Epilepsie: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die Menschen jeden Alters betreffen kann. Sie ist durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet, die durch eine übermäßige Aktivität von Nervenzellen im Gehirn verursacht werden. Diese Anfälle können sich auf unterschiedliche Weise äußern, von Muskelzuckungen bis hin zu Bewusstlosigkeit.

Was ist Epilepsie?

Bei einer Epilepsie sind einzelne Hirnbereiche oder das gesamte Gehirn übermäßig aktiv. Es werden zu viele Signale abgegeben, was die sogenannten epileptischen Anfälle auslösen kann. Manchmal zucken dann nur einzelne Muskeln - es kann aber auch der gesamte Körper bis zur Bewusstlosigkeit krampfen. Zwischen den Anfällen sind meist keine körperlichen Beschwerden spürbar.

Von Epilepsie spricht man erst dann, wenn mehrfach ohne ersichtlichen Auslöser epileptische Anfälle auftreten. Laut Statistiken kommt dies bei knapp einem von 100 Menschen vor.

Wie äußert sich ein epileptischer Anfall?

Ein epileptischer Anfall kann sich auf verschiedene Arten zeigen. Es kann lediglich ein Arm oder Bein zucken, aber auch der gesamte Körper. Das kann nach wenigen Sekunden vorbei sein oder sogar unbemerkt bleiben. Während des Anfalls können Menschen bei vollem Bewusstsein bleiben oder nur kurz abwesend sein. Manche werden jedoch auch bewusstlos. Ein epileptischer Anfall hält selten lange an. Bei einer Dauer von mehr als fünf Minuten spricht man von einem „Status epilepticus“. Dann handelt es sich um einen Notfall, der zügig mit Medikamenten behandelt werden muss.

Ursachen von Epilepsie

Die Ursachen von Epilepsie sind vielfältig und oft nicht eindeutig feststellbar. Grundsätzlich gilt, dass jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein kann. Die Medizin unterscheidet hier zurzeit strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen.

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Es gibt genetische Veränderungen, die dazu führen, dass Nervenzellen im Gehirn grundsätzlich mehr dazu neigen, sich spontan synchron zu entladen. Neben solchen genetischen Ursachen, bei denen eine Epilepsie häufig schon im Kindes- oder Jugendalter auftritt, gibt es viele unterschiedliche erworbene Hirnveränderungen: Nach einem Schlaganfall zum Beispiel oder ausgelöst durch ein Schädelhirntrauma nach einem Unfall. Allerdings wird oft auch keine eindeutige Ursache gefunden.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Begriff „Auslöser“ einer Epilepsie oft mit Triggern einzelner Anfälle verwechselt wird. Viele Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen verstehen unter Auslösern epileptischer Anfälle bestimmte Reize oder Situationen, die zu sogenannten Reflexanfällen führen können, zum Beispiel Flackerlicht, Alkohol, Drogen, Fernsehen, Stress, Schlafmangel oder extreme Witterungswechsel. Diese Reize sind jedoch keinesfalls Auslöser einer Epilepsie, sondern können maximal entsprechende Anfälle „triggern“. Zudem reagieren lange nicht alle Menschen mit Epilepsie mit einem Krampfanfall auf diese Trigger.

Strukturelle Ursachen

Strukturelle Veränderungen am Gehirn entstehen beispielsweise durch Schlaganfälle oder Tumore. Die strukturellen Veränderungen können mitunter zu einem erhöhten Hirndruck oder Durchblutungsstörungen führen, die dann epileptische Anfälle begünstigen. Häufige Ursachen für strukturelle Epilepsien sind Narben nach Geburtsschaden, Schlaganfall, Unfall oder Entzündung. Ein Teil dieser Fehlbildungen betrifft beide Hirnhälften und manchmal die gesamte Hirnrinde (Pachygyrie, Lissenzephalie, beidseitige Polymirkogyrie, Bandheterotopie). Die Betroffenen sind meist schwer behindert und haben schwierig zu behandelnde Epilepsien. Andere Fehlbildungen sind regional begrenzt und verursachen fokale Anfälle aus dieser Region (umschriebene Polymikrogyrie, noduläre Heterotopie). Eine besondere Rolle spielen die fokalen kortikalen Dysplasien (fokal= nicht überall, umschrieben; kortikal= die Hirnrinde betreffend; Dysplasie= Fehlanlage). Diese sind eine häufige Ursache schwer behandelbarer fokaler Epilepsien im Kindesalter und entgehen häufig einer Routine-MRT-Untersuchung, vor allem im Alter unter 2 Jahren.

Infektiöse Ursachen

Infektionen des Gehirns können unter anderem durch Borreliose hervorgerufen werden. Auch die infektiösen Epilepsien wurden früher als strukturell bezeichnet. Ihnen liegt eine infektiöse Erkrankung (hervorgerufen durch Viren oder Bakterien) des Gehirns zugrunde.

Metabolische Ursachen

Metabolische Veränderungen, also solche, die den Stoffwechsel betreffen, stehen z. B. mit seltenen Stoffwechselerkrankungen, wie der Phenylketonurie in Verbindung. Die metabolische Epilepsie wurde ebenfalls lange zu den strukturellen Epilepsien gezählt. Sie gehen aus Veränderungen im Stoffwechsel (Metabolismus) hervor.

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Genetische Ursachen

Genetisch bedingt haben manche Menschen eine stärkere Veranlagung zu epileptischen Anfällen als andere. Die Forschung geht heute davon aus, dass bei diesen Patienten ein oder mehrere Gene defekt sind, die als Ursache der Epilepsie anzusehen sind. Häufig sind die betroffenen Gene nicht bekannt, und es müssen bestimmte Gen-Konstellationen vorliegen, damit es zu einer Epilepsie kommt. Daher sind diese Epilepsie-Ursachen meist nicht vererbbar, auch wenn sie neuerdings als genetische Epilepsien bezeichnet werden.

Bei den meisten Menschen mit genetischer Epilepsie sind die Ergebnisse der Mutationssuche normal. Die exakte Ursache bleibt unklar. In den meisten dieser Fälle ist es so, dass gar nicht ein einziges, für das Gehirn wichtiges Gen krankhaft mutiert ist, sondern eine kritische Anzahl an Genen minimale Varianten ihrer Aktivität zeigen, die jede für sich eigentlich noch normal sind (Normvarianten). Dabei funktioniert das eine Gen vielleicht ein bisschen zu stark und ein anderes ein bisschen zu wenig. Erst die Kombination dieser Veränderungen führt dann zur Krankheit. Diese Veranlagung nennt man „polygenetisch“. Diese häufige Form genetischer Epilepsien lässt sich heutzutage noch nicht im Labor diagnostizieren, da ja kein Gen krankhaft verändert ist und die Varianten ja auch bei Gesunden vorkommen. Gerade bei polygenetischer Epilepsie ist die Hoffnung auf einen selbstlimitierten Verlauf mit spontaner Ausheilung („verwächst sich“) groß, da ein Teil der Gene möglicherweise im Laufe der Entwicklung weniger Bedeutung haben und andere, ähnliche Gene ihre Funktion übernehmen können.

Immunologische Ursachen

Bei den immunologischen Ursachen handelt es sich um Entzündungsvorgänge im Gehirn, z. B. wenn die eigene Körperabwehr (Immunsystem) das Hirngewebe angreift und es zu einer Hirnhautentzündung kommt. Ebenfalls bis vor Kurzem zu den strukturellen Epilepsien gezählt, unterscheidet man heute die immunologischen Epilepsien dahingehend, dass ihnen eine chronische Entzündung des Gehirns zugrunde liegt. Verursacht wird die Entzündung durch eine Autoimmunkrankheit, also eine Krankheit, bei der das Immunsystem den eigenen Körper angreift.

Kryptogene Epilepsien

Zusätzlich gibt es sogenannte kryptogene Epilepsien, die heute schlichtweg als Epilepsie mit unbekannter Ursache bezeichnet werden. Sie erfüllen also zum Beispiel die Kriterien wie Anfallshäufigkeit von nicht-provozierten Anfällen, nach denen eine Epilepsie laut Leitlinie definiert und von anderen Anfallsleiden abgrenzt wird. Jedoch ohne erkennbare strukturelle, immunologische, genetische, metabolische oder infektiöse Ursache.

Trigger von Anfällen

Epileptische Anfälle können durch eine Vielzahl von externen und internen Reizen (Triggern) ausgelöst werden. Zu den häufigsten Triggern gehören:

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  • Schlafstörungen
  • Schlafmangel oder gestörter Schlaf (z. B. durch Schlafapnoe) erhöht das Risiko für Anfälle.
  • Unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Starke körperliche oder seelische Belastung (Stress)
  • Hohes Fieber
  • Alkohol und Alkoholentzug
  • Drogen oder Schlafmittelentzug
  • Flackerlicht: Bei Patienten mit photosensitiver Epilepsie kann flackerndes Licht (z. B.
  • Hormonelle Schwankungen: Bei Frauen gibt es Hinweise darauf, dass hormonelle Schwankungen während des Menstruationszyklus die Anfallshäufigkeit beeinflussen können.
  • Medikamentenentzug: Abrupter Abbruch bestimmter Medikamente (z. B.

Diagnose von Epilepsie

Die Diagnose von Epilepsie basiert auf einer sorgfältigen Anamnese, neurologischen Untersuchung und verschiedenen technischen Untersuchungen.

Anamnese

Wichtig für die Diagnose ist vor allem die Vorgeschichte der Betroffenen: Wann und in welcher Situation ist der Anfall aufgetreten? Wie ist er verlaufen? Oft können sich Betroffene selbst nicht gut an den Anfall erinnern. Dann ist es hilfreich, wenn jemand, der den Anfall miterlebt hat, den Betroffenen zur Untersuchung begleitet. Die Begleitperson kann beschreiben, wie und mit welchen Symptomen der Anfall aufgetreten ist.

Neurologische Untersuchung

Neben der körperlichen und neurologischen Untersuchung wird Blut zur Untersuchung entnommen.

Elektroenzephalogramm (EEG)

Meist werden außerdem mit einem Elektroenzephalogramm (EEG) die Hirnströme gemessen. Bestimmte Muster deuten hier auf ein erhöhtes Anfallsrisiko hin. Ein EEG allein reicht allerdings nicht aus, um eine Epilepsie festzustellen.

Magnetresonanztomographie (MRT)

In der Regel kommt eine Magnetresonanztomographie (MRT) hinzu. Sie hilft herauszufinden, ob sich im Gehirn Veränderungen zeigen, die die Anfälle auslösen könnten.

Lumbalpunktion

Falls sinnvoll, wird das Hirnwasser (Liquor) durch eine Spritze im Bereich der Lendenwirbelsäule entnommen und untersucht (Lumbalpunktion).

Behandlung von Epilepsie

Die Behandlung ist von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf abhängig. Meist werden Betroffene mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Hier gibt es unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen. Wenn eine niedrige Dosierung keine ausreichende Wirkung zeigt, kann zunächst die Dosis des Medikaments erhöht werden. Stellt sich auch dann kein Erfolg ein, kombiniert man unterschiedliche Wirkstoffe oder testet ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe.

Da oft nur ein einziger Anfall auftritt, ist nicht sofort eine Behandlung erforderlich. Normalerweise fängt man erst nach einem zweiten Anfall mit einer Behandlung an. Ist das Risiko für erneute Anfälle erhöht, wie etwa bei einer Gehirnerkrankung, kann auch nach dem ersten Krampfanfall schon eine Behandlung angebracht sein. Wichtig ist, mit der Ärztin oder dem Arzt die persönliche Situation ausführlich zu besprechen.

Bei einer Behandlung mit Medikamenten werden diese meist mehrere Jahre lang eingenommen.

Meist findet ein Teil der Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus statt. Einige ambulante Einrichtungen und Kliniken sind auf die Behandlung von Menschen mit Epilepsie spezialisiert.

Kommt es trotz Medikamenten weiter zu Anfällen, ist ein Eingriff eine Alternative. Zu den Möglichkeiten zählen:

  • Operation: Wenn sich herausfinden lässt, dass ein bestimmter Teil des Gehirns fokale Anfälle auslöst, kann dieser unter Umständen entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.
  • Vagusnerv-Stimulation: Hier soll die Überaktivität der Nervenzellen gehemmt werden. Ein Schrittmacher wird im Brustbereich unter der Haut eingesetzt und gibt elektrische Impulse ab. Das geschieht über Kontakte am Halsbereich, die mit dem sogenannten Vagusnerv verbunden sind. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien.

Außerdem kann eine begleitende Psychotherapie sinnvoll sein. Sie kann dabei helfen, mit der Erkrankung zurechtzukommen und die Lebensqualität zu verbessern.

Was tun bei einem epileptischen Anfall?

Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Betroffene vor Verletzungen schützen und ruhig bleiben. Hält der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle in geringem zeitlichem Abstand auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.

Verhalten während eines Anfalls

  • Sorgen Sie für Sicherheit, indem Sie z. B. gefährliche Gegenstände beiseite räumen.
  • Polstern Sie den Kopf des*r Betroffenen ab.
  • Nehmen Sie seine/ihre Brille ab.
  • Lockern Sie enge Kleidung am Hals, um die Atmung zu erleichtern.
  • Bitten Sie Menschen, die in der Situation nicht helfen können, weiterzugehen.
  • Bleiben Sie nach dem Anfall bei der Person und bieten Sie Ihre Unterstützung an.
  • Wenn die Person nach dem Anfall erschöpft ist und einschläft, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage.

Was Sie vermeiden sollten

  • Dieden Betroffenen festhalten oder zu Boden drücken
  • Der betroffenen Person etwas in den Mund schieben - auch wenn sie sich in die Zunge beißt

Leben mit Epilepsie

Epilepsie kann den Alltag der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinflussen. Es ist wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Auswirkungen auf den Alltag

Menschen mit Epilepsie können meist nicht vorhersagen, ob und wann sie einen epileptischen Anfall bekommen. Und genau das macht ihn gefährlich: Gerade bei einem großen Anfall - der Fachbegriff heißt "bilateral tonisch-klonischer" Anfall - kann es durch Bewusstlosigkeit zu Stürzen und damit verbunden zu Verletzungen kommen. Aber auch die häufigeren kleineren Anfälle können Betroffene körperlich und psychisch belasten. Hinzu kommen Vorurteile und Stigmata, die den Alltag für Menschen mit Epilepsie zusätzlich erschweren.

Fahreignung

Menschen mit Epilepsie dürfen nicht selbst Auto fahren, wenn sie in den vergangenen zwölf Monaten einen Anfall hatten.

Risiken

Insgesamt haben Menschen mit Epilepsie ein erhöhtes Sterberisiko. Plötzliche unerwartete Todesfälle (SUDEP, engl. Sudden unexpected death in epilepsy) kommen auch in eigentlich weniger gefährlichen Situationen vor, zum Beispiel nachts im Bett. So ist auch die Haupttodesursache von Menschen mit Epilepsie ein Tod durch Ertrinken. Ebenfalls vorsichtig sein sollten Betroffene beim Baden in einer Badewanne sein - auch hier kann es zum Ertrinken kommen.

Unterstützung

Individuelle Aufklärung und Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen sind wichtig, um das Risiko für einen SUDEP zu verringern. Im Vordergrund steht, dass sich der Betroffene während eines Anfalls nicht verletzt. Für Betroffene und Angehörige in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es ein Online-Hilfsangebot vom Epilepsiezentrum Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und vom Norddeutschen Epilepsiezentrum des Deutschen Roten Kreuzes. Das Angebot umfasst sowohl Online-Schulungen als auch individuelle Beratung, um Ängste zu nehmen, Fragen zu beantworten und konkrete Probleme zu lösen.

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