Kortikale Atrophie bei Alzheimer: Ursachen, Diagnose und Therapie

Die Alzheimer-Krankheit, eine der häufigsten Ursachen für Demenz, ist durch einen fortschreitenden kognitiven Abbau und kortikale Hirnatrophie gekennzeichnet. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Therapiemöglichkeiten der kortikalen Atrophie im Zusammenhang mit Alzheimer, einschließlich seltenerer Varianten und neuer Therapieansätze.

Was ist kortikale Atrophie?

Kortikale Atrophie bezieht sich auf den Verlust von Nervenzellen in der Großhirnrinde, der äußeren Schicht des Gehirns. Dieser Verlust kann zu einer Vielzahl von kognitiven Beeinträchtigungen führen, abhängig davon, welche Bereiche der Hirnrinde betroffen sind. Bei der Alzheimer-Krankheit ist die kortikale Atrophie ein charakteristisches Merkmal und trägt maßgeblich zu den Gedächtnisproblemen, Sprachstörungen und anderen kognitiven Defiziten bei, die mit der Erkrankung einhergehen.

Ursachen der kortikalen Atrophie bei Alzheimer

Die genauen Ursachen der Alzheimer-Krankheit und der damit verbundenen kortikalen Atrophie sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass eine Kombination aus genetischen, umweltbedingten und Lebensstilfaktoren eine Rolle spielt.

Genetische Faktoren

Ein kleiner Prozentsatz der Alzheimer-Fälle, etwa 5 %, ist auf genetische Mutationen zurückzuführen. Diese Fälle werden als familiäre Alzheimer-Krankheit (FAD) bezeichnet. Mutationen in den Genen APP (Amyloid-beta (A4) Precursor Protein) auf Chromosom 21q21.2, PSEN1 (Präsenilin 1) auf Chromosom 14q24.2 und PSEN2 (Präsenilin 2) auf Chromosom 1q31-q42 können eine frühe Form der Alzheimer-Krankheit (EOFAD) verursachen, bei der die ersten Symptome vor dem 60. oder 65. Lebensjahr auftreten. Es gibt auch Familien mit autosomal-dominanter EOFAD, bei denen keine Mutationen in diesen Genen gefunden wurden, was darauf hindeutet, dass es noch weitere, bisher unbekannte Gene gibt, die für monogen vererbte Formen der Alzheimer-Demenz verantwortlich sind. Darüber hinaus gibt es monogenetische Demenzerkrankungen im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen wie der frontotemporalen Demenz, der Huntington-Krankheit oder CADASIL.

Ein Genotyp des Gens APOE (Apolipoprotein E) gilt als Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit. Patienten mit einer Alzheimer-Demenz im höheren Lebensalter weisen gegenüber der Allgemeinbevölkerung vermehrt den Genotyp E4 entweder homozygot (E4/E4) oder heterozygot (E3/E4) auf.

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In der deutschen Bevölkerung wurde eine Founder-Mutation im Gen PSEN2 (c.422A>T) nachgewiesen.

Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen

Neuropathologische Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit sind extrazelluläre Ablagerungen von Beta-Amyloid-Plaques und intrazelluläre Ablagerungen von phosphoryliertem Tau-Protein (pTau) in Form von neurofibrillären Bündeln. Es wird angenommen, dass diese Ablagerungen die normale Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und letztendlich zu deren Absterben führen, was zur kortikalen Atrophie beiträgt.

Vaskuläre Faktoren

Vaskuläre Faktoren, wie z.B. Schlaganfälle, Arteriosklerose (Arterienverkalkung) oder Bluthochdruck, können ebenfalls zur kortikalen Atrophie beitragen. Eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn kann die Versorgung der Nervenzellen mit Sauerstoff und Nährstoffen beeinträchtigen, was zu deren Absterben führen kann.

Andere Risikofaktoren

Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer Alzheimer-Krankheit und kortikalen Atrophie sind:

  • Diabetes
  • Hypertonie
  • Adipositas
  • Rauchen
  • Ein niedriges Bildungsniveau
  • Bewegungsmangel

Symptome der kortikalen Atrophie bei Alzheimer

Die Symptome der kortikalen Atrophie bei Alzheimer können je nach den betroffenen Hirnbereichen variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

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  • Gedächtnisverlust: Dies ist oft das erste und auffälligste Symptom. Betroffene haben Schwierigkeiten, sich an kürzlich erlebte Ereignisse zu erinnern, vergessen wichtige Termine oder verlegen Gegenstände. Der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses ist das häufigste Frühsymptom.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Schwierigkeiten beim Planen, Organisieren und Entscheiden. Betroffene haben Probleme, komplexe Aufgaben zu bewältigen, Entscheidungen zu treffen oder Probleme zu lösen.
  • Sprachstörungen: Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, Sätze zu bilden oder Gespräche zu verstehen. Es kann zu Benennstörungen, semantischen Paraphasien und umständlichen Umschreibungen in der Spontansprache kommen.
  • Desorientierung: Verwirrung über Zeit und Ort. Betroffene können sich in vertrauter Umgebung verirren, das Datum oder die Jahreszeit vergessen oder Schwierigkeiten haben, sich in neuen Umgebungen zurechtzufinden.
  • Verhaltensänderungen: Veränderungen in der Persönlichkeit, Stimmung oder im Sozialverhalten. Betroffene können reizbarer, ängstlicher, depressiver oder apathischer werden. Es kann zu sozialer Disinhibition, perseverierenden, stereotypen oder zwanghaft, ritualisierten Verhaltensmustern oder Veränderungen im Essverhalten kommen.
  • Apraxie: Das Unvermögen, geplante Bewegungen auszuführen.
  • Agnosie: Die Unfähigkeit, Gegenstände oder Personen zu erkennen.
  • Visuelle Symptome: Bei der posterioren kortikalen Atrophie (PCA), einer Variante der Alzheimer-Krankheit, kommt es zu fortschreitenden komplexen visuellen Funktionsstörungen wie Objektagnosie, Simultanagnosie, optischer Ataxie und Blickapraxie bei intakten elementaren Sehleistungen.

Diagnose der kortikalen Atrophie bei Alzheimer

Die Diagnose der Alzheimer-Krankheit und der damit verbundenen kortikalen Atrophie basiert auf einer Kombination aus:

  • Anamnese und klinischer Untersuchung: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte des Patienten und führt eine körperliche und neurologische Untersuchung durch. Besonders wichtig sind dabei frühere oder aktuelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße, Bluthochdruck und Diabetes. Die Ärztin oder der Arzt erkundigt sich nach Beschwerden und Problemen im Alltag, nach Stimmungsschwankungen sowie nach den Lebensumständen.
  • Neuropsychologische Tests: Diese Tests dienen der Beurteilung der kognitiven Funktionen, wie Gedächtnis, Sprache, Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen. Es stehen verschiedene zeitökonomische Tests zur Verfügung, z. B. der Mini-Mental State Test (MMST) oder das Montreal Cognitive Assessment (MoCA).
  • Bildgebende Verfahren: MRT (Magnetresonanztomographie) und CT (Computertomographie) können Veränderungen im Gehirn feststellen, wie z. B. kortikale Atrophie, vaskuläre Läsionen oder andere strukturelle Anomalien. Strukturelle und funktionelle bildgebende Verfahren eignen sich zum Nachweis der Lokalisation des Krankheitsprozesses.
  • Biomarker: Die Bestimmung von Liquorproteinen (β-Amyloid, Tau, Phospho-Tau, 14-3-3) dient der Bestätigung oder dem Ausschluss der Alzheimer-Krankheit. Bei pathologischen Befunden von Amyloid und Tau-Markern liegt das Risiko innerhalb von 5 Jahren eine Demenz zu entwickeln bei ca. 90%, das entsprechende Risiko bei nicht pathologischen Befunden von Amyloid und Tau-Markern liegt bei ca. 10%. Die Datenlage für die blutbasierten Biomarker zur Alzheimerdiagnostik ist sehr valide und können in Zukunft eine nicht-invasive und breitflächig einsetzbare Diagnostik ermöglichen.

Therapie der kortikalen Atrophie bei Alzheimer

Obwohl es derzeit keine Heilung für die Alzheimer-Krankheit und die damit verbundene kortikale Atrophie gibt, gibt es verschiedene Behandlungen, die helfen können, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamentöse Therapie

  • Cholinesterasehemmer: Diese Medikamente können die kognitiven Funktionen verbessern, indem sie den Abbau von Acetylcholin, einem wichtigen Neurotransmitter im Gehirn, reduzieren.
  • Memantin: Dieses Medikament kann die Gedächtnisleistung und die Lernfähigkeit verbessern, indem es die Wirkung von Glutamat, einem anderen wichtigen Neurotransmitter im Gehirn, reguliert.
  • Neue Antikörper gegen Amyloid: In den USA wurden die Antikörper Lecanemab und Donanemab gegen Amyloid zugelassen. Sie reduzieren nicht nur Amyloid, sondern sind auch mit einem klinischen Nutzen für Betroffene verbunden. Sie können den Krankheitsverlauf verlangsamen, wenn auch nicht umkehren. Eine Zulassung von Lecanemab ist in Europa nach dem jetzigen positiven Votum des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abzusehen. Dabei sind jedoch relevante potenzielle Nebenwirkungen der Medikamente zu berücksichtigen, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen wurden vorgeschlagen.

Nicht-medikamentöse Therapie

  • Kognitives Training: Diese Therapie kann helfen, die kognitiven Funktionen zu verbessern, indem sie gezielte Übungen zur Verbesserung des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit und der exekutiven Funktionen umfasst.
  • Ergotherapie: Diese Therapie kann helfen, die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten, indem sie Strategien zur Bewältigung von Alltagsproblemen vermittelt.
  • Physiotherapie: Diese Therapie kann helfen, die körperliche Fitness und die Beweglichkeit zu erhalten.
  • Logopädie: Diese Therapie kann helfen, Sprachstörungen zu verbessern.
  • Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik: Diese Therapien können Betroffenen helfen, ihre Lebensqualität zu verbessern.
  • Unterstützung und Beratung: Es ist wichtig, dass Betroffene und ihre Familien Unterstützung und Beratung erhalten, um mit den Herausforderungen der Erkrankung umzugehen.

Präventive Maßnahmen

Obwohl es keine Garantie dafür gibt, dass man eine Alzheimer-Krankheit verhindern kann, gibt es einige Maßnahmen, die man ergreifen kann, um das Risiko zu senken:

  • Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität kann helfen, das Gehirn gesund zu halten und das Risiko von Herzerkrankungen, Schlaganfällen und Diabetes zu senken.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten kann helfen, das Gehirn gesund zu halten.
  • Kognitive Stimulation: Geistig aktiv zu bleiben, z. B. durch Lesen, Rätsel lösen oder neue Dinge lernen, kann helfen, das Gehirn fit zu halten.
  • Soziale Interaktion: Soziale Kontakte und die Teilnahme an sozialen Aktivitäten können helfen, das Gehirn aktiv zu halten und das Risiko von Depressionen und sozialem Rückzug zu senken.
  • Kontrolle von Risikofaktoren: Die Kontrolle von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und hohem Cholesterinspiegel kann helfen, das Risiko von Herzerkrankungen, Schlaganfällen und Alzheimer-Krankheit zu senken.

Besondere Formen der Alzheimer-Krankheit

Neben der typischen Form der Alzheimer-Krankheit gibt es auch einige atypische, fokale Varianten, die sich insbesondere bei jüngeren Patienten manifestieren können:

  • Posteriore kortikale Atrophie (PCA): Diese Variante ist durch vorwiegend visuelle Symptome gekennzeichnet, trotz intakter primärer visueller Verarbeitung.
  • Logopenische Variante der primär progressiven Aphasie (PPA): Diese Variante ist durch Wortfindungsstörungen und eine reduzierte Sprachproduktion gekennzeichnet.
  • Frontale Variante der Alzheimer-Krankheit: Diese Variante ist durch Veränderungen im Sozialverhalten und im planenden Denken gekennzeichnet.

Frontotemporale Lobärdegeneration (FTLD)

Die frontotemporale Lobärdegeneration (FTLD) ist ein spezifischer neuropathologischer Begriff für primär neurodegenerative Erkrankungen mit Atrophie frontaler und/oder temporaler Strukturen sowie histologisch nachweisbaren, intrazellulären Ablagerungen aberranter Formen der Proteine Tau, TDP-43 oder FUS. Das klinische Korrelat der FTLD ist in den meisten Fällen eine frontotemporale Demenz (FTD).

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Verhaltensvariante der FTD (bvFTD)

Die behaviorale Variante der FTD (bvFTD) stellt die häufigste klinische Präsentation einer FTLD dar. Die Erstsymptome sind häufig subtil, die Patienten zeigen fast immer eine Anosognosie für die leitsymptomatischen Verhaltensänderungen, welche von Angehörigen oftmals zunächst als „midlife crisis“ fehlinterpretiert werden. Diese Präsentation resultiert aus den zentralen bvFTD-Symptomen, die auch die Grundlage der Diagnosekriterien nach Rascovsky bilden: sog. „Plussymptome“ wie soziale Disinhibition, perseverierende, stereotype oder zwanghaft, ritualisierte Verhaltensmuster oder Veränderungen im Essverhalten (insbesondere ein gesteigerter Konsum von Süßigkeiten). Andererseits kommt es häufig bei denselben Patienten auch zu Minussymptomen wie Apathie, Antriebsarmut oder Verlust von Empathie. Neben den Verhaltenssymptomen finden sich markante Störungen exekutiver Funktionen trotz relativ intakter Gedächtnisleistungen und visuell-räumlicher kognitiver Funktionen.

Sprachvarianten der FTD (primär progressive Aphasien, PPA)

Das zweithäufigste klinische Korrelat der FTD stellen die Sprachvarianten dar, die sog. primär progressiven Aphasien (PPAs). Das klinische Bild von Patienten mit einer PPA ist gekennzeichnet durch eine langsam progrediente Sprachstörung als vorherrschendes Symptom, welches hauptverantwortlich für die Einschränkungen der Alltagsfunktionalität ist. Anhand der klinischen Präsentationen der PPA werden drei Subtypen unterschieden:

  • Nichtflüssige PPA (nfPPA): Hier finden sich eine angestrengte, nichtflüssige Sprachproduktion, eine Sprechapraxie und grammatikalische Defizite mit phonematischen Paraphasien.
  • Semantische Variante (svPPA): Hier zeigt sich eine flüssige, jedoch inhaltsleere Sprache mit Störungen der Semantik, also der „Wortbedeutung“. Daraus resultieren Benennstörungen, semantische Paraphasien und umständliche Umschreibungen in der Spontansprache.
  • Logopenische PPA (lpPPA): Diese ist charakterisiert durch Wortfindungsstörungen und eine reduzierte Sprachproduktion bei relativ gut erhaltener Phonologie und Syntax.

Vaskuläre Demenz

Die vaskuläre Demenz wird durch eine Schädigung der Blutgefäße im Gehirn verursacht. Die Gefäße können das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen, wodurch wichtige kognitive Funktionen eingeschränkt werden. Zu den typischen Ursachen einer vaskulären Demenz gehören:

  • Schlaganfälle, die eine Hirnarterie verschließen.
  • Stille Schlaganfälle, die ohne spürbare Symptome verlaufen.
  • Arterienverkalkung (Arteriosklerose) oder Bluthochdruck.

Sekundäre Demenzen

Unter dem Oberbegriff „sekundäre Demenzen“ werden alle demenziellen Syndrome zusammengefasst, die nicht Folge einer primär neurodegenerativen Erkrankung sind und nicht zu den vaskulären Demenzen zählen. Die kognitiven Störungen können dabei Folge einer sekundären zerebralen Funktionsstörung oder einer sekundären Neurodegeneration sein. Sekundäre Demenzen sind bei jungen Menschen prozentual deutlich häufiger als bei älteren Menschen. Das Feld der Differenzialdiagnosen ist sehr breit: Erkrankungen, die sich mit einem sekundären demenziellen Syndrom manifestieren, umfassen verschiedene Infektionskrankheiten, autoimmunvermittelte Erkrankungen, metabolische und hereditäre Erkrankungen, ethyltoxische oder traumatische Hirnschäden. Einige der sekundären Demenzen sind sehr gut behandelbar und sollten daher nicht übersehen werden.

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