Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie: Prognose, Diagnose und Behandlung

Einleitung

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, von der mehr als 3 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens betroffen sind. Etwa ein Viertel der Neuerkrankungen betrifft Kinder. Durch eine optimale Therapie können circa 70 % der Patienten in Remission gebracht werden. Die meisten Patienten mit Epilepsie zeigen dabei eine normale kognitive Entwicklung. Die „International League Against Epilepsy“ (ILAE) hat Maßgaben zur Klassifikation der verschiedenen Anfallsformen und Epilepsiesyndrome festgelegt. Hauptsächlich wird zwischen symptomatischen Epilepsien mit erkennbarer Ursache und idiopathischen Epilepsien mit genetischem Hintergrund unterschieden. Bei idiopathischen Epilepsien weist der Patient - mit Ausnahme der Epilepsie selbst - keine weiteren Symptome auf. Die Zuordnung der Epilepsiesyndrome erfolgt anhand der vermuteten Ätiologie und der Anfallssymptomatik. In der Regel wird die medikamentöse Therapie nach zwei unprovozierten epileptischen Anfällen eingeleitet.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist definiert als das wiederholte Auftreten unprovozierter epileptischer Anfälle. Die häufigste Form epileptischer Anfälle im Kindesalter sind jedoch Fieberkrämpfe. Fieberkrämpfe sind Gelegenheitsanfälle, die durch erhöhte Körpertemperatur provoziert werden und auch bei mehrmaligem Auftreten von einer Epilepsie abgegrenzt werden müssen.

Epidemiologie

Die Prävalenz der Epilepsie im Kindesalter beträgt etwa 0,5 Prozent. In den Industrieländern erkranken im Mittel etwa 50 von 100 000 Kindern jedes Jahr neu an einer Epilepsie. Insgesamt macht der Anteil von Kindern 25 Prozent aller Epilepsie-Neuerkrankungen aus.

Klassifikation der Epilepsiesyndrome

Die Klassifikation der Epilepsiesyndrome basiert hauptsächlich auf der Ätiologie und der Anfallssymptomatik. Zunächst werden die einzelnen Anfallstypen klassifiziert, aus denen sich dann zusammen mit der vermuteten Ätiologie die Diagnose des Epilepsiesyndroms zusammensetzt. Wegweisende Klassifikationsvorschläge wurden in den Jahren 1981 und 1989 sowie kürzlich durch die internationale Fachgesellschaft „International League Against Epilepsy“ (ILAE, www.ilae-epilepsy.org) veröffentlicht.

Idiopathische Epilepsien

Als idiopathisch werden Epilepsiesyndrome bezeichnet, die einen genetischen Ursprung haben und bei denen die Betroffenen sonst neurologisch unauffällig sind. Viele idiopathische Epilepsiesyndrome sind durch das komplexe Zusammenspiel mehrerer genetischer Faktoren und die modifizierenden Einflüsse von Umweltfaktoren bedingt. In den letzten Jahren konnten bei einer Vielzahl von Epilepsiesyndromen - oft in exemplarischen Großfamilien - Defekte verschiedener spannungsabhängiger und ligandenmediierter Ionenkanäle nachgewiesen werden. Dies stellt die meisten idiopathischen Epilepsien in eine Reihe mit paroxysmalen neuromuskulären Erkrankungen, den sogenannten Ionenkanalerkrankungen.

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Symptomatische Epilepsien

Symptomatische Epilepsien haben eine belegbare Ursache, während bei vermutlich symptomatischen (früher kryptogenen) Epilepsien ein Auslöser wahrscheinlich ist, aber nicht bewiesen werden kann. Symptomatische Epilepsien können entweder läsionell (z. B. Trauma, Tumor, Entzündung, Fehlbildung) oder durch genetische Systemerkrankungen verursacht sein.

Begleiterkrankungen

Etwa 70 Prozent aller Kinder mit Epilepsie sind kognitiv normal entwickelt. Andererseits ist eine Intelligenzminderung (IQ < 70) die häufigste Komorbidität bei Kindern mit Epilepsie. In epidemiologischen Studien sind Zerebralparese, Hydrozephalus, Tuberöse Sklerose und Sturge-Weber-Syndrom die häufigsten Begleiterkrankungen.

Fieberkrämpfe

Die Definition der ILAE lautet: Ein Fieberkrampf ist ein epileptischer Anfall jenseits des ersten Lebensmonats, der in Verbindung mit einer fieberhaften Erkrankung, die nicht durch eine ZNS-Infektion verursacht ist, meist bei einer Temperatur von mehr als 38 Grad Celsius auftritt. Anfälle symptomatischer Genese und vorausgehende Neugeborenenanfälle oder afebrile Anfälle stellen Ausschlusskriterien dar.

Einfache Fieberkrämpfe

Fieberkrämpfe werden als einfach eingeordnet, wenn sie:

  • als generalisierte tonisch-klonische Anfälle verlaufen
  • weniger als 15 Minuten dauern
  • innerhalb von 24 Stunden nur ein einziges Mal auftreten.

Ungefähr 70 Prozent der Fieberkrämpfe verlaufen „einfach“, meist als generalisierte tonisch-klonische Anfälle (Grand-Mal) und dauern etwa drei Minuten. Nach dem Sistieren des Anfalles folgt oft ein postiktaler Schlaf.

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Pathophysiologie der Fieberkrämpfe

Die genaue Pathophysiologie der Fieberkrämpfe ist unklar. Alter, Fieber (meist bedingt durch triviale Infekte) und genetische Disposition sind die bedeutsamsten Einflussfaktoren. Etwa drei Prozent aller Kinder erleiden bis zum siebten Lebensjahr einen Fieberkrampf. Betroffen sind in aller Regel normal entwickelte Kinder im Alter von drei Monaten bis fünf Jahren. Die Prognose auch von wiederholt auftretenden einfachen Fieberkrämpfen ist sehr gut. Die psychomotorische Entwicklung bleibt unbeeinträchtigt und das Epilepsierisiko erhöht sich nur geringfügig - von 0,5 auf etwa 3 Prozent.

Differenzialdiagnose und Diagnostik bei Fieberkrämpfen

Bei 1 bis 3 Prozent aller febrilen Anfälle im Kindesalter handelt es sich um das erste Symptom einer Meningoenzephalitis. Im Säuglings- und jungen Kleinkindalter können die typischen klinischen Zeichen einer Meningitis fehlen. Daher sollte bei Kindern mit einem febrilen Anfall im ersten Lebensjahr immer und bei Kindern bis zu 18 Monaten in der Regel eine Liquordiagnostik erfolgen. Das Gleiche gilt bei antibiotischer Vorbehandlung in jeder Altersgruppe. Nach dem fünften Lebensjahr sind Fieberkrämpfe als Ursache febriler Anfälle nicht mehr primär anzunehmen. Die Herpesenzephalitis manifestiert sich im Säuglings- und Kleinkindalter oft wie ein komplizierter Fieberkrampf. Entscheidet man sich für eine Lumbalpunktion, sollte auch eine Blutentnahme mit Bestimmung von Natrium, Kalzium und Glucose erfolgen. EEG und Bildgebung sind bei einfachen Fieberkrämpfen nicht erforderlich.

Therapie und Rezidivprophylaxe bei Fieberkrämpfen

Wenn ein Fieberkrampf nicht innerhalb von fünf Minuten spontan endet, muss er medikamentös unterbrochen werden. Eltern von Kindern mit Fieberkrämpfen oder Epilepsie sollten mit einem schnell wirksamen, rektal (oder oral) applizierbaren Benzodiazepin-Präparat zur Anfallsunterbrechung ausgestattet sein. Bei richtiger Dosierung braucht keine Atemdepression befürchtet zu werden. Eine Dauertherapie ist in aller Regel nicht indiziert.

Das generelle Wiederholungsrisiko für Fieberkrämpfe beträgt etwa 30 Prozent. Um weitere Fieberkrämpfe zu vermeiden, werden oft antipyretische Maßnahmen bei fieberhaften Infekten empfohlen. Zwar ist dies pragmatisch sinnvoll und bessert den Allgemeinzustand der Kinder, doch ist gut belegt, dass es hierdurch zu keiner nennenswerten Reduktion des Wiederholungsrisikos von Fieberkrämpfen kommt. Eine intermittierende Diazepamprophylaxe bei Fieber ist in einer Dosis von 0,33 mg/kg/d wirksam. Eine solche Therapie sollte aber erst nach wiederholten Fieberkrämpfen erfolgen und nicht länger als maximal 72 Stunden durchgeführt werden. Bei Nebenwirkungen wie erheblicher Sedierung oder Gangunsicherheit muss die Diazepamgabe reduziert oder vorzeitig beendet werden.

Altersgebundene Epilepsiesyndrome bei Kindern und Jugendlichen

Mit Beginn im ersten Lebensjahr

Die häufigsten Ursachen symptomatischer Epilepsien im Neugeborenenalter sind die hypoxisch-ischämische Enzephalopathie, konnatale und neonatale Infektionen, akute Stoffwechselentgleisungen (Glucose, Elektrolyte) und kortikale Affektionen (Infarkte, Blutungen, Fehlbildungen). Idiopathische Epilepsiesyndrome sind selten. Pyridoxin-, Pyridoxalphosphat- oder Folinsäure-abhängige Anfälle beginnen zumeist im Neugeborenenalter und gehen im EEG oft mit einem sogenannten „Suppression-burst-Muster“ einher. Diese Stoffwechselerkrankungen sind selten, müssen aber wegen ihrer hohen prognostischen Relevanz immer bedacht werden. Die Behandlung mit dem jeweiligen Vitamin führt zu Anfallsfreiheit oder deutlicher Besserung der Anfälle.

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Benigne infantile Partialepilepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Die Anfälle beginnen zwischen dem 3. und 20. Lebensmonat. Während der Anfälle kommt es zumeist zum Innehalten bei Bewegungen, Augenverdrehen und fokalen Kloni evtuell mit sekundärer Generalisation. Die Anfälle sind gelegentlich von Weinen oder Schreien begleitet. Die Kinder bleiben normal entwickelt. Das interiktale EEG ist unauffällig.

Dravet-Syndrom

Die schwere myoklonische Epilepsie des Säuglingsalters, manifestiert sich im ersten Lebensjahr bei bis dahin normal entwickelten Säuglingen mit febrilen oder afebrilen generalisierten tonisch-klonischen Anfällen und meist alternierenden Halbseitenanfällen. Die Prognose ist im Hinblick auf Anfallsfreiheit und kognitive Entwicklung sehr ungünstig. Bei etwa 60 Prozent der Kinder kann ein Defekt im SCN1A-Gen (einem Natriumkanalgen) nachgewiesen werden. Falls myoklonische Anfälle nicht im Vordergrund stehen, wird die Epilepsie als frühkindliche Epilepsie mit generalisiert tonisch-klonischen Anfällen und alternierenden Hemi-Grand-Mal bezeichnet. Charakteristisch ist die ausgeprägte Temperatur- beziehungsweise Infektabhängigkeit der Anfälle.

West-Syndrom (Ätiologie: symptomatisch oder kryptogen)

Es erkranken meist Säuglinge zwischen dem zweiten und achten Lebensmonat. Perinatale Asphyxie, ZNS-Fehlbildungen und die tuberöse Sklerose sind die häufigsten Ursachen. Das West-Syndrom ist charakterisiert durch die Trias Blitz-Nick-Salaam-Anfälle, Hypsarrhythmie im EEG und Entwicklungsregression. Die häufigste Anfallsform stellen symmetrische Beuge- oder Streckkrämpfe der Extremitäten dar. Blitzanfälle bestehen aus heftigen myoklonischen Stößen. Nickanfälle sind kurze, häufig diskrete (myoklonische) Beugungen des Kopfes. Vor allem die Prognose eines symptomatischen West-Syndroms ist im Hinblick auf Anfallsfreiheit und kognitive Entwicklung ungünstig.

Mit Beginn im frühen Kindesalter (etwa bis sechstes Lebensjahr)

Frühkindliche Absenceepilepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Im deutschen Sprachraum wird zwischen der frühkindlichen Absenceepilepsie mit Manifestation in den ersten vier Lebensjahren, der Absenceepilepsie des Kindesalters, sowie der juvenilen Absenceepilepsie unterschieden. Die internationale Klassifikation hingegen fasst die frühkindliche Absenceepilepsie und die Absenceepilepsie des Kindesalters zu einer Entität zusammen.

Doose-Syndrom (Ätiologie: idiopathisch)

Bei der myoklonisch-astatischen Epilepsie treten erste Anfälle zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr auf. Meist beginnt die Epilepsie mit febrilen oder afebrilen generalisierten, tonisch-klonischen Anfällen. Oft setzen dann wenige Wochen später explosionsartig myoklonisch-astatische Anfälle ein. Ein nicht-konvulsiver Status, der wie ein Stupor imponieren kann, ist typisch. Kann die Epilepsie schnell und nachhaltig beherrscht werden, ist die Prognose in etwa 50 Prozent der Fälle relativ gut.

Lennox-Gastaut-Syndrom (Ätiologie: symptomatisch oder kryptogen)

Bei dieser Epilepsie ist in etwa zwei Drittel der Fälle eine ZNS-Fehlbildung oder kortikale Läsion nachweisbar. Zumeist manifestiert sich die Epilepsie zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr. Typisch sind tonische Anfälle (Versteifung), atypische Absencen (Abwesenheitszustände mit diskreten motorischen oder autonomen Phänomenen) und Sturzanfälle. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten (etwa 90 Prozent) ist intellektuell beeinträchtigt. Tonische Anfälle werden für die Diagnosestellung gefordert. Das Lennox-Gastaut-Syndrom ist nahezu immer therapieresistent.

Mit Beginn im Kindesalter (etwa bis 12. Lebensjahr)

Absenceepilepsie des Kindesalters, sogenannte Pyknolepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Es erkranken zumeist normal intelligente Kinder im Alter zwischen fünf und acht Jahren. Die Absencen (Abwesenheitszustände) dauern zwischen 5 und 30 Sekunden. Bei der Pyknolepsie können manchmal über 100 Anfälle pro Tag auftreten. Je länger eine Absence dauert, umso wahrscheinlicher geht sie mit motorischer (zum Beispiel Blinzeln) oder vegetativer Symptomatik (zum Beispiel Blässe) einher. Bei einem geringen Prozentsatz manifestiert sich die Absenceepilepsie als nicht-konvulsiver Status (früher Petit-Mal-Status genannt). Die Patienten sind oft über Stunden extrem verlangsamt, wirken desorientiert und reagieren nur eingeschränkt auf Ansprache.

Rolando-Epilepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Die benigne idiopathische Partialepilepsie mit zentrotemporalen Spikes im EEG ist mit etwa einem Fall auf 12 000 Kinder neben der Absenceepilepsie die häufigste Epilepsie im Kindesalter. Die Mehrzahl der Patienten erleidet den ersten Anfall zwischen dem sechsten und neunten Lebensjahr. Charakteristisch sind sensomotorische Herdanfälle der Perioralregion. Diese bestehen aus seitenbetonten Parästhesien der Lippe, der Zunge und des Gaumens sowie aus perioralen myoklonischen, klonischen und tonischen Anfällen (Zucken und Verziehen der Lippen und Wangen). Die Kinder können im Anfall nicht schlucken und sprechen. Es kommt zu starkem Speichelfluss. Im Alter von 12 bis 14 Jahren sind praktisch alle Betroffenen mit und ohne Therapie anfallsfrei. In seltenen Fällen (eventuell 1 bis 3 Prozent) kommt es zu einer ausgeprägten Aktivierung der für die Rolando-Epilepsie charakteristischen EEG-Veränderungen im Schlaf bis hin zum sogenannten bioelektrischen Status. Die Kinder entwickeln das Bild einer atypischen idiopathischen Partialepilepsie (sogenanntes Pseudo-Lennox-Syndrom). Die Prognose der Epilepsie selbst bleibt gut, die Entwicklungsprognose ist jedoch zurückhaltend zu stellen.

Mit Beginn im Jugendlichenalter (ab etwa 13. Lebensjahr)

Juvenile Absenceepilepsie (Ätiologie: idiopathisch)

Die Absencen unterscheiden sich nicht prinzipiell von denen der Absenceepilepsie des Kindesalters, treten aber in der Regel seltener auf. Im Verlauf, kommt es neben den Absencen in etwa 80 Prozent der Fälle auch zu einzelnen generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.

Epilepsie mit isolierten generalisierten tonisch-klonischen Anfällen (Ätiologie: idiopathisch)

Im deutschen Sprachraum ist die Bezeichnung „Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie“ gebräuchlich. Die Anfälle treten meist innerhalb der ersten zwei Stunden nach dem Erwachen auf. Der Manifestationsgipfel liegt um das 16. Lebensjahr. Die Anfallsfrequenz ist meist gering. Schlafentzug, Alkoholkonsum oder starke seelische Belastung sind häufig Auslöser für einen Anfall.

Juvenile myoklonische Epilepsie oder Janz-Syndrom (Ätiologie: idiopathisch)

Diese Epilepsie ist häufig (5 bis 10 Prozent aller Epilepsien) und betrifft normal intelligente Kinder und Jugendliche. Sie beginnt meist zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr. Kardinalsymptom sind morgendliche, oft kurz nach dem Erwachen auftretende, kurze myoklonische Zuckungen.

Die Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie im Detail

Die Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie (AGM) wird den idiopathisch generalisierten Epilepsien (bzw. generalisierten genetischen Epilepsien) zugeordnet. Kennzeichnend für diese Form der Epilepsie ist, dass die Anfälle, meist generalisierte tonisch-klonische Anfälle, vorwiegend innerhalb der ersten zwei Stunden nach dem Aufwachen auftreten. Der Manifestationsgipfel liegt in der Pubertät, meist um das 16. Lebensjahr. Betroffen sind meist Jugendliche, die körperlich, geistig und psychisch unauffällig entwickelt sind.

Anfallsauslöser und Häufigkeit

Häufige Auslöser für Anfälle bei AGM sind Schlafentzug, Alkoholkonsum oder starke seelische Belastungen am Abend vorher. Auch der Gang zur Toilette nach dem Aufwachen kann einen Anfall auslösen. Die Anfallsfrequenz ist meist gering.

Diagnostik

Die Diagnose der AGM basiert auf der Anamnese, dem EEG und dem Ausschluss anderer Ursachen für epileptische Anfälle. Im EEG zeigen sich typischerweise generalisierte Spike-Wave-Komplexe.

Therapie

Bei der Behandlung der idiopathisch generalisierten Epilepsie mit Aufwach-Grand Mal ist Valproinsäure das Mittel der Wahl. Wegen möglicher Schädigungen des Embryos während der Schwangerschaft (Teratogenität) wird diese Substanz aber bei Frauen im gebährfähigen Alter nicht eingesetzt. Alternativ können Lamotrigin oder Topiramat eingesetzt werden. In bestimmten Fällen können auch Carbamazepin, Oxcarbazepin, Levetiracetam, Phenytoin, Phenobarbital oder Brom in Betracht gezogen werden, wobei Carbamazepin, Oxcarbazepin und Phenytoin zu einer Anfallszunahme bei generalisierten idiopathischen Epilepsien führen können.

Prognose

Die Prognose der AGM ist im Allgemeinen gut. Langfristig wird das Risiko immer geringer, dass noch weitere epileptische Anfälle auftreten. Eine Studie mit einem durchschnittlichen Follow-up von 40 Jahren zeigte, dass 62 % der Patienten in den fünf vorangehenden Jahren anfallsfrei waren, ein Drittel sogar in den letzten 20 Jahren. Unabhängiger Prädiktor für eine fehlende Anfallsfreiheit war das Alter beim letzten Kontakt: Je jünger die Patienten zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung waren, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, anfallsfrei zu sein.

Schlaf und Epilepsie

Für alle Epilepsie-Patienten ist generell ein sehr geregelter Schlaf von großer Wichtigkeit. Dieses gilt noch einmal in besonderem Maße für von einer idiopathischen generalisierten Epilepsie Betroffene. Bereits ein um wenige Stunden nach hinten verlegtes Einschlafen kann bei einigen Epileptikern am nächsten Morgen einen Anfall auslösen. Empfohlen wird deshalb, den Schlaf-Wach-Rhythmus normal stringent einzuhalten. Abweichungen sollten so selten wie möglich vorkommen, wobei die Schwankungen bei höchstens einer bis zwei Stunden liegen sollten.

Weitere Anfallsformen

Neben den bereits genannten Anfallsformen gibt es noch weitere, die im Zusammenhang mit Epilepsie auftreten können:

  • Fokale Anfälle: Diese Anfälle gehen von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung.
  • Absencen: Bei Absencen kommt es zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient bzw. die Patientin seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere.
  • Myoklonische Anfälle: Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen.
  • Atonische Anfälle: Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Die Symptome einer Epilepsie treten meist ganz plötzlich und unvermittelt auf, weshalb es entscheidend ist, dass Angehörige genau wissen, wie man schnell und präzise Erste Hilfe während eines Anfalls leistet. Während des Anfalls sollte man den Betroffenen vor Verletzungen schützen und gegebenenfalls den Notarzt rufen, wenn der Anfall länger als 5 Minuten dauert oder sich die Anfälle so dicht hintereinander wiederholen, dass das Kind dazwischen nicht ansprechbar ist.

Diagnose von Epilepsie

Ein nicht zu unterschätzender Stellenwert in der Diagnostik nimmt die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) sowie auch der Befragung von bei Anfällen anwesenden Personen (Fremdanamnese) ein. Neben der Beschreibung der Anfallssituation wird nach familiärem Auftreten von Epilepsien gefragt und auf Vorerkrankungen geachtet, die möglicherweise eine symptomatische Epilepsie verursachen. Darauf folgt die neurologisch körperliche Untersuchung, welche Hinweise auf eine symptomatische Ursache liefern kann. Auch Laboruntersuchungen dienen dem Erkennen von möglichen Ursachen symptomatischer epileptischer Anfälle (wie Unterzuckerung oder Mineralstoffmangel). Durch die Elektroenzephalografie (EEG) kann die Bereitschaft des Gehirns zu epileptischen Entladungen direkt angezeigt werden. Die cerebrale Computertomografie (CCT) dient als schnell verfügbare Untersuchung bei einem ersten Anfall in der Klinik dem Ausschluss einer gröberen Veränderung am Hirngewebe. Die Magnetresonanztomografie (MRT oder MRI) hat im Vergleich zum CCT eine deutlich höhere Auflösung und einen besseren Kontrast zwischen grauer und weißer Substanz.

Therapieziele bei Epilepsie

Ziel der Behandlung bei Epilepsien ist die völlige Anfallsfreiheit mit möglichst wenigen oder ohne Nebenwirkungen. Bei Kindern soll durch die Therapie darüber hinaus eine unbeeinträchtigte Entwicklung gewährleistet werden. Allen Patienten soll eine Lebensform ermöglicht werden, die den Fähigkeiten und Begabungen gerecht wird. Diese Therapieziele werden in erster Linie durch eine geeignete Pharmakotherapie erreicht. Mit Hilfe einer Monotherapie gelingt es in circa zwei Drittel der Fälle, die Anfälle zu kontrollieren. Bei den übrigen Patienten spricht man von einer pharmakoresistenten Epilepsie. Der zusätzliche Einsatz weiterer Antiepileptika (Add-On-Therapie) führt bei pharmakoresistenten Epileptikern (etwa 10 %) zwar nur selten zur dauerhaften Anfallsfreiheit, jedoch sind Teilerfolge, wie etwa eine reduzierte Anfallsfrequenz oder mildere Anfallsformen, erzielbar. Wenn trotz optimaler Wahl der Antiepileptika in höchster ertragbarer Dosierung keine befriedigende Anfallskontrolle erreicht wird, die Auswirkungen der Anfälle auf die Lebensqualität und die Nebenwirkungen der Medikamente auf die geistigen Fähigkeiten und das Verhalten sehr gravierend sind und eine strukturelle Läsion des Gehirns als ursächlich für die Anfälle nachgewiesen werden kann, kommt auch eine chirurgische Therapie des Anfallsleidens in Frage. Selten angewendet wird eine ketogene Diät mit sehr hohem Fett- und geringem Kohlenhydrat- und Eiweißanteil zur Erzeugung einer anhaltenden Stoffwechsellage mit überwiegender Fettverbrennung und Bildung von Ketonkörpern. Dadurch wird der biochemische Effekt des Fastens imitiert. Der genaue Wirkmechanismus ist dabei bis heute nicht geklärt.

Prognose von Epilepsien

Die Prognose von Epilepsien hängt vor allem vom Manifestationsalter, von der Art der Anfälle und von begleitenden Erkrankungen des Nervensystems ab. Insgesamt erreichen etwa 50 bis 80 Prozent aller Epilepsie-Patienten eine anhaltende Anfallsfreiheit. Dabei haben Kinder mit einem Erkrankungsalter zwischen 1-10 Jahren die größte statistische Wahrscheinlichkeit, anfallsfrei zu werden. Idiopathische und kryptogene Epilepsien haben allgemein eine bessere Prognose als symptomatische.

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