Die Betreuung von Menschen mit Demenz ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die ein tiefes Verständnis der Erkrankung, Empathie und ein hohes Maß an Engagement erfordert. Neben der persönlichen Zuwendung spielen rechtliche Aspekte eine wesentliche Rolle, um die Interessen und das Wohlbefinden der Betroffenen zu gewährleisten. Dieser Artikel beleuchtet die Aufgaben und Pflichten von Betreuern von Demenzkranken und gibt einen Überblick über die relevanten rechtlichen Grundlagen.
Demenz: Definition und Herausforderungen
Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen des Gehirns, die mit einem fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten wie Gedächtnis, Denkvermögen und Orientierung einhergehen. Zu den häufigsten Demenzformen zählen die Alzheimer-Krankheit, die vaskuläre Demenz und die Lewy-Körperchen-Demenz. In Deutschland sind schätzungsweise 1,6 Millionen Menschen von Demenz betroffen, wobei Frauen häufiger erkranken als Männer.
Die Betreuung von Demenzkranken stellt Angehörige und professionelle Pflegekräfte vor große Herausforderungen. Demenzpatienten sind oft nicht mehr in der Lage, ihren Alltag selbstständig zu bewältigen und benötigen Unterstützung in verschiedenen Bereichen, wie z.B. bei der Körperpflege, der Ernährung, der Medikamenteneinnahme und der Haushaltsführung. Zudem können Verhaltensauffälligkeiten wie Unruhe, Aggressivität oder Desorientierung die Betreuung zusätzlich erschweren.
Rechtliche Betreuung bei Demenz
Wenn Menschen mit Demenz aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, ihre rechtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln, kann das Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuung anordnen. Die Voraussetzungen für die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Demnach muss eine Person aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage sein, ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise zu besorgen.
Aufgaben des rechtlichen Betreuers
Der vom Betreuungsgericht bestellte Betreuer erhält die Aufgabe, die Angelegenheiten des Demenzkranken in unterschiedlichen Bereichen zu regeln, je nachdem, wo der Betroffene Hilfe benötigt. Zu den typischen Aufgabenkreisen gehören:
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- Vermögenssorge: Verwaltung des Einkommens und Vermögens, Begleichung von Rechnungen, Geltendmachung von Ansprüchen
- Gesundheitssorge: Entscheidung über medizinische Behandlungen, Organisation der Pflege, Einwilligung in ärztliche Eingriffe
- Wohnungsangelegenheiten: Anmietung oder Kündigung einer Wohnung, Organisation von Wohnraumanpassungen
- Vertretung gegenüber Behörden und Versicherungen: Anträge stellen, Widersprüche einlegen, Korrespondenz führen
- Aufenthaltsbestimmung: Entscheidung über den Wohnort, ggf. Einweisung in ein Pflegeheim
- Postempfangs- und Öffnungsbefugnis: Entgegennahme und Öffnung der Post, um wichtige Informationen zu erhalten
Verfahren zur Einrichtung einer rechtlichen Betreuung
Ein Antrag auf ein Betreuungsverfahren wird beim zuständigen Betreuungsgericht (=Amtsgericht) gestellt. Dies kann formlos oder schriftlich erfolgen. Antragsberechtigt ist jeder Mensch - auch der Betroffene selbst.
Nach Eingang des Antrags prüft das Betreuungsgericht die Notwendigkeit einer Betreuung. Dazu holt es in der Regel ein ärztliches Gutachten ein und führt eine persönliche Anhörung mit dem Betroffenen durch. Kann der Demenzkranke nicht mehr für sich selbst sprechen, wird ihm bis zur Betreuerbestellung ein sogenannter "Verfahrenspfleger" zur Seite gestellt, der das rechtmäßige Verfahren des Verlaufs prüft.
Am Ende erfolgt mit dem Betroffenen ein Schlussgespräch, in dem die einzuleitenden Maßnahmen noch einmal dargelegt werden.
Rechte und Pflichten des Betreuers
Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann. Dabei hat der Betreuer die Wünsche und Bedürfnisse des Betreuten zu berücksichtigen und dessen Selbstbestimmung zu fördern.
Der Betreuer steht unter der Aufsicht des Betreuungsgerichts und muss diesem regelmäßig Bericht erstatten. Er haftet grundsätzlich nicht für Schäden, die durch den Betreuten entstehen, es sei denn, er hat seine Aufsichtspflicht verletzt.
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Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
Hat der Demenzkranke in der Vergangenheit eine gültige Vorsorge- oder Generalvollmacht unterzeichnet, ist eine Betreuung nicht mehr notwendig. Hier hat der Betroffene anderweitig vorgesorgt.
Alternativ kann eine Betreuungsverfügung verfasst werden, in der der Betroffene für den Fall einer späteren, vom Betreuungsgericht geregelten rechtlichen Betreuung seine Wünsche festhält. Für eine Betreuungsverfügung müssen Menschen mit Demenz nicht mehr geschäftsfähig sein.
Aufsichtspflicht bei Demenz
Demenzpatienten sind oftmals aufgrund der Erkrankung selbst nicht dazu in der Lage, eigenständig zu handeln oder ihre Versorgung selbst zu gewährleisten. Gleichermaßen verhält es sich bei dem Umgang mit anderen Menschen, sodass die Betroffenen ständig Unterstützung sowie Hilfe von anderen Personen benötigen. Besonders problematisch ist der Umstand, dass Demenzpatienten oftmals überraschend und unvorhersehbar handeln. Dementsprechend darf die Aufsichtspflicht bei Demenz nicht unterschätzt werden.
Wer trägt die Aufsichtspflicht?
Die Frage, wer die Aufsichtspflicht bei Demenzkranken trägt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Grundsätzlich tragen die Angehörigen die gesetzliche Aufsichtspflicht. Da sich dies jedoch in der Praxis nicht immer mit den beruflichen Verpflichtungen der Angehörigen vereinbaren lässt, ist es keine Seltenheit, dass Demenzpatienten in einem Pflegeheim untergebracht werden.
Sollte die demenzerkrankte Person ein einem Pflegeheim untergebracht sein, so obliegt es der Verantwortlichkeit des Pflegeheims, die Betreuung des Patienten sicherzustellen. Dies umfasst sowohl die Tagesstrukturierung als auch die medizinische Versorgung sowie die Aufsichtspflicht. Insbesondere die Gewährleistung der Sicherheit der Untergebrachten ist bei Pflegeheimen ein wichtiges Thema.
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Umfang der Aufsichtspflicht
Die Demenz gliedert sich auf in unterschiedliche Schweregrade, die natürlich auch einen Einfluss auf den Umfang der Aufsichtspflicht nehmen. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass es sich bei der Demenz um eine fortschreitende Erkrankung handelt. In einem frühen Stadium der Erkrankung erfährt die erkrankte Person dementsprechend noch nicht so viele Einschränkungen, wie es in einem späteren Zeitpunkt der Erkrankung der Fall ist.
Der Umfang der Aufsichtspflicht richtet sich nach der Eigenart, der Schwere und den Besonderheiten der Demenzerkrankung im Einzelfall. Eine ständige Überwachung ist nicht erforderlich und mit dem Schutz der Intimsphäre abzuwägen.
Rechtliche Grundlagen der Aufsichtspflicht
Der Gesetzgeber in Deutschland hat für die Aufsichtspflicht bei Demenz gesetzliche Grundlagen geschaffen. Zu den relevantesten Gesetzen gehören sowohl das Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Form des § 276 als auch das elfte Sozialgesetzbuch (SGB XI) nebst dem Heimgesetz sowie den allgemeinen Pflegeleitlinien. Durch das elfte Sozialgesetzbuch wird in Deutschland die Pflegesicherung gewährleistet. Dies betrifft auch die Aufsichtspflicht bei Demenzkranken.
Haftung bei Verletzung der Aufsichtspflicht
Der Gesetzgeber sagt, dass demenzerkrankte Personen für ihr Handeln nicht in die Haftung genommen werden können. Dies setzt allerdings voraus, dass die Krankheit die betroffene Person bereits in einem Umfang einschränkt, dass sie aufgrund dieses Umstandes die Kontrolle über das eigene Handeln nicht behalten respektive die Handlungsfolgen verstehen konnten. Ist dies der Fall, so geht die Haftung auf aufsichtshabende Person über.
Der Aufsichtspflichtige haftet nach § 832 BGB für Schäden, die durch sein Verschulden, also die Verletzung der Aufsichtspflicht, entstanden sind. Dabei wird das Verschulden vermutet.
In vielen Fällen tritt die private Haftpflichtversicherung für Schäden ein, die durch eine Aufsichtspflichtverletzung gegenüber Demenzkranken entstanden sind. Die Versicherung muss aber über die Demenzerkrankung informiert werden, da diese eine „Gefahrenerhöhung“ darstellt.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Aufsichtspflichtige müssen die Fähigkeiten und Gefährdungen des einzelnen Demenzpatienten sorgfältig einschätzen und die Schutzmaßnahmen daran anpassen. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht kann schnell zu Schadensersatzforderungen und im schlimmsten Fall zu strafrechtlicher Verfolgung führen.
Durch die Vorsorgevollmacht respektive Betreuungsvollmacht hat der Gesetzgeber in Deutschland wichtige Instrumente gesetzlich verankert, mit denen betroffene Personen ihre Interessen sowie Wünsche vorab festlegen können. Kommt es zu einer Demenzerkrankung, so übernimmt die im Zuge der Vorsorgevollmacht festgelegte Vertrauensperson die Betreuung der rechtlichen Angelegenheiten von der erkrankten Person.
Selbstbestimmung und Würde wahren
Auch wenn die Geschäftsfähigkeit und die Einwilligungsfähigkeit (freier Wille) bereits eingeschränkt sind, muss grundsätzlich auch der natürliche Wille der oder des Betroffenen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass grundlegende Wünsche und Absichten des Menschen mit Demenz trotz Störung der geistigen Fähigkeiten beachtet und nach Möglichkeit erfüllt werden sollen, zum Beispiel die Ermöglichung von Lieblingsbeschäftigungen, aber auch Abwehr von pflegerischen Maßnahmen wie Körperpflege oder Nahrungsaufnahme. Zwangsmaßnahmen sind nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichtes erlaubt (geregelt im § 1906a Bürgerliches Gesetzbuch).
Im Umgang mit Demenzerkrankten ist es wichtig, ihren aktuellen Willen zu verstehen und die Selbstbestimmung trotz Demenz zu respektieren. Selbst wenn die Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt ist, sollten die Wünsche und Bedürfnisse erfasst werden. Dies kann beispielsweise durch Körpersprache, Mimik oder Verhaltensänderungen geschehen. Menschen mit Demenz sind oft noch lange in der Lage, in bestimmten Lebensbereichen eigene Entscheidungen zu treffen. Solange sich der Betroffene damit nicht selbst schadet, ist seine Entscheidung zu respektieren.
Für Pflegende und Angehörige ist es wichtig, die eigenen Ansichten und Werte von denen des Erkrankten zu unterscheiden. Wenn dabei eine Entscheidung für eine Person zu schwer ist, kann es sinnvoll sein, sie im Team zu treffen. Dieses Team kann aus unabhängigen Personen und dem nahen Umfeld des Betroffenen bestehen.
Weitere rechtliche Aspekte
- Geschäftsfähigkeit: Solange Demenzerkrankte voll geschäftsfähig sind, können sie frei über ihr Geld verfügen und alle Bankgeschäfte selbstständig erledigen. Sobald die Geschäftsfähigkeit aufgrund der Demenz nicht mehr gegeben ist, wird in der Regel ein rechtlicher Betreuer bestellt.
- Wahlrecht: Das Wählen ist ein grundlegendes Bürgerrecht und bleibt auch bei einer Demenzerkrankung bestehen. Es kann nicht auf andere Personen übertragen werden. Während Menschen mit Demenz eine Begleitung in die Wahlkabine mitnehmen dürfen, ist diese ausschließlich zur technischen Unterstützung zulässig.
- Autofahren: Das Thema Autofahren im Zusammenhang mit Demenz ist anspruchsvoll und muss äußerst sensibel angegangen werden. Bei fortgeschrittener Demenz kann der Führerschein von der Straßenverkehrsbehörde nach Anlage 4a der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) entzogen werden.
- Unterhalt: Angehörige können auch zur Finanzierung der Pflege herangezogen werden. Laut Gesetz sind Ehegatten und Verwandte ersten Grades verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Ab einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 Euro sind Kinder zum Unterhalt verpflichtet (§ 94 SGB XII).