischer Alkoholkonsum führt nicht selten unter anderem durch die zusätzliche Mangelernährung zu einer alkoholischen Kleinhirndegeneration (ACD).
  • Auch als Nebenwirkung von Medikamenten (Antiepileptika, Benzodiazepine, Aminoglykosid-Antibiotika) tritt eine Ataxie unter Umständen auf - vor allem bei der Überdosierung solcher Präparate. Sehr selten führen chronische Vergiftungen durch beispielsweise Blei oder Pestizide oder ein Mangel an den Vitaminen E und B12 zu einer Ataxie.
  • Auch mildere Kohlenmonoxid-Vergiftungen äußern sich eventuell in Ataxien.

Schädigung des Rückenmarks

Neben den zerebellären Ataxien, die auf Schädigungen des Kleinhirns zurückgehen, gibt es spinale Ataxien, bei denen das Rückenmark geschädigt ist. Da hier oft die für bestimmte Bewegungs- und Haltungskoordinationen wichtigen Rückmeldungen aus den Sinnesempfindungen des peripheren Nervensystems, aus den Muskeln und Gelenken, fehlen, heißt diese Form auch sensible Ataxie.

Häufigster Grund für Schäden dort sind chronischer Alkoholmissbrauch, außerdem sind Multiple Sklerose oder Infektionen wie Syphilis hier mögliche Ursachen.

Symptome der zerebellären Ataxie

Die zerebelläre Ataxie zählt zu den neurologischen Krankheiten, die das Kleinhirn betreffen und in erster Linie die Bewegungskoordination und das Gleichgewicht beeinträchtigen. Die Symptome dieser Krankheit können dabei vielfältig sein und variieren von Person zu Person.

Störungen des Gleichgewichtssinns

Eine der auffälligsten Symptome der zerebellären Ataxie sind Gleichgewichtsstörungen. Betroffene haben Schwierigkeiten, aufrecht zu stehen und zu gehen. Aufgrund der Schädigung sind sie häufig anfällig für Stürze. Dies führt zu Unsicherheit bei der Fortbewegung und zu erheblichen Einschränkungen in der Mobilität.

Koordinationsprobleme

Die Fähigkeit, Bewegungen präzise zu steuern, ist stark beeinträchtigt. Die Betroffenen können unkontrollierte und zittrige Bewegungen in den Armen und Beinen zeigen. Alltägliche Aufgaben wie das Schreiben, Greifen von Gegenständen oder das Anziehen von Kleidung werden zu einer Herausforderung.

Sprachstörungen

Die zerebelläre Ataxie kann auch die Sprache beeinflussen. Betroffene haben oft Schwierigkeiten beim Sprechen, da die Muskelkoordination für die Artikulation von Lauten gestört ist. Dies kann zu einer undeutlichen Aussprache und Verständigungsschwierigkeiten führen.

Augenbewegungsstörungen

Das Kleinhirn spielt eine entscheidende Rolle bei der Koordination der Augenbewegungen. Bei einer zerebellären Ataxie können unkontrollierte Augenbewegungen auftreten, die das Sehen und Lesen erschweren können.

Muskelsteifheit und Muskelschwäche

Zusätzlich können Betroffene auch Muskelsteifheit und Muskelschwäche entwickeln. Diese Begleiterscheinungen erschweren nicht nur die Bewegungskoordination, sondern beeinträchtigen auch die Kraft und Flexibilität der Muskulatur.

Verlauf der Erkrankung

Es ist wichtig zu beachten, dass die Symptome der zerebellären Ataxie in der Regel fortschreitend sind. Das bedeutet, dass sie sich im Laufe der Zeit verschlimmern können, was sich stark auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirkt. Der Verlauf der Krankheit kann von Person zu Person stark variieren, jedoch gibt es einige allgemeine Merkmale, die einen typischen Krankheitsverlauf beschreiben können.

Beginn und Frühstadium

Die meisten Fälle von zerebellärer Ataxie beginnen schleichend und entwickeln sich oft über Jahre hinweg. In den frühen Stadien können die Anzeichen mild sein und werden möglicherweise kaum bemerkt. Dies führt manchmal zu einer verzögerten Diagnostik, da die Probleme anfänglich leicht als normale Alterserscheinungen oder andere Gesundheitsprobleme fehlinterpretiert werden können.

Fortschreitende Verschlechterung

Mit der Zeit neigen die Symptome dazu, sich zu verschlechtern. Die Koordinationsprobleme beim Gehen und Bewegen werden ausgeprägter, was zu wiederholten Stürzen und einer Zunahme der Mobilitätseinschränkungen führen kann. Die Muskelschwäche kann sich verstärken und das Alltagsleben immer anspruchsvoller werden.

Variabilität der Symptome

Ein bemerkenswertes Merkmal der zerebellären Ataxie ist die große Variabilität der Symptome und des Verlaufs. Dies hängt oft mit der zugrunde liegenden Ursache zusammen. Einige Patienten können schneller fortschreitende Symptome haben, während andere über viele Jahre hinweg relativ stabil bleiben. Zusätzlich zu den primären motorischen Symptomen können auch begleitende Symptome auftreten, die den Krankheitsverlauf weiter komplex gestalten.

Diagnose

Die Diagnose von Ataxien umfasst eine sorgfältige neurologische Untersuchung, Bildgebung des Gehirns (MRT, CT) und gegebenenfalls genetische Tests, um die Ursache zu ermitteln.

Neu entdeckte Form der Ataxie

Ein Forschungsteam um Professor Dr. Kurt-Wolfram Sühs von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat eine neue Art der zerebellären Ataxie entdeckt. Diese zeichnet sich durch eine schwere Entzündung des Kleinhirns aus, die zu einem erheblichen Substanzverlust führt. Die Ursache ist ein Autoantikörper namens Anti-DAGLA, der sich gegen Kleinhirnzellen richtet und diese zerstört.

Die vier betroffenen Patienten waren zwischen 18 und 34 Jahre alt und entwickelten innerhalb kurzer Zeit schwere Symptome wie Doppelbilder und Störungen im Bewegungsablauf. Im Nervenwasser der Patienten wurde eine hohe Anzahl von Immunzellen festgestellt, was auf eine Entzündung hindeutet. Der Autoantikörper Anti-DAGLA konnte mittels indirekter Immunfluoreszenz spezifisch nachgewiesen werden.

Anti-DAGLA kann somit als Biomarker für diese neue Form der Ataxie dienen. Eine frühzeitige Therapie mit Entzündungshemmern, Blutwäsche und dem Wirkstoff Rituximab, der bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird, kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.

Behandlung

Momentan sind Ataxien noch nicht medikamentös behandelbar. Die Therapie zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Therapieansätze

  • Physiotherapie: zur Verbesserung der Koordination, des Gleichgewichts und der Muskelkraft.
  • Ergotherapie: zur Anpassung des Wohnraums und zur Erlernung von Kompensationsstrategien für alltägliche Aktivitäten.
  • Logopädie: zur Verbesserung der Sprach- und Schluckfunktion.
  • Medikamente: zur Behandlung von Begleitsymptomen wie Muskelkrämpfen, Depressionen oder Schlafstörungen.
  • Spezialisierte Hilfsmittel: wie Gehhilfen, Rollstühle oder Kommunikationsgeräte.

Bei symptomatischen Ataxien steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund. Bei alkoholtoxischer Kleinhirnschädigung ist strikte Alkoholkarenz erforderlich. Bei medikamentös-toxischen Kleinhirnschädigungen sollte das auslösende Medikament abgesetzt werden.

Forschung

Forschende des DZNE widmen sich an mehreren Standorten in verschiedenen großen klinischen Studien der Erforschung von Ataxien. Der Schwerpunkt liegt dabei auf genetisch bedingten Ataxien. So nehmen sie den Verlauf spinozerebellärer Ataxien unter die Lupe und fahnden nach messbaren biologischen Merkmalen (sogenannten Biomarkern, z. B. im Blut oder im Nervenwasser) für die Früherkennung. Darüber hinaus widmen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DZNE auch neuen Wegen für die Therapie. So arbeiten sie an neuen, individuell auf die Betroffenen abgestimmten Gentherapien, um bei genetisch bedingten Ataxie-Formen den Krankheitsverlauf zu verlangsamen oder sogar aufzuhalten.

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