Axonale Schädigung der Nerven: Ursachen, Diagnose und Behandlungen

Die axonale Schädigung der Nerven ist ein wichtiger Aspekt im Kontext von Polyneuropathie, einer Erkrankung des peripheren Nervensystems. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnoseverfahren und Therapiemöglichkeiten im Zusammenhang mit axonalen Nervenschäden.

Einführung in die Polyneuropathie

Polyneuropathie (PNP) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die durch Schädigungen der peripheren Nerven gekennzeichnet sind. Diese Nerven verbinden das Gehirn und das Rückenmark mit dem Rest des Körpers. Die Erkrankung kann Nerven in Armen und Beinen oder solche, die innere Organe versorgen, betreffen. Polyneuropathien können sich in unterschiedlicher Ausprägung und an verschiedenen Körperstellen manifestieren.

Was ist axonale Schädigung?

Bei einer Polyneuropathie können unterschiedliche Teile der Nervenzellen geschädigt sein. Jede Nervenzelle besteht aus einem Zellkörper und einem Nervenfortsatz, dem Axon. Axone können mit elektrisch leitenden Kabeln verglichen werden und sind für die Reizweiterleitung von entscheidender Bedeutung. Damit diese Reizweiterleitung optimal funktioniert, sind die Axone von einer Isolierschicht, der Myelinschicht oder Markscheide, umgeben.

Man unterscheidet zwei Hauptformen der Nervenschädigung:

  • Demyelinisierende Polyneuropathie: Hier zerfällt die schützende Myelinschicht, was die elektrische Reizweiterleitung stört.
  • Axonale Polyneuropathie: Bei dieser Form ist das Axon selbst betroffen. Eine axonale Degeneration der Nerven geht meist mit schwerwiegenderen Beschwerden einher und hat eine schlechtere Prognose.

In manchen Fällen treten beide Formen kombiniert auf, sodass sowohl Myelinschicht als auch Axone geschädigt sind. Bei der axonalen Polyneuropathie sind die Axone, also die Nervenfortsätze, von einer Schädigung betroffen.

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Ursachen der axonalen Schädigung

Die Entstehung von Neuropathien ist ein komplexer Prozess, der durch verschiedene Ursachen und Mechanismen ausgelöst werden kann. Eine häufige Ursache von Neuropathien ist die axonale Schädigung, bei der das Axon, der langgestreckte Fortsatz einer Nervenzelle, beschädigt wird. Die häufigsten Ursachen für Nervenschädigungen sind Diabetes mellitus und übermäßiger Alkoholkonsum.

Weitere Ursachen:

  1. Diabetes mellitus: Erhöhte Blutzuckerwerte schädigen die Nerven und die Blutgefäße, die die Nerven versorgen. Dies kann ein erheblicher Risikofaktor sein, insbesondere wenn der Blutzuckerspiegel schlecht eingestellt ist.
  2. Alkoholmissbrauch: Alkohol kann das Nervengewebe schädigen, und Alkoholmissbrauch wird häufig mit Ernährungsmängeln in Verbindung gebracht, die zu Neuropathie beitragen.
  3. Toxische Substanzen: Bestimmte Medikamente, Chemotherapeutika, Alkohol und industrielle Gifte können direkt toxisch auf Nerven wirken und ihre Funktion beeinträchtigen. Toxische Neuropathie kann durch die Exposition gegenüber industriellen Chemikalien wie Arsen, Blei, Quecksilber und Thallium verursacht werden.
  4. Stoffwechselstörungen: Stoffwechselstörungen, wie sie bei Diabetes mellitus auftreten, können zu Neuropathien führen.
  5. Vitaminmangel: Ein Mangel an Vitamin B12 kann ebenfalls eine axonale Polyneuropathie verursachen.
  6. Nieren- oder Lebererkrankungen: Auch Nieren- oder Lebererkrankungen können zu axonalen Nervenschäden führen.
  7. Infektionen: Infektionen können direkt auf Nerven wirken oder eine Immunantwort auslösen, die Nerven angreift. Bestimmte Infektionen, wie Gürtelrose, HIV, Borreliose, Diphterie oder Pfeiffersches Drüsenfieber, können mit einer Polyneuropathie einhergehen.
  8. Genetische Faktoren: Einige Formen von Neuropathien sind genetisch bedingt.
  9. Entzündliche Prozesse: Entzündliche Prozesse spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Neuropathien. Das Immunsystem kann fälschlicherweise körpereigenes Gewebe, einschließlich Nerven, angreifen. Entzündliche Autoimmunerkrankungen wie rheumatologische Erkrankungen können ebenfalls eine Rolle spielen.
  10. Tumorerkrankungen: Tumorerkrankungen können als sogenannte paraneoplastische Syndrome zu Neuropathien führen.
  11. Mangelnde Durchblutung: Eine Mangeldurchblutung kann ebenfalls zu Nervenschädigungen führen.
  12. Schilddrüsenerkrankungen: Auch Schilddrüsenerkrankungen können eine axonale Polyneuropathie verursachen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Ursache in vielen Fällen unklar bleibt ("idiopathische Neuropathie").

Symptome der axonalen Schädigung

Die axonale Polyneuropathie kann unterschiedliche Symptome hervorrufen. Zu Beginn verläuft die Krankheit oft symptomlos. Die Symptome beginnen meistens an den Füßen, später an den Händen, und steigen dann langsam auf, Richtung Körpermitte. Die geschädigten Axone können eine Überfunktion der Nerven auslösen, was sich durch Kribbeln oder Schmerzen bemerkbar macht. Auch eine Unterfunktion der Nerven ist eine mögliche Folge.

Mögliche Symptome sind:

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  • Sensible Symptome:
    • Kribbeln
    • Ameisenlaufen
    • Taubheitsgefühle
    • Stechen
    • Brennen
    • Schwellungsgefühle
    • Druckgefühle
    • Fehlerhaftes Temperaturempfinden
    • Überempfindlichkeit der Schmerzrezeptoren
    • Neuropathische Schmerzen, die nachts oft intensiver sind
  • Motorische Symptome:
    • Muskelschwäche
    • Muskelkrämpfe
    • Muskelzuckungen
    • Muskelschwund
  • Autonome Symptome:
    • Herzrhythmusstörungen
    • Blähgefühl und Appetitlosigkeit
    • Aufstoßen
    • Durchfall und Verstopfung im Wechsel
    • Urininkontinenz, Stuhlinkontinenz
    • Impotenz
    • Gestörtes Schwitzen
    • Schlechte Kreislaufregulation mit Schwindel beim Aufstehen
    • Schwellung von Füßen und Händen (Wassereinlagerungen)
  • Weitere Symptome:
    • Gangunsicherheit
    • Schwindelgefühle
    • Gleichgewichtsstörungen
    • Strukturelle Veränderungen an Haut, Haaren und Nägeln

Viele Patienten mit einer Polyneuropathie beschreiben Schwindelgefühle bzw. Gleichgewichtsstörungen und Unsicherheiten beim Laufen. Dies kann gut durch die Fehlfunktion der peripheren Nerven erklärt werden, da diese für die Weitergabe ganz vieler Informationen von Messfühlern (Rezeptoren) aus der Haut, Muskeln, Gelenken, Sehnen etc. verantwortlich sind.

Diagnose der axonalen Schädigung

Die Diagnose der Polyneuropathie wird aus der Kombination der Befunde aus dem Anamnesegespräch, einer ausführlichen körperlichen und neurologischen Untersuchung sowie einer neurophysiologischen Diagnostik gestellt.

  1. Anamnese: Der Arzt erkundigt sich nach den Beschwerden, der Krankengeschichte, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, Alkoholkonsum und möglichen Kontakten mit Giftstoffen.
  2. Körperliche und neurologische Untersuchung:
    • Sensibilitätsprüfung
    • Prüfung der motorischen Funktion
    • Gleichgewichtsprüfung
    • Koordinationsprüfung
    • Prüfung der Reflexe
    • Beurteilung möglicher Fehlbildungen des Skeletts
  3. Neurophysiologische Untersuchungen:
    • Elektroneurographie (ENG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit. Bei einer Polyneuropathie ist diese meist herabgesetzt.
    • Elektromyographie (EMG): Prüfung der elektrischen Muskelaktivität.
  4. Weitere Untersuchungen:
    • Quantitative sensorische Testung: Messung des Temperaturempfindens und anderer sensorischer Reize.
    • Blutuntersuchungen: Zur Bestimmung von Entzündungsparametern, Blutzuckerwerten, Vitamin-Spiegeln und zum Nachweis von Giftstoffen.
    • Nervenbiopsie: Entnahme und Untersuchung einer Gewebeprobe des Nervengewebes.
    • Hautbiopsie: Entnahme und Untersuchung einer Gewebeprobe der Haut.
    • Elektrokardiografie (EKG): Zur Beurteilung der Funktion der autonomen Nervenfasern des Herzens.
    • Ultraschall-Untersuchung der Harnblase: Zur Feststellung, ob sich nach dem Wasserlassen noch Restharn in der Blase befindet.
    • Genetische Untersuchung: Bei Verdacht auf eine erblich bedingte Polyneuropathie.

Zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit wird Strom durch die Nervenbahnen geschickt. Mit einer Stimmgabel prüft der Neurologe das Vibrationsempfinden. Bei der standardisierten Quantitativen Sensorischen Testung werden durch sieben verschiedene Gefühlstests an der Haut 13 Werte ermittelt. Sie helfen zu erkennen, welche Nervenfasern genau geschädigt sind und wie stark die Schädigung fortgeschritten ist. Um das Temperaturempfinden exakt zu messen, kommen bei der sogenannten Thermode computergesteuerte Temperaturreize zum Einsatz.

Die Untersuchung einer Gewebeprobe kann helfen, die Ursache einer Polyneuropathie zu finden. Dazu wird eine sogenannte Nerv-Muskel-Biopsie aus dem Schienbein entnommen und feingeweblich untersucht. Hierbei wird festgestellt, ob der Schaden an der Hüllsubstanz des Nerven (Myelin) oder am Nerven selbst entstanden ist. Bei bestimmten Ursachen finden sich zum Beispiel Entzündungszellen oder Amyloid-Ablagerungen. Bei einer Untergruppe der Neuropathien sind insbesondere die dünnen, kleinen Nervenfasern der Haut betroffen. Sie werden unter dem Namen Small-Fiber-Neuropathien zusammengefasst. Die Nervenleitgeschwindigkeit, die die Funktion von dickeren Nerven misst, ist dann oft unauffällig. Für die richtige Diagnose ist die Quantitative Sensorische Testung mit Messung des Temperaturempfindens entscheidend. Darüber hinaus kann eine Gewebeprobe aus der Haut (Hautbiopsie) unter dem Mikroskop untersucht werden.

Therapie der axonalen Schädigung

Die Therapie der axonalen Polyneuropathie zielt darauf ab, die Ursache der Nervenschädigung zu behandeln und die Symptome zu lindern.

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  1. Behandlung der Ursache:

    • Bei Diabetes: Optimierung der Blutzuckereinstellung. Allerdings führt eine zu rasche Senkung der Blutzuckerwerte zu weiteren Nervenschäden. Als optimal gilt eine sanfte Senkung des HbA1c-Wertes um weniger als zwei Prozentpunkte über einen Zeitraum von drei Monaten. Bei Altersdiabetes empfehlen Ärzte eine Umstellung des Lebensstils mit Gewichtsreduktion und viel Bewegung.
    • Bei Alkoholmissbrauch: Absolute Alkoholabstinenz.
    • Bei Vitaminmangel: Ausgleich des Mangels durch Nahrungsergänzungsmittel.
    • Bei Nieren- oder Lebererkrankungen: Behandlung der Grunderkrankung.
    • Bei Infektionen: Behandlung der Infektion.
    • Bei Medikamenteninduzierter Neuropathie: Wechsel des Präparats.
  2. Symptomatische Therapie:

    • Schmerztherapie: Zur Schmerzbekämpfung haben sich Antidepressiva und Medikamente gegen Krampfanfälle (Epilepsie), sogenannte Antikonvulsiva, bewährt. Capsaicin ist für die Schärfe der Chilischoten verantwortlich und hat sich in Form von Capsaicin-Pflastern auf der Haut in Studien als erfolgversprechendes Mittel gegen Polyneuropathie erwiesen. Es betäubt nicht nur den schmerzenden Bereich und steigert die Durchblutung, sondern scheint sogar die Neubildung kleiner Nervenfasern anzuregen.
    • Physikalische Therapie: Elektrotherapie (TENS-Gerät), Bäder, Wärmeanwendungen, Krankengymnastik, Sporttherapie und medizinisches Training. Bei der Elektrotherapie werden die Nerven durch Impulse aus einem speziellen Gerät so stimuliert, dass Erkrankte statt Schmerzen ein leichtes Kribbeln spüren.
    • Ergotherapie: Um die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten oder wiederherzustellen.
    • Gleichgewichtstraining: Gegen die fortschreitende Gangunsicherheit wirkt Gleichgewichtstraining in der Physiotherapie.
    • Akupunktur: Wie die gezielten Reize der Akupunktur die Nerven beleben, ist noch ungeklärt.
    • Anpassung von Hilfsmitteln: Gehhilfen, Rollstühle etc.
    • Ernährungsberatung: Eine personalisierte Ernährungsberatung kann ebenfalls hilfreich sein.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Therapien dauerhaft durchgeführt werden müssen, da eine Pause den Behandlungserfolg schnell beeinträchtigen kann.

Prognose der axonalen Schädigung

Die Prognose der axonalen Polyneuropathie hängt von der Ursache und dem Zeitpunkt der Diagnose ab. Je früher die Diagnose erfolgt, desto besser lassen sich Beschwerden lindern und der Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Hat ein Diabetes schleichend über viele Jahre die Nerven angegriffen, muss der Patient seine Blutzuckerwerte in den Griff bekommen, um die Nervenschädigung zu stoppen. Sind Alkohol oder Medikamente die Ursache, hilft Abstinenz beziehungsweise ein Wechsel der Präparate.

Besteht die Schädigung allerdings schon lange, ist die Polyneuropathie in der Regel nicht heilbar. In vielen Fällen wird die Erkrankung erst spät erkannt, was eine irreversible Nervenschädigung zur Folge hat. Abhängig von der jeweiligen Ursache können motorische, sensible oder vegetative Nerven betroffen sein.

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Cannabis bei neurologischen Erkrankungen

Cannabis ist in aller Munde. Neue Erkenntnisse helfen uns, mehr über die Neuropathie zu verstehen. Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabis bei neurologischen Erkrankungen eine unterstützende Rolle spielen könnte.

Forschung zur axonalen Regeneration

Ein Forschungsschwerpunkt beschäftigt sich mit den Mechanismen, die der eingeschränkten Regenerationsfähigkeit des ZNS zugrunde liegen. Ziel ist die Entwicklung von neuen gentherapeutischen sowie pharmakologischen Ansätzen zur Förderung der axonalen Regeneration und somit der Wiederherstellung von verlorengegangenen Funktionen nach Schädigungen des Gehirns und Rückenmarks.

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