Das Gehirn ist unser wichtigstes Organ, das Denken, Fühlen, Erinnern und Lernen zentral steuert. Trotzdem schenken wir ihm oft weniger Aufmerksamkeit als unserem Körper. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch, dass die Leistung unseres Gehirns entscheidend für ein gesundes und langes Leben ist. In diesem Artikel werden wir uns mit den positiven Auswirkungen von Bewegung auf das Gehirn auseinandersetzen und wie wir durch einfache Maßnahmen unsere kognitiven Fähigkeiten verbessern und uns vor neurodegenerativen Erkrankungen schützen können.
Die Funktionsweise des Gehirns verstehen
Das Gehirn wird oft als „Schaltzentrale“ bezeichnet, da es wie ein Computer aus Netzwerken besteht, die Informationen austauschen und Befehle erteilen. Ähnlich wie die Transistoren im Rechner bilden die Nervenzellen im Gehirn komplexe Netzwerke zum Informationsaustausch. Die Neuronen, die sich an der Oberfläche des Gehirns (Kortex oder graue Substanz) befinden, haben lange Axone zum Senden von Informationen und kürzere Dendriten zum Empfangen von Informationen.
Die elektrischen Impulse müssen in chemische Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, umgewandelt werden, um den synaptischen Spalt zwischen den Neuronen zu überwinden. Die Synapsen sind die Bindeglieder zwischen den Gehirnzellen und spielen eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung elektrischer Impulse. Wenn Neuronen oft gemeinsam beansprucht werden, bilden sie neue Synapsen und es entstehen komplexere neuronale Netzwerke, die höhere kognitive Funktionen wie Sprache, komplexe Bewegungen und das Gedächtnis steuern.
Die Bedeutung von Bewegung für das Gehirn
Regelmäßige moderate körperliche Aktivität ist für die geistige Gesundheit von großer Bedeutung. Bewegung regt zahlreiche Gehirnfunktionen an, die unser Denkorgan fit halten. Dazu gehört die Ausschüttung von Nervenwachstumsfaktor, einer Substanz, die unsere Gehirnzellen und ihre Verbindungen stärkt. Bewegung ist auch notwendig, um die Neurogenese anzuregen, also die Neubildung von Nervenzellen im Gehirn.
Zahlreiche Experimente haben gezeigt, dass regelmäßige aerobe Bewegung die beschriebenen Prozesse verlässlich anregt. Natürliche aerobe Bewegung ist für das Gehirn ein Regenerationsinstrument, das ganz natürlich funktioniert. Es ist jedoch wichtig, nicht dauernd ans Maximum zu gehen, da dies für die beschriebenen Prozesse nicht förderlich ist.
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Bewegung und kognitive Leistungsfähigkeit
Regelmäßige sportliche Aktivität führt nachweislich zu erhöhter Aufmerksamkeit und einem verbesserten Gedächtnis, bereits im Kindesalter. Ein „unbewegtes“ Leben ist hingegen nicht gut für das Gehirn. Der Hippocampus, der Sitz unseres Kurzzeitgedächtnisses, braucht Bewegung.
Die positiven Auswirkungen von Bewegung auf unsere kognitiven Fähigkeiten sind keine Eintagsfliege, sondern entstehen in einem langfristigen Prozess mit viel Geduld. Ein leistungsfähiger Geist in einem leistungsfähigen Körper baut sich in jahrelanger sportlicher Betätigung sukzessive auf.
Bewegung als Prävention gegen Demenz
Bewegung ist keine Garantie gegen Neurodegeneration, aber eine gute Chance, ihr vorzubeugen und sie aufzuhalten. Studien haben gezeigt, dass Alzheimer-Patienten, die regelmäßig spazieren gehen, eine Milderung der Symptome erfahren und ihre geistigen Fähigkeiten länger behalten können. Und das alles ohne Nebenwirkungen, im Gegensatz zu Medikamenten, die immer eine Nebenwirkung haben.
Bewegung und Kreativität
Jeder Läufer hat schon einmal erlebt, dass ihm ausgerechnet während einer Laufrunde eine gute Idee gekommen ist oder eine Lösung für ein Problem eingefallen ist, das seit Tagen beschäftigte. Hohe kognitive Funktionen werden im Gehirn über ausgedehnte Netzwerke gesteuert, die viele Gehirnregionen miteinander verbinden. Während des Laufens tauchen oft „Tagtraum-Phasen“ auf, die vom sogenannten „Ruhe-Modus-Gehirnnetzwerk“ gesteuert werden. Dieses Netzwerk steuert im Hintergrund sehr viele kognitive Prozesse, die uns allerdings nicht bewusst sind. So fällt uns plötzlich eine gute Idee ein oder die lang ersehnte Lösung zu einem Problem.
Bewegung im Alltag integrieren
Heutzutage sind viele Menschen in ihren Jobs an den Bürostuhl gefesselt. Dazu kommen oft außerberufliche Verpflichtungen, die ebenfalls bewegungsarm sind. Es gibt keine feste Regel für den Umfang der Bewegung, da dies von der eigenen Ausgangslage abhängt. Wenn sich ein Mensch gar nicht bewegt, kann er mit Spaziergängen anfangen: Eine zusammenhängende halbe Stunde am Tag, dann ein bisschen länger, später ein bisschen flotter. Langsam baut sich eine gute Kondition auf. Wenn jemand hingegen bereits läuft, kann es sinnvoll sein, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich zu steigern. Es ist allerdings wichtig, dass diese Entwicklung langsam und harmonisch stattfindet.
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Es geht darum, etwas Nachhaltiges für den Körper und vor allem für den Geist zu tun. Das benötigt Zeit, Beständigkeit und auch den Verzicht auf Dinge, die wir mögen. Man kann nicht beruflich 120% leisten, ein reges soziales Leben führen, alle möglichen Kulturinteressen verfolgen und in drei Vereinen aktiv zu sein. Da und dort Streichungen vorzunehmen, ist unumgänglich.
Die Rolle der Eltern und Schulen
Erwachsene bewegen sich in unserer Zeit zu wenig. Kinder lernen von ihren Eltern und leben im gleichen Rahmen. Wenn Eltern nur mit dem Auto fahren, werden die Kinder überall hin mit dem Auto begleitet, auch in die Schule. Diese schlechte Vorbildwirkung führt zu einer ganzen Reihe von Fehlentwicklungen. Kinder sind anfälliger für Zivilisationskrankheiten geworden, wie Diabetes, Übergewicht, Kreislauf- und Herzrhythmusstörungen, oftmals durch Übergewicht verursacht.
Eltern sollten das Vorbild für Kinder sein und einen Rahmen schaffen, in dem Sport geschieht. Sportunterrichtspflicht für alle, ohne die Möglichkeit sich befreien zu lassen, außer es bestehen gravierende Gründe dafür, wäre eine drastische, aber wirksame Lösung. Bewegung ist die Grundlage kognitiver Prozesse, das sollte jeden überzeugen. Außerdem wäre eine Stunde Bewegung am Tag in der Schule ideal, um sicherzustellen, dass selbst Kinder, die in der „Freizeit“ keine Bewegung machen, eine Grundversorgung an Bewegung genießen.
Weitere Faktoren für ein gesundes Gehirn
Neben Bewegung spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle für ein gesundes Gehirn. Dazu gehören:
- Ernährung: Eine gesunde Ernährung beugt nicht nur Krankheiten vor, sondern hat auch eine positive Wirkung auf das Gehirn. Der Begriff „Brainfood“ wird oft verwendet, um Lebensmittel zu bezeichnen, die besonders gut für das Gehirn sind.
- Schlaf: Schlafmangel kann das Gedächtnis beeinträchtigen und die kognitive Leistungsfähigkeit verringern.
- Stress: Chronischer Stress kann negative Auswirkungen auf das Gehirn haben und das Risiko für Alzheimer und Depressionen erhöhen.
- Soziale Kontakte: Soziale Interaktion und geistige Anregung sind wichtig, um das Gehirn fit zu halten.
Das Buch "Beweg dich! Und dein Gehirn sagt Danke" von Dr. Manuela Macedonia
Das Buch "Beweg dich! Und dein Gehirn sagt Danke" von Dr. Manuela Macedonia, leitende Wissenschaftlerin an der JKU Linz, ist ein überzeugendes Plädoyer für regelmäßige moderate körperliche Aktivität für die geistige Gesundheit. Die Autorin verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen Ratschlägen und motiviert die Leser, ihren Lebensstil zu ändern.
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Das Buch ist leicht verständlich geschrieben und auch für Laien gut zugänglich. Es enthält zahlreiche Abbildungen und Beispiele aus dem Leben der Autorin, die das Verständnis erleichtern und zur Nachahmung anregen. Die Autorin erläutert die komplexen Vorgänge im „bewegten“ Gehirn und erklärt, wie Bewegung das Gehirn anregt und vor Schrumpfung und Alterung bewahrt.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Bedeutung von Bewegung für Kinder und Jugendliche. Die Autorin betont, dass Bewegung die kognitive und emotionale Entwicklung junger Menschen positiv beeinflusst und die Impulskontrolle verbessern kann. Sie plädiert dafür, den Bewegungsdrang von Kindern mit ADHS in geordnete Bahnen zu lenken, bevor man zu Medikamenten greift.
Das Buch "Beweg dich! Und dein Gehirn sagt Danke" ist ein lehrreiches Sachbuch, spannend und unterhaltsam, das sich nachhaltig ins Gedächtnis all jener einprägen wird, die mehr gern Bewegung machen würden. Es vermittelt die wichtige Botschaft, dass Bewegung nicht nur für den Körper, sondern auch für das Gehirn von großer Bedeutung ist und zu einem leistungsstarken Gehirn und emotionaler Stabilität bis ins hohe Alter beitragen kann.