Biontech-Impfung: Auswirkungen auf das Nervensystem und mögliche Nebenwirkungen

Die COVID-19-Impfstoffe haben sich als entscheidend im Kampf gegen die Pandemie erwiesen. Wie bei allen medizinischen Interventionen können jedoch auch nach einer Impfung unerwünschte Wirkungen auftreten. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Auswirkungen der Biontech-Impfung auf das Nervensystem, einschliesslich seltener, aber potenziell schwerwiegender Nebenwirkungen. Es ist wichtig zu betonen, dass das Risiko schwerwiegender Komplikationen nach einer COVID-19-Impfung im Allgemeinen sehr gering ist und der Nutzen der Impfung den potenziellen Risiken überwiegt.

Seltene neurologische Komplikationen nach COVID-19-Impfung

Neurologische Komplikationen nach einer COVID-19-Impfung sind sehr selten, aber sie existieren. Eine britische Forschungsgruppe analysierte Daten aus einer Impfdatenbank des staatlichen Gesundheitssystems NHS und fand zwei Signale:

  • Die Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca konnte mit einem höheren Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) in Verbindung gebracht werden.
  • Beim Impfstoff von Pfizer/Biontech wurde ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle durch Gehirnblutungen festgestellt.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Ergebnisse keine Erklärung dafür liefern, wie es zu diesem Zusammenhang von Impfungen und Komplikationen kommt. Die Forscher können nicht sagen, was dabei im Körper genau geschieht.

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

Das GBS äussert sich durch Lähmungen, die meistens in den Beinen beginnen, dann aber auch die Arme betreffen und das Gesicht - in seltenen Fällen auch die Atemmuskulatur. GBS tritt in drei von vier Fällen nach bestimmten Infektionen auf. Dabei kommt es dann zu einer überschießenden Immunantwort. Auch in Verbindung mit Covid-19 wurden GBS-Fälle beobachtet.

Eine im „JAMA Network Open“ publizierte Auswertung der Fälle, die an die US-Nebenwirkungsdatenbank VAERS gemeldet wurden, ergab, dass die Vakzine Jcovden (COVID-19-Impfstoff Ad26.COV2-S [rekombinant]) von Johnson & Johnson mit einem erhöhten Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) assoziiert sein könnte. Die GBS-Melderaten innerhalb von 21 und 42 Tagen nach der Janssen-Impfung waren neun- bis zwölfmal höher als nach einer mRNA-Impfung mit den Covid-19-Vakzinen von BioNTech/Pfizer (Comirnaty) und Moderna (Spikevax). Für die beiden mRNA-Impfstoffe konnte kein entsprechender Zusammenhang ermittelt werden.

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Die Rate von beobachteten zu erwarteten (OE-Ratio) Fällen an Guillain-Barré-Syndrom betrug 3,79 für das 21-Tage- und 2,34 für das 42-Tage-Intervall nach der Janssen-Impfung. Nach der mRNA-Impfung mit BNT162b2 und mRNA-1273 lag die OE-Ratio in beiden Zeiträumen unter 1 (nicht signifikant).

Zerebrovaskuläre Ereignisse

Eine in Deutschland durchgeführte Studie unter der Projektleitung der Klinik für Neurologie an der Uniklinik RWTH Aachen beschreibt das Auftreten von zerebrovaskulären Ereignissen, insbesondere Sinus- und Hirnvenenthrombosen im Gehirn, nach Impfung gegen SARS-CoV-2. Auffällig war, dass nicht nur jüngere Frauen ein höheres Risiko für zerebrale Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach Impfung mit dem Vakzin ChAdOx1 (AstraZeneca) hatten, sondern auch ältere Frauen.

Die DGN-Studie „Cerebral venous thrombosis associated with vaccination against COVID-19“ zeigt, dass es nach Impfung mit dem SARS-CoV-2-AstraZeneca-Impfstoff zu signifikant mehr zerebralen Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) kam als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Die Rate der aufgetretenen CVT-Ereignisse war nach einer Erstimpfung mit Vakzinierung mit ChAdOx1 um mehr als neunmal höher als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen.

Post-Vac-Syndrom

Einige Experten sprechen von Post-Vac, wenn nach einer COVID-19-Impfung Symptome auftreten, die denen von Long COVID ähneln. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) beobachtet Meldungen dieser Art, insbesondere mit Symptomen einer CFS, habe bisher aber kein mit einem Impfstoff assoziiertes Risikosignal erkennen können. Die Verdachtsfallmeldungen zu CFS lägen deutlich unter der bisher beobachteten Prävalenz in der Bevölkerung.

Deutschlandweit gibt es bisher 2 Anlaufstellen für Erwachsene mit Verdacht auf Post-Vac: Eine Spezialambulanz für Post-Vac-Fälle am Universitätsklinikum Marburg sowie die neurologische Post-COVID-19-Sprechstunde an der Klinik für Neurologie, Charité Universitätsmedizin Berlin.

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In der Marburger-Spezialambulanz gibt es aktuell eine Warteliste von mehr als 1 800 Betroffenen. Die Patienten präsentieren sich mit einem sehr heterogenen Bild, welches dem eines Long-COVID-Syndroms sehr ähnelt.

Mögliche Ursachen des Post-Vac-Syndroms

Über die Ursachen des Post-Vac-Syndroms kann derzeit nur spekuliert werden. Möglicherweise sei eine Reaktivierung einer Epstein-Barr-Virus-(EBV-)Infektion in der Entstehung von Long COVID und Post-Vac beteiligt. Eine Rolle bei der Entstehung des Syndroms könnten auch Autoantikörper spielen.

Häufigkeit des Post-Vac-Syndroms

Wie häufig Long COVID nach einer Impfung tatsächlich vorkommt, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Im Hinblick auf die Nebenwirkungen, die im Post-Marketing-Report von BioNTech/Pfizer angegeben sind, schätzt Schieffer die Wahrscheinlichkeit von Post-Vac auf etwa 0,02 % nach einer Impfung. Das Risiko für ein neurologisches Post-Vac-Syndrom schätzt Prüß noch niedriger. Nach einer Infektion würde Long COVID demnach deutlich häufiger auftreten als nach einer Impfung.

PIMS nach Impfung

Es zeichnet sich ab, dass PIMS auch aufgrund einer Impfung auftreten kann, allerdings seltener als nach einer SARS-CoV-2-Infektion. In Deutschland seien es aktuell 23 PIMS-Fälle, die trotz oder wegen einer Impfung der DGPI gemeldet worden seien (Stand 2. Mai 2022).

Auswirkungen des Spike-Proteins auf das Gehirn

Forschende von Helmholtz Munich und der LMU haben einen Mechanismus identifiziert, der möglicherweise die neurologischen Symptome von Long COVID erklärt. Die Studie zeigt, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein in den schützenden Schichten des Gehirns, den Hirnhäuten, und im Knochenmark des Schädels bis zu vier Jahre nach der Infektion verbleibt. Diese dauerhafte Präsenz des Spike-Proteins könnte bei den Betroffenen chronische Entzündungen auslösen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen.

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Das Team um Ertürk entdeckte, dass der mRNA-COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn signifikant reduziert. Mit dem mRNA-Impfstoff geimpfte Mäuse zeigten niedrigere Spike-Protein-Werte sowohl im Gehirngewebe als auch im Knochenmark des Schädels im Vergleich zu ungeimpften Mäusen.

Erfassung und Entschädigung von Nebenwirkungen

Jeder und jede Geimpfte kann sich bei möglichen Nebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) wenden. Außerdem haben Ärztinnen und Ärzte die Pflicht, etwaige Nebenwirkungen zu melden.

Ob jemandem eine Entschädigung zusteht, entscheidet nicht das PEI, sondern das Versorgungsamt des jeweiligen Bundeslands. Geprüft wird dann, ob der gesundheitliche Schaden durch die Impfung verursacht wurde. Je nachdem wie groß der gesundheitliche Schaden ist, stehen den Betroffenen etwa Rentenzahlungen, Heilbehandlungen oder Hinterbliebenenversorgung zu.

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