Atypisches Parkinson-Syndrom: Ursachen, Symptome, Diagnose und Therapie

Das atypische Parkinson-Syndrom (APS) ist eine Gruppe von neurodegenerativen Erkrankungen, die sich von der klassischen Parkinson-Krankheit (Morbus Parkinson) unterscheiden. Obwohl beide ähnliche Symptome aufweisen können, gehen APS oft mit zusätzlichen Symptomen wie Gedächtnisstörungen, psychischen Auffälligkeiten und vegetativen Dysregulationen einher, die früh im Krankheitsverlauf auftreten können.

Unterscheidung zum idiopathischen Parkinson-Syndrom

Im Gegensatz zum idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS) oder Morbus Parkinson handelt es sich bei den atypischen Parkinson-Syndromen (APS) um seltene Erkrankungen. Zu dieser Gruppe gehören die Multisystematrophie (MSA), die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), das kortikobasale Syndrom (CBS) und die Demenz mit Lewy-Körpern (LBD).

Ursachen

Wie der Morbus Parkinson sind auch die APS neurodegenerative Erkrankungen. Je nach den zugrunde liegenden neuropathologischen Veränderungen werden sie in Synukleinopathien (MSA, LBD, bestimmte Formen des CBS) und Tauopathien (PSP, bestimmte Formen des CBS) unterteilt. Die genauen Ursachen für die Entstehung von APS sind noch nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren eine Rolle spielt.

Ein Interview mit Prof. Ceballos-Baumann zum Thema atypische Parkinson-Syndrome ergab, dass atypischen Parkinson-Syndromen, wie bei der Parkinson-Krankheit, eine Schädigung oder Degeneration von Nervengewebe im Gehirn zugrunde liegt, die über die typischen Auffälligkeiten bei der Parkinson-Krankheit hinausgeht. Die Multisystematrophie (MSA) ist gekennzeichnet durch eine Degeneration in mehreren Gehirnregionen, einschließlich des Kleinhirns, des autonomen Nervensystems und der Basalganglien. Die Progressive supranukleäre Blickparese (PSP) betrifft besonders das Mittelhirn und andere Hirnregionen und ist durch abnormale Ansammlungen des Tau-Eiweißes gekennzeichnet. Bei der Lewy-Körper-Demenz kommt es zur Bildung von Lewy-Körpern, die Eiweißablagerungen von alpha-Synuclein in Nervenzellen darstellen, jedoch auch diffus über die Großhirnrinden verteilt. Sogenannte sekundäre Parkinson-Syndrome entstehen durch bekannte innere oder äußere Einflüsse, z. B. durch Hirndurchblutungs- und Stoffwechselstörungen oder als Nebenwirkung von Medikamenten oder Veränderungen der Druckverhältnisse in den Hirnräumen wie beim Normaldruckhydrozephalus (NPH).

Symptome

Charakteristisch für die APS sind ein schleichender Beginn im mittleren Lebensalter und eine kontinuierliche Zunahme der Symptomatik im Krankheitsverlauf. Im Vergleich zum Morbus Parkinson verlaufen die APS in der Regel schwerer und schneller. Zudem sprechen sie schlechter auf die für den Morbus Parkinson eingesetzte dopaminerge Therapie an.

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Die Symptome können je nach Art des APS variieren, umfassen aber häufig:

  • Parkinson-ähnliche Symptome: Allgemeine Bewegungsverlangsamung (Bradykinese), Muskelsteifigkeit (Rigor) und Zittern (Tremor).
  • Gedächtnisstörungen und kognitive Beeinträchtigungen: Diese können von leichten Gedächtnisproblemen bis hin zu schwerer Demenz reichen.
  • Psychische Auffälligkeiten: Depressionen, Angstzustände, Halluzinationen und Verhaltensänderungen.
  • Vegetative Dysregulationen: Störungen der Blasen- und Darmfunktion, Kreislaufprobleme (orthostatische Hypotonie) und sexuelle Dysfunktion.
  • Augenbewegungsstörungen: Insbesondere bei der progressiven supranukleären Blickparese (PSP).
  • Gleichgewichtsstörungen und Stürze: Treten häufig früh im Krankheitsverlauf auf, insbesondere bei PSP und MSA.

Spezifische Symptome der einzelnen APS:

  • Multisystematrophie (MSA): Ausgeprägte Störungen des autonomen Nervensystems, die zum Teil Jahre vor Beginn der Parkinson- bzw. Kleinhirnsymptome auftreten können. Dazu gehören Störungen der Harnblasenfunktion einschließlich Harninkontinenz, erektile Dysfunktion und Zeichen der Kreislaufdysregulation wie die orthostatische Hypotonie. Je nach Ausprägung der klinischen Symptomatik werden zwei Typen unterschieden: der Parkinson-Typ (MSA-P) und der cerebelläre Typ (MSA-C) mit Zeichen einer Kleinhirnfunktionsstörung.
  • Progressive supranukleäre Blickparese (PSP): Vertikale Blickparese, Parkinson-Symptome, ausgeprägte Sturzneigung, Dysarthrie und Dysphagie. Symptome aus vier verschiedenen Symptomkategorien - Augenbewegungsstörungen, posturale Instabilität, Akinesie und kognitive Störungen - werden dabei zu sogenannten „Prädominanztypen“ kombiniert.
  • Kortikobasales Syndrom (CBS): Kombination von kortikalen und basalganglionären Symptomen. Zu den kortikalen Symptomen gehören Apraxie, kortikale Sensibilitätsstörungen und das Alien-limb-Phänomen, zu den basalganglionären Symptomen Rigor, Dystonie und Myoklonus.
  • Demenz mit Lewy-Körpern (LBD): Neben den motorischen Parkinson-Symptomen zählen die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, wiederkehrende optische Halluzination und zum Teil starke Schwankungen der Aufmerksamkeit und Wachheit im Tagesverlauf zu den Kernsymptomen der LBD. Das Hauptsymptom ist die Demenz. Patienten mit einer LBD reagieren häufig empfindlich auf Medikamente, die zur Behandlung der Parkinson-Symptome oder auch der Halluzinationen eingesetzt werden.

Diagnose

Die Diagnosestellung von APS kann schwierig sein, insbesondere in den frühen Stadien der Erkrankung. Die Diagnose erfolgt in der Regel durch einen Neurologen, der eine Kombination aus klinischer Untersuchung, Anamnese und verschiedenen diagnostischen Tests verwendet.

Diagnostische Verfahren:

  • Klinische Untersuchung: Beurteilung der motorischen Fähigkeiten, Reflexe, Koordination und kognitiven Funktionen.
  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Symptome.
  • Bildgebende Verfahren:
    • Kernspintomographie (MRT): Zum Ausschluss anderer Erkrankungen und zur Beurteilung von strukturellen Veränderungen im Gehirn.
    • Da-TSCAN® (123J-Dat-Scan): Nuklearmedizinische Untersuchung zur Bestimmung der Dichte von Dopamintransportern im Gehirn. Diese sind bei allen neurodegenerativen Formen des Parkinson-Syndroms vermindert.
    • 18F FDG PET: Positronenemissionstomographie zur Darstellung des Gehirnstoffwechsels. In Bereichen, die von einem neurodegenerativen Prozess betroffen sind, ist oft schon früh der Zuckerstoffwechsel reduziert. Verschiedene Formen neurodegenerativer Erkrankungen können so voneinander abgegrenzt werden.
    • MIBG-Szintigraphie: Nuklearmedizinische Untersuchung zur Visualisierung der Aufnahme und Speicherung von Katecholaminen in postganglionären kardialen Neuronen. Diese Untersuchung kann durchgeführt werden, um differentialdiagnostisch insbesondere die MSA vom Morbus Parkinson abzugrenzen.
  • Weitere Untersuchungen:
    • Nervenwasseruntersuchung (Lumbalpunktion): Zum Ausschluss anderer Erkrankungen.
    • Kardiovaskuläre Funktionstests (Kipptischuntersuchung): Zur Feststellung von Art und Ausmaß der orthostatischen Hypotonie.

Gerade in der Frühphase der jeweiligen Erkrankungen kann es schwierig sein, die richtige Diagnose zu stellen, sowohl innerhalb der Gruppe der APS als auch in Abgrenzung zum Morbus Parkinson. Durch Unterstützung in der Diagnosestellung will man dazu beitragen, Betroffene mit APS möglichst frühzeitig zu identifizieren und ihnen dadurch eine zielgerichtete Behandlung zu ermöglichen.

Therapie

Auch beim atypischen Parkinson-Syndrom ist keine Heilung der Erkrankung möglich. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Therapeutische Ansätze:

  • Medikamentöse Therapie:
    • Dopaminerge Therapie: Bei einigen Betroffenen kann die für die Parkinsonerkrankung eingesetzte dopaminerge Therapie die Symptome lindern. Häufig lässt sich hierunter jedoch keine nachhaltige Besserung erzielen oder es kommt zu beeinträchtigenden Nebenwirkungen, die eine Beendigung der Therapie nach sich ziehen.
    • Andere Medikamente: Zur Behandlung von spezifischen Symptomen wie Depressionen, Angstzuständen, Schlafstörungen oder vegetativen Dysregulationen.
  • Nicht-medikamentöse Therapie:
    • Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit, Koordination und des Gleichgewichts.
    • Ergotherapie: Zur Erhaltung der Selbstständigkeit im Alltag.
    • Logopädie: Zur Verbesserung der Sprach- und Schluckfunktion.
    • Psychotherapie: Zur Bewältigung der psychischen Belastungen.
    • Urotherapie und Kontinenzberatung: Zur Behandlung von Blasenfunktionsstörungen.

Wichtige Aspekte der Therapie:

  • Individuelle Anpassung: Die Therapie muss individuell auf die Bedürfnisse und Symptome des Patienten abgestimmt werden.
  • Multidisziplinärer Ansatz: Die Behandlung sollte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachkräften erfolgen (Neurologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Psychologen).
  • Frühzeitige Intervention: Je früher die Behandlung begonnen wird, desto besser können die Symptome kontrolliert und die Lebensqualität erhalten werden.

Zusammenfassung

Das atypische Parkinson-Syndrom ist eine komplexe Gruppe von neurodegenerativen Erkrankungen, die sich von der klassischen Parkinson-Krankheit unterscheiden. Die Diagnose kann schwierig sein, und es gibt keine Heilung. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Ein multidisziplinärer Ansatz mit individueller Anpassung der Therapie ist entscheidend für eine optimale Versorgung der Patienten.

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