Einleitung
Das beschützende Wohnen stellt eine spezielle Wohnform dar, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zugeschnitten ist. Ziel ist es, ein sicheres, stabiles und förderndes Umfeld zu schaffen, in dem die Bewohner*innen trotz ihrer Erkrankung ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben führen können. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte des beschützenden Wohnens für Menschen mit Demenz, von den konzeptionellen Grundlagen über die baulichen und organisatorischen Besonderheiten bis hin zu den pflegerischen und therapeutischen Ansätzen.
Konzeptionelle Grundlagen des beschützenden Wohnens
Zielsetzung und Menschenbild
Im Mittelpunkt des beschützenden Wohnens steht der Mensch mit Demenz mit seinen individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und seiner Lebensgeschichte. Es geht darum, die Persönlichkeit des demenzkranken Menschen so lange wie möglich zu erhalten und ihm ein Gefühl von Sicherheit, Geborgenheit und Wertschätzung zu vermitteln. Dabei wird ein personenzentrierter Ansatz verfolgt, der die Selbstbestimmung und die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft fördert.
Abgrenzung zu anderen Wohnformen
Das beschützende Wohnen unterscheidet sich von herkömmlichen Pflegebereichen vor allem durch den Fokus auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz. Während in der allgemeinen stationären Pflege oft die Defizite im Vordergrund stehen, konzentriert sich das beschützende Wohnen auf die Stärken und Ressourcen der Bewohner*innen. Zudem bietet es ein speziell angepasstes räumliches und organisatorisches Umfeld, das den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz entgegenkommt.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Unterbringung in einem beschützenden Wohnbereich ist in der Regel mit einer Einschränkung der persönlichen Freiheit verbunden, da die Bewohnerinnen aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, ihre eigenen Interessen ausreichend zu vertreten. Daher ist zur Aufnahme ein richterlicher Unterbringungsbeschluss zwingend erforderlich. Gleichzeitig wird jedoch alles unternommen, um freiheitsentziehende Maßnahmen zu vermeiden und die persönliche Freiheit der Bewohnerinnen so weit wie möglich zu gewährleisten.
Räumliche und bauliche Gestaltung
Wohnbereiche und Wohngruppen
Viele Einrichtungen des beschützenden Wohnens sind in kleine Wohngruppen unterteilt, um den Bewohnerinnen ein Gefühl von Geborgenheit und familiärer Atmosphäre zu vermitteln. In diesen Wohngruppen leben die Bewohnerinnen zusammen und gestalten ihren Alltag gemeinsam.
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Farbgestaltung und Lichtverhältnisse
Besonderen Wert wird auf die Wirkung des Lichts gelegt. Große Fenster und therapeutische Lichtdecken tragen zu einer Stabilisierung des Tag-Nacht-Rhythmus bei. Die Farbgestaltung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, da bestimmte Farben beruhigend oder anregend wirken können.
Sinnesräume und Therapiegärten
Einige Einrichtungen verfügen über spezielle Sinnesräume, die mit verschiedenen Materialien, Klängen und Düften die Sinne der Bewohner*innen anregen. Auch Therapiegärten mit unterschiedlichen Themengestaltungen sind ein wichtiger Bestandteil des beschützenden Wohnens.
Sicherheit und Orientierung
Um den Bewohnerinnen ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten, sind die Wohnbereiche in der Regel mit moderner Sensortechnik ausgestattet. Diese Technik ermöglicht es, die Bewohnerinnen zu überwachen und im Notfall schnell Hilfe zu leisten. Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass die Technik nicht als Einschränkung der persönlichen Freiheit wahrgenommen wird.
Pflege und Betreuung
Personenzentrierte Pflege
Die Pflege und Betreuung im beschützenden Wohnen orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen und der Lebensgeschichte der Bewohner*innen. Es wird versucht, die noch vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erhalten und zu fördern. Dabei kommen verschiedene Methoden wie Biografiearbeit, Validation und basale Stimulation zum Einsatz.
Alltagsgestaltung und Aktivierung
Ein wichtiger Bestandteil der Betreuung ist die Gestaltung des Alltags. Die Bewohner*innen werden in die alltäglichen Aktivitäten wie Kochen, Backen, Tischdecken oder Gartenarbeit einbezogen. Auch kulturelle Angebote, Ausflüge und Feste tragen zur Lebensqualität bei.
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Zusammenarbeit mit Angehörigen
Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Angehörigen ist im beschützenden Wohnen von großer Bedeutung. Die Angehörigen werden in die Pflege und Betreuung einbezogen und erhalten Unterstützung und Beratung.
Qualifikation der Mitarbeitenden
Die Mitarbeitenden im beschützenden Wohnen benötigen eine spezielle Qualifikation, um den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Demenz gerecht zu werden. Daher legen die Einrichtungen großen Wert auf eine gute Aus- und stetige Fortbildung ihrer Mitarbeiter.
Beispiele und Konzepte
Martin Luther Stiftung Hanau
Am Zentralstandort der Martin Luther Stiftung Hanau werden unterschiedliche Pflege- und Wohnformen angeboten, vom Betreuten Wohnen bis zu den Wohnbereichen für Menschen mit Demenz. Diese räumliche und organisatorische Nähe macht Übergänge und interdisziplinären Austausch einfacher. Das Haus am Brunnen hat seinen Schwerpunkt in der Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz. Die Bewohner*innen leben in kleinen Wohngruppen zusammen.
Haus im Bergwinkel, Schlüchtern
Das Diakonische Zentrum „Haus im Bergwinkel“ liegt ruhig, aber dennoch zentral am östlichen Stadtrand von Schlüchtern. Die Einrichtung ist umgeben von einem weitläufigen Außengelände, zu dem auch ein eigener Therapiegarten gehört. In direkter Nachbarschaft befindet sich die Kindertagesstätte Kindervilla Kunterbunt. Menschen mit mittelgradiger Demenz und einer Weg- bzw. Hinlauftendenz oder Selbst- bzw. Fremdgefährdung finden im beschützenden Bereich ein Umfeld und eine Betreuung, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Haus im Park, Bremerhaven
Das „Haus im Park“ ist ein beschützendes Pflegeheim, in dem ausschließlich Menschen mit Demenz in einem großzügigen Wohnumfeld ein neues Zuhause finden. Das Haus liegt am Rande des Bremerhavener Bürgerparks und wurde speziell für die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz konzipiert.
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Domizil für Menschen mit Demenz, Wolfegg
Die Facheinrichtung Domizil für Menschen mit Demenz bietet Lebensraum für drei Hausgemeinschaften zu jeweils 10 Personen. Weitläufige Architektur, variables Beleuchtungskonzept und großzügige Begegnungsräume sorgen für eine wohnliche Atmosphäre. Ein Sinnesraum mit Wasserklangbett und ein beschützendes Gartenareal regen die Sinne an.
Demenzzentrum Lindenhof, Fränkische Schweiz
Im Demenzzentrum Lindenhof können 41 an Demenz erkrankte Senioren in einer angenehmen häuslichen Atmosphäre wohnen. Die Bewohner*innen werden aktiv in den Tagesablauf einbezogen und ihre verbliebenen Kräfte werden so lange wie möglich erhalten und gefördert.
Herausforderungen und Perspektiven
Finanzierung und Personalmangel
Eine der größten Herausforderungen im Bereich des beschützenden Wohnens ist die Finanzierung. Die Kosten für die spezielle Betreuung und die angepasste räumliche Gestaltung sind hoch. Zudem herrscht, wie in der gesamten Pflegebranche, ein Fachkräftemangel.
Innovation und Weiterentwicklung
Um den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz noch besser gerecht zu werden, sind Innovation und Weiterentwicklung notwendig. Dies betrifft sowohl die bauliche Gestaltung als auch die pflegerischen und therapeutischen Ansätze. Auch der Einsatz von Technologie kann dazu beitragen, die Lebensqualität der Bewohner*innen zu verbessern.
Integration und Inklusion
Ein wichtiges Ziel ist die Integration von Menschen mit Demenz in die Gesellschaft. Durch Kooperationen mit Kirchengemeinden, Schulen und Vereinen können Kontakte geknüpft und Vorurteile abgebaut werden. Auch die Förderung von Demenzfreundlichkeit in der Kommune trägt dazu bei, dass Menschen mit Demenz am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
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