Basale Stimulation ist ein pädagogisch-therapeutisches und pflegerisches Konzept, das in der Betreuung von Menschen mit Demenz eine wichtige Rolle spielt. Es dient als Kommunikationsmittel und fördert die Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Bewegungsfähigkeiten von Menschen mit schweren Beeinträchtigungen. Ursprünglich von Andreas Fröhlich für behinderte Kinder entwickelt, findet die Basale Stimulation heute breite Anwendung in der Pflege und Betreuung von Demenzerkrankten.
Einführung in die Basale Stimulation
Die Basale Stimulation ist ein Konzept, das darauf abzielt, schwer beeinträchtigten Menschen durch körperbezogene Kommunikation zu helfen. Es wurde von Andreas Fröhlich entwickelt und in den 80er Jahren in die Pflege älterer und demenziell erkrankter Menschen integriert. Ziel ist es, den Erkrankten zu helfen, ihren eigenen Körper wahrzunehmen und einen besseren Zugang zu ihrer Umwelt aufzubauen.
Was ist Basale Stimulation?
Basale Stimulation ist mehr als nur eine Technik; es ist ein umfassendes Förderkonzept der Pflegepädagogik. Es konzentriert sich auf die Aktivierung und Förderung von Menschen mit Kommunikations-, Wahrnehmungs- und Bewegungsstörungen. Durch einfache Angebote wird die Wahrnehmung unterstützt, um das Bewusstsein für den eigenen Körper zu schärfen und den Kontakt zu anderen Menschen und der Umgebung zu fördern.
Ziel der Basalen Stimulation
Das Hauptziel der Basalen Stimulation ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Demenz zu verbessern, indem ihre Sinnesbereiche aktiviert werden. Dies kann durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden, die darauf abzielen, die Körperwahrnehmung zu fördern und die Kommunikation zu erleichtern.
Grundlagen der Basalen Stimulation
Die Basale Stimulation basiert auf der Idee, dass Menschen mit Demenz durch gezielte Sinnesreize erreicht und aktiviert werden können. Dabei werden verschiedene Wahrnehmungsbereiche angesprochen, um den Bezug zum eigenen Körper und zur Umwelt zu verbessern.
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Die Bedeutung der Sinneswahrnehmung
Menschen mit Demenz leiden oft unter einer eingeschränkten Sinneswahrnehmung. Sie versäumen viele natürliche Stimulatoren und verlieren den Bezug zu ihrer Umgebung. Die Basale Stimulation versucht, diese Lücke zu füllen, indem sie gezielt Sinnesreize setzt und die Wahrnehmungsbereiche aktiviert.
Individuelle Anpassung
Jeder Mensch ist einzigartig, und so muss auch die Basale Stimulation individuell angepasst werden. Die Lebenserfahrungen, Interessen und die Persönlichkeit des Betroffenen spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl der geeigneten Methoden und Materialien.
Methoden der Basalen Stimulation
Es gibt verschiedene Methoden der Basalen Stimulation, die je nach Bedarf und Vorlieben des Betroffenen eingesetzt werden können. Diese Methoden lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, die jeweils unterschiedliche Sinnesbereiche ansprechen.
Somatische Stimulation
Die somatische Stimulation umfasst Berührungen, Waschungen und Positionierungen, die darauf abzielen, die Körperwahrnehmung zu fördern. Hierbei können Materialien wie Frotteehandtücher oder raue Waschlappen eingesetzt werden, um das Empfinden für den eigenen Körper zu verstärken. Die Initialberührung, ein ritualisiertes Begrüßungs- und Verabschiedungsritual, ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der somatischen Stimulation.
Vibratorische Stimulation
Die vibratorische Stimulation dient dazu, den Betroffenen ein Spüren der Körpertiefe und Körperfülle zu ermöglichen. Dies kann durch vibrierende Hände oder Geräte erreicht werden. Es ist wichtig, darauf zu achten, ob der Betroffene das Angebot als angenehm empfindet.
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Vestibuläre Stimulation
Die vestibuläre Stimulation spricht den Gleichgewichtssinn an und fördert die Orientierung im Raum. Sanfte Schaukelbewegungen, Wiegen oder Positionswechsel können hier eingesetzt werden, um das Gleichgewicht und die Wahrnehmung von Beweglichkeit zu stimulieren.
Orale Stimulation
Bei künstlicher Ernährung kann es zu einer sensorischen Verarmung des Mundraums kommen. Die orale Stimulation zielt darauf ab, positive Gefühle mit der Mundpflege zu verbinden. Dies kann durch das Bestreichen der Lippen mit wohlschmeckenden Flüssigkeiten oder das Betupfen der Zunge mit gekühlten Saftstäbchen erreicht werden.
Olfaktorische Stimulation
Die Geruchswahrnehmung ist oft auch bei schwer wahrnehmungsbeeinträchtigten Patienten erhalten. Vertraute Gerüche können Heimatgefühle und Wohlbefinden auslösen. Nahrungsgerüche können die olfaktorische Anregung begleiten und appetitliche Düfte wie Zimt oder Thymian verbreiten.
Taktil-haptische Stimulation
Durch das Tasten und Greifen können Menschen ihre Umwelt „begreifen“. Dem Patienten können Gegenstände wie eine Zahnbürste, eine Tasse oder Naturobjekte wie Schwämme und Steine in die Hand gegeben werden, um ihm Tasteindrücke zu vermitteln.
Auditive Stimulation
Vertraute Geräusche wie Musik, eine Spieluhr oder die Stimme einer vertrauten Person können bei Patienten, die nicht ansprechbar sind, Reaktionen auslösen. Angehörige können die Lieblingsmusik des Patienten mitbringen oder ihm eine Geschichte vorlesen. Es ist wichtig, eine „Zwangsanregung“ zu vermeiden und auf wechselnde, klare Angebote zu achten.
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Visuelle Stimulation
Der monotone Blick an die Decke oder die gegenüberliegende Wand kann durch visuell anregende Objekte im Blickfeld des Patienten ersetzt werden. Klare, kontrastreiche Motive sind hier zu empfehlen.
Praktische Übungen zur Basalen Stimulation
Die Basale Stimulation kann durch einfache Übungen in den Alltag integriert werden. Hier sind einige Beispiele:
- Körperpflege: Unterschiedlicher Druck beim Waschen, Abtrocknen und Eincremen.
- Haptische Stimulation: Verschiedene Materialien wie Wasser, Cremes, Nesteldecken und Fühlkissen anbieten.
- Orale Stimulation: Regelmäßige Mundpflege, Bestreichen der Mundpartie mit einem Schwamm, Kausäckchen mit Geschmacksanregungen.
- Visuelle Stimulation: Kräftige, kontrastreiche Bilder, Mobiles, Fotos oder farbige Lampen.
- Olfaktorische Stimulation: Düfte von frisch gebackenen Brötchen, Kaffee, Blumen, Cremes oder Kuchen.
- Auditive Stimulation: Lieblingsmusik, Volkslieder, Vorsingen oder Abspielen von CDs.
- Vibratorische Stimulation: Elektrische Zahnbürste oder Rasierer (ohne Klinge) auf der Haut.
- Vestibuläre Stimulation: Schaukeln, rhythmische Bewegungen, Positionswechsel.
Basale Stimulation im Pflegealltag
Die Basale Stimulation lässt sich gut in den Pflegealltag integrieren. Besonders im letzten Stadium der Demenz, wenn die Betroffenen immobiler und bettlägerig werden, kann sie helfen, den eigenen Körper wieder zu spüren.
Körperwahrnehmung fördern
Durch verschiedene Berührungen und Lagerungen wird die Körperwahrnehmung angeregt. Das Ausstreichen der Arme und Beine oder die Verwendung von weichen und harten Schwämmen bei der Körperpflege können hier hilfreich sein.
Haptische Stimulation im Alltag
Verschiedene Materialien, die aus der persönlichen Biografie des Betroffenen stammen oder eine besondere Bedeutung für ihn haben, können für die haptische Stimulation verwendet werden. Auch das Eincremen mit einer duftenden Lotion kann positive Erinnerungen wecken.
Orale Stimulation bei Schluckstörungen
Bei Schluckstörungen ist die orale Stimulation besonders wichtig. Die Nerven im Mund und rund um die Mundpartie können durch Bestreichen mit dem Finger oder einem kleinen Schwamm stimuliert werden.
Visuelle Reize setzen
Besonders bei bettlägerigen Menschen kann man mit kontrastreichen Bildern, Mobiles oder Fotos Akzente setzen, die den Sehsinn stimulieren.
Geruchssinn anregen
Im Alltag gibt es zahlreiche Möglichkeiten, den Geruchssinn zu stimulieren. Der Duft von frisch gebackenen Brötchen, Blumen oder das Auftragen von Deodorant können das Körperempfinden verbessern und Erinnerungen wecken.
Auditive Angebote nutzen
Die Lieblingsmusik von früher kann Erinnerungen wecken und eine belebende Wirkung haben. Gemeinsames Singen oder das Abspielen von Liedern kann eine positive Atmosphäre schaffen.
Basale Stimulation in verschiedenen Demenzstadien
Die Basale Stimulation kann in jedem Stadium der Demenz angewendet werden. Die Methoden und Intensität der Stimulation sollten jedoch an die jeweiligen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Betroffenen angepasst werden.
Leichte Demenz
Im frühen Stadium der Demenz ist die Wahrnehmung des Betroffenen nur wenig verändert. Es ist wichtig, den Betroffenen mehr Zeit zum Antworten zu lassen und in einfachen, kurzen Sätzen zu sprechen.
Mittelschwere Demenz
Im mittleren Stadium der Demenz haben die Betroffenen oft auffällige Denk- und Gedächtnislücken. Es ist wichtig, auf die Gefühlslage des Betroffenen einzugehen und Empathie zu zeigen. Biographiearbeit kann helfen, das Identitätsempfinden zu erhalten.
Schwere Demenz
Im späten Stadium der Demenz geht vielen Betroffenen die Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verloren. Nonverbale und emotionale Kommunikation wird immer wichtiger. Die Basale Stimulation eignet sich besonders gut, um in Kontakt zu treten und Zuneigung zu vermitteln.
Validation und Personzentrierte Pflege als Ergänzung
Neben der Basalen Stimulation gibt es weitere Kommunikationskonzepte, die in der Betreuung von Demenzerkrankten eine wichtige Rolle spielen. Validation und personzentrierte Pflege basieren auf den Prinzipien der Akzeptanz und Wertschätzung.
Validation
Die Validation ist eine Methode, die darauf abzielt, die Gefühle von Demenzerkrankten anzuerkennen und zu akzeptieren. Anstatt die Person zu korrigieren, geht man auf ihre aktuelle Gefühlslage ein und vermittelt Verständnis.
Personzentrierte Pflege
Die personzentrierte Pflege stellt den Menschen in den Mittelpunkt und nicht die Krankheit. Erhalt und Förderung des Personseins ist der Kern dieser Art der Kommunikation. Die Bedürfnisse nach Liebe, Trost, Bindung, Einbeziehung, Beschäftigung und Identität werden berücksichtigt.
Basale Stimulation: Ein Lernprozess für Pflegende
Die Basale Stimulation ist nicht nur für den Gepflegten ein Lernprozess, sondern auch für den Pflegenden. Der Pflegende lernt von und durch den Gepflegten. Die Reaktion des Gepflegten beeinflusst die nächste Handlung des Pflegenden.
Schulungen und Kurse
Um die Basale Stimulation richtig anzuwenden, ist eine Schulung empfehlenswert. In Kursen können Grundlagen vermittelt und Ideen für die praktische Anwendung gewonnen werden.
Beobachtung und Anpassung
Es ist wichtig, die Reaktionen des Betroffenen während der Stimulation genau zu beobachten und die Methoden entsprechend anzupassen. Nicht jeder Betroffene reagiert auf die Reize gleichermaßen positiv.
Vorteile der Basalen Stimulation
Die Basale Stimulation bietet zahlreiche Vorteile für Menschen mit Demenz und ihre Pflegenden:
- Verbesserung der Körperwahrnehmung
- Förderung der Kommunikation
- Reduktion von Ängsten und Unruhe
- Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualität
- Aufrechterhaltung der Verbindung zur Außenwelt
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