Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, insbesondere solche, die durch Autoimmunprozesse ausgelöst werden, stellen eine bedeutende Herausforderung in der modernen Neurologie dar. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten von Autoimmunerkrankungen, die zu aufsteigenden Lähmungen führen können, wobei ein besonderer Fokus auf dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) liegt.
Entzündungen des Nervensystems: Ein Überblick
Entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) nehmen in der neurologischen Praxis eine immer wichtigere Rolle ein. Diese Entzündungen können vielfältige Ursachen haben, darunter erregerbedingte Infektionen durch Bakterien, Pilze, Protozoen und Viren. Darüber hinaus gibt es nicht-erregerbedingte, autoimmun bedingte Entzündungen, wie sie beispielsweise bei Multipler Sklerose oder Vaskulitis auftreten.
Autoimmunologische Prozesse als Ursache
Autoimmunologische Prozesse entstehen, wenn der Körper fälschlicherweise körpereigene Strukturen als fremd erkennt und angreift. In solchen Fällen produziert das Immunsystem Antikörper gegen Gewebestrukturen des eigenen Körpers, einschließlich des Nervensystems.
Beispiele für erregerbedingte Infektionen
Häufige Krankheitsbilder, die durch erregerbedingte Infektionen des Gehirns verursacht werden, sind die Neuroborreliose und die Gürtelrose. Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem, beispielsweise im Zusammenhang mit immunsuppressiven oder immunmodulatorischen Therapien, können Infektionen des ZNS wie die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) auftreten, insbesondere bei Multipler Sklerose. Eine der häufigsten sporadischen Enzephalitiden in Westeuropa ist die Herpes-Simplex-Virus-Enzephalitis (HSVE).
Symptome und Behandlung der HSVE
Die Symptome einer HSVE umfassen Kopfschmerzen, Fieber sowie quantitative und/oder qualitative Bewusstseinsstörungen. Bei Verdacht auf eine HSVE ist eine rasche antivirale Therapie mit Aciclovir entscheidend, da die Erkrankung unbehandelt meist tödlich verläuft. Diese Patienten benötigen eine Behandlung auf einer neurologischen Intensivstation.
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Bakterielle Meningitis
Die häufigsten Erreger einer ambulant erworbenen bakteriellen Meningitis sind Streptokokken (Streptococcus pneumoniae), Listerien (Listeria monocytogenes) und Meningokokken (Neisseria meningitidis). Leitsymptome sind Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Meningismus (Nackensteifigkeit), wobei Meningismus bei sehr jungen und sehr alten Menschen fehlen kann.
Multiple Sklerose (MS): Eine bekannte Autoimmunerkrankung
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche, demyelinisierende Erkrankung mit axonaler Schädigung des zentralen Nervensystems. Der Beginn der Erkrankung liegt meist im jungen Erwachsenenalter. In Deutschland sind etwa 250.000 Menschen an MS erkrankt.
Ursachen und Symptome der MS
Die genaue Ursache der MS ist unklar, jedoch deutet der therapeutische Erfolg von immunsupprimierenden Therapien auf eine autoimmune Pathogenese hin. Häufige Symptome sind Sehstörungen, Taubheit, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Sprechstörungen, Koordinationsschwierigkeiten, Spastik, Blasenstörungen, Sexualfunktionsstörungen, Sprachstörungen und Schluckstörungen.
Behandlungsmöglichkeiten der MS
Die MS ist heute gut behandelbar, und ein frühzeitiger Beginn von Diagnose und Therapie kann den Verlauf der Erkrankung verlangsamen.
Myelitis: Entzündung des Rückenmarks
Ein weiteres Beispiel für eine entzündliche ZNS-Erkrankung ist die Myelitis, eine Entzündung des Rückenmarks. Diese kann entweder diffus über den gesamten Querschnitt (Querschnittsmyelitis - Myelitis transversa) oder herdförmig (disseminierte Myelitis) auftreten. Die Symptome reichen von Muskelschwäche und Lähmungen bis hin zu Gefühlsstörungen, Schmerzen, Depressionen, Erschöpfung und Fehlfunktionen von Enddarm und Harnblase.
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Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine relativ seltene Autoimmunerkrankung, die Nervenwurzeln und periphere Nerven schädigt und so zu Lähmungen und anderen neurologischen Symptomen führen kann. Die Erkrankung kann einen schweren Verlauf mit langem Krankenhausaufenthalt nehmen. Die Symptome bilden sich aber in den meisten Fällen zumindest teilweise wieder zurück.
Definition des GBS
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven und Nervenwurzeln, die sich durch eine fortschreitende Lähmung und Taubheitsgefühle äußert. Meist mit Beginn an den Beinen entwickelt sich eine symmetrische fortschreitende Schwäche der Arme und Beine mit Verschlechterung über meist 2-3 Wochen, maximal 4 Wochen. In sehr schweren Fällen kann es zu einem lebensbedrohlichen Verlauf mit Lähmungen der Atem- und Schluckmuskulatur oder Herzrhythmusstörungen kommen.
Epidemiologie des GBS
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) gehört zu den eher seltenen ZNS-Erkrankungen. Es ist eine akut oder subakut verlaufende Polyradikuloneuritis, die häufig nach Infektionen auftritt und innerhalb von Tagen bis Wochen das Erkrankungsmaximum erreicht. Es kommt zu einer multifokalen Demyelinisierung und/oder axonalen Schädigung der peripheren Nerven und der Rückenmarkwurzeln. Seit dem Rückgang der Poliomyelitis ist das GBS die häufigste Ursache akuter schlaffer Lähmungen in der westlichen Welt. Die jährliche Inzidenz beläuft sich auf 1-2/100.000. Die Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten, tritt jedoch häufig nach Infektionen auf, wie Campylobacter jejuni, Mycoplasma pneumoniae, CMV und EBV. Die Gesamtmortalität liegt bei 2-3 Prozent, wobei bei bis zu 20 Prozent neurologische Defizite zurückbleiben.
Symptome des GBS
Bei 90 Prozent der Patienten treten initial unspezifische sensible Reizerscheinungen wie Kribbelparästhesien an Füßen und Händen sowie Rückenschmerzen auf. Im Anschluss sind schlaffe Lähmungen typisch, die sich innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen von den Beinen zu den Armen ausdehnen können. Aufgrund lebensbedrohlicher Komplikationen einer Dysautonomie und Ateminsuffizienz sollten Patienten immer auf einer neurologischen Intensivstation behandelt werden.
Frühsymptome können Kribbeln und Brennen in Händen und Füßen sein oder auch Schmerzen. Dann tritt eine zunehmende Schwäche auf, meist zunächst in den Beinen, oft begleitet von Gangunsicherheit oder -unfähigkeit. Die Lähmungen breiten sich innerhalb weniger Tage symmetrisch aus, aufsteigend von den Beinen zu den Armen und evtl. der Atemmuskulatur. Meistens dauert es 2 Wochen (max. 4 Wochen), bis die Erkrankung ihren Höhepunkt erreicht hat.
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In schweren Fällen kann die Lähmung die Atemmuskulatur betreffen und zu Atemnot führen. Auch Herzrhythmusstörungen, Blutdruckschwankungen, Blasenentleerungsstörungen oder ein Darmverschluss können durch die Beteiligung des vegetativen Nervensystems hinzukommen.
Falls Hirnnerven (Nerven, die u. a. die Gesichtsmuskeln steuern) betroffen sind, kann es auch zu Lähmungen der Augenmuskeln mit Auftreten von Doppelbildern, zu Schluckstörungen oder einer Gesichtslähmung (Fazialisparese) kommen.
Ursachen des GBS
Die Ursache des Syndroms ist vermutlich eine Autoimmunreaktion. Antikörper, die eigentlich Krankheitserreger bekämpfen, richten sich gegen die Nervenwurzeln im Rückenmark sowie gegen Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark. In etwa 60 % der Fälle ging dem Guillain-Barré-Syndrom ein akuter Infekt voraus. Das heißt, 1-2 Wochen vor Beginn der Lähmungen hatten die Betroffenen eine Atemwegsinfektion oder einen Magen-Darm-Infekt.
Insbesondere nach Kontakt mit bestimmten Erregern können vom Immunsystem produzierte Antikörper fälschlicherweise die schützende Hülle der Nerven angreifen. Eine häufige Ursache ist eine Darminfektion mit Campylobacter jejuni. Auch weitere Erreger können die Krankheit auslösen, u. a.:
- Mycoplasma pneumoniae - ein Bakterium das Lungenentzündungen auslösen kann.
- Epstein-Barr-Virus - der Erreger von Mononukleose, dem Pfeiffer-Drüsenfieber
- Coronavirus
Seltener kann die Autoimmunreaktion durch eine Operation, bestimmte Medikamente (zur Krebs- oder Rheumatherapie) oder Schwangerschaft ausgelöst werden. Sehr selten kann das Guillain-Barré-Syndrom durch eine Impfung ausgelöst werden. Nach einer Impfung gegen Grippe (Influenza) beträgt das Risiko 1 zu 1 Mio.
Diagnose des GBS
Die Diagnose wird anhand der Krankengeschichte der Betroffenen und der Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung gestellt. Bei der Untersuchung werden das Ausmaß Lähmungen untersucht sowie die Muskelreflexe und Gefühlsstörungen überprüft. Wichtig ist die Kontrolle von Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung. Um eine Beeinträchtigung der Herzfunktion zu überprüfen, wird evtl. ein EGK aufgezeichnet.
In der Klinik werden eine Antikörperbestimmung im Blut, eine Untersuchung der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) sowie elektrophysiologische Messungen der Nerven durchgeführt. Zur Abklärung können weitere Untersuchungen notwendig sein.
Bei Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom ist eine notfallmäßige Krankenhauseinweisung in eine Klinik mit Intensivstation erforderlich.
Therapie des GBS
Ziel der Therapie ist, Symptome zu lindern, Komplikationen zu verhindern und die Rückbildung der Lähmungen zu beschleunigen. Bei schwerem Krankheitsverlauf kann eine Beatmung auf Intensivstation oder die Versorgung mit einem Herzschrittmacher nötig sein.
Bei mittelschwerem und schwerem Krankheitsverlauf werden entweder Antikörper verabreicht oder eine Blutwäsche (Plasmapharese) durchgeführt. Beide Behandlungsformen sind ungefähr gleich wirksam und reduzieren die Beatmungszeit und die Zeit bis zum Widererlangen der Gehfähigkeit.
Sobald sich der Zustand verbessert, sollte möglichst bald mit einer Rehabilitationsbehandlung begonnen werden.
Verlauf und Prognose des GBS
Patient*innen mit Guillain-Barré-Syndrom entwickeln das maximale Ausmaß der Symptome meist innerhalb von 4 Wochen. Die Lähmungen bilden sich in umgekehrter Reihenfolge, in der sie aufgetreten sind, über Wochen bis Monate zurück.
60-80 % der Betroffenen können nach 6 Monaten wieder frei gehen. Etwa die Hälfte ist nach einem Jahr vollständig beschwerdefrei. Weitere 40 % haben milde Restsymptome. 10 % leiden weiterhin unter mäßig schweren bis schweren Symptomen.
Die Sterblichkeit wegen einer schweren Verlaufsform, die eine intensivmedizinische Behandlung mit Beatmung erforderlich macht, beträgt etwa 2-3 %. 2-5 % der Betroffenen erleiden einen Rückfall.
Elektromyographie und Elektroneurographie
Die wesentliche Änderung besteht in einer Störung der Impulsleitung. Daher gehören pathologische Verlängerungen der distalen Latenzzeiten und Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeiten zu den empfindlichsten Laborparametern beim GBS. Sie treten im Verlauf oft früher als die Eiweißerhöhung im Liquor auf. Die motorischen und sensiblen Summenreizantwortpotentiale (SRAP) sind infolge der erhöhten Streubreite der Nervenleitgeschwindigkeiten der verschiedenen Axone verlängert, aufgesplittert und erniedrigt. Sofern in einem Teil der Nervenfasern die Impulsleitung im Sinne eines Leitungsblocks unterbrochen ist, resultiert bei Stimulation proximal des Blocks eine Abnahme der Amplituden der SRAP aus der entsprechenden distalen Muskulatur. Eine alleinige oder zusätzliche Leitungsstörung in proximalen Nervenabschnitten, wie sie besonders beim GBS vorkommen, läßt sich anhand der verlängerten Reflex- oder FAntworten feststellen. Keine oder ausgefallene SRAP und ausgeprägte Denervierungsaktivität in derElektromyographie infolge axonaler Degeneration sind als prognostisch ungünstige Parameter zu werten.
Liquorbefunde
Der Liquor ist im Sinne der "zytoalbuminären Dissoziation" verändert. Die Liquor-Eiweißwerte sind mit Werten bis zu 200 mg/l und mehr deutlich erhöht bei einer meist normalen oder nur geringfügig erhöhten Zellzahl. Die Höhe der Liquor-Eiweißwerte korreliert nicht mit der Schwere der Erkrankung. Die LiquorEiweißwerte erreichen häufig erst im Verlaufe der Erkrankung ihr Maximum. Zu Beginn der Erkrankung können daher grenzwertige oder sogar normale Liquor-Eiweißwerte gemessen werden, was danngegebenenfalls eine Nachuntersuchung erforderlich macht.
Pathogenese
Beim GBS handelt es sich um eine immunologisch-entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven und der Nervenwurzeln, deren Ursache bisher letztlich nicht geklärt ist. Pathologisch anatomisch ist eine Infiltration von Lymphozyten und Makrophagen, die sich in unterschiedlicher Verteilung im Bereich der peripheren Nerven und vor allem der Nervenwurzeln finden, charakteristisch. Damit verbunden ist eine Demyelinisierung der Nerven. In den letzten Jahren erschienene Arbeiten unterstützen die Hypothese einer krankheitsspezifischen T-Zellaktivierung, die möglicherweise als fehlgeleitete Immunantwort nach vorausgegangenen Infektionen oder anderen immunologischen Stimuli auftritt. Daneben wurde auch eine direkte frühe antikörperbedingte Attackierung der Myelinmembranen vermutet. Für die pathogenetische Bedeutung humoraler Faktoren spricht indirekt auch die therapeutische Wirkung der Plasmaaustauschbehandlung. Beim GBS konnten antineurale Antikörper gegen eine Vielzahl von Antigenen nachgewiesen werden. Eine besondere Bedeutung als Zielantigen kommt dem GM1 Gangliosid zu. Nach intramuskulärer Injektion von Gangliosidgemischen zur Behandlung von Polyneuropathien kam es in einigen Fällen zu einem GBS. In einer prospektiven Studie wurden in 25 Prozent der Patienten mit GBS antiGM1-Antikörper nachgewiesen, davon in über der Hälfte der Fälle mit zuvor durchgemachter C.-jejuni Infektion. Hypothetisch könnte die initiale Immunreaktion gegen das infektiöse Agens schließlich im Rahmen einer Kreuzreaktion gegen Markscheiden-Antigene gerichtet sein und zu einer Autoimmunreaktiongegen periphere Nerven führen.
Therapieansätze
Zu unterscheiden sind die Allgemeintherapie und die spezifische Therapie mit verschiedenen Formen der Immunmodulation. Bei leichten Formen des GBS mit nur distalen Parästhesien und funktionell wenig einschränkenden Paresen ist eine stationäre Überwachung ohne spezielle Therapie bis nach Ende der Symptomprogredienz sinnvoll. Die Allgemeinbehandlung umfaßt unter anderem eine physiotherapeutische Behandlung zur Thrombose- und Pneumonieprophylaxe. Bei schwereren und progredienten Manifestationen mit bulbärer Schwäche, Ateminsuffizienz, Aspiration und Pneumonie sowie ausgeprägter autonomer Dysregulation sollte die Behandlung auf einer Intensivstation erfolgen. Die intensivmedizinische Behandlung hat sich für das Gesamttherapieresultat im Hinblick auf die Senkung der Mortalitätsrate auf unter fünf Prozent als der entscheidende Faktor erwiesen. Etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten müssen im Verlauf ihrer Erkrankung durch Befall des Zwerchfells, der Atemhilfsmuskulatur und kaudaler Hirnnerven vorübergehend beatmet werden. Wichtig ist, daß die Beatmung rechtzeitig eingeleitet wird und pulmonale Infekte frühzeitig behandelt werden. Eine Beatmungsnotwendigkeit kann sich selbst bei fehlender allgemeiner Zunahme der Paresen innerhalb kürzester Zeit entwickeln. Die Indikation zur Beatmung ergibt sich bei progredientem Abfall des pO2 und insbesondere bei einem die alveoläre Hyperventilation signalisierenden Anstieg des pCO2. Frühzeitig soll mit Funktionstests die Bedrohlichkeit autonomer Störungen abgeschätzt werden. Bei relevanten Rhythmusstörungen und bei Hinweisen auf eine autonome Regulationsstörung ist die prophylaktische Anlage eines passageren Herzschrittmachers zu diskutieren. Nicht zuletzt ist neben der allgemeinen intensivmedizinischen Prophylaxe und Therapie eine gute psychische Betreuung des Patienten mitdem Hinweis auf die Reversibilität des Krankheitsbildes wichtig.
Plasmaaustausch
Die Indikation zum Plasmaaustausch besteht bei gesicherter Diagnose mit schwerem Verlauf. Der Erkrankungsgipfel sollte noch nicht erreicht sein und der Erkrankungsbeginn nicht länger als 14 Tage zurückliegen. Eine akute Infektion oder gar eine Sepsis müssen ausgeschlossen werden. Der Plasmaaustausch wird durch Zellseparation oder Membranfiltration durchgeführt. Es sollen humorale Faktoren, wie Antikörper, Komplement- und Entzündungsmediatoren, die den immunpathogenetischen Prozeß beim GBS unterhalten, weitgehend aus dem Blutplasma entfernt werden. Die klinische Wirksamkeit wurde durch zwei prospektive, randomisierte, offene, multizentrische Studien aus Nordamerika und Frankreich nachgewiesen. Unter dem Plasmaaustausch waren ein schnellerer Rückgang der Paresen, weniger häufiger eine künstliche Beatmung, eine kürzere Beatmungsdauer, kürzere Intensivliegezeiten und insgesamt eine kürzere Dauer des Krankenhausaufenthaltes zu beobachten. Der Plasmaaustausch war um so erfolgreicher, je früher die Patienten behandelt wurden. Auch der Langzeitverlauf war nach dem Plasmaaustausch günstiger. Bei etwa 10 bis 25 Prozent kommt es, möglicherweise durch eine überschießende Nachbildung potentieller Autoantikörper, zu einer erneuten schubförmigen Verschlechterung. Diese bildet sich in der Regel nach einem erneuten Plasmaaustausch zurück. Einige Patienten profitieren nicht von dieser Therapie. Dies scheint bei schweren, überwiegend motorischen Defiziten und axonaler Nervenschädigung der Fall zu sein. Der Plasmaaustausch kann heute als sicheres Therapieverfahren angesehen werden, sofern er in routinierten Zentren durchgeführt wird. Komplikationen sind lokale und systemische katheterbedingte Infektionen und anaphylaktischen Reaktionen durch Fremdproteine, die als Eiweißersatz dienen. Ein Ersatz mit fresh-frozenPlasma kann beim GBS nicht mehr empfohlen werden, seit in der französischen Studie bei 5 von 52 Patientensich hierunter eine Hepatitis entwickelte.
Immunadsorption
Bei der Immunadsorption wird das mechanisch separierte Blutplasma über eine Adsorbersäule gepumpt, an die Proteine und zirkulierende Antikörper gebunden werden. Das Plasma wird dem Patienten direkt reinfundiert. Eine Substitution mit Fremdeiweiß ist daher nicht erforderlich. Im Vergleich zur Plasmaaustauschbehandlung gilt die selektive Adsorption als weniger belastend und nebenwirkungsärmer. In ihrer therapeutischen Wirksamkeit scheint die Immunadsorption der Plasmaaustauschbehandlung vergleichbar zu sein. Bislang liegen jedoch noch keine kontrollierten Studien zur selektiven Adsorption beim GBS vor, so daß die Immunadsorption derzeit nicht als gesichertes Therapieverfahren beim GBS gewertet werden kann. In einer kontrollierten, randomisierten, offenen, multizentrischen Studie werden derzeit Immunabsorption,Plasmaaustausch und i.v. Immunglobulinbehandlung miteinander verglichen.
Intravenöse Immunglobulingabe
Eine mögliche Alternative zum Plasmaaustauch ist die i.v. Immunglobulingabe (IVIG), die bei einigen Autoimmunerkrankungen (zum Beipiel Morbus Werlhoff) bereits etabliert ist. Sie wird in einer Dosierung von 0,4 g/kg Körpergewicht/Tag an fünf aufeinanderfolgenden Tagen empfohlen. Der genaue Wirkmechanismus der Immunglobuline beim GBS ist letztlich unbekannt. Mögliche Wirkungen umfassen unter anderem die Hemmung pathogener Autoantikörper durch in der Immunglobulinlösung enthaltenen sogenannten antiidiotypischen Antikörper, Hemmung der Antikörproduktion von B-Zellen, kompetitive Hemmung von Makrophagen durch Blockade ihrer Fc-Rezeptoren und Beeinflussung der T-Zellaktivierung durch lösliche Faktoren. Nachdem Einzelfallberichte und kleinere, nicht kontrollierte Studien bereits für eine gute therapeutische Wirksamkeit beim GBS sprechen, läßt eine Multicenter-Studie aus den Niederlanden eine ähnlich gute therapeutische Wirksamkeit von IVIG und Plasmaaustausch vermuten.
Differentialdiagnose
Die chronische idiopathische Polyneuritis (chronisches GBS, chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy [CIDP] im englischen Sprachraum) unterscheidet sich von dem akuten GBS vor allem durch ihren langsamen, subakuten oder chronischen Beginn (Symptomprogredienz länger als 8 bis 12 Wochen) und den progredienten oder schubförmig rezidivierenden Verlauf. Etwa 15 bis 20 Prozent der chronischen Polyneuritis beginnen wie ein akutes GBS. Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung der beiden Formen ist eine frühzeitige Differenzierung anzustreben. Andere symptomatische Ursachen einer akuten Polyneuropathie, die dem klinischen Erscheinungsbild des GBS ähneln können, müssen ausgeschlossen werden.
Präventive Maßnahmen gegen Polyneuropathie und das Guillain-Barré-Syndrom
Die Prävention gegen Polyneuropathie und das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) umfasst verschiedene Maßnahmen. Sie sollen die Risikofaktoren minimieren und die allgemeine Nervengesundheit fördern. Bei Diabetes mellitus ist eine konsequente Kontrolle des Blutzuckerspiegels ausschlaggebend, um das Risiko einer diabetischen Neuropathie zu verringern. Sie sollten den HbA1c-Wert, der den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten zwei bis drei Monate widerspiegelt, unter 7 % halten. Eine ausgewogene Ernährung ist reich an Vitaminen und Mineralstoffen. Sie unterstützt die Nervengesundheit. Besonders wichtig sind B-Vitamine, wie B1, B6 und B12, die Sie durch den täglichen Verzehr von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen, Milchprodukten oder Fleisch aufnehmen können. Alkohol ist auch in geringen Mengen schädlich. Der Konsum kann eine Vielzahl von Erkrankungen auslösen, begünstigen oder verschlimmern. Da bestimmte Infektionen wie Campylobacter jejuni mit dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) in Verbindung gebracht werden, sollten Sie auf gute Hygiene achten. Regelmäßige körperliche Aktivität fördert die Durchblutung und kann das Risiko einer Polyneuropathie verringern. Bestimmte Chemikalien und Schwermetalle können Polyneuropathien verursachen. Chronischer Stress kann das Immunsystem beeinträchtigen und das Risiko für Autoimmunerkrankungen erhöhen. Praktizieren Sie regelmäßig Entspannungstechniken wie tiefe Atemübungen, Meditation oder Yoga. Regelmäßige medizinische Untersuchungen helfen, Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, so dass sie behandelt werden können. Halten Sie Ihren Impfstatus auf dem neuesten Stand, um Infektionen vorzubeugen, die Polyneuropathie oder GBS auslösen können. Bei bestehender Polyneuropathie ist eine sorgfältige Fußpflege wichtig, um Verletzungen und Wunden vorzubeugen. Wenn Sie diese Maßnahmen in Ihren Alltag integrieren, tun Sie viel für Ihre Nervengesundheit. Das kann das Risiko für Polyneuropathie und GBS verringern.
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