Blasenentzündung und Demenz: Ein komplexer Zusammenhang

Demenz und Harninkontinenz treten häufig gemeinsam auf, was die Frage nach einem möglichen Zusammenhang aufwirft. Obwohl es naheliegend erscheint, dass Demenz, die Hirnregionen zerstört, welche die Blase steuern, zu Inkontinenz führen kann, liefert diese "Logik" allein keine sicheren Anhaltspunkte. Es gilt, die vielfältigen Ursachen und Mechanismen, die Inkontinenz bei Demenz auslösen können, genauer zu betrachten.

Vielfältige Ursachen für Inkontinenz bei Demenz

Die Ursachen für Inkontinenz bei Demenz sind vielfältig und komplex. Neben der direkten Schädigung von Hirnregionen, die für die Blasenkontrolle zuständig sind, können auch andere Faktoren eine Rolle spielen:

  • Medikamente: Einige Medikamente können als Nebenwirkung Inkontinenz auslösen.
  • Begleiterkrankungen: Krankheiten, Blasenentzündungen, psychische Probleme, Unfälle oder Operationen können ebenfalls zu Inkontinenz beitragen.
  • Psychische Faktoren: Depressionen, die häufig mit Demenz einhergehen, können aufgrund der typischen Antriebshemmung eine Inkontinenz fördern.
  • Urogenitale Erkrankungen: Erkrankungen des Urogenitalapparates, wie beispielsweise eine Blasenentzündung, können ebenfalls Inkontinenz verursachen.
  • Eingeschränkte Mobilität: Alters- und krankheitsbedingt sind ältere Menschen oft nicht mehr so sicher auf den Beinen, was den rechtzeitigen Toilettengang erschweren kann. Unebenheiten, Stolperfallen oder Treppenstufen auf dem Weg zur Toilette können das Problem zusätzlich verstärken.
  • Falsche Kleidung: Ist der Weg zur Toilette zu lang und lässt sich die Hose nicht schnell genug öffnen, kann dies ebenfalls zu unfreiwilligem Harnverlust führen.
  • Harntreibende Getränke: Bestimmte Teesorten oder Kaffee können harntreibend wirken und den Harndrang verstärken.

Die Rolle der Blasenentzündung

Harnwegsinfekte wie Blasenentzündungen sind bei Senioren ein häufiges Problem und können im Zusammenhang mit Demenz eine besondere Herausforderung darstellen. Anatomische Veränderungen im Alter, ein schwächeres Immunsystem und die Einnahme von Medikamenten können eine Blasenentzündung begünstigen. Bei Pflegebedürftigen mit Katheter ist das Risiko für Harnwegsinfekte besonders hoch.

Symptome einer Blasenentzündung bei Senioren:

Die Symptome einer Blasenentzündung können bei Senioren untypisch sein oder sogar fehlen. Stattdessen können folgende Anzeichen auftreten:

  • Verwirrtheit: Plötzliche Desorientierung oder Verwirrung, insbesondere bei Menschen mit Demenz.
  • Unwohlsein: Allgemeine Symptome wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schüttelfrost oder Fieber.
  • Harnverhalt: Schwierigkeiten beim Wasserlassen oder das Gefühl, die Blase nicht vollständig entleeren zu können.
  • Veränderter Stuhlgang: Verstopfung oder Durchfall.
  • Verschlimmerung der Inkontinenz: Die Verschlechterung einer bestehenden Inkontinenz oder das plötzliche Auftreten von Inkontinenz.

Behandlung und Vorbeugung:

Die Behandlung einer Blasenentzündung bei Senioren erfolgt in der Regel mit Antibiotika. Es ist wichtig, viel zu trinken, um die Bakterien aus der Blase zu spülen. Vorbeugend sollten Senioren auf eine gute Intimhygiene achten, regelmäßige Toilettengänge einhalten und Reizstoffe vermeiden. Inkontinente Senioren sollten besonders sorgfältig auf Hygiene und den regelmäßigen Wechsel von Inkontinenzprodukten achten.

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Delir als Komplikation

Ein Delir, ein akuter Verwirrtheitszustand, kann ebenfalls im Zusammenhang mit Blasenentzündungen und Demenz auftreten. Insbesondere bei älteren Menschen können Harnwegsinfekte ein Delir auslösen. Prädisponierende Risikofaktoren für ein Delir sind hohes Lebensalter, bestehende Demenz, sensorische Defizite, Multimorbidität und Polypharmazie.

Symptome eines Delirs:

  • Akuter Beginn mit Entwicklung über meist wenige Stunden
  • Fluktuierender Verlauf mit Verschlechterung in den späten Nachmittags- und Abendstunden (Sun-Downing)
  • Störungen der Kognition
  • Psychomotorische Unruhe oder Bewegungsarmut
  • Halluzinationen
  • Desorientierung

Umgang mit Inkontinenz bei Demenz

Der Umgang mit Inkontinenz bei Demenz erfordert viel Geduld, Verständnis und Kraft von den Angehörigen. Es ist wichtig zu bedenken, dass die Betroffenen Schmerz, Scham, Verzweiflung, Angst, Wut und Trauer empfinden können.

Praktische Tipps:

  • Orientierungshilfen schaffen: Die Badtür offen lassen, Schilder an der Tür anbringen, den Weg zur Toilette gut ausleuchten.
  • Toilettenzeiten trainieren: Den Angehörigen zu bestimmten Zeiten zur Toilette begleiten oder ihn daran erinnern, selbstständig zu gehen.
  • Geeignete Kleidung wählen: Schlupfhosen oder Kleidung mit Klett- oder Reißverschluss verwenden.
  • Für Sicherheit sorgen: Unebenheiten und Stolperfallen beseitigen, Haltegriffe anbringen, gegebenenfalls einen Rollator verwenden.
  • Harntreibende Getränke vermeiden: Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten, aber harntreibende Getränke einschränken.
  • Medikamente überprüfen: Mit dem Arzt sprechen, ob die verabreichten Medikamente Inkontinenz auslösen oder verstärken können.
  • Toilette anpassen: Eine erhöhte Toilette oder eine Toilettensitzerhöhung kann das Hinsetzen und Aufstehen erleichtern. Ein farbiger Toilettensitz kann die Erkennbarkeit verbessern.

Unterstützung für pflegende Angehörige

Pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz und Inkontinenz benötigen Unterstützung. Es ist wichtig, sich Auszeiten zu nehmen und Hilfe von Familie, Freunden oder professionellen Diensten in Anspruch zu nehmen. Es gibt spezielle Online-Kurse und Informationsplattformen für pflegende Angehörige von Demenzerkrankten.

Anticholinergika und Demenzrisiko

Anticholinergika sind Medikamente, die den Neurotransmitter Acetylcholin blockieren. Einige Antidepressiva und Blasenmedikamente gehören zu dieser Gruppe. Studien haben gezeigt, dass Anticholinergika bei älteren Menschen die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen und möglicherweise das Demenzrisiko erhöhen können. Daher sollten Ärzte Anticholinergika nur dann verordnen, wenn es keine Alternative gibt. Patienten sollten die Beipackzettel lesen und die Einnahme mit ihrem Arzt besprechen.

Belastende Beschwerden am Lebensende

Menschen mit fortgeschrittener Demenz können am Lebensende verschiedene belastende Beschwerden haben, darunter Schmerzen, Luftnot, Unruhe und Angst. Es ist wichtig, diese Beschwerden zu erkennen und zu lindern.

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  • Schmerzen: Schmerzen treten häufig auf und können durch Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Zahnschmerzen, Harnblasenentzündungen oder Verstopfung verursacht werden. Die Einschätzung und Behandlung von Schmerzen bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz sind schwierig, aber es gibt Hilfen zur Einschätzung von möglichen Schmerzen, sogenannte Skalen.
  • Luftnot: Luftnot kann sehr belastend und ängstigend sein. Ursachen können Infektionen der Lunge, Blutarmut oder weitere Erkrankungen sein. Die Behandlung der Ursache ist nicht immer möglich, aber die Schwere der Luftnot kann meist gemildert werden.
  • Unruhe und Angst: Unruhe kann ein Zeichen für Schmerzen sein oder durch Angst ausgelöst werden. Die engmaschige Begleitung durch vertraute Personen, Berührungen und Massagen oder auch Musik können sehr beruhigend wirken.
  • Akute Verwirrtheit: Unter einer Demenz kann es neben den Zeichen der Erkrankung zu einer akuten Verwirrtheit kommen. Diese entsteht meist plötzlich und klingt wieder ab. Auch hier können Schmerzen die Ursache sein.

Sterbeorte und Todesursachen

Die meisten Menschen mit Demenz werden zu Hause von den Angehörigen betreut und haben den Wunsch, auch dort zu sterben. Mit Fortschreiten der Erkrankung wird häufiger eine Pflegeeinrichtung das neue zu Hause. Menschen mit fortgeschrittener Demenz versterben an unterschiedlichen Ursachen, meist jedoch an den Folgen oder Komplikationen der Demenz, wie beispielsweise einer Lungenentzündung.

Die letzte Lebensphase und Sterbephase

In den letzten Lebensmonaten kommt es bei Menschen mit Demenz meist zu einer starken Verschlechterung des Zustandes und zunehmenden Einschränkungen. Oft haben die Betroffenen häufige Infekte, die sie weiter schwächen. Sie sind zunehmend abhängig von der Unterstützung anderer. In der Sterbephase können sich das Bewusstsein verändern, der Herzschlag kann sich erhöhen und der Blutdruck absinken. Die Betroffenen können eine blasse oder wächserne Hautfarbe entwickeln. Die Atmung kann sich verändern und es kann zu einer Rasselatmung kommen.

Nach dem Tod und Trauerphase

Nach dem Tod muss eine Ärztin oder ein Arzt den Tod bestätigen sowie den Totenschein ausfüllen. Nach dem Tod kann die oder der Verstorbene aufgebahrt werden und die Nahestehenden haben Zeit sich zu verabschieden. Der Tod einer oder eines Nahestehenden ist mit tiefen Emotionen verbunden. Hinterbliebene müssen nicht allein mit ihrer Trauer bleiben, vielen hilft es sich mit anderen darüber auszutauschen. Hospizdienste bieten Unterstützung in dieser Lebensphase an.

Urologische Aspekte

Die normale Blasenfunktion umfasst die Füllungsphase und die Entleerung der Blase. Steuerungsfunktionen befinden sich auf allen Ebenen des vegetativen Nervensystems. Störungen der Blasenentleerung (Miktion) können auf verschiedenen Ebenen des Nervensystems verursacht werden. Je nach Erkrankung kann die Impulsübertragung der Nerven der Blase und des Schließmuskels, aber auch die Funktion der Schaltstellen im Rückenmark, Hirnstamm oder Großhirn geschädigt sein. Im Rahmen der urologischen Untersuchung werden zunächst anderweitige Ursachen wie Hindernisse oder Engen der Harnwege ausgeschlossen. Zur genauen Beurteilung einer Blasenstörung ist außerdem hilfreich, wenn über einen Beobachtungszeitraum von einigen Tagen die Häufigkeit der Harnblasenentleerungen, nächtliche Toilettengänge und Probleme beim Wasserlassen wie beispielsweise verzögertes Wasserlassen, Schmerzen beim Wasserlassen und auch die Häufigkeit der täglichen Blasenentleerungen notiert wurden. Um eine neurogene bzw. neurologische Ursache der Blasenstörung nachzuweisen, sind spezialisierte Untersuchungen erforderlich. Hierfür arbeiten wir eng mit neurourologischen Fachärzten zusammen. Eine sehr hilreiche Untersuchung der Blasenfunktion ist die Video-Urodynamik. Die urodynamische Untersuchung ermöglicht es, die genannten Formen neurogener Blasenstörungen zu differenzieren. Die Behandlungsplanung neurologischer Blasenstörungen geschieht in Abstimmung zwischen neurologischen und urologischen Fachärzten. Zunächst werden nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Dazu gehörten das Blasentraining und die Trinkmengenplanung für den Tagesverlauf. Sollten Medikamente zur Verbesserung der Blasenfunktion erforderlich sein, so werden diese unter sorgfältiger Abwägung und Vermeiden von Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ausgewählt.

Die Prostata und ihre Rolle

Die Vorsteherdrüse oder Prostata ist Teil des männlichen Uro-Genitaltraktes. Sie umschließt den oberen Teil der Harnröhre. Die Hauptaufgabe der Prostata besteht in der Produktion einer Flüssigkeit (Sekret), die als Transportmittel für die Samenzellen erforderlich ist. Etwa ab dem 50. Lebensjahr beginnt sich die Prostata bei den meisten Männern zu vergrößern. Durch die langsam zunehmende Vergrößerung der Drüse wird nun der prostatische Anteil der Harnröhre direkt unter der Blasenöffnung mehr und mehr eingeengt (= Obstruktion), was dann zu Problemen beim Wasserlassen und den typischen Beschwerden einer BPH führt. Im fortgeschrittenen Stadium kann sich der Urin bis in die Nieren stauen. Die Behandlungsmöglichkeiten bei der Überlaufinkontinenz durch eine gutartige Prostatavergrößerung (BPH) sind begrenzt. Aber selbst leichte Beschwerden sollten durch den Arzt abgeklärt werden, um Komplikationen vorzubeugen.

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